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Ungleichgewicht Stadt und Naturraum

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Landschaftsarchitektur
1 Nature first: Stadt als grüne Struktur. Grafik: Melanie Leuschner, Jonathan Schmidt

Durch die Siedlungs- und Infrastruktur, sowie aufgrund der enormen Verdichtung herrscht im urbanen Raum ein enormes Ungleichgewicht zwischen gebauter und natürlicher Welt. Im Zuge des Klimawandels wird sich dieses Ungleichgewicht drastisch auf den Lebensraum der Bevölkerung auswirken. Stadt und Natur müssen im urbanen Raum wieder in ein ausgewogenes Gleichgewicht gerückt werden. Innerhalb der Planung wurden folgende Leitfragen entwickelt: Wie können wir den urbanen Raum renaturieren? Wie können wir unsere Umgebung gestalten, ohne sie zu beherrschen? Und vor allem: wie ist der Stadtraum zu gestalten, damit man dort auch bei eintretenden Folgen des Klimawandels (steigende Temperaturen, steigende Zahl von Extremwetterereignissen, . . .) leben kann?

Dafür müssen verschiedene, unabdingbare Maßnahmen getroffen werden. Bei der Planung wurden diese Maßnahmen in vier verschiedene Parameter unterteilt, anhand derer der urbane Raum bearbeitet wurde (Grün, Blau, Bewegen, Begegnen).

Als grundlegender Planungsansatz gilt: Green first. Die Straßen des 20. Jahrhunderts weichen für die Grünzüge des 21. Jahrhunderts. Aus diesem Grund ist es naheliegend, dass in der Wahrnehmung der Stadt ein Umdenken erfolgen muss. Die Stadt wird nicht mehr als Geflecht von Straßen, sondern als grüne Struktur verstanden.

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Grün

Problem

Versiegelte Oberflächen wirken als enorme Hitzespeicher, was sich negativ auf unsere Lebensqualität auswirkt. Wie stark die Temperaturen in sogenannten Urban Heat Islands ansteigen, steht laut einer Studie der NASA in direktem Zusammenhang mit der Anzahl und Art von Grünflächen einer Stadt.

Lösung

Anhand der Stärkung grüner Strukturen kann das Problem der immer weiter ansteigenden Temperaturen reduziert werden. Das Stadtklima kann im Wesentlichen reguliert werden. Zusätzlich steigt die Lebensqualität der Stadtbewohner*innen, sofern mehr Grünflächen vorhanden sind.

Konkrete Maßnahmen

Erholende Grünflächen mit einer Größe von einem Hektar sollen innerhalb von 300 Meter Luftlinie, was meist 500 Meter Fußweg sind, erreichbar sein.¹ In der vorliegenden Arbeit werden grüne Flächen aber nicht nur als Rückzugsort verstanden. Das Grün dient hier als ständiger Begleiter unseres alltäglichen Lebens. Insofern wird gefordert, dass neben begrünten Wegen, Pocketparks, Parklets, ausgeweitete, begrünte Baumscheiben innerhalb von 50 Meter zu erreichen sind.

Ausgeweitete Baumscheiben

Bisher begleiten Bäumen auf Baumscheiben die Straße. Um grüne Strukturen weiter auszubauen, werden die einzelnen Baumscheiben miteinander verbunden und bepflanzt. Dadurch werden grüne Strukturen zum ständigen Begleiter und bilden einen Raum für Fauna und Flora.

Dach - und Fassadenbegrünung/ Begrünung der Hinterhöfe

Gerade die Dächer und Fassaden bieten ein immenses Flächenpotenzial zur Bepflanzung innerhalb der sonst dicht verbauten Stadt. Diese Flächen sind im Einzelnen auf die Möglichkeit der Bepflanzung zu überprüfen.

BLAU

Problem

Der Klimawandel bringt neben steigenden Temperaturen auch Extremwetterereignisse mit sich. Sehr lange Trockenperioden kombiniert mit Starkregenereignissen werden sich häufen, sodass ein effizientes Regenwassermanagement entwickelt werden muss. Zusätzlich sind natürliche, blaue Strukturen, zum Beispiel Flüsse, in der Stadt allgegenwärtig, die allerdings von starker Verunreinigung und Verschmutzung bedroht sind.

Lösung

Das anfallende Regenwasser kann auf verschiedene Art und Weise nachhaltig kontrolliert werden (nach Ulrike Pitha und Vera Enzi, Universität für Bodenkultur):

  • Versickerung durch aktive Bodenfilterpassage
  • Speicherung und Verdunstung
  • Speicherung und Nutzung

Abgesehen vom Regenwassermanagement müssen bezüglich der blauen Struktur der Stadt natürliche Gewässer geschützt werden. Sie bilden einen wichtigen Lebensraum für Tiere und dienen als Attraktor innerhalb einer Stadt. Zusätzlich bringen sie die positive Wirkung einer Kühlfunktion des Klimas mit sich.

Konkrete Maßnahmen

Dach- und Fassadenbegrünung

Neben den Bepflanzungsmöglichkeiten, ermöglichen begrünte Dachflächen die Speicherung und Wiederverwendung von Regenwasser. Weiter kann anhand der vorhandenen Begrünung das anfallende Wasser durch die Pflanzen aufgenommen werden und verdunsten.

