Simulation von Mikroklima und thermischem Komfort

Urbane Landwirtschaft als Anpassung an den Klimawandel

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Insbesondere Streuobstwiesen sind als Klimaanpassungsmaßnahme zu empfehlen. Foto: CC BY-SA 3.0

Urbane Landwirtschaft ist unter Berücksichtigung Ihrer vielfältigen Funktionen und Potentiale noch - oder wieder - bedeutend für die Stadt. Sie erfährt im Zusammenhang mit den aktuellen Herausforderungen Klimawandel, globale Ernährungskrise, Energiewende, Eintritt ins postfossile Zeitalter und zunehmender Urbanisierung in Wissenschaft und Praxis immer mehr an Bedeutung. Dabei rücken insbesondere die ökologischen und sozialen Funktionen in den Fokus der Stadtplanung. Im Rahmen einer Diplomarbeit an der Universität Potsdam und dem Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte der HU Berlin werden die Auswirkungen von urbanen Landwirtschaftsflächen auf das Mikroklima untersucht und Potentiale für die Stadt- und Freiraumplanung abgeleitet.

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Kaltluftproduzierende Grün- und Landwirtschaftsflächen, ihr Anteil am Stadtgebiet und Differenzierung nach Kaltluftvolumenstrom (nach: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung o.J.) Abbildung: Jacob Köhler
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Temperaturen verschiedener Oberflächen an einem heißen Sommertag (Reuter & Kapp 2012, S. 28 nach Fezer 1974). Abbildung: Jacob Köhler

1. Die kühle Luft der Landwirtschaft

Im Vergleich zu bebauten und versiegelten Bereichen haben vegetationsbestandene Flächen den Vorteil, durch Verdunstung der Vegetation, die Temperatur zu senken. In der Regel steigt die Abkühlungswirkung mit zunehmendem Grünvolumen und sinkt mit zunehmendem Bebauungsgrad.

Die maximalen Temperaturdifferenzen verschiedener Grünräume im Vergleich zu Beton und Asphalt sind zur Mittagszeit messbar (Abb. 1). Die entstehende Zirkulation zwischen Grünfläche und angrenzender Bebauung, der sogenannte Parkwind, sorgt für eine positive Ausgleichswirkung in den bebauten Gebieten, und die thermische Belastung für den Menschen wird verringert. In der Regel nimmt die Reichweite des Parkwindes mit der Flächengröße zu und kann durch Verbindung mit anderen Grünflächen ins Stadtgebiet erweitert werden.

Diese Potentiale gelten auch für landwirtschaftlich genutzte Flächen, werden bis dato in der Literatur allerdings nur im Allgemeinen benannt. Insbesondere die hohe Kaltluftproduktion wird hervorgehoben. Für Berlin kann dies nach Auswertung des Digitalen Umweltatlas bestätigt werden: im Stadtgebiet sind alle landwirtschaftlichen Flächen an der nächtlichen Kaltluftproduktion beteiligt, wobei 90 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen eine hohe bis mittlere Kaltluftproduktion (Abb. 3) erzielen.

Exakte Daten zur temperaturabsenkenden Wirkung auf ihren Flächen am Tag, sowie zu den Auswirkungen auf das thermische Empfinden, differenziert nach der auf ihr stattfindenden Nutzung, fehlen jedoch.

Neben der Verbesserung des Stadtklimas können die Flächen der urbanen Landwirtschaft auch als Ort der Erfahrung, Bildung, Kultur und Erholung genutzt werden. Born unter anderem sieht diese Multifunktionalität als Erfordernis urbaner Landwirtschaft und auch Lohrberg meint, dass nur solche Betriebe und Landschaften zukunftsfähig für die Stadt sind.

Trotz der erhöhten Aufmerksamkeit in Medien, Praxis und Wissenschaft in den letzten fünf Jahren ist keine Zunahme der integrierten Betrachtung von urbaner Landwirtschaft als Landnutzer in Forschungsvorhaben zu beobachten. Einen Grund stellt der Konflikt zwischen innerstädtischer Nachverdichtung und verstärkter Freiraumentwicklung dar, dem auch die urbane Landwirtschaft unterliegt.

2. Zentrale Fragestellungen

Ausgehend von diesem Konflikt der Flächenkonkurrenz, und um mögliche Potentiale als freiraumplanerische Anpassungsmaßnahme aufzuzeigen war es Ziel der Diplomarbeit, die klimatische Wirkung von Landwirtschafts-flächen als Flächennutzung im urbanen Raum im Vergleich zu Asphaltflächen festzustellen und Handlungsempfehlungen für die Stadt- und Freiraumplanung abzuleiten. Darauf aufbauend werden forschungsleitende Hypothesen entwickelt. Im Rahmen dieses Artikels wird eine Auswahl vorgenommen:

    • Verschiedene landwirtschaftliche Nutzungen zeigen in klimatischer Hinsicht unterschiedliche Wirkung. Der größte Abkühlungseffekt ist mittags zu erwarten.
    • Insbesondere (Obst-)baumbestandene Flächen sorgen für eine thermische Entlastung am Tage und stellen damit einen wichtigen Freizeit- und Erholungsraum für die Stadtbewohner dar.
    • Größere Wirkung auf ihre direkte Umgebung haben Flächen, die sich näher am Stadtkern befinden. Die Reichweitenwirkung hängt damit stark von der um die Landwirtschaftsfläche stattfindenden Nutzung ab.
    • Für eine nachhaltige Integration urbaner Landwirtschaft in die Stadt bedarf es der Beachtung ihrer Multifunktionalität. Mit strategischen Handlungsempfehlungen für das kommunale Handeln kann der Planungsprozess erleichtert werden.

Zur Beantwortung der ersten beiden Hypothesen werden Modellierungen mit dem dreidimensionalen Mikroklimamodell ENVI-Met V3.1 (www.envi-met.com) durchgeführt. Die Überprüfung der Hypothese drei basiert auf Daten des Digitalen Umweltatlas Berlin und Hypothese vier liegen aktuelle formelle und informelle Programme und Pläne sowie aktuelle Fachliteratur zugrunde.

Das Kernthema dieser Betrachtungen sind die durchgeführten Modellierungen. Daher werden im Folgenden die Funktionsweise des Programms und die Durchführung erläutert. Im Anschluss werden die Ergebnisse in der Reihenfolge der Hypothesen dargestellt und diskutiert.

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Schafe auf der Streuobstwiese des Landschaftspark Herzberge. Foto: Stefan Lübke, Agrarbörse Deutschland Ost e.V.
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Modellierungsergebnisse - Temperaturen der asphaltierten Referenzfläche (0) und der ausgewählten Berliner Beispielbetriebe (1-3) an einem heißen Sommertag im Tagesverlauf. Abbildung: Jacob Köhler
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Zur Einkommensverbesserung betreiben urbane Landwirtschaftsbetriebe oft Pensionspferdehaltung. Foto: CC BY-SA 3.0
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Lage der fünf ausgewählten landwirtschaftlichen Beispielbetriebe im Berliner Stadtgebiet. Abbildung: Jacob Köhler

3. Das Mikroklimamodell ENVI-Met und die Beispielbetriebe

Beispielhaft werden Temperatur und thermisches Empfinden im Umfeld von Berliner Landwirtschaftsbetrieben untersucht und mit einer asphaltierten Referenzfläche verglichen. Im Rahmen dieses Artikels werden modellhaft drei multifunktionale Berliner Landwirtschaftsbetriebe aus dem intra- und peri-urbanen Stadtgebiet dargestellt. Die Landwirte betreiben ökologischen Landbau. Auf Druck von Investoren und Planern reagieren sie durch innovative Kombination von klassischen landwirtschaftlichen Produkten mit unterschiedlichen Dienstleistungen und Bildungsangeboten.

Die Betriebsstrukturen der ausgewählten Betriebe machen eine Differenzierung in eine intensive und extensive Bewirtschaftungsform notwendig. Erst genannte ist durch Kombination von Tierhaltung, Getreideanbau und Gartenbau mit Freizeit- und Bildungsangeboten geprägt.

Die gleichen Zusatzangebote charakterisiert Zweit genannte. Die bewirtschafteten Flächen werden extensiv als Streuobstwiesen und Weideflächen genutzt.

Das verwendete numerische Modell ENVI-Met wurde entwickelt, um die Interaktion zwischen Pflanzen und Atmosphäre in Städten zu analysieren. In der Stadtplanung wird es speziell für Klimaanpassungsstrategien genutzt. Zusätzlich erlaubt das Modell auch Aussagen über das thermische Empfinden. Als Modellinput dienen Parameter zur Meteorologie, zur Gebäudestruktur, zum Boden und zur Vegetation.

Die simulierten Flächen haben jeweils eine Größe von vier Hektar, bei einer Auflösung von ein Meter mal ein Meter. Für ein ungehindertes Einströmen des Windes wird umlaufend eine vegetationsfreie Randzone von 20 Meter eingestellt. Um einen nutzungsbezogenen Vergleich zu gewährleisten, ist ein einheitlicher Untergrund (Lehmboden) gewählt.

Abbildung 4 zeigt die Lage der ausgewählten Beispielbetriebe im Stadtgebiet Berlins. Die asphaltierte Referenzfläche (0) stellt eine theoretische, manuell konstruierte Fläche dar, über dem Lehmboden befindet sich der Asphalt. Die Fläche des Repräsentanten für die extensive multifunktionale Landwirtschaft intra-urban (1) stellt der Landschaftspark Herzberge dar. Er liegt im Bezirk Lichtenberg. Die Fläche setzt sich aus extensiver Weidefläche mit lockerem Streuobstbestand und einem Gebäude, in dem später Bildungsangebote durchgeführt werden sollen, zusammen. Die Beweidung wird mit Rauwolligen Pommerschen Landschafen durchgeführt. Fläche (2), im Südwesten Berlins in Dahlem gelegen, umfasst Getreideanbau, Gartenbau, Anbau von Feingemüse und Streuobstwiese als Nutzung. Sie wird als Beispiel für die intensive multifunktionale Landwirtschaft intra-urban gewählt. Die modellierte Fläche der extensiven multifunktionalen Landwirtschaft peri-urban (3) ist eine Grünlandfläche in Malchow die von Rindern beweidet wird. Auf etwa einem Viertel der Fläche befindet sich Streuobst, eng gepflanzt. Fläche (3) ist die Fläche mit dem größten Grünvolumen, ein leicht geringeres Grünvolumen besitzt Fläche (1). Das geringste Grünvolumen weist Fläche (2) auf.

Die Simulationen erfolgen als Momentaufnahme an einem Tag im Jahr mit potenziell hoher Wärmebelastung und maximaler Ausprägung der Wärmeinsel. Mitten im Juli, an einem hochsommerlichen, wolkenlosen und windschwachen Tag (Strahlungswetterlage). Die Startzeit der Simulationen ist 05 Uhr, die Laufzeit beträgt 24 Stunden.

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Im Wuhletal in Berlin-Marzahn werden Schottische Hochlandrinder als Weidetiere eingesetzt. Foto: Stephan Lübke, Agrarbörse Deutschland e.V.
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Modellierungsergebnisse - OMV-Verteilung der asphaltierten Referenzfläche (0) und der ausgewählten Berliner Beispielbetriebe (1-3) an einem heißen Sommertag im Tagesverlauf. Abbildung: Jacob Köhler
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Tabelle 1.: Skala des Predicted Mean Vote (PMV), des thermischen Empfindens sowie der Belastungsstufe und der biologischen Wirkung. (verändert nach: Reuter & Kapp 2012, S. 41)

4. Ergebnisse & Diskussion

4.1. Das Temperaturverhalten ausgewählter Berliner Landwirtschaftsbetriebe

Die mittlere Lufttemperatur der Kernfläche in zwei Meter Höhe dient als Parameter für die Differenzen der unterschiedlichen Nutzungen im Vergleich zur asphaltierten Referenzfläche.

Als Kernfläche gilt die landwirtschaftlich genutzte Fläche exklusive der vegetationsfreien Randzone.

Die Ergebnisse (Abb. 5) belegen, dass auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ganztägig geringere Temperaturen vorherrschen als auf einer voll asphaltierten Referenzfläche und dass die maximalen Differenzen um die Mittagszeit erreicht werden. Die extensiv-multifunktional bewirtschaftete Fläche peri-urban (3) mit seinem dichten Bestand an Obstbäumen und der entsprechend hohen Verschattungswirkung stellt mit -3,3 K um 15 Uhr die kühlste Fläche dar.

Demzufolge bleibt festzuhalten: die Intensität der Abkühlung wird von der auf ihr stattfindenden Nutzung bestimmt. Eine Zunahme des Grünvolumens führt zur stärkeren Abkühlung am Tage.

Nach 15 Uhr nehmen die Differenzen der Lufttemperatur bis um 05 Uhr stetig ab und erreichen ihr Minimum am Ende einer Strahlungsnacht. Ab zirka 19 Uhr weist die extensiv multifunktional bewirtschaftete Fläche intra-urban (1) die größten Differenzen der Temperatur zur Referenzfläche auf. Grund ist der lockere Baumbestand in Kombination mit dem kurzen Grünland.

Dies ermöglicht eine gute Durchlüftung, die nächtliche Ausstrahlung ist ungestört. Neben dem Grünvolumen spielt also auch die Struktur der Vegetation eine wichtige Rolle für den Abkühlungseffekt.

An dieser Stelle sei darauf aufmerksam gemacht, dass die minimale Temperaturdifferenz aller landwirtschaftlich genutzten Flächen, im Vergleich zur versiegelten Referenzfläche, um 05 Uhr auf die nicht vorhandene Rauigkeit der Asphaltfläche zurückzuführen ist. Sie ist auch durch ungehinderte Wärmeabgabe geprägt.

Eine vorangegangene Studie zur klimatischen Wirkung von Parks von Mathey unter anderem zeigt die größte Abkühlungswirkung auf Flächen mit jungem bis dichtem Baumbestand.

Die geringeren Lufttemperaturdifferenzen, im Vergleich zu dieser Arbeit, von nur -2,0 K sind auf die geringere Flächengröße (ein Hektar) der Beispielflächen und abweichende Eingangsdaten zurück zu führen. Für einen direkten Vergleich der klimatischen Wirkung urbaner Landwirtschaftsflächen mit Parkflächen sind weitere Untersuchungen anzustreben.

4.2. Thermische Entlastung auf Streuobstwiesen

Für die Bewertung der thermischen Situation wurde das Bioklimamodell 'Predicted Mean Vote (PMV)' gewählt. Mit dem PMV-Wert lassen sich Wärme- und Kältebelastungen auf einer psychophysischen Skala differenzieren. Er wird auf Grundlage der Wärmebilanzgleichung des menschlichen Körpers berechnet.

Die Skala (Tab. 1) gibt über einen Komfortindex die thermischen Verhältnisse wieder, wodurch sich Gunst- und Ungunsträume im Stadtgebiet identifizieren lassen. Ab einem PMV-Wert von 2,5 spricht man von einer Belastung für den Menschen. Für die Bewertung des thermischen Empfindens wird die Höhe der stärksten Wechselwirkung zwischen Mensch und atmosphärischer Umgebung gewählt. Sie beträgt 1,2 Meter. Mit 14 Uhr wurde der Zeitpunkt der höchsten thermischen Belastung ausgewählt. Dargestellt sind die PMV-Verteilung der Referenzfläche (0) sowie der ausgewählten Beispielbetriebe inklusive der vegetationsfreien Randzone in 1,2 Meter Höhe (Abb. 8).

Die PMV-Verteilung auf der asphaltierten Referenzfläche (0) erreicht im Kernbereich um 14 Uhr Werte von 2,5 bis über 3. Die Belastung ist als stark einzustufen. Die Flächen der multifunktionalen Landwirtschaft sind thermisch angenehmer.

Bis auf die asphaltierten Bereiche der Fläche (1), als lila-farbene Streifen zu erkennen, ist das thermische Empfinden auf diesen Flächen 'behaglich' bis 'warm'. Die baumbestandenen Bereiche, sichtbar als hellgelbe bis hellorange kreisähnliche Formen, sind thermisch am angenehmsten. Hier liegen die PMV-Werte unter 1. Eine Wärmebelastung ist damit 'nicht' oder nur 'schwach' vorhanden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: das thermische Empfinden ist um 14 Uhr auf allen ausgewählten Beispielflächen angenehmer als auf der asphaltierten Referenzfläche. Unter Bäumen wird die Belastung für den Menschen nahezu egalisiert. Verantwortlich dafür ist der Abschattungseffekt der Bäume.

Die Ergebnisse bestätigen, dass mit (Obst-)Bäumen bestandene Flächen einen wichtigen Entlastungs- und Erholungsraum darstellen. Auch Mathey unter anderem weist auf das angenehme thermische Empfinden auf mit Bäumen bestandene Bereiche hin.

4.3 Reichweitenwirkung

Durch Auswertung des Digitalen Umweltatlas Berlin kann mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, dass die Reichweite der nächtlichen Kaltluft des Landschaftsparks Herzberge bis zu 600 Meter beträgt. Dies bestätigt die große Bedeutung intra-urbaner Landwirtschaftsflächen und zeigt, dass dieses Potential aus Sicht des Klimawandels besonders für dicht besiedelte urbane Räume nicht unterschätzt werden darf. Für die anderen Flächen war eine losgelöste Betrachtung nicht möglich.

4.4 Fördert urbane Landwirtschaft!

Neben den klimatischen Vorteilen der urbanen Landwirtschaft für das Stadtklima wird herausgearbeitet, dass urbane Landwirtschaft noch weitere Vorteile bietet. So ist die Mehrfachnutzung der städtischen Grün- und Freiflächen als eine ressourcenschonende Flächennutzung im Stadtgebiet dargestellt. Darauf aufbauend lassen sich Empfehlungen für die Stadtentwicklung ableiten.

Kommunen beschäftigen sich im Zusammenhang mit urbaner Landwirtschaft zurzeit nur mit der Flächenbereitstellung, oder sogar nur der Duldung entsprechender Nutzungen. Gängige Praxis ist es, die kleinen oft zersplitterten Restflächen bei Bedarf für ökonomisch relevantere Nutzungen aufzugeben

oder für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, für Eingriffe in Natur und Landschaft zu nutzen. Kompensationsmaßnahmen haben meist eine Extensivierung zur Folge, Produktionsfläche geht damit verloren. Weitere Einschränkungen erfährt urbane Landwirtschaft beispielsweise durch das Fehlen einer Förderkulisse auf EU- und Bundesebene und weil die planerischen Bemühungen vieler Kommunen auf den Arten- und Biotopschutz und die Wiederherstellung des Landschaftsbildes ausgerichtet sind.

Landwirtschaftlich genutzte Flächen sollten aufgrund ihrer klimatischen Wirkung und der Möglichkeiten der Mehrfachnutzung Bestandteil der klimagerechten Stadt sein, ihre Potentiale sind noch lange nicht ausgeschöpft. So gilt es für die drei Phasen Planung, Umsetzung und Erhaltung neue, kreative Fördermöglichkeiten zu entwickeln.

Im Allgemeinen gilt es, administrative Hürden abzubauen und die Rahmenbedingungen an urbane Räume anzupassen. Explizit gefördert werden kann urbane Landwirtschaft in der Planung beispielsweise durch Integration in formelle Planungsinstrumente. So könnte eine neue Darstellungskategorie für Flächen mit Mehrfachnutzung in die Bauleitplanung aufgenommen werden, denn die Kategorien im BauGB sind nicht abschließend. Durch integrierte informelle Konzepte kann die Förderung noch verbessert werden. In der Umsetzungsphase kann die Verpachtung der Flächen an Auflagen gebunden werden; zum Beispiel an die Richtlinien des ökologischen Landbaus wie in Hamburg und München praktiziert. Erhalt und Pflege machen den größten Posten des Grünetats kommunaler Grünflächenämter aus. Durch Beteiligung urbaner Landwirtschaftsbetriebe an dieser Art von Maßnahmen, können die Kosten der kommunalen Grünflächenpflege gesenkt werden. Darüber hinaus können auch die Stadtbewohner in Möglichkeiten der aktiven Aneignung von Grünflächen einbezogen werden. Die Landwirtschaftsflächen stellen damit im Vergleich zur klassischen Parklandschaft ein erweitertes Angebot für alle Stadtbewohner dar.

5. Fazit

Landwirtschaft, als Bestandteil des Grün- und Freiraumsystems, und ihre mikroklimatische Wirkung wurde in bis heute vorliegenden Studien nicht weiter betrachtet. Diese Arbeit stellt eine Momentaufnahme für einen Tag im Jahr dar. Sie zeigt für diesen Tag, dass urbane Landwirtschaft tendenziell das Potential hat, die Auswirkungen des Klimawandels in der Stadt zu verringern. Die klimatische Zielwirkung lässt sich durch die Ausgestaltung der landwirtschaftlichen Fläche bestimmen. Hier bietet sich insbesondere die extensive multifunktionale Landwirtschaft mit Grünland in Kombination mit Streuobst an, da hierdurch eine gleichmäßigere Wirkung erzielt wird auf die Klimaverbesserung erzielt wird als durch intensiven Getreideanbau mit vegetationsfreien Zeiten. Um eine nachhaltige Verbesserung des Stadtklimas durch urbane Landwirtschaft zu erreichen, bedarf es jedoch weiterer und differenzierterer Kenntnisse der Vegetations- und Nutzungsstrukturen und ihrer klimatischen Wirkung.

Urbane Landwirtschaft ist unter Berücksichtigung Ihrer vielfältigen Funktionen und Potentiale noch -oder wieder - bedeutend für die Stadt. Sie erfährt im Zusammenhang mit den aktuellen Herausforderungen Klimawandel, globale Ernährungskrise, Energiewende, Eintritt ins postfossile Zeitalter und zunehmender Urbanisierung in Wissenschaft und Praxis immer mehr an Bedeutung. Dabei rücken insbesondere die ökologischen und sozialen Funktionen in den Fokus der Stadtplanung. Im Rahmen einer Diplomarbeit an der Universität Potsdam und dem Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte der HU Berlin werden die Auswirkungen von urbanen Landwirtschaftsflächen auf das Mikroklima untersucht und Potentiale für die Stadt- und Freiraumplanung abgeleitet.

Literatur

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Köhler, J. (2013): Urbane Landwirtschaft und ihre Auswirkungen auf das Stadtklima - am Beispiel Berlins. Diplomarbeit, Universität Potsdam, Potsdam.

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Lohrberg, F. (2011): Stadtnahe Landwirtschaft in der Stadt- und Freiraumplanung: Ideengeschichte, Kategorisierung von Konzepten und Hinweise für die zukünftige Planung, Books on Demand. Norderstedt.

Mathey, J., S. Rößler u.l. Lehmann (2011): Noch wärmer, noch trockener? Stadtnatur und Freiraumstrukturen im Klimawandel: Abschlussbericht zum F+E Vorhaben. Bd. 111. Bundesamt für Naturschutz. Bonn-Bad Godesberg.

Reuter, U. & Kapp, R. (2012): Städtebauliche Klimafibel - Hinweise für die Bauleitplanung. Hrsg. von Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg. Stuttgart.

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Schulz, K., Th. Weith, W. Bokelman u.N. Petzke (2013): Urbane Landwirtschaft und "Green Production" als Teil eines nachhaltigen Landmanagement. Diskussionspapier Nr. 6 der BMBF-Fördermaßnahme "Nachhaltiges Landmanagement" (Modul B.) Müncheberg.

Sukopp, H. u. H. P. Blume (1998): Stadtökologie: Ein Fachbuch für Studium und Praxis 2 Aufl. Fischer. Stuttgart.

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ISAP (HU Berlin)

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