Ideen für die Konkretisierung vor Ort

Urbane Grüne Infrastruktur umsetzen

von:
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1 Riemer Park in München-Riem. Foto: Jonas Renk

Urbane Grüne Infrastruktur (UGI) wird als Netzwerk aus Flächen und Elementen einer Stadt entwickelt, die gemeinsam ein breites Spektrum an Ökosystemleistungen bereitstellen und zur biologischen Vielfalt beitragen (vgl. Hansen et al. 2017, 3).

Der Begriff wurde im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens "Grüne Infrastruktur im urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der integrierten Stadtentwicklung" umfassend definiert und gewinnt seither zunehmend an Bedeutung für die Bezeichnung der Grünen Infrastruktur speziell im urbanen Kontext. Das Forschungsprojekt wurde bis 2017 von der Technischen Universität München und der Technischen Universität Berlin in Kooperation mit dem Berliner Planungsbüro bgmr Landschaftsarchitekten bearbeitet und vom Bundesamt für Naturschutz betreut. Neben dem Abschlussbericht zu den Untersuchungen wurde 2017 auch ein Konzept- und Argumentationspapier veröffentlicht, in dem strategische Schritte und Umsetzungsmöglichkeiten zu Planung, Sicherung und Entwicklung, Pflege und Management von UGI aufgezeigt werden. Auf der Grundlage des Forschungsprojekts wurde 2017 zudem meine Masterarbeit zum Thema "Urbane Grüne Infrastruktur als innovativer Planungsansatz für die Flächennutzungs- und Landschaftsplanung in deutschen Städten" publiziert, in der dargelegt wird, wie das Konzept in die kommunale Gesamtplanung deutscher Städte implementiert werden kann.

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Teichanlage im Botanischen Garten in der Kopenhagener Innenstadt. Foto: Jonas Renk
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Schanzengraben mit Promenade als Steganlage in Zürich. Foto: Jonas Renk

Der UGI liegt ein Planungsansatz zugrunde, der zwar komplex ist, jedoch auch ein hohes Maß an Flexibilität für den lokalen Kontext zulässt und damit Raum für innovative Ideen bereithält. Wie das Konzept auf der Grundlage von Planungsprozessen auf verschiedene Weise vor Ort konkretisiert werden kann, sollen einige Beispiele für potenzielle Maßnahmen zur Entwicklung der UGI verdeutlichen.

Die Bestandteile der UGI können natürlich, naturnah oder gestaltet sowie durch Vegetation oder Wasser geprägt sein (vgl. Hansen et al. 2017, 3). Auf gesamtstädtischer Ebene bilden Parks, Grünzüge und -ringe, naturnahe Landschaftsräume sowie Gewässersysteme und Wälder das Grundgerüst der UGI (ebd., 11). Auf Quartiersebene können zum Beispiel auch begrünte Wegesysteme, durchgrünte Wohngebiete sowie unversiegelte Brach- und Sukzessionsflächen wichtige Teile der UGI sein (ebd.). Durch Begrünung können auch versiegelte und bebaute Flächen in die UGI eingebunden werden (ebd., 3). Denn zum einen können solche Bereiche rückgebaut beziehungsweise entsiegelt und in diesem Zuge begrünt werden (ebd., 12). Zum anderen können Gebäude vielfach beispielsweise durch Dach- und Fassadenbegrünungen (ebd.) sowie geeignete Begrünungen der Außenanlagen und Innenhöfe als Beiträge für die UGI entwickelt werden.

Die Bandbreite möglicher Flächen und Elemente für die Entwicklung der UGI ist sehr weit, allerdings unterscheiden sich Art und Umfang, in dem die potenziellen Bestandteile zu der Entwicklung der UGI beitragen können. Insgesamt erscheinen potenzielle Maßnahmen und Bestandteile für die UGI umso bedeutsamer, je wichtiger und vielfältiger die Ökosystemleistungen sind, die sie bereitstellen, je mehr sie zur biologischen Vielfalt beitragen und je entscheidender ihre Vernetzungsfunktion innerhalb des Verbundsystems der Grün- und Wasserflächen ist.

Konversionsflächen können in besonderer Weise dafür geeignet sein, große Parkanlagen als wichtige Grundelemente der UGI auf gesamtstädtischer Ebene neu zu entwickeln. So wurde zum Beispiel der Riemer Park in München auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens München-Riem entwickelt. Das Gelände der diesjährigen Landesgartenschau in Würzburg befindet sich auf dem Areal einer früheren Kaserne, die heute ansonsten überwiegend für Wohnzwecke genutzt wird. Sowohl auf der Parkanlage in München-Riem, als auch dem Landesgartenschaugelände in Würzburg-Hubland befindet sich jeweils eine begrünte Kalt- und Frischluftschneise mit hoher Bedeutung für die Klimaanpassung und Luftreinhaltung in zentralen und verdichteten Bereichen der beiden Städte.