Mulden-/Flächenversickerung

Um die anfallenden Wassermassen zu bewältigen, müssen diese gezielt auf versickerungsfähige Flächen in Form von Mulden oder offenen Flächen geleitet werden. Dadurch wird eine kontrollierte und vor allem natürliche Wasserversickerung bewerkstelligt. Weiter profitiert das Regenwassermanagement deutlich von der Verwendung von versickerungsfähigen Oberflächenbelägen und von (Teil-)Entsiegelungen von Freiflächen. Um eine Multicodierung zu erreichen, können zum Beispiel auch Fußballplätze als Versickerungsflächen dienen.

Wässerung von mobilem Grün

Neben der Bepflanzung von Dach- und Fassadenbegrünung profitiert auch das mobile Grün der Stadt von gespeichertem Regenwasser: Das Wasser wird in Zisternen gesammelt und kann dann den jeweiligen Pflanztrögen zugefügt werden.

Wasser als Attraktor, natürliche blaue Strukturen

Die Aufenthaltsqualität wird durch Wasser im Freiraum wesentlich verbessert und dient als Attraktor. Gerade natürliche blaue Strukturen, wie Flüsse oder Seen, sollen gestalterisch in den Vordergrund gehoben werden. Die Gewässer werden bei Ein- und Austritt in die Stadt durch reinigende Pflanzen gesäubert.

BEWEGT

Problem

Im Moment wird die Stadt als Geflecht von Straßen und somit als Autostadt verstanden. Dies bringt einen hohen Emissionsausstoß, eine starke Luftverschmutzung, sowie eine hohe Lärmbelastung mit sich. Es existieren in der Stadt zwar alternative Mobilitätskonzepte, doch ist der Autoverkehr noch dominierend.

Lösung

Der Autoverkehr wird nun stark beschränkt. Bisherige Straßen werden für den motorisierten Individualverkehr (MIV) geschlossen und als Fahrradstraße umgestaltet. Weiter wird die Stadt anhand von Hubs organisiert. Diese gelten als Knotenpunkte für verschiedenste Verkehrsmittel: Bahn, e-Bike, e-Roller, e-Auto, die als Sharing Objekte den Bewohner*innen zur Verfügung stehen.

Begegnen

Die Stadt soll neben einer Durchgangs- und Wegfläche wieder zum Begegnungsraum werden. Zusätzlich sollen die Bewohner*innen stärker an der Gestaltung ihrer Umwelt und ihres Lebensraums teilhaben. So werden die Bewässerung und die Pflege des Grüns teilweise in die Hände der Bevölkerung gegeben. Von allen - Für alle. Weiter bieten die Parklets neben Bepflanzungsmöglichkeiten auch den Raum, um die Beziehungen in der Nachbarschaft zu stärken. Jedes Parklet kann individuell anhand verschiedener Nutzungsvarianten von den Bewohner*innen gestaltet werden, seien es Spiel- oder Aufenthaltsmöglichkeiten. Zusätzlich können sie durch lokale Unternehmen genutzt werden, zum Beispiel als Terrassenfläche eines Restaurants oder Cafés. Das urbane Leben wird dadurch gerade an sonnigen Tagen nach draußen verlegt.

Parklets

Parklets bilden eine räumliche Erweiterung des Trottoirs, welches statt eines Parkplatzes Raum für die Bewohner*innen schafft. Genau diese Fläche kann genutzt werden, um anhand mobiler Bepflanzung das Grün in der Stadt zu fördern.

Anmerkungen

1 Siehe 'Entwicklung nationaler Indikatoren zur "Erreichbarkeit von öffentlichen Grünflächen" für die Bewertung der Ökosystemleistung "Erholung in der Stadt"' von Grunewald et. al. in "Naturschutz und Landschaftsplanung".

Quellen

Bounoua et al. - Impact of urbanization on US surface climate (iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/10/8/084010/pdf).

Eveline Stopfer - Welchen Wert haben Grünflächen in der Stadt (https://www.stadtmarketing.eu/gruenflaechen-in-der-stadt/).

Grunewald et al. - Analyse von Wegedistanzen in Städten zur Verifizierung des Ökosystemleistungsindikators "Erreichbarkeit städtischer Grünflächen". (https://gispoint.de/fileadmin/user_upload/paper_gis_open/AGIT_2016/537622063.pdf).

Lazarova et al. - Realexperiment Parklets für Stuttgart (www.parklet-stuttgart.de/wp-content/uploads/2018/03/Parklets-fuer-Stuttgart_Bericht.pdf).

 Melanie Leuschner
Autorin

7. Fachsemester Landschaftsarchitektur, Cand. B.Eng., Beuth Hochschule für Technik Berlin

Beuth Hochschule für Technik Berlin
 Jonathan Schmidt
Autor

7. Fachsemester Landschaftsarchitektur, Cand. B.Eng., Beuth Hochschule für Technik Berlin

Beuth Hochschule für Technik Berlin

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