Zwei Tagungen zu "places of public life" und "Konzepte der Moderne"

Theoriebildung über Landschaft

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Fachtagungen und Kongresse
Die „Festwiese“ (der Prato della Fiera) in Treviso, deren unwürdiger Zustand die Benetton-Stiftung im Jahr 2016 zum Anlass eines studentischen Ideen-Workshops machte. Dieser gab Anstoß zur Planung der diesjährigen Tagung „Prati/commons“. Foto: Francesco Russo

Tagungen, die sich ausschließlich Themen aus dem Bereich Landschaftsarchitektur widmen, sind relativ selten. Im Februar fanden gleich zwei statt: "Prati/commons: Places of public life in the urban landscape" am 16./17.02. in Treviso und "Landschaft - die Konzepte der Moderne und die aktuelle Praxis" am 25.02. in Karlsruhe.

Die Fondazione Benetton Studi Ricerche ist bereits seit vielen Jahren mit einem Schwerpunkt im Bereich Gartenkultur aktiv. Ein 2016 durch die Stiftung organisierter Workshop in Treviso führte zu der Idee, das Thema der "Prati/commons" am 16. und 17. Februar in größerem Forum zu diskutieren. "Prato, pré, prado, green, common …", dies sind Ausdrücke in verschiedenen europäischen Sprachen für meist weitläufige, ungeplante aber multifunktionale öffentliche Orte, vergleichbar mit unserer "Allmende" oder "Wiesn". Einen Raum als Allgemeingut also im Sinne der res communis, der allen Gesellschaftsmitgliedern zugänglichen natürlichen Ressourcen wie Wasser und Luft. Bekannte Orte und Gebäude in verschiedenen europäischen Ländern wie der Pariser Saint-Germain-des-Prés oder der Madrider Prado erinnern noch heute an solche historischen Wiesen vor den Mauern der Stadt. Organisiert und moderiert wurde die in Sessions gegliederte Treviser Tagung von Teresa Andresen (Universität Porto), Luigi Latini (Iuav Universität Venedig), Monique Mosser (Versailles/Paris, CNRS, ICOMOS), und Simonetta Zanon von der Benetton-Stiftung. Die Teilnahme war frei und auch die Lokalbevölkerung und -politik war im Publikum vertreten. Die mehrheitlich auf Italienisch gehaltenen Beiträge waren thematisch wie methodisch gemischt, von bildreichen Projektdokumentationen und einer Werkschau (Jeppe Aargard Andersen, The Oslo School of Architecture and Design) bis zu rein theoretischen Abhandlungen.

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Ein klar umrissenes Tagungsthema blieb zunächst im Nebel der mäandernden Einleitungsvorträge verborgen, was zum einen damit zu erklären ist, dass einem eher pragmatischen Nordeuropäer der ausschweifende Stil der französischen wie der italienischen Redekultur fremd ist. Zum anderen mag es auch an der Offenheit der Fragestellung gelegen haben. Während Prato, als Ortsname groß geschrieben, ein kulturell geprägter Begriff ist, lässt sich prato wörtlich mit "Wiese" übersetzen. Dementsprechend beschäftigten sich einige Vorträge tatsächlich rein botanisch-gärtnerisch mit dem Thema. Meist handelt es sich bei einem Prato aber um einen vegetationslosen Fest- und Marktplatz - das zeigte eindrucksvoll Franco Panzinis kaleidoskopischer stadthistorischer Beitrag. Noch heute verweisen in verschiedenen italienischen Städten die entsprechend bezeichneten Stadttore, die Porte di Prato, auf diese bereits im Mittelalter entstandenen, urban geprägten Knotenpunkte am Rande der Altstadt.