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4 Nyhavn in Kopenhagen. Foto: Jonas Renk
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5 Der Neckar in der Tübinger Innenstadt als Ort für eine große Studentenfeier im Sommer. Foto: Jonas Renk

Auch werden beispielsweise Teile beider Areale als magere Mähwiesen extensiv bewirtschaftet, die somit zur Förderung entsprechender Lebensgemeinschaften in den beiden Städten beitragen.

Historische Landschaftsparks in mitten von Großstädten scheinen sich häufig durch einen hohen Strukturreichtum auszuzeichnen, der sich positiv auf die biologische Vielfalt auswirken kann. Geeignete Beispiele für solche strukturreichen Parks im Zentrum von Großstädten bilden etwa der Englische Garten in München oder der Botanische Garten in Kopenhagen.

Auch Fließgewässer können von entscheidender Bedeutung für die Freiraum- und Biotopvernetzung einer Stadt sein und als wassergeprägte Grundelemente der UGI fungieren. Der Schanzengraben in Zürich etwa wird durchgehend von einem öffentlich zugänglichen Weg mit hoher Aufenthaltsqualität begleitet, der abschnittsweise als Steganlage verläuft. Das System aus Kanälen, alten Hafenanlagen und Anlegestellen in Kopenhagen dient nicht nur auf den begleitenden Promenaden und Brücken als Wegesystem und Aufenthaltsort. Die Kanäle werden auch für den Tourismus und den ÖPNV genutzt und die an den alten Kaimauern angelegten Boote werden vielfach für Gastronomiezwecke genutzt und sind zunehmend als Wohnraum begehrt.

Wie hoch die soziale Bedeutung von Fließgewässern für die Stadtbevölkerung sein kann, zeigt auch der Neckar in Tübingen. In der Innenstadt dient er dort zeitweise auch als Ort für große Feiern. Als zentrale Elemente der UGI sollten Fließgewässer in Städten grundsätzlich nicht verdolt oder kanalisiert, sondern offen verlaufen, für die Bevölkerung zugänglich und für aquatische Organismen möglichst durchgängig sein. Geeignete Stellen sollten naturnah gestaltet werden und als Habitate für entsprechende Lebensgemeinschaften dienen, beispielsweise als Laichhabitate für Fische oder als strömungsarme Bereiche für juvenile Fische. Notwendige Befestigungen der Ufer sollten wo immer möglich mittels ingenieurbiologischer Bauweisen erfolgen. Insgesamt sollten sich die Fließgewässer durch eine hohe Strukturvielfalt kennzeichnen. Um bei Starkregenereignissen Überschwemmungen zu vermeiden, sollten die Fließgewässer auch Retentionsbereiche aufweisen.

Im Zusammenhang mit "Grauer" (also baulicher) Infrastruktur können für die Entwicklung der UGI beispielsweise Verkehrsflächen, die nicht mehr benötigt werden, (teil) entsiegelt und begrünt werden.

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Ehemaliger Gehsteig in der Nähe der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim bei Würzburg, der entsiegelt und mit Gehöl- zen und Kräutern bepflanzt worden ist. Der Gehsteig auf der anderen Straßenseite wurde nicht entsiegelt und in seiner Funktion belassen. Foto: Jonas Renk
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7 Straßenbegleitgrün an der Otto-Bärnreuther-Straße in Nürnberg. Foto: Jonas Renk
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8 Begrünte Gleisanlagen in Würzburg-Zellerau. Foto: Jonas Renk

Entsprechende Straßen können etwa in begrünte Geh- und Radwege umgewandelt oder in ihrem Randbereich umfassend begrünt werden. Bei mehrspurigen Straßen können die Fahrtrichtungen durch Baumreihen auf exponierten Grünstreifen voneinander abgegrenzt werden. Gleisanlagen können anstelle von Schotterbetten, Pflaster- oder Asphaltbelägen häufig auch extensiv begrünt werden.

Bauwerke, insbesondere Neubauten, sollten für die Entwicklung der UGI grundsätzlich umfassend begrünt werden. Häufig sind auch Bestandsgebäude mit Flach- oder Pultdächern beziehungsweise mit größeren fensterlosen Außenwänden für nachträgliche Bauwerksbegrünungen geeignet. Das Spektrum extensiver oder intensiver Bauwerksbegrünungen in Form von Dachbegrünungen unterschiedlicher Aufbau- und Bepflanzungsformen sowie boden- und wandgebundenen Vertikalbegrünungen ist inzwischen bekanntermaßen sehr weit. Besonders verbreitet scheinen Bauwerksbegrünungen bisher bei Mehrfamilienwohnhäusern und Anlagen für überdachte PKW-Stellplätze wie Tiefgaragen, Sammelgaragen und -carports. Vertikalbegrünungen bieten sich nicht nur als Fassadenbegrünung von Gebäuden an, sondern können beispielsweise auch im Zusammenhang mit Einfriedungen und Außenmöblierungen in unterschiedlicher Weise angelegt werden. Auch bei horizontalen Bauwerksbegrünungen muss es sich nicht zwangsläufig um Dachbegrünungen handeln. So können zum Beispiel auch Attiken mit Pflanztrögen oder Dachterrassen mit Hochbeeten ausgestattet werden.

Durch gebäudeintegrierte Artenschutzmaßnahmen - wie fachgerecht eingebaute oder an den Außenmauern befestigte Fledermausquartiers- und Vogelnistkästen, spezielles Fensterglas zur Verhinderung von Kollisionen oder Elemente zur Förderung von Wildbienen und Solitärwespen - können Bauwerke über Begrünungsmaßnahmen hinaus zur biologischen Vielfalt in Städten beitragen. Einfriedungen sollten zur Entwicklung der UGI primär durch Pflanzungen erfolgen.

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9 Sammelcarports mit extensiver Dachbegrünung in einer Wohnanlage im Würzburger Stadtteil Frauenland. Foto: Jonas Renk
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Vertikalbegrünung mit Efeu als Abgrenzung am Tivoli im Zentrum von Kopenhagen. Foto: Jonas Renk
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11 Mit Hilfe von Europaletten gebautes Hochbeet auf der Bayerischen Landesgartenschau 2018 in Würzburg. Foto: Jonas Renk

Notwendige Stützmauern können häufig zum Beispiel als begrünte Naturstein-Gabionen oder -Trockenmauern errichtet werden, die dadurch bei entsprechender Bauweise etwa für Amphibien oder Reptilien als Habitat dienen können. Wo Zäune erforderlich sind, sollten diese in sockelloser Bauweise und mit großer Maschenweite oder einem ausreichenden Abstand zum Boden errichtet werden, um deren Barrierewirkung für bodenlebende Tiere wie Igel oder Wildkaninchen zu verringern.

Das Thema Urban Gardening scheint zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Entsprechende Ansaaten und Pflanzungen können neben der Bereitstellung von Ökosystemleistungen - zum Beispiel in Form von Küchenkräutern, Gemüse und Obst - auch zur biologischen Vielfalt beitragen, etwa indem auf ein möglichst vielfältiges und lang andauerndes Blühspektrum geachtet wird und Fruchtstände wie die von Sonnenblumen oder Ringelblumen über den Winter gezielt vor Ort belassen werden, damit sich etwa Vögel davon ernähren können. Mit Hilfe von Hochbeeten kann Urban Gardening auch auf kleinem Raum betrieben werden.

Unter den vielen verschiedenen Ökosystemleistungen von Stadtgrün kommt angesichts der zunehmend mess- und spürbaren Auswirkungen des Klimawandels der Klimaanpassung eine besondere Rolle zu, sei es in Form von Abkühlungseffekten durch Verschattung und Evapotranspiration oder in Form von Retention und Versickerung von Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen. Forschungsprojekte und Förderprogramme in diesem Themenfeld können durch effektive Öffentlichkeitsarbeit vor Ort dazu beitragen, dass das Wissen um das Potenzial von urbanem Grün zur Klimaanpassung und um Ökosystemleistungen insgesamt in der Bevölkerung gestärkt wird.

Literatur

Hansen, R.; Rolf, W.; Pauleit, S. (TUM); Born, D.; Bartz, R.; Kowarik, I. (TUB); Lindschulte, K.; Becker, C. W. (bgmr Landschaftsarchitekten GmbH) (2017): Urbane grüne Infrastruktur. Grundlage für attraktive und zukunftsfähige Städte. Hinweise für die kommunale Praxis. Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Bonn - Bad Godesberg.

M.Sc. (TUM) Jonas Renk
Autor

Umweltplaner und Ingenieurökologe, freiberuflicher Fachautor und Berater für Naturschutz und Biodiversität

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