Vegetationsmischungen
TU Berlin testet Verdunstungsbeete für die Schwammstadt

Die Leitung des Forschungsvorhabens auf dem früheren Gelände des Flughafens Berlin-Tegel liegt in den Händen des wissenschaftlichen Mitarbeiters, Landschaftsarchitekt Leonard Heß. Auf der Wintertagung des Bundes deutscher Staudengärtner (BdS) wurde der Berliner Feldversuch bereits vorgestellt.
Neben der Entsiegelung von Flächen, der Begrünung von Dächern und Fassaden, dem Pflanzen von Bäumen und der Anlage von Versickerungsbeeten sind Verdunstungsbeete ein wesentliches Element des Wassermanagementkonzepts in einer Schwammstadt, in der das Regenwasser in Versickerungs- und Verdunstungsräumen im natürlichen Kreislauf bleibt und nicht über die Kanalisation abfließt und so unweigerlich für den lokalen Wasserhaushalt verloren ist.
Sechs Verdunstungsbeete wurden in Berlin-Tegel angelegt. Bei der Auswahl der Pflanzen orientierte sich Heß an der Zusammensetzung heimischer Freiland-Ökosysteme, die stark von schwankenden Wasserspiegeln beeinflusst sind. "Ich habe mir vor allem die Vegetation in Gräben entlang von Wiesen und Weiden sowie die Pfeifengraswiesen angeschaut und dort nach Pflanzen gesucht, die zum einen an gut mit Wasser versorgten, nährstoffreichen und im Fall der Pfeifengraswiesen an eher wechseltrockenen und mageren Standorten vorkommen. Insbesondere die Hochstauden der Grabenvegetation entwickeln viel Blattmasse und verdunsten dadurch potenziell viel Wasser", erklärte Heß.
Außerdem wählte der wissenschaftliche Mitarbeiter die Pflanzen nach sechs Strategietypen aus: Hochstauden, Kleinsträucher, mittelhohe Pflanzen, die horstförmig wachsen, mittelhohe Pflanzen, die Ausläufer bilden, kriechende Arten und Geophyten, die Zwiebeln als Überdauerungsorgane ausbilden.
So stehen zum Beispiel das Hohe Pfeifengras (Molinia arundinacea), der Gefleckte Wasserdost (Eutrochium maculatum) und das Hohe Mädesüß (Filipendula ulmaria) für den Strategietyp Hochstaude. Sie gedeihen an üppigen Standorten, also wo es feucht und nährstoffreich ist. Üppig mag es auch der Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris), der aber zum Strategietyp mittelhoch horstförmig gehört wie auch das Zottige Silberglöckchen (Heuchera villosa var. Macrorrhizza), das jedoch mit mageren, also trockenen und nährstoffarmen Böden klarkommt. Die Balkan-Wolfsmilch (Euphorbia amygdaloides var. Robbiae) ist mittelhoch, treibt Ausläufer aus und ist ebenfalls auf mageren Standorten zu finden. Der Färberginster (Genista tinctoria) ist ein Kleinstrauch, der eher wechseltrockene, magere Standorte bevorzugt. Die Blaue Prärielilie (Camassia leichtlinii ssp. Suksdorfii) gehört zum Strategietyp der Geophyten und wächst in einer üppigen Umgebung.
Etwa die Hälfte der 30 Pflanzenarten ist heimisch. Aber auch nicht heimische Arten wie die Braunrote Taglilie (Hemerocallis fulva) oder die Dreimasterblume (Tradescantia spec.) werden für Verdunstungsbeete erprobt. Beide sind robust und bereits besser an extreme Wetterbedingungen angepasst als einige heimische Arten.
SUG-Stellenmarkt


Drei Verdunstungsbeete wurden mit Arten bepflanzt, die es feucht und nährstoffreich brauchen. Die drei übrigen mit jenen, die an trockenen Standorten zu finden sind. Damit das Wasser nicht im Boden versickert und die Pflanzen so viel wie möglich Wasser verdunsten, sind die 13 Meter langen und 4,5 Meter breiten Mulden mit einer Teichfolie ausgelegt. Am Boden jeder Mulde befindet sich ein Drainagesystem, das dafür sorgt, dass in den oberen Bodenