Strukturwandel in Afrika

TU Darmstadt und Goethe-Universität erforschen afrikanische Megastädte

Stadtentwicklung
Mega-Städte Afrikas wie zum Beispiel Dar es Salaam wachsen um mehrere 100.000 Einwohner pro Jahr. Foto: Chen Hualin CC BY-SA 3-0

Die Urbanisierung und Verstädterungsdynamik ist nirgendwo in der Welt so ausgeprägt wie in Subsahara-Afrika. Städte wie Dar es Salaam in Tansania oder Nairobi in Kenia wachsen jedes Jahr um mehrere 100.000 Einwohner - was sie vor enorme Herausforderungen stellt, nicht zuletzt im Versorgungsbereich. Die Wissenschaftler der TU und der Goethe-Uni schauen in ihrem gemeinsamen Promotionskolleg ganz genau hin: Sie untersuchen historische, gesellschaftliche Veränderungen ebenso wie die Auswirkungen auf die Energie- und Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, das Transport- oder Telekommunikationssystem.

Ungeplante Siedlungsentwicklung

Mit den Hochschulen in den beiden Hauptstädten in Ostafrika unterhalten die Wissenschaftler schon seit Jahren Kooperationen. Ausgewählt haben die Forscher Dar es Salaam und Nairobi, weil die Metropolen zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen und somit besser zu vergleichen sind. "Beide sind ehemalige britische Kolonialstädte mit starkem Bevölkerungsanstieg und ungeplanter Siedlungsentwicklung", sagt TU-Professor Jochen Monstadt. Kenia sei als Wissenschaftsstandort dynamischer, die Sicherheitslage dort jedoch schwieriger und die ethnischen Spannung seien größer als in im wirtschaftlich stärker wachsenden Tansania, so der 48-Jährige.

Löchriges Versorgungsnetz

Die Darmstädter und Frankfurter Wissenschaftler und Promovierenden untersuchen bei ihren Forschungsvorhaben unter anderem das Wasser- und Abwassersystem der Hauptstädte. In der rund 4,8-Millionen-Einwohner-Stadt Dar es Salaam handelt es sich bei bis zu 80 Prozent der Siedlungen um ungeplanten Städtebau ohne flächendeckenden Anschluss an zentrale

Strom- und Wassernetze. Alternative Lösungen, die die Versorgung gewährleisten, etwa Wasserkioske und -händler oder informelle "Spaghetti-Leitungen", führen häufig zu hohen Kosten. Zugleich sind nur rund zehn Prozent der Bevölkerung an ein zentrales Abwassernetzsystem angeschlossen, mit entsprechenden hygienischen und gesundheitlichen Folgen. Eine Promovierende befasst sich daher unter anderem auch mit der Frage, wie die Rolle von Frauen in Siedlungen ohne Sanitäreinrichtungen aussieht.

Die Forscher untersuchen auch Themen wie die Regenwasser-Bewirtschaftung, das Transportsystem oder die Internet-Entwickler Communities in den ostafrikanischen Metropolen. Wie verändert es die Infrastrukturversorgung und Stadtentwicklung, wenn rund 90 Prozent der Einwohner ein Handy besitzen und damit zunehmend mittels der in Kenia erfundenen mobilen Währung M-Pesa Bus oder Strom- und Wasserrechnungen bezahlen?

Internationale Teams entwickeln Vision der "Netzstadt"

Stehen am Ende ihrer Forschungsvorhaben auch Handlungsvorschläge? "Es geht vor allem um Grundlagenforschung zur Geschichte und aktueller Trends afrikanischer Städte und ihrer Planung, weniger aber um die Beratung afrikanischer Kollegen oder Praxispartner", sagt Jochen Monstadt. Der Professor umgeht den Begriff der Entwicklungshilfe und nennt als Ziel lieber "einen verbesserten Wissenschaftsaustausch".

Der 48-Jährige selbst hat sich bei seinen Feldforschungen auf den Aspekt der "Netzstadt" fokussiert. Network-City ist die Idealvorstellung der modernen Stadt, in der in allen Bereichen und Stadtbezirken einheitliche Preise, Qualität und flächendeckender Zugang etwa zu Strom, Wasser, Gesundheitseinrichtungen oder öffentliche Transportmitteln herrschen. Ein Zustand, von dem afrikanische Megastädte weit entfernt sind. In Dar es Salaam, so Monstadt, sieht die Realität so aus, dass nur 30 Prozent der Bevölkerung Zugang zu einer zentralen Wasserversorgung haben. Der Darmstädter erforscht, inwieweit Prinzipien der Netzstadt Eingang in Planungs- und Entwicklungsprozesse finden, inwieweit aber auch alternative Modelle einer modernen Stadt entstehen.

Hintergrund Afrikakolleg

Forscher der TU Darmstadt und der Frankfurter Goethe-Universität kooperieren im Rahmen des gemeinsamen Promotionskollegs "Strukturwandel und nachhaltige Versorgung afrikanischer Städte". Das Afrikakolleg wird seit Oktober 2014 von der Hans-Böckler-Stiftung und der TU-Einrichtung URBANgrad, einer Graduiertenschule für Stadtforschung, gefördert. Beteiligt sind an dem Kooperationsprojekt das Frankfurter Zentrum für Interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF) mit einem Professor sowie die TU mit einer Professorin und zwei Professoren aus den Bereichen Raum- und Infrastrukturplanung, Entwerfen und Stadtentwicklung sowie Technikgeschichte. Sprecher ist TU-Professor Jochen Monstadt. Über Individualstipendien werden die Forschungsvorhaben von zehn Promovierenden und einer Wissenschaftlerin beider Universitäten bis 2017 finanziert.

Silke Paradowski, TU-Darmstadt

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