Auditive Konzeptionsebenen in der Planung

Unerhörte Landschaften

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Dreiklang aus Fluss, Landschaft und Architektur. Klangaufnahmen aus dem Elbtal vom 7. Juli 2007. Nachzuhören jetzt unter www.unerhoertelandschaften.de Abb.: Christina Jimenez Mattsson

Wie sehr der spezifische Klang eines Bauwerkes die Identität einer Landschaft verändern und prägen kann, können Bewohner und Besucher Dresdens seit der Eröffnung der Waldschlösschenbrücke Ende August dieses Jahres hören. Dichter Stadtverkehr rollt auf 600 Metern Länge über die weiteste Stelle der Elbwiesen und treibt eine breite Klangschneise durch das Tal.

Einzigartiger Dreiklang

Dabei war es der "einzigartige Dreiklang aus Fluss, Landschaft und Architektur", der die Unesco im Jahr 2004 - vor dem Bau der Brücke - dazu bewog, das Dresdner Elbtal in den Rang eines Weltkulturerbes zu erheben. Lässt dieses Zitat aus dem Dresdner Aufnahmeantrag vermuten, dass es in dem Tal etwas zu hören gab, das schützenswert gewesen wäre?

Das Elbtal genoss seinen kurzen Schutz durch die Unesco als "Fortbestehende Kulturlandschaft", also als eines sich "stetig entwickelnden (groß-)städtischen Lebensraumes".¹ Der Klang als mutmaßlich stets die Gegenwart reflektierendes Gut, war nicht Gegenstand der Betrachtung. Seit spätbarocker Zeit wird die natürlich vorhandene Landschaft gezielt hinsichtlich der Blickbeziehungen zwischen Stadt und landschaftlicher Schönheit architektonisch inszeniert und landschaftsplanerisch geformt.² Auch beim hoch emotional geführten "Dresdner Brückenstreit" vor sechs Jahren waren es rein visuelle Aspekte, die gegen eine Be- und Überbauung der Elbwiesen angeführt wurden. Die von der Unesco beauftragte Gutachterstudie der RWTH Aachen sollte explizit den visual impact der geplanten Waldschlösschenbrücke auf die Landschaft bestimmen. Anhand berühmter Postkartenblicke wurde gezeigt, dass der "außergewöhnliche universelle Wert" des Elbtals vermindert würde. Die Entscheidung für den Bau der Brücke führte somit zur Aberkennung des Welterbetitels im Jahr 2009.

Was aber hätte eine aural impact-Studie über die Veränderung des Tales aufdecken können?

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Dreiklang aus Fluss, Landschaft und Architektur. Klangaufnahmen aus dem Elbtal vom 7. Juli 2007. Abb.: Christina Jimenez Mattsson

Geschütze Klänge

Schon zu der Zeit als das Tal durch die Unesco geschützt und ohne die Waldschlösschenbrücke zu erleben war, querten andere Brücken in näherer Umgebung an weniger breiten Stellen die Elbe. Wie diese den Klang des Tales im Jahr 2007 prägten, ist jetzt als Sammlung historischer Tonaufnahmen unter www.unerhoertelandschaften.de nachzuhören.

Man kann sich das Elbtal als eine große moderne Klangkomposition vorstellen. Bewegt man sich durch sie hindurch, werden dabei einzigartige Bezüge zum Charakter seiner Landschaft und seiner Geschichte erlebbar:

Der spezifische Klang der Carolabrücke beispielsweise ist ein gleichmäßig und weich zischendes Geräusch des über sie hinweg ziehenden Verkehrs. Die Stahlbetonhohlkonstruktion von 1971 wirkt dabei selbst als schwingender Klangkörper. Ampelanlagen zu beiden Seiten der Brückenköpfe sorgen für ein ruhiges An- und Abebben des Schallvolumens.

Eine Aufnahme des Nordufers dokumentiert aus 200 Metern Entfernung die Steinbogenkonstruktion der Albertbrücke. Sie ertönt als feinperliges Surren, das auf das Kopfsteinpflaster des Straßenbelags zurückzuführen ist. Überraschende Klang-Modulationen entstehen, wenn Autos zum Überholen auf den in Asphalt gefassten Mittelstreifen wechseln. Gleichzeitig ist das feine Plätschern kleiner Wellen an der Graskante zu hören, welches nur ein unbefestigtes Ufer erzeugen kann. Dieser für eine Großstadt ungewöhnliche Klang ist Moritz Wilhelm Schmidt zu verdanken, der als Bezirkswasserdirektor in den1870er Jahren gegen eine Mehrheit von Fachleuten durchsetzte, auf eine Kanalisierung mithilfe massiver Ufermauern zu verzichten. Über die Wasserklänge legt sich das Rascheln hoher Gräser im Wind und es ertönt das markante, langgezogene Signalhorn der historischen Elbraddampfer - ein Klang-Markenzeichen der Stadt.

Einen berühmten Postkartenblick - den "Waldschlösschenblick" - konnte man von dem gleichnamigen Steinpavillon an der Bautzener Straße genießen. In dem weiten Panorama über die Elbwiesen ist im Hintergrund die erst kürzlich rekonstruierte Silhouette der ehemals Spätbarocken Stadt zu erkennen. Zu hören ist an diesem Ort - ganz unpassend zum Ausblick - der dichte, auf- und abbremsende Verkehr der viel befahrenen Uferstraße. Die unregelmäßigen Verkehrsgeräusche werden zusätzlich reflektiert von der vier Meter hohen Böschungsmauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite und unter dem Dach des Pavillons unangenehm verstärkt. Der Ort lädt nicht zum Verweilen ein. Dass dieser Blick nun von der neuen Brücke verstellt ist, war ein Hauptargument für den Verlust des Welterbestatus - ebenso war die ungelöste Verkehrssituation der Bautzener Straße einer der Hauptgründe für den Bau der Brücke.

Die als "Blaues Wunder" bekannte Loschwitzer Brücke ist eine imposante Stahl-Fachwerkkonstruktion des ausgehenden 19. Jahrhunderts und ein Wahrzeichen der Stadt. Die Brücke vibriert vom schweren Verkehr, der über die mitschwingende Stahlkonstruktion rollt. Dazu erzeugen breite Dehnungsfugen ein Rhythmisches Donnern. Die Brücke bietet ein sensationelles und atemberaubendes Klangereignis, was noch gesteigert wird, wenn unter der Brücke einer der großen Raddampfer hindurchstampft. Man ist erinnert an Luigi Russolos futuristisches Manifest von 1914, in dem er das großartige Konzert der zukünftigen Stadt beschwört.

Die markante Klangidentität der Brücke prägt auch die angrenzende Uferzone, welche ein beliebter Ausflugsort ist. Biergärten locken Gäste zu beiden Seiten des Ufers - die Atmosphäre ist geprägt von Familien, die in den Wiesen in direkter Hörweite der Brücke picknicken. Eine Aufnahme mit nun besonderem, historischem Wert stammt vom Südufer in unmittelbarer Nähe der jetzt eröffneten Brücke. Das breite Tal funktioniert hier wie ein Ohr zur Stadt: Nahe und ferne Klänge der umgebenden Stadtteile erzählen von der unerhörten Weite des Flusstales und fließen zusammen mit den feinen Klänge des Wassers, dem Zirpen der Grillen im Gras. Diese Tiefenschärfe können wir heute an diesem Ort nicht mehr erleben. Alle Feinheiten und das Gefühl der Weite werden von der neuen Brücke übertönt.

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Selbst an Stellen, an denen der öffentliche Stadtraum bis an ihr Ufer führt, fehlt die direkte Anbindung an das Wasser. Foto: Studio Urban Resonance
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Thematisierung der trennenden Uferkante und Konzeption für deren Auflösung. Foto: Studio Urban Resonance

Klanglandschaften komponieren

Anstatt die Landschaft nur aus der Postkartenperspektive zu betrachten, sollte sie auch aus der Hörperspektive diskutiert werden. Dadurch lässt sich mehr über den sozialen Charakter des Ortes erfahren - so, wie er tatsächlich erlebt wird. Klangaufnahmen bieten hier ein hilfreiches Mittel um genau diese Qualitäten zu erfassen. Es ist sicherlich der einseitigen Diskussion um den visual impact geschuldet, dass man sich bei der Waldschlösschenbrücke für eine unauffällige, geradezu nichtssagende Brückenarchitektur entschieden hat. Der aural impact aber lässt sich dadurch nicht verstecken. Im Gegenteil: die schlanke Bauweise führt zu einem wesentlich größeren Schalleintrag im Tal.

Vielleicht ist aus der Geschichte zu lernen, dass ein "einzigartiger Dreiklang aus Fluss, Landschaft und Architektur" auch klanglich komponiert werden muss, um starke Orte zu erzeugen.

Topos Spree

Ein beispielhafter Prozess für eine auditive Planung wurde von uns in mehreren Phasen in der Auseinandersetzung mit der Wasserraumsituation in Berlin entwickelt. Das Konzept nahm seinen Ursprung als Beitrag zur stadtpolitisch intensiv geführten Auseinandersetzung um die Bedeutung und Zugänglichkeit der Spreeufer Berlins. Diese werden im Ostteil der Stadt im Bereich von der Jannowitzbrücke bis hin zur Elsenbrücke auf alten Industriearealen unter dem Schlagwort der Mediaspree umgewandelt und entwickelt.

In der Auseinandersetzung mit der dortigen Problematik und Diskussion wurde deutlich, dass die mangelnde Einbindung der Spree in die Zusammenhänge und Nutzungen der Stadt in den meisten Teilen Berlins für alle Akteure nicht zufrieden stellend ist. Daraus haben wir eine breitere Untersuchung angelegt, wie mit auditiven Mitteln das Leitbild einer Stadt am Wasser verstärkt und gefördert werden kann. Diese ist unter anderem in ein exemplarisches Entwurfskonzept eingeflossen, das aufzeigt, wie durch kleinmaßstäbliche Eingriffe die Erlebnisqualität städtischer Flussufer erhöht wird.

Analyse

Die schwache Anbindung der Berliner Spree an die Struktur der Stadt hat ihre (hier nicht weiter ausgeführten) Gründe vornehmlich in der Geschichte ihrer stadträumlichen, politischen und wirtschaftlich-technologischen Entwicklung. Daraus resultierend ist auch das Bild Berlins als Stadt am Fluss nur schwach im Bewusstsein der Bewohner und Besucher verankert.

Bei näherer Untersuchung zeigt sich aber auch im kleineren Maßstab, dass selbst an Stellen, an denen der öffentliche Stadtraum bis an ihr Ufer führt, die direkte Anbindung an das Wasser fehlt. Nur selten kommt man nah genug ans Wasser, so dass man direkt danach greifen oder die Füße darin baumeln lassen könnte. Stattdessen finden sich an vielen Stellen bis über fünf Meter hohe senkrechte Uferwände, die die Spree darunter in der Halbdistanz zurückweichen lassen. So ist die Spree außer mit dem Auge sinnlich kaum erlebbar und nur begrenzt als Ort mit spezifischen Wasserqualitäten wirksam.

Konzeptioneller Ansatz

Der konzeptionelle Ansatz sieht deswegen vor, von der "Spree als Ort des Wassers" aus eine Planung zu denken; eine gezielte Inszenierung und Ästhetisierung der gewöhnlichen und alltäglichen Situation soll die Spree im Ganzen als Bezugspunkt in die Wahrnehmung der Stadt bewusster einflechten. Deren Erleben als spezifischer Wasser-Ort soll verdichtet und verstärkt werden und durch die ausdrückliche Hervorhebung auditiver Aspekte der Gestaltung das ansonsten nicht direkt erfahrbare Wasser (es fehlt die Möglichkeit zum Baden, privater Schiffsverkehr, Liegen am Ufer, Schlendern an der Uferpromenade) über die Ohren fühlbar werden: Vielleicht zeigt ein Schreien von Möwen hoch oben in der Luft den nahen Fluss an, oder man hört, wie ferner ein Motorfährschiff vorüber fährt. Näher dran ist bei leichtem Wellengang das ruhige Anschlagen von Holzbooten am Steg hörbar oder das Klackern von Segelmasten, direkt am Ufer dauerhaft unterlegt vom beständig schwappenden-schlürfenden und gurgelnden Wasser. Die Spree so zu hören, ist ein Berührt-Werden mit den Ohren.

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Test von Prototypen. Foto: Studio Urban Resonance

Die prinzipielle Konzeption sieht hier dementsprechend vor, durch eine Verstärkung der ohnehin vorhandenen Laute der Spree, den Fließ- und Flussverlauf konturierend zu betonen und darüber einen kontinuierlichen Klangzusammenhang durch die Stadt hindurch zu prägen.

Für den Testentwurf wurde entschieden, allein die Stadt und Fluss trennende Uferkante prägnant zu thematisieren und Varianten über deren mögliche Auflösung anzudenken. Dieser Ansatz orientiert sich am konzeptionellen Leitbild - den Fluss hörbar über die Kaimauer treten und in die Stadt einfließen zu lassen. Die Spree selbst soll als Wasserort mit spezifischen Qualitäten hervortreten, wodurch die Menschen in umgekehrter Richtung deren Ufergrenzen in ihrer Wahrnehmung überwinden und diese als Ort mit ihren Empfindungen betreten.

Typologische Untersuchung

Eine Kartierung der konkreten Gestaltung der Uferkanten im Stadtverlauf der Spree zeigt zwar, dass es nur vergleichsweise wenig Bereiche gibt, an denen Wassergeräusche deutlich hörbar sind. Dennoch lassen sich verschiedene Ufergestaltungen finden, die im Verbund mit den anbrandenden Wasserbewegungen auf der Spree ganz unterschiedliche Klänge und Eindrücke hervorbringen. Während der durch Wind und Schifffahrt verursachte Wellengang an senkrechten Kaimauern still bleibt, bringen Spundwände, Böschungen, Stufen, Überhänge, Unterhöhlungen und Perforationen (mitunter auch in Mischformen) Platscher, Schwapper, Gluckser, Gurgler, Schlürfer, Perler, Riesler und Tröpfler zum Klingen.

Auditiver Entwurf

Die Aufnahme dieser Klänge, die technische Bestandsanalyse und sprachliche Beschreibung der unterschiedlichen Gegebenheiten dienen dazu, die einzelnen Szenerien zu typologisieren und als Klangmodule im weiteren Entwurfsverlauf verfügbar zu machen. Aus dieser Analyse wurden in einer ersten Entwurfskizze Überlegungen zur Abwandlung und typologischen Verschärfung vorgenommen. Diese prototypischen Entwürfe wurden dann teilweise als 1:1-Modelle gebaut und vor Ort am Spreeufer umgesetzt. Dieser Arbeitsschritt diente dazu, verschiedene Bauformen unter gleichen Umgebungsbedingungen zu testen und zugleich einen Eindruck vom Umfang der hörbaren Auswirkungen zu erhalten, die die vorgenommenen Eingriffe bewirken.

Da das Konzept als allgemeine Untersuchung einen exemplarischen Ansatz formuliert, ist der endgültige Entwurf nicht in die Situation eines spezifischen Ortes eingebunden, sondern versteht sich als modellhafte Gestaltung, die an vielen Ufern des Spreeraum Berlins wirksam sein könnte. Aus den vorangegangenen Untersuchungen der Ufertypologien, der Collage ihrer Klangaufnahmen und den spezifischen Eigenheiten der Spreenutzung wurde der markante Klang eines Ufermodels entwickelt, das die Aspekte verschiedener Bauelemente in sich vereint:

Das ist als Grundform die wellenförmige Form von Spundwänden, an denen die drei Bugwellen der Ausflugsschiffe rhythmisch klatschend entlanglaufen. Überformt und akzentuiert wird dieses kurze Klangereignis vom Glucksen zusätzlicher Überhänge. Nach einer solchen Schiffspassage oder bei Wind lassen diffuse Wellenbewegungen an den abgeböschten Querschnitten eine den Wasserrhythmus verwischende "schwappende Brandung" hörbar werden. Und dazwischen - wie auch bei weitergehender Beruhigung der Wasseroberfläche beispielsweise am Abend - läuft diese an kleinen Abstufungen zum feinen Rieseln aus.

Umsetzung

Bei einer konkreten Umsetzung ist angebracht, die funktionale und räumliche Situation der Umgebung mit einzubeziehen und erneut über Klangskizzen zu erfassen. Als musikalische Variation ist die Anpassung der Klangmodule je nach Charakter der vorhandenen Klangumwelt denkbar. Darüber hinaus schließt die Inszenierung einer solchen Ufergestaltung Maßnahmen auch in der Peripherie der akustischen Arena der Klangmodule mit ein. Das könnten dann sowohl Überlegungen zur Gestaltung von Bio-Nischen sein, bei denen durch Wahl der Bepflanzung und Ansiedlung von Tieren der auditive Charakter gestaltet wird, als auch funktionale und räumliche Gestaltungen der Umgebungssituation vor Ort, die den Fluss als Erfahrungs- und Erlebnisraum im Gesamten öffnen - programmatisch mit aus verschiedenen Richtungen an das Ohr anbrandenden Geräuschen und Klängen, die mit dem Fluss und Wasser assoziiert sind.

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Platscher, Schwapper, Gluckser, Gurgler, Schlürfer, Perler, Riesler und Tröpfler. Abbildung: Studio Urban Resonance
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Auditive Entwurfs- und Darstellungsmittel vermitteln nicht nur auditive Inhalte, sondern eröffnen auf alle Parameter räumlicher Planung eine weitere Sicht- und Hörweise. Abbildung: Studio Urban Resonance
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Entwurf Klangmodul Spree Abbildung: Studio Urban Resonance

Klangkompositum zum Hören von Architektur

Aus den Erfahrungen mit auditiven Entwurfs- und Untersuchungsprojekten haben sich grundlegende Arbeitsformen und Prozesse für hörbare Planungsinhalte in Architektur und Landschaftsplanung entwickelt. Im Gegensatz zu traditionellen Darstellungsmitteln in diesen Planungsdisziplinen, deren Instrumente des Entwerfens stumm bleiben, eröffnet der Umgang mit einem auditiven Medium die Aspekte der Analyse und des Entwurfs von Räumen und Orten in einer hörbaren Welt. Architektur wird dabei hörend konzipiert, die klingenden Entwurfs- und Darstellungsmittel vermitteln dabei aber nicht nur auditive Inhalte, sondern eröffnen auf alle Parameter räumlicher Planung eine weitere Sicht- und Hörweise. Das können unter anderem szenische Raumskizzen sein, durch die der Hörer direkt in die Atmosphäre des erdachten Ortes eintauchen kann, Audifikationen, die die verwendeten Materialien hörbar machen, oder Auralisationen, die die Nachhallzeiten von Räumen zum Klingen bringen. In der Gesamtheit der darin versammelten Hörebenen lässt sich dieses architektonische Darstellungsmedium als Klangkompositum begreifen.

Seit zwei Jahren vermitteln wir diese Mittel klangbewussten Entwerfens am Institut für Architektur der TU Berlin. In der Lehre für Masterstudenten erproben wir den Einsatz von Klangkomposita als Mittel der Architekturdarstellung und entwickeln diese methodisch weiter.

Ein solcher Entwurfsprozesses beginnt mit einem hörbaren Portrait des zu untersuchenden Ortes. Dieses Klangportrait ist selbst eine Komposition, die weniger eine Momentaufnahme, sondern eine erlebte Gesamtstimmung des Ortes vermittelt. In der Architektur würde man üblicherweise den Begriff der Kartierung verwenden, das Portrait geht noch darüber hinaus, da es einen Dialog zwischen dem zu portraitierenden Ort und dem Autor selbst darstellt. Im Hören wird erfahrbar, wie die vorgefundene Situation auf die Anwesenheit des Autors reagiert, denn diese ist selbst ein wesentlicher Teil jeder und spezifisch der auditiven Raumerfahrung. In Analogie zur Skalierung einer Karte, kann sich diese Ortserfahrung auch über einen ganzen Tag, einen Monat oder Jahr erstrecken, welche in dem Portrait auf ein zeitlich kurzes, hörbares Format verdichtet wird. Es gibt also eine Form der Maßstäblichkeit, genauer Maßzeitlichkeit.

Auf dem Portrait aufbauend, das eine Idee, ein "Bild" der Situation vermittelt, entstehen akustische Szenographien, die entwerferisch weiterentwickelt werden. Erste Entwurfsmodelle können aus Audio-Aufnahmen bestehen, die an anderen Orten aufgenommen werden und im Sinne des Entwurfes der vorhandenen klanglichen Situation zugemischt werden. Entwurfsaussagen zum Raumprogramm werden durch das Collagieren und Schneiden von Klängen dargestellt und entwickelt, Raumproportionen drücken sich durch den Charakter ihrer Raummoden und Nachhallzeiten aus. Auch die Materialität eines Ortes ist mit den Mitteln der Klangbearbeitung komponierbar, wie sie zukünftig im Gesamtcharakter des Entwurfs klingen soll.

Alle diese Arbeitsschritte und Maßnahmen stellen keine exakten raumakustische Konstruktionen dar, sondern sind hörbare Entwürfe von Raumskizzen. Es sind keine Simulationen, sondern eher Suggestionen, die mit den Mitteln der Studiotechnik Räume hörbar machen, die bislang noch nicht existieren. Wird Architektur so aus dem Klang heraus entwickelt, führt der Prozess auf eine ganz andere, nämlich musikalische, gegebenenfalls auch performative Spur von Architektur. Subtile und ansonsten schwer kommunizierbare Anforderungen an Raum drücken sich darin aus. Somit offerieren auditive Planungsinstrumente für eine Vielzahl von Bauaufgaben eine sinnvolle und auch notwendige Ergänzung der traditionellen Entwurfswerkzeuge.

Anmerkungen

Olaf Schäfer führt als freischaffender Architekt das Studio Urban Resonance. Forscht zur "Artikulation von Klang in der Architektur"; Gewinner des Hörstadt Essay-Wettbewerbs in Linz 2010 und Vorträge bei Tuned City, Hörstadt, Sound Studies und Forum Klanglandschaft. www.studiourbanresonance.de

Urs Walter, Dipl.-Ing. Architekt, lehrt und forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Architektur der TU Berlin. Themenschwerpunkte sind u .a. Schulbau und Partizipation in Planungsprozessen. Zusammen mit Olaf Schäfer gründete er ein Entwurfsstudio zur Erforschung auditiver Entwurfsmethoden in der Architektur, www.pressestelle.tu-berlin.de, www.audiblearchitecture.com

1) Friedrich, Ilse: Weltkulturerbe Elbtal Dresden und die Waldschlösschenbrücke. Vortrag beim George-Bähr-Forum am 13.6.2007, veröffentlicht in "Weltkulturerbe Elbtal Dresden mit Waldschlösschenbrücke - Würde und Bürde", Jahrbuch 2007 des George-Bähr-Forums der TU Dresden, S.171-177.

21) Gutachten zu den visuellen Auswirkungen des "Verkehrszuges Waldschlösschenbrücke" auf das Unesco-Weltkulturerbe "Elbtal Dresden" S.11.

Urs Walter und Olaf Schäfer

Autor

Freischaffender Architekt

Autor

Architekt, TU Berlin

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