Die gesamtgesellschaftliche Funktion der Prati/commons betonte vor allem der Pariser Philosoph und Geograph Jean Marc Besse, der auch auf die Aktualität des Themas hinsichtlich einer domaine publique verwies, die ausgehandelter Regeln und Abmachungen bedarf, um tatsächlich öffentliches Gut sein zu können. Daneben sei die Nicht-Exklusivität ein Schlüsselaspekt solcher Orte und essentiell für die Erlebbarkeit der physischen Welt. Landschaft als Allgemeingut müsse nicht zuletzt im Interesse von Aspekten wie Erinnerung und Identifikation auch als Ressource für die Zukunft betrachtet und geschützt werden.

Ähnlich sozial, dabei aber konkret an Landschaftsarchitektur ausgerichtet war der Vortrag des Münchener Professors Udo Weilacher, der als Einziger mit einer Fragestellung begann und die These Willem van Bodegravens von 1952 als Ausgangspunkt nahm: Dass im urbanen Raum flexible Strukturen nötig sind, die sich mit der Zeit entwickeln, ohne je den inneren Zusammenhang ihrer Bestandteile zu verlieren. Strukturalismus, jedoch nicht formal gesehen; der Prato/common ist für Weilacher vor allem ein sozialer, durch menschliche Aktivität charakterisierter Ort, was er am Beispiel des Züricher Sechseläutenplatzes darlegte, der mit wenigen Entwurfselementen und durchdachter Funktionalität größtmögliche Lebendigkeit und Nutzungsvielfalt ermöglicht. Wichtiger Aspekt dieses rasenfreien Prato sei die neu geschaffene Atmosphäre - Weilachers Bilder offener (aber menschenbelebter) Steinflächen bargen durchaus Provokations-Potenzial.

Im Gegensatz hierzu standen die vegetationswissenschaftlichen Beiträge, wozu wozu beispielsweise auch eine ziellos moderierte Buchvorstellung über die Anlage von Blumenwiesen gehörte. Auch der Pflanzenverwendungs-Spezialist Norbert Kühn, TU Berlin, referierte über ein Vegetationsthema. Er zeigte Problemstellungen aus der Praxis der Inwertsetzung urbaner Spontannatur, wobei er einige Widersprüchlichkeiten der jüngsten Stadtnatursehnsucht in der Landschaftsarchitektur entlarvte: Die Highline beispielsweise sei eine durch und durch künstlich bedingte Pflanzfläche, die in all ihrer formalistischen Verzahnung von Belag und Pflanze auch den letzten Rest der so bewunderten Spontanvegetation ausgeräumt habe. Die Pflege, die auch eine gebändigte städtische Wildnis benötigt, um als Freiraum, Identifikationsort und Wunschbild zu funktionieren, werde grundsätzlich unterschätzt.

Eine ganz andere Perspektive bot Alessandra Ponte, die mit Verve über den quasi-religiös verehrten "suburban lawn" der Amerikanischen Einfamilienhausvorstädte als unterbewusstes nationales Symbol referierte - Vorgartenrasen betrachtet als komprimierte Prärie. Mit aus dem Tagungsprogramm hervorstechender Fantasie verwob die Montrealer Professorin unterschiedlichste Bilder und Zeiten miteinander und wies so weit über ihr angekündigtes Titelthema hinaus, was die Potenziale einer modernen kunstwissenschaftlichen Methodik in Anwendung auf die Landschaftsarchitektur deutlich werden lies. Aus Pontes Perspektive erscheint der an sich private lawn tatsächlich als eine ganz eigene Art ästhetisches Allgemeingut im gesellschaftlichen Bewusstsein, radikal reglementiert durch Rituale.

Unter den restlichen Vorträgen aus deutscher Sicht bemerkenswert war ein Bericht aus der Trentiner Grünflächenverwaltung, in der ein fast schon skurril artifiziellen Spielplatz in einem italienischen Privatgarten mit Kunstrasen und Fallschutzvorrichtungen einen deutschen gegenüber gestellt wurde, der mit Kletterstämmen, offenem Erdboden und Spontanvegetation einen vorbildlich bewerteten "teutonischen" Sinn für das Wilde repräsentierte. Diese Vorstellung von zwei Volks-Mentalitäten, die in der italienischen Region Trentino-Südtirol sichtbar aufeinander träfen, rief ungewollt deutsche Rassentheorien des frühen 20. Jahrhunderts vom überlegenen nordischen Natursinn ins Gedächtnis. Schließlich konnte noch ein engagierter Erfahrungsbericht des Architekten Raul Pantaleo aus Süditalien inspirieren, weil er ganz konkret anhand sozialer Projekte zur Aneignung von Stadtbrachen die politische Dimension der commons illustrierte.

Eine die gesamte Tagung verbindende Fragestellung wurde im Laufe der zwei Tage höchstens peu à peu verteilt über die unterschiedlichsten Vorträge etwas klarer. Schwierigkeiten aufeinander Bezug zu nehmen, waren auch sprachlich begründet. Speziell bei der Diskussion von Vegetationstypen sorgte für ein Durcheinander, dass prato von den ansonsten recht versierten Simultanübersetzerinnen wahlweise mit lawn (Rasen) oder mit meadow (Wiese), und bei englischen Präsentationen beides ohne Unterscheidung mit dem italienischen prato übersetzt wurde. Tatsächlich wurden die verschiedenen Erscheinungsformen von Grasflächen, die unterschiedlichen Qualitäten von Magerrasen, Wildwiesen, gärtnerisch angereicherte Wiesen oder intensiv gepflegten Parkrasen, als Entwurfselemente kaum differenziert. Stattdessen war zwischen den Zeilen oft eine Kritik des domestizierten Grüns zu vernehmen. Klassischer Rasen wurde indirekt zum Feindbild, Negativ einer wilden, "schönen Natur". Unterm Strich ließ sich nicht genug inhaltlicher Gewinn aus der Tagung ziehen, der die Reise nach Treviso lohnenswert gemacht hätte. Die hier ausgewählten, zusammengefassten Vorträge jedoch, die sich durch Stringenz der Argumente hervorhoben, verliehen der Tagung "Prati/ commons" Tiefgang.

14. Karlsruher Tagung: "LANDSCHAFT -die Konzepte der Moderne und die aktuelle Praxis"

Das zweite Symposium fand am 25. Februar in der Reihe der "Karlsruher Tagung" statt. Diese Veranstaltung zur Architektur der Moderne wird seit 2004 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vom Lehrgebiet Architektur und Mobiliar (Alex Dill) in Kooperation mit der angesehenen docomomo-Stiftung ausgerichtet, die sich auf ehrenamtlicher Basis dem Erhalt von Denkmalen der architektonischen Moderne widmet. Mitorganisator war dieses Jahr der Karlsruher Lehrstuhl des französischen Landschaftsarchitekten Henri Bava. Kritikpunkte wie organisatorische Schwächen und die ungewöhnlich hohen Tagungsgebühr von 100 Euro (ohne Exkursion) wären kaum ins Gewicht gefallen, hätte nicht auch eine Einführung in das Thema komplett gefehlt. Stattdessen ergriff Dill zur Begrüßung das Wort und bat zunächst für die Abwesenheit des ersten Redners Henri Bava um Entschuldigung, um sich dann in knappen Worten auf die denkmalpflegerische Diskussion von Martin Elsaessers Frankfurter Markthalle (1928) zu beschränken. Von "Landschaft" keine Spur. Die weit gefasste offizielle Fragestellung der Konferenz blieb aber nicht auf dem diffusen Niveau der Pressemeldung, sondern wurde im Laufe der ersten drei Vorträge so gut wie ignoriert, was mit daran liegen mag, dass man wie schon in Treviso den Referentinnen und Referenten im Vorfeld keine klare Fragestellung hatte zukommen lassen.

Den eigentlichen Auftakt machten dann ungeplant die Franko-Berliner von Le Balto. Zwei der drei Partner, Marc Pouzol und Veronique Faucheur, stellten mit charmanter Gelassenheit einige ihrer Projekte vor. Für die Dauer des Vortrages wurde der zweite Teil des Konferenz-Mottos greifbarer - "die aktuelle Praxis" - und zwar als Ausdruck der gesellschaftlichen Renaissance des Gärtnerns und des Machens im Allgemeinen. Mit ihren oft kurzlebigen, in wechselnden Kollektiven erstellten Gärten und Installationen werden Le Balto von Teilen der Landschaftsarchitektur-Szene als "temporäre Gärtner" belächelt. Pläne erstellt das Team meist erst nach Abschluss der Bauarbeiten, "denn dann stimmen die" (Pouzol). Ihre Bilder jedoch zeigten Arbeiten von sozialer Bedeutsamkeit und ästhetischer Überzeugungskraft, die klassische temporäre Gärten zunächst nicht vermuten lassen.

Der zweite Beitrag war ebenfalls eine Werkschau. Der Leiter des deutschen Büros von west 8, Christoph Elsässer, vermittelte aber mit bekannten und vielfach publizierten Projekten wie Borneo Spoorenburg und Madrid Rio kaum neue Einsichten und provozierte erste Blicke in das ausgelegte Faltblatt auf der Suche nach dem Thema des Tages.

Als auch der dritte Vortrag sich als eine weitere Werkschau entpuppte, wuchsen die Zweifel: der inzwischen eingetroffene Gastgeber Tagung, Bava, begann in rudimentärem Deutsch mit einer diffusen These von dem alles zusammenfassenden Erdboden als Gemeinsamkeiten zwischen Le Corbusier und Le Nôtre um dann unvermittelt zu einer überlangen aber bildmächtige Schau umfangreicher Projekte im urbanen Bereich zu wechseln. Diese schienen einen Wiedereinzug von sinnlich erfahrbarer "Natur" in die Stadt nahezulegen. Also auch hier: wenn überhaupt, dann eher "aktuelle Praxis" als "die Konzepte der Moderne". Wie im Fall von west 8, deren Mitgründer Adriaan Geuze stets seinen Background als Ingenieur und die erdbauliche Tradition der Niederländer allgemein betonte, sollte neben dem bewussten Einsatz von Technik wohl die Berücksichtigung einer neuen Humanität als Quintessenz der Landschaftsarchitektur von Bavas Büro Agence Ter vermittelt werden. Projekte von west 8 wie die Toronto Waterfront sind zwar bis ins Detail abhängig von komplexen High-tech-Lösungen - von den CAD-Modellen über die Integration technischer Infrastrukturen bis hin zu Hilfsmitteln für pflegeintensive Pflanzungen.

Sie überzeugen im Ergebnis aber zumindest mit ihrer Ausrichtung auf die Wünsche und Anforderungen der Nutzer. Was fehlt ist wohl die kritische Reflexion dieses technischen Aufwandes durch die Bürgerinnen und Bürgern. Ihnen kann die Künstlichkeit solcher Landschaften niemals in vollem Umfang bewusst werden.

Hierauf bezog sich die wichtigste Botschaft der Münchener Landschaftsarchitektin und Professorin Regine Keller, die die sogenannte Renaturierung der Isar für genau diese Art unreflektierter Mimesis kritisierte. Beim Wettbewerb hatte die Sehnsucht der Münchenerinnen und Münchener nach einem konventionellen Naturbild dazu geführt, dass das beauftragte Team der Landschaftsarchitektin Irene Burkhardt den zu wenig naturalistischen Entwurf überarbeiten musste und ein Flussbett herstellte, das mit Hilfe aufwendiger Hilfsmittel eine Naturlandschaft vorgaukelt. Bis hin zur Bodenverankerung einzelner Flusssteine ist diese technisch bedingt. Hier tauchte also die Frage nach der Sensibilisierung der Bürger für Naturbilder und Authentizität auf. München, so Keller in ihrem historischen Überblick, habe keine bedeutenden öffentlichen Freiflächen der klassischen Moderne zu bieten, und sie war die erste Rednerin, die ansatzweise eine Diskussion über den Modernebegriff versuchte. Die Borstei, ein konservatives Gegenprojekt zu den Modell-Siedlungen des Neuen Bauens aus den späten 1920er-Jahren, sei mit ihrer Orientierung an englischen Modellen durchaus modern geprägt. Die Zwiespältigkeit des Begriffes im Hinblick auf biografische Prägungen deutete sich an: Der verantwortliche Gartenarchitekt Alwin Seifert wurde zu einem der einflussreichsten Fachvertreter im "Dritten Reich". Anhand spät- und postmoderner Projekte wie dem Olympiapark oder dem Westpark führte Keller durch das 20. Jahrhundert - ein Ansatz, den die nachfolgende Referentin dankbar aufgriff.

Leonie Glabau, die Vertreterin der institutionellen Berliner Gartendenkmalpflege, reagierte auf Kellers in den Raum gestellte Frage mit einem klaren: Ja, es gebe aus ihrer Sicht unbedingt eine Postmoderne der Landschaftsarchitektur, und deren Werke tauchten nun vermehrt in den Inventarlisten auf. Hierzu zähle sie vor allem während der IBA '87 entstandene Projekte wie die in Berlin legendäre, durch das Atelier Loidl gestaltete Pflanzenkläranlage des Öko-Wohnbauprojektes "Block 6" in Kreuzberg - als Gartendenkmal einmalig. Eine für Nicht-Fachhistoriker wichtige Erkenntnis ihres Beitrags war die bemerkenswerte Gleichzeitigkeit von Übereinstimmung und Unterschiedlichkeit zwischen Ost- und Westberliner Objekten der Nachkriegsjahrzehnte in verschiedenen Kategorien: Der Kontrast im Bereich repräsentativer Freiflächen - beispielsweise die fließende Landschaft des Hansaviertels und der Formalismus der Karl-Marx-Allee - steht auffälligen Gemeinsamkeiten bei den kleineren Quartierparks gegenüber - mit einer detailverliebten Orientiertheit am menschlichen Maßstab, an Spiel und Intimität. Ergänzend und ebenso ausführlich veranschaulichte Klaus Lingenauber, Stellvertretender Leiter des Fachbereichs Gartendenkmalpflege und Archäologie, die technische Seite des Denkmalschutzes und den Arbeits- und Ressourcenaufwand - bis hin zur schwierigen Betonsanierung -, den der angestrebte Erhalt der Authentizität ausgewählter Objekte hat. Solchem Engagement eines streitbaren Denkmalpflegers wie Lingenauber wird seitens der Landschaftsarchitektur leider selten Verständnis entgegen gebracht.

Nach einem faszinierenden Einblick in die stark medien- und digital-modelling-basierte Lehre des Lehrstuhls von Christoph Girot an der ETH Zürich von Pia Fricke folgte der einzige Beitrag, der den Moderne-Begriff konsequent reflektierte: Ulrike Gawlik (KIT) präsentierte einen absolut druckreifen zweiteiligen Essay über das Ventennio (die 20-jährige Herrschaft Mussolinis), der das Leitbild der Romanità bei den Arbeiten des Gartenarchitekten Raffaele De Vico in Rom mit dem Leitbild der Italianità bei der Trockenlegung der Pontischen Sümpfe ins Verhältnis setze und den modernistischen Aspekt totalitärer Herrschaftssysteme im Bereich der Technik herausstellte.

Die zwei letzten Beiträge beschäftigten sich auf sehr unterschiedliche Weise mit der rumänischen Hauptstadt. Der Bukarester Professor für Stadtplanung Tiberiu Florescu stellte ausführlich den durch ihn konzipierten Masterplan und die Schwierigkeiten seiner stark Bürger-orientierten Methode der Durchsetzung vor. Zuvor hatte bereits Ellen Fetzer (Tübingen) in die Arbeit des Stadtplaners Cincinat Sfint¸escu (1887-1955) und die Entstehungsgeschichte des modernen Bukarest der Zwischenkriegszeit eingeführt. Die Bedingtheit dieser Stadt durch gigantische wasserbauliche Maßnahmen wurde eindrucksvoll deutlich, einschließlich der Anlage einer artifiziellen Seenkette in pittoresker Tradition - womit die Frage der Authentizität von urbanem Naturerleben in die Tagung zurück kehrte.

Ein Fazit gestaltete sich angesichts der Bandbreite der Beiträge schwierig - Matthias Böttger vom DAZ (Deutsches Architekturzentrum, Berlin) war mit der undankbaren Aufgabe betraut worden, eine abschließende Diskussion zu moderieren. Wie in Treviso blieb auch in Karlsruhe der größte Schwachpunkt bis zum Schluss spürbar: Es fehlten im Vorfeld aufeinander abgestimmte Fragestellungen sowie eine sachlich strukturierte Überblicksdarstellung zu Beginn, die versucht hätte, Begrifflichkeiten zu klären. Besonders irritierte, dass kaum einschlägige Fachhistorikerinnen und -historiker für das Thema Landschaftsarchitektur der Moderne eingeladen waren und die unterschiedlichen Schlüsselpositionen des 20. Jahrhunderts keinerlei Erwähnung fanden. Dies erzeugte ein Vakuum, das auf einer Architektur-Tagung wohl undenkbar gewesen wäre. Methodisch am anspruchsvollsten war mit Abstand der kunsthistorische Beitrag Gawliks, deren Argumentation sich am Puls geschichtlicher Forschung bewegte. Im Kontrast dazu wurde deutlich, dass Theoriebildung und Diskurs von vielen Landschaftsarchitekten geradezu gemieden werden. Neben historischen Fragen wurde aber auch die Rolle aktueller kultureller Themen wie Metamodernismus oder Anthropozän ignoriert. Einen Denkanstoß die Zukunft betreffend bot lediglich Frickes Bericht aus der Züricher Lehre - schließlich wird in den letzten Jahren immer deutlicher, wie stark digitale Tools aktuelle Erscheinungsformen von Landschaftsarchitektur und auch Lösungsansätze bedingen. Auch die Suche nach sinnlicher Naturerfahrung, von der ein Großteil der urbanen Landschaftsarchitektur der letzten Jahre geprägt ist, wurde höchstens andeutungsweise diskutiert. Gleichzeitig repräsentiert ein Teil der in Werkschauen gezeigten einflussreichen Projekte eine Technik- und Design-orientierte Haltung, die sich von der kritisierten "Moderne" strukturell nicht grundlegend zu unterscheiden scheint. Abschließend bleibt zu vermerken, dass die oft beklagte mangelnde Anerkennung der Disziplin im akademischen Umfeld auch hausgemacht ist. Trotz grundsätzlich inspirierender Beiträgen verschlossen sich zu viele der Rednerinnen und Redner in Karlsruhe sowohl den zentralen Fragen nach den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen an die Profession wie auch einer ernstzunehmenden Auseinandersetzung mit Geschichte. Die Historiographie der Landschaftsarchitektur zeigte sich wieder einmal als ein Feld mit viel Nachholbedarf. Positiv ausgedrückt: es bleibt viel Diskussionsstoff für zukünftige Landschaftstagungen

Vielen Dank an die in Bildunterschriften genannten Autoren für die zur Verfügung gestellten Abbildungen.

Anmerkungen

Ein Video-Mitschnitt der Tagung der Fondazione Benetton Studi Ricerche ist auf Vimeo zu finden: vimeo.com/fondazionebenetton

Siehe auch: www.fbsr.it/en/landscape/international-landscape-study-days/prati-commons/

Zur Karlsruher Tagung siehe: www.arch.kit.edu/aktuelles/karlsruher_tagung.php

Dr. Lars Hopstock
Autor

Landschaftsarchitekt, Akademischer Mitarbeiter BTU Cottbus-Senftenberg

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