Ein Arbeitsbericht aus Rumänien

Tropische Wandbegrünung für den Zoo von Brasov

von: , ,
Bauwerksbegrünung
Die grüne Wand im Zoo von Bra?ov im Mai 2015. Foto: Rares Nistor

Seit mehreren Jahren beschäftigt sich unser Team an der Hochschule Neubrandenburg mit der Bauwerksbegrünung. Initiator dieser Bewegung an der Hochschule ist Prof. Dr. Manfred Köhler. Er veranlasste den Bau von rund 2000 Quadratmetern Dachbegrünung auf verschiedenen Hochschuldächern mit einer Vielzahl an Messtechnik zur Ermittlung der Energie- und Wasserbilanz von verschiedenen Dacheindeckungen. Während ihres Studiums entwickelten Nistor Rares in Rumänien und Daniel Kaiser in Neubrandenburg ziemlich zeitgleich ihre Leidenschaft für begrünte Bauwerke. Im Laufe seines Studiums absolvierte Nistor ein Praxissemester bei Prof. Köhler. Daniel Kaiser war damals studentische Hilfskraft und führte erste Versuche zur fassadengebundenen Begrünung durch. Zusammen arbeiteten und forschten sie über die Möglichkeiten und Herausforderungen der sogenannten Living Walls. Die ersten Versuche fanden ausschließlich im Außenraum statt. Später versuchten sie sich auch am Innenraum. Sie waren beeindruckt von den Möglichkeiten der vertikalen Innenraumbegrünung. Die Pflanzenauswahl im Außenbereich liegt in unseren Breiten bei etwa 20 "Gewinner"-Pflanzen, im Innenraum kann auf eine größere Pflanzenauswahl zurückgegriffen werden. Innerhalb von wenigen Wochen ließen sich Versuchswände begrünen (vgl. Neue Landschaft, Heft 2, 2014).

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner Grünpflege (m/w/d) Darmstadt, Darmstadt  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Bauwerksbegrünung
Ansichtsplan der Living Wall. Grafik: Rares Nistor

Auftrag und Entwurf: Ein tropischer Garten in Bra?ov? Warum nicht?

Nistor Rares' früherer Arbeitgeber Exotic Vision SRL verfolgte den Werdegang von Rares und unserer, sich in der Gründung befindenden Firma UrbanGreenConsulting, UGC. Die Idee der Firma ist es, Wissen im Bereich der Bauwerksbegrünung weiterzugeben und bei Planungen und Vorhaben mit Rat und Tat auszuhelfen. Für den Zoo von Bra?ov bat Exotic Vision SRL um unsere Expertise.

Unser Auftrag im Zoo von Bra?ov war es, eine räumliche Abtrennung zwischen dem Gartenbereich und den dahinterliegenden Terrarien zu schaffen. Für den Gartenbereich waren rund 60 Quadratmeter vorhanden. Um das einfallende Sonnenlicht bestmöglich zu nutzen und eine tropische Atmosphäre zu schaffen, sollte eine grüne Wand installiert werden, die dem tropischen Garten einen Hintergrund bietet und selbst Teil des Gartens und des Wasserfalls wird. Von den ursprünglichen etwa 45 x 2,40 Meter sind letztlich 40 x 2 Meter übriggeblieben. Vor der Living Wall sollte ein tropischer Garten mit höheren Gehölzen und Stauden entstehen, an dem die Besucher vorbeigeführt werden. Ziel war es außerdem, einen Wasserfall mit Wasserlauf sowie verschiedene Epiphyten auf abgestorbenen Ästen und Bäumen zu integrieren.

Reise

Der ursprüngliche Bauablaufplan beinhaltete ein rechtzeitiges Eintreffen der benötigten Teile und Materialien und einen entspannten Flug von Berlin nach Bukarest. Leider wurde dieser Plan durch den eher spontanen Baubeginn durchkreuzt. Der Steuerungsschrank für die Bewässerungstechnik hätte das Ziel nicht zum geplanten Einbautermin erreicht. Da dieser Schrank das Herzstück der Anlage bildet, entschied sich Daniel Kaiser die Abholung und den Transport persönlich zu übernehmen. So begann unsere zweitägige Reise am 6. Februar in Neubrandenburg.

Die erste Station war der Betriebshof der Firma EcoGreen bei Frankfurt am Main. Während der Reise nutzten wir mehrmals die Gelegenheit für fachorientierte Zwischenhalte, um die Tour durch halb Europa nicht zur reinen Transportfahrt verkommen zu lassen. Nach zwei Tagen überquerten wir die Grenze Rumäniens bei Oradea, um über die Cluj-Napoca und Târgu Mure? die Stadt Bra?ovzu erreichen.

Bauwerksbegrünung
Der geänderte Plan wird auf die Wand gebracht. Foto: Rares Nistor
Bauwerksbegrünung
Mit Vlies und Kies gefüllte "Drainagezylinder". Foto: Rares Nistor
Bauwerksbegrünung
Das neu gebaute Tropenhaus im Zoo von Bra?ov. Foto: Rares Nistor

Baubeginn

Die Reise endete am 8. Februar um 22.00 Uhr auf der Baustelle des Zoos von Bra?ov. Nistor Rares und seine drei Kollegen waren noch bei der Arbeit. Die Vorbereitungen für die Terrarien und den zukünftigen Garten waren in vollem Gange. Die Wandkonstruktion für die Begrünung war fertig gestellt und die Pflanzen für Garten und Wand am Nachmittag eingetroffen. Nach der Begrüßung prüften wir die Qualität der Pflanzen, besprachen den Bautenstand und den Ablauf des nächsten Tages. Die Kollegen sprachen alle ein ausgezeichnetes Englisch, was die Kommunikation für die nächsten Tage, auch ohne Dolmetscher, erleichterte.

Zu unserer Überraschung war bei der Pflanzenlieferung eine große Abweichung von der Bestellung festzustellen. Einige Positionen waren gar nicht, andere in falscher Menge geliefert worden. Beim ersten in Augenscheinnehmen der Pflanzen wurde klar, dass durch die nicht zu ergänzenden Ausfälle, Änderungen des ursprünglichen Bepflanzungsplans unausweichlich waren. Zusätzlich ergaben sich noch einige andere Startschwierigkeiten, die wir in den nächsten Tagen bewältigen mussten. Verschiedene Gewerke hatten ihre Arbeiten an dem Neubau des Tropenhauses noch nicht abgeschlossen. Trockenbauer, Elektriker und Maler sorgten vielfach für erschwerte Bedingungen oder Einschränkungen. Die Liefertermine für weitere Pflanzen, Materialien oder notwendige Kleinteile waren oft unklar. Unterschiedliche Vorstellungen zur Gestaltung von Wand und Garten mussten mit den drei rumänischen Kollegen von Nistor Rares abgesprochen werden. Ihre Erfahrung im Terrariumbau beeindruckte uns und half unseren Blick auf Gestaltungsansprüche in Zoos zu schärfen. Der tropische Garten vor der Wand wurde in der arbeitsreichen Woche sowohl für die Planung als auch für die Ausführung ein schwer zu kalkulierender Zusatzauftrag. Alles in Allem: Ein typischer Baubeginn für das letzte Gewerk am Bau, mit typischen Herausforderungen, denen wir uns durch die Zusammenarbeit mit guten Kollegen gerne stellten.

Bauablauf: Improvisation als Konzept

Eine der aufwendigeren Aufgaben war das kurzfristige Umstellen des Bepflanzungsplans, dass durch die abweichende Lieferung der Pflanzen ausgelöst wurde. Einige Sorten fehlten vollständig, andere teilweise, wieder andere gab es in Überzahl. Die Bepflanzung der Wand musste also der Lieferung angepasst werden, da eine erneute korrigierte Lieferung in der geplanten Zeit nicht zu realisieren war. Nach einigen gestalterischen Experimenten am digitalen Plan, konnten wir am Abend des zweiten Tages die Markierungen für die neue Bepflanzung auf die Wand setzen. Grundsätzlich reichte die Anzahl der Pflanzen aus, nur die Sortenverteilung und das ursprüngliche Design erfuhren notwendige Anpassungen.

Eine Zeit und Kraft raubende Behinderung des Bauablaufs entstand durch das für den Garten gelieferte Substrat. Der gesamte vorgelagerte tropische Garten, mit seinen 60 Quadratmetern Grundfläche, ist in einer großen Wanne ausgeführt. Vorteil dieser Bauweise ist die komplette Trennung von Garten und Wand vom Baukörper. Das Tropfwasser der Living Wall fließt in eine eigene Drainageschicht und wird dann in das Substrat des Gartens abgeleitet. Das geplante Substrat für den Garten sollte eine Mischung aus Blähton, Ton, Kompost und Mutterboden sein, dessen Zusammensetzung im Vorfeld auch der Gartenbaufirma übermittelt wurde. Am ersten Arbeitstag stand schnell fest, dass der verbaute Boden nur aus rumänischem Lehm bestand. Abgedeckt wurde die 60 Zentimeter starke und verfestigte Lehmschicht mit einer zehn Zentimeter Schicht aus Rindenmulch. Da ein solcher Bodenaufbau unweigerlich zu Problemen mit stehendem Wasser oder Überschwemmungen führt, konnte die Lösung des Problems nur im Anlegen einer zusätzlichen Drainage liegen.

In einem 50-x-50-Zentimeter-Raster bohrten wir mit einem Erdbohrer Zylinder in den Lehm, die direkten Kontakt zur vorhandenen und mit einem Vlies abgedeckten Flächendrainage hatten. Die Zylinder sind mit Vlies ausgeschlagen und mit Grobkies verfüllt. Die ersten Versuche mit der Bewässerung verliefen positiv und auch nach über fünf Monaten sind keine Probleme festzustellen.

Durch den Lehm gestaltete sich auch die Bepflanzung des Gartens schwieriger. Die notwendigen Pflanzgruben mussten in kräftezehrender Handarbeit gegraben und im Anschluss mit Wurzelballen und einem Splitt-Lehm-Pflanzerde-Gemisch aufgefüllt werden.

Bauwerksbegrünung
Die Beleuchtung diente am Abend auch den Bauarbeiten. Foto: Rares Nistor
Bauwerksbegrünung
Die Microsprüher werden über einen eigenen Kreislauf versorgt. Foto: Rares Nistor
Bauwerksbegrünung
Epiphyten vor dem Wasserfall in kleinen Jutesäcken. Foto: Rares Nistor

Mit der geplanten Beleuchtung ergaben sich die nächsten Probleme. Das Tropenhaus ist so angelegt, dass möglichst viel Sonnenlicht über die großen Fenster eingefangen werden kann. Eine zusätzliche Beleuchtung der Pflanzflächen ist dennoch nötig, um auch in den Wintermonaten ein ausreichendes Lichtangebot zu ermöglichen. Der Spektralbereich der Natriumdampflampen ist speziell auf den notwendigen Spektralbereich der Pflanzen abgestimmt. Die vorgesehenen, eher dezenten Leuchtmittel-Gehäuse wurden durch große und wuchtige ersetzt, die sich aber relativ gut in das Erscheinungsbild einfügen.

Elementarer Bestandteil einer Innenraumbegrünung ist ein funktionierendes Bewässerungssystem. Die Anforderungen für eine Bewässerung von Pflanzen in Hydrokultur sind relativ hoch. Die Living Walls müssen aufgrund des fehlenden Substrates in einem hohen Intervall bewässert werden, um ein Austrocken des Vlieses zu verhindern. Auch Nährstoffe werden nur in einem geringen Maße in dem Vlies gehalten. Um eine ausreichende Nährstoffversorgung zu gewährleisten, wird dem Wasser eine Nährlösung zugefügt. Eingesetzt wird in der Regel ein NPK Volldünger mit Spurennährstoffen in einem ausgeglichenen Verhältnis. Das Bewässerungskabinett wird über eine zentrale Reglereinheit gesteuert. Der Düngerbeimischer, eine Elektromagnetpumpe, wird je nach gewünschtem Konzentrat proportional zur abgenommen Wassermenge angesteuert. Ein weiterer Vorteil eines professionellen Bewässerungssystems ist der individuelle Aufbau. Da auch Epiphyten im Gartenbereich wachsen sollten, lässt sich ein Bewässerungsstrang komplett ohne Nährlösung fahren. Die Epiphyten werden über sogenannte Microsprüher bewässert, der Gartenbereich und die Living Wall über eine Tröpfchenbewässerung. Der Düngervorratstank ist mit einem Sensor ausgestattet, der bei geringem Flüssigdüngerstand ein Alarmsignal gibt. Die Speisung des Wasserfalls und des Flusslaufes erfolgt über ein eigenes und unabhängiges System, die Nachspeisung über den Bewässerungsautomaten. Das Wasser wird über den Wasserfall in das Zwischenbecken, von dort in den Flusslauf und dann wieder in das Zwischenbecken zurückgepumpt. Durch eine eigene Pumpe wird es von dort wieder der Bewässerung des Wasserfalls zugeführt. Die verwendeten Epiphyten werden über die Microsprüher bewässert, ein Nährstoffeintrag über das Gießwasser ist daher auszuschließen.

Rückblick mit Ausblick

Der Weg von der Planung in die Praxis ist für beide Seiten sehr wichtig. Praktische Erfahrungen zu sammeln und mit konkreten Problemen auf der Baustelle umgehen zu lernen, ist für Planer nur durch solche Einsätze möglich. Das praktische Wissen über solche Anlagen und die spätere Weitergabe, zum Beispiel in Vorlesungen und Vorträgen, ist unbezahlbar. Dieser Wissensaustausch ist aber nicht einseitig, auch unser theoretisches Wissen fand gelegentlich Anklang. Durch die Schwierigkeiten während der Ausführung sind Ideen und Lösungen entstanden, die ihre Anwendung auch in zukünftigen Projekten finden werden. Improvisieren zu müssen, half uns vielfach ein Problem neu zu denken und erinnert uns bis heute daran, dass ein bestehender Plan auch genügend Raum für Flexibilität und individuelle Lösungen haben sollte.

Autor

Hochschule Neubrandenburg

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen