Urban Gardening als Impuls für die Wiener Grünraumplanung?

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Kleingärten
Die Baustelle der Seestadt Aspern erhielt eine Zwischennutzung als Gemeinschaftsgarten. Dieser fand nach Ende der Bauarbeiten einen fixen Platz in einem öffentlichen Park im Stadterweiterungsgebiet. Foto: Gartenploylog

Wie in anderen Städten auch ist in Wien seit einigen Jahren ein gestiegenes Interesse am urbanen Gärtnern festzustellen. Während es für einige eine Alternative zum schwer zugänglichen Schrebergarten darstellt, verbinden andere damit die Artikulation von Bedürfnissen und Ansprüchen, die das Potenzial besitzen, den Begriff des öffentlichen Raums zu erneuern.

Im vorliegenden Artikel ordnen wir jene lokalen Interventionen und Bewegungen, die den öffentlichen Raum für ihre Tätigkeiten beanspruchen, dem Kontext des emanzipatorischen Urbanismus zu. Diese Interventionen (vgl. Mörtenböck/Mooshammer 2013, vgl. Reynolds 2010) nutzen den öffentlichen Raum und zielen darauf ab, seine Bedeutung zu ändern und dadurch gesellschaftsverändernd zu wirken. Es sind die kleinen, alltäglichen Initiativen und Zusammenschlüsse, die jenseits bestehender politischer Strukturen emanzipatorischen Gehalt entwickeln und gesellschaftlichen wie kulturellen Wandel hervorbringen (Amin/Thrift 2004: 234). Wesentlich ist dabei das Zusammenspiel lokaler Initiativen und globaler Diskurse. Was nun die urbanen GärtnerInnen selbst betrifft, beschreiben einige Autoren sie als Teil von privilegierten, jedoch alternativen und kritischen "bohemian milieus" (Mayer/Boudreau 2012: 278) während andere sie als sozio-ökonomisch diverse, vor allem lokal verankerte Gruppierungen wahrnehmen (Lange 2013, Adams und Hardman 2013). Eine wesentliche Ausdrucksform dieser Bewegungen sind "kleine Aktionen zur Wiederaneignung des Stadtraums" (Mayer/Boudreau 2012: 285). Die bekannten Ausdrucksformen dieser Bewegung sind Urban Gardening, Interventionen im öffentlichen (Straßen)Raum und Aktionen in öffentlichen Parkanlagen (ebd. 286).

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Kleingärten
Dauerwohnen im Kleingarten (KGA Wasserwiese). Fotos: Soweit nichts anderes angegeben, Eva Schwab
Kleingärten
Die Lage der traditionellen Kleingärten (grün) und der neuen Gemeinschaftsgärten (rot). Karte: eigene Bearbeitung auf Basis Vienna GIS
Kleingärten
Der Gemeinschaftsgarten im Arenbergpark etablierte sich im wenig genutzten Bereich um den Flakturm.

Für Wien fehlt bisher eine strukturelle und akteursbezogene Analyse der Initiativen, die ihre genauere diskursive Verortung ermöglicht und ihre Beziehung zur Stadtplanung beleuchtet. Der vorliegende Artikel bietet einen Überblick über die unterschiedlichen Formen des Urban Gardening in Wien und diskutiert diese entlang der Pole institutionalisierter Beteiligung und emanzipatorischer Aktivität. Als historischen Referenzrahmen ziehen wir einerseits die Kleingartenbewegung und andererseits den zivilgesellschaftlichen "Widerstand der Orte" heran.

Wien und seine Grünraumausstattung

Wien ist mit etwa 1,73 Millionen EinwohnerInnen (MA 23 2012: 6) Österreichs größte Stadt und Hauptstadt der Republik Österreich. Die Fläche der Stadt umfasst seit 1954 etwa 415 Quadratkilometer, die in 23 Bezirke als politische Verwaltungseinheiten aufgeteilt sind.

Seit den 1990er-Jahren verzeichnet die Stadt nach Jahrzehnten der Stagnation und des Rückgangs der Bevölkerungszahl wieder ein Wachstum. Seit Anfang der 2000er-Jahre ist die Wiener Bevölkerung um etwa zehn Prozent gewachsen (MA 23 2012: 7). Dieses Wachstum manifestiert sich vor dem Hintergrund der unternehmerischen Stadt auch in einer wachsenden sozialräumlichen Ungleichheit. Dabei sind räumliche Konzentrationen von Alterungs- und Migrationsprozessen festzustellen, die mit einer Anspannung des Wohnungsmarktes einhergehen (vgl. Rode et al 2010). Nichtsdestotrotz kann man Wien als politisch und wirtschaftlich stabil bezeichnen. Dies trägt unter anderem dazu bei, dass sich in Wien internationale Trends vergleichsweise spät manifestieren (Dangschat/Hamedinger 2009: 95f).

Der Grünflächenanteil am gesamten Stadtgebiet beträgt 45,5 Prozent, wobei davon die extensiv genutzten und gestalteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen mit fast 87 Prozent den größten Anteil besitzen (vgl. MA 23, 2014). Sie liegen im Wald- und Wiesengürtel, einer bereits 1905 etablierten Schutzzone in den landschaftlich geprägten Randgebieten der Stadt. Dementsprechend schwankt der Grünflächenanteil in den einzelnen Bezirken je nach Lage im Stadtgebiet zwischen drei und 13 Prozent in den dichtbebauten innerstädtischen Lagen und bis zu 70 Prozent in den westlichen Randbezirken am Wienerwald (ebd.). Kleingärten bilden vor allem in den Bezirken außerhalb des Gürtels einen stadtraumprägenden Typus von Grünraum. Es gibt insgesamt 26 813 Kleingärten in 13 Wiener Gemeindebezirken, die eine Fläche von etwa 900 Hektar einnehmen. Dabei variiert die Größe der Kleingartensiedlungen beträchtlich, manche beinhalten nur zwischen zehn und 20 Parzellen, während andere mit mehr als 800 Parzellen zu Buche schlagen. Prägend für die Situation der Kleingärten in Wien ist die lebenslange Pachtdauer für eine Parzelle und die Möglichkeit, dauerhaft im Kleingarten zu wohnen. Dieser Umstand ist einer Änderung des Flächenwidmungsplans aus dem Jahr 1992 geschuldet. Aktuell fallen bis auf wenige Ausnahmen die meisten Kleingartensiedlungen unter diese Regelung, die zu einer starken Veränderung im Kleingartenwesen in Wien hin zu Einfamilienhaussiedlungen mit wenig Dynamik in den Pachtverhältnissen beigetragen hat. Nichtsdestotrotz werden Kleingärten laut Flächenwidmung als Grünflächen betrachtet. Derzeit beträgt die Wartezeit auf einen Kleingarten bis zu zehn Jahre. Vor allem mittlere bis obere Einkommensgruppen finden Zugang zu Kleingärten (Schindelar 2008).

Seit Mitte der 2000er-Jahre ist ein verstärktes zivilgesellschaftliches Interesse am Urban Gardening wahrzunehmen, das in zahlreichen neuangelegten Gemeinschaftsgärten Ausdruck findet. Dies ist einerseits als Reaktion auf die geringe Zugänglichkeit der traditionellen Kleingärten zu verstehen, muss andererseits aber natürlich in Zusammenhang mit internationalen Trends gesehen werden, in denen Ideen wie "Recht auf Stadt", Gemeinwohl, Stadtlandwirtschaft oder "guerilla gardening" prägend sind. Die Wiener Stadtregierung wertet diesen Trend als Beitrag zur hohen Wiener Lebensqualität, die im internationalen Städtewettbewerb ein wesentliches Charakteristikum der Standortqualität Wiens darstellt1). In diesem Kontext legt Wiens Stadtregierung Wert darauf, öffentlichen Raum als Ort der Sozialintegration zu stärken. Die für Umweltschutz und Grünraum zuständige Stadträtin befindet, dass Gemeinschaftsgärten nachbarschaftliche Beziehungen fördern und einen aktiven Betrag zur Gestaltung von städtischem Freiraum leisten (Pöltner-Roth/Kromp 2013). Wesentlich in dieser Hinwendung ist die Förderung lokal verankerter und kleinmaßstäblicher Projekte durch die Politik und Administration mittels finanziellen Zuschüssen und Know-how oder Sachspenden. Nachbarschaftsgärten haben im Vergleich zu Kleingärten eine wesentlich geringere Pachtdauer von maximal drei Jahren, welche jedoch verlängert werden kann. Sie finden sich vor allem in den dicht bebauten Innenbezirken, zum Teil in öffentlichen Parkan-algen und sind in ihrer Größe meist auf 10-15 (Hoch)Beete beschränkt. Diese Governancestrategie ist in der historischen Betrachtung eine neuartige Entwicklung und bietet das Potential zu einer diskursiven Umdeutung etablierter Nutzungs- und Verwaltungspraxen von öffentlichem Grünraum.

Kleingärten
Der Gemeinschaftsgarten der Salatpiraten nutzt eine vormals extensiv begrünte Fläche im dichten Stadtgebiet. Foto: Edda Bültemeyer/Salatpiraten
Kleingärten
Der Kistlgarten ist eine temporäre Intervention in einem Gebäuderücksprung im dicht bebauten Stadtraum.
Kleingärten
Der Donaukanalgarten ist öffentlich zugänglich, befindet sich jedoch auf dem privaten Pachtgrund eines Lokalbetreibers.

Eine kurze Geschichte der Wiener Grünraum-Planungspolitik

In der Stadtplanungspolitik unter sozialdemokratischer Führung ist ein Fokus auf Großprojekte im Bereich Wohnungsbau und Infrastruktur festzustellen. Diese Schwerpunktsetzung manifestierte sich bereits Mitte der 1920er-Jahre mit dem kommunalen Wohnbau des "Roten Wien". Für kurze Zeit davor - ab 1918 - war allerdings die genossenschaftliche Selbsthilfebewegung maßgeblich, die sowohl die Siedlerbewegung als auch die Bildung von Kleingartenvereinen prägte. Die Selbstversorgung durch Obst, Gemüse und Kleintierhaltung im eigenen Garten standen ebenso im Vordergrund wie die Gemeinschaftshilfe bei der Errichtung der Wohnhäuser. Denn erst die genossenschaftliche Organisation ermöglichte ArbeiterInnen und HandwerkerInnen den Zugang zum Eigenheim (Novy 2012: 135). Die sozialistischen Siedlergenossenschaften versuchten mit ihrer Tätigkeit ein Projekt gesamtgesellschaftlicher Veränderung zu etablieren, das durch basisdemokratische Selbstverwaltung in kleinen, lokalen Netzwerken sowie sozialökonomische und wirtschaftsreformerischen Ansätzen charakterisiert war (ebd.: 149 und 154). Wesentliches Element der Genossenschaften waren ihre Gemeinschaftseinrichtungen und der Bildungsauftrag (ebd.: 149). Ab 1924 kam es in Wien zu einer Umorientierung hin zum großmaßstäblichen Wohnbau, der das Ende der frühen Siedlerbewegung darstellt.

Erst ab Mitte der 1970er ist in den Stadtplanungsgrundsätzen wieder lokaler und zivilgesellschaftlicher Input erkennbar. Dieser manifestiert sich einerseits in den lokal verankerten Gebietsbetreuungen, die in kleinmaßstäblichen Projekten als intermediäre Akteurin zwischen Verwaltung, GrundstücksbesitzerInnen und NutzerInnen in der Stadterneuerung fungierten. Außerhalb dieses neuen institutionellen Rahmens formierten sich etwa zeitgleich autonome AkteurInnen in einer Widerstandsbewegung, die die Bedeutung von öffentlichem Raum durch Besetzungen thematisierten. Innerhalb dieses "Widerstand der Orte" (Mattl 2012: 28) hatte die sogenannte Burggartenbewegung einen expliziten Grünraumbezug. Sie verlangte Ende der 1970er-Jahre über "Besitzungen" eine Änderung der rigiden Nutzungsnorm in der zentralen öffentlichen Parkanlage des Burggartens - des ehemaligen Privatgartens des österreichischen Kaisers. Die Forderung nach "Rasenfreiheit" wurde in monatelangen Auseinandersetzungen mit der Exekutive durchgesetzt (vgl. Wiener 2012: 146) und ist als Umdeutung der zentralen, repräsentativen Orten der Stadt hin zu multifunktionalen Orten des Alltags zu verstehen.

Seither bildet die Bezirksebene mit lokalen, kleinmaßstäblichen Projekten ein erkennbares Politikfeld. Dieses wird mit dem Koalitionseintritt der Grünen im Jahr 2010 offensiver bearbeitet. So werden die Themenfelder der sozialen Integration, der Stadtentwicklung und des Umweltschutzes direkt mit der Entwicklung, Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Grünraums verknüpft.

Formen des Urban Gardening in Wien

Eine im Frühjahr 2014 durchgeführte Erhebung zeigt, dass etwa 45 Gärten und Grünräume im Stadtgebiet von Wien gemeinschaftlich bearbeitet werden. Der größte Teil der Projekte ist mit etwa 58 Prozent im dichtbebauten, gründerzeitlich geprägten Stadtraum situiert. Weitere 13 Prozent befinden sich in Entwicklungsgebieten der Stadtplanung oder in Neubauprojekten, 18 Prozent in bestehenden, teils großvolumigen, Wohnhausanlagen in Stadtrandlage.

Etwa die Hälfte der Projekte befindet sich in bereits bestehenden Parkanlagen. Bei etwas mehr als einem Drittel besitzen die Anlagen eine besondere Konfiguration wie eine Innenhofsituation, einen linearer Zuschnitt, einen Mikrofreiraum oder sie bespielen untergenutzte Randbereiche. Ungefähr 13 Prozent der Projekte sind im siedlungsbezogenen Freiraum von Wohnhausanlagen, weitere neun Prozent in Innenhöfen oder Teilbereichen von bebauten Parzellen aktiv. Etwa elf Prozent befinden sich auf brachgefallenen oder untergenutzten Flächen, nur sieben Prozent der Projekte sind auf landwirtschaftlichen Flächen situiert. Bei den Eigentumsverhältnissen verstärkt sich dieses Bild: bei fast 70 Prozent ist der Grundstückseigentümer eine grundstücksverwaltende Magistratsabteilungen der Stadt oder die Republik Österreich selbst. In neun Prozent der Fälle sind Bauträger oder Investoren Eigentümer der Flächen und in weiteren neun Prozent sind es Privatpersonen. Mehr als die Hälfte der Projekte ist nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich, viele sind eingezäunt. Die wenigsten sind ohne Barriere öffentlich zugänglich.

Erste Projekte sind in den Jahren 1998 und 2001 dokumentiert. Ab 2009 ist eine intensivere Initiierung von Gartenprojekten festzustellen, die in den Jahren 2011 und 2013 mit jeweils zehn neuen Initiativen ihre Höhepunkte erlebt. Bei den meisten Projekten ist eine dauerhafte Intention zu erkennen, nur etwas mehr als 13 Prozent der Projekte verstehen sich als explizit temporär. Der Anstoß für die Projektrealisierung ging zu fast einem Drittel von Institutionen aus, die in der direkten Nachbarschaft ihren Standort haben und gemeinnützig orientiert sind. Unter diesen bildet der Verein Gartenpolylog einen Netzwerkknoten. 28 Prozent der Projekte gehen auf die Initiative oder Anregung von BürgerInnen und AnrainerInnen zurück. In mehr als 13 Prozent der Fälle bildeten Lokale Agenda 21 Prozesse die Initialzündung für ein Projekt. Der intermediäre Akteur der Gebietsbetreuung initiierte genauso wie privatwirtschaftliche Akteure 9 Prozent der Projekte.

Der Großteil der Projekte - etwa zwei Drittel - ist als Verein organisiert, wobei auch hier der Verein Gartenpolylog mit etwa 16 Prozent eine zentrale Rolle einnimmt. Nur in zwei Fällen gibt es keine formale Trägerschaft der Projekte, die AkteurInnen bleiben anonym. Die Intention der Projekte fokussiert in allen Fällen auf die Stärkung der lokalen Nachbarschaft. In einigen Fällen wird eine eher individuelle Schwerpunktsetzung mit der Verbesserung des psychischen und physischen Wohlbefindens und der Hobbygärtnerei deutlich. Andere thematisieren stärker umweltpädagogische Belange, ökologisch orientierte Beiträge - wie etwa Selbstversorgung - und den Aspekt der demokratischen Selbstorganisation zur Gesellschaftsveränderung.

In der Zusammenschau der Wiener Initiativen zeigt sich, dass die AkteurInnen vorwiegend im gebildeten und kreativen Milieu zu finden sind. Die lokale Ebene ist der Ausgangspunkt der Initiativen, sowohl räumlich als auch sozial. Nachbarschaftsinitiativen und kleine Netzwerke aus Gleichgesinnten sind die TrägerInnen der Interventionen. Es werden - inspiriert von internationalen Beispielen - politische, soziale und ökologische Handlungsräume ausgelotet. Der soziale Aspekt erweist sich als wesentliches Moment beim Entstehen einer Initiative und der Langlebigkeit ihres Engagements. Die Initiativen verknüpfen dabei ihre Werthaltungen und privaten Interessen mit bestehenden Angeboten der Stadt Wien zur Förderung von Urban Gardening.

Es kann also gefolgert werden, dass die Fokussierung der Initiativen auf den öffentlichen Grünraum Ausdruck von Unzufriedenheit ist, die zum einen die lokalstaatliche Verwaltung der Grünräume betrifft, zum anderen das institutionelle Verständnis für urbanen Grünraum kritisiert. Es ist erkennbar, dass mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen jedenfalls eine Intention der Selbstermächtigung und der Selbstorganisation einhergeht. Eine Errungenschaft der Initiativen ist eine begriffliche Erweiterung des urbanen Grünraums um den Produktionsaspekt. Urbanes Grün wird dadurch nicht mehr nur als Kompensations-, Repräsentations- und Erholungsraum verstanden, der eine Gegenthese zur Stadt bildet. Mit dem urbanen Gärtnern wird der Grünraum in die Stadt integriert, der städtische Bürger wird zum Produzenten.

Herausforderungen für Stadtplanung und Urban Gardening Initiativen

Im Vergleich der aktuellen Urban Gardening Initiativen mit der historischen Entwicklung der Kleingartenbewegung fällt die Analogie zur Privatisierung des Raums mit einer exklusiven Nutzbarkeit für eine bestimmte Teilöffentlichkeit auf. Dieser beobachtbare Partikularismus ist bei den Kleingärten ganz klar mit einer Entpolitisierung verbunden. Auch bei gewissen Urban Gardening Initiativen fällt die Realisierung des individuellen Gartenglücks mit Tendenzen der Privatisierung des öffentlichen Raums zusammen. Dies ist einerseits Vandalismuserfahrungen geschuldet, andererseits spiegeln sich aber auch Partikular- und Individualinteressen der AkteurInnen wider.

Die Erweiterung des Grünraumbegriffs ist verbunden mit einem Aushandlungsprozess, der Strategien vom direkten Widerstand bis zum sozialpartnerschaftlichen Stil aufweist. Aus der Darstellung der Burggartenbewegung wird deutlich, dass die zivilgesellschaftlichen und behördlichen Vorstellungen zur Nutzung eines Grünraums besonders bei repräsentativen Anlagen divergieren. Im Gegensatz zu den 1980er-Jahren scheinen heute die zivilgesellschaftlichen Strukturen so etabliert zu sein, dass sie mit technischen Verwaltungsstellen in den Aushandlungsprozess treten können. Dabei ist Kunst- und Kulturinitiativen eine Vorreiterrolle zuzuschreiben, auf die ein Prozess des Mainstreaming folgt.

Zwei wesentliche Charaktermerkmale werden also aus der Analyse manifest: Die Wiener Urban Gardening Szene formierte sich relativ spät. Erst seit der Mitte der 2000er-Jahre sind ein Anstieg der initiierten Gärten und eine verstärkte Präsenz des Themas spürbar.

Als zweites Merkmal der Wiener Urban Gardening Szene ist ihre starke Institutionalisierung zu nennen: es fallen die starke Fokussierung auf Flächen in öffentlichem Besitz oder städtischer Verwaltung und auf die Trägerschaft als Verein sowie die Einheitlichkeit der Gestaltung auf. Diese Umstände reflektieren die spezifische Kombination aus Wiener Bürokratie und der Wichtigkeit des öffentlichen Raums in der aktuellen Ausrichtung der Planungspolitik. Die Initiativen sind dadurch langlebig, was dem Engagement der GärtnerInnen dienen dürfte. Sie sind jedoch auch wenig emanzipatorisch. Durch die starke Institutionalisierung laufen die Initiativen Gefahr, zu einer weiteren Facette der Grünraumpolitik zu werden, statt ihr Erneuerungspotenzial in der praktischen Bearbeitung von Themen wie Recht auf Stadt, Ernährungssouveränität oder Gemeinwohl zu entfalten.

In der Wiener Grünraumplanung ist durch die ersten Urban Gardening Initiativen durchaus ein Erneuerungsdiskurs erkennbar, der sich auch auf die Ebene der Stadtplanung niederschlägt. Ein verändertes Planungsverständnis von öffentlichem Grünraum weniger als staatlicher Raum sondern als gesellschaftlicher Raum ist jedoch in der bürokratischen Stadtplanung kaum zu erkennen. Notwendig scheint eine Operationalisierung der Erkenntnisse in Planungszugänge und Methoden (entlang der Schlagworte Produktiver Park oder Park der Demokratie), um neben Salat und Kräutern auch weiterhin die Früchte eines emanzipatorischen Urbanismus ernten zu können.

Anmerkungen

1 www.wien.gv.at/politik/international/wettbewerb/mercerstudie.html und www.wien.gv.at/politik/international/wettbewerb/rankings.html, 05.04.2014

Literatur

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Amin, A.; N. Thrift (2004): The "Emancipatory" City?. In: Lees, Lorette (Ed.) (2004): The Emancipatory City. Paradoxes and Possibilities. SAGE Publications, Thousand Oaks.

Dangschat, J.; A. Hamedinger (2009): Planning Culture in Austria - The case of Vienna, the Unlike City. In Joerg Knieling, and Frank Orthengrafen (eds.) Planning Cultures in Europe. Decoding Cultural Phenomena in Urban and Regional Planning (pp. 95-112). London: Ashgate.

Lange, B. (2013): Neue Orte des Städtischen durch Soziale Innovation, in: Lange, B., Prasenec, G., Saiko, H. (Eds.) Ortsentwürfe, Berlin: Jovis

MA 23 (2014): www.wien.gv.at/statistik/lebensraum/tabellen/gruenflaechen-bez.html

Mayer, M.; J-A. Boudreau (2012): "Social Movements in Urban Politics: Trends in Research and Practice", in: Oxford Handbook on Urban Politics.

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Mörtenböck, P.; H. Mooshammer (2013): Platzbewegungen - Expeditionen in den Raum der Versammlung. In: Lange, Bastian/Prasenc/Gottfried/Saiko, Harald (2013): Ortsentwürfe - Urbanität im 21. Jahrhundert. Jovis, Berlin.

Novy, K. (2012): Selbsthilfe als Reformbewegung - der Kampf der Wiener Siedler nach dem 1. Weltkrieg. In: Krasny, Elke (Hg.): Vom Recht auf Grün. Turia + Kant, Wien-Berlin.

Pöltner-Roth, K.; B. Kromp (2013): Miteinander Garteln in Wien. Im Auftrag der MA 49. Verfügbar unter www.wien.gv.at/umwelt-klimaschutz/garteln-bilanz.html

Reynolds, R. (2010): Guerilla Gardening - ein botanisches Manifest. Orange press, Freiburg.

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Schindelar, A. I. (2008): Kleingärten in Wien: Bestandsaufnahme, gesellschaftliche Bedeutung und stadtplanerische Perspektive. Masterarbeit, Universität Wien.

Wiener, S. (2012): Erinnerungen an die Anfänge der Burggarten-Bewegung. In: Nußbaumer, M.; W. M. Schwarz (Hg.) (2012): Besetzt! Kampf um Freiräume seit den 70ern. Czernin Verlag Wien.

DI Dr. Philipp Rode
Autor

Offenes PlanerInnenkollektiv - Verein für Landschaftsplanung, Kunst, Kultur und Umweltpädagogik

DI Dr. Eva Schwab
Autorin

Institut für Landschaftsarchitektur Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur, Universität für Bodenkultur

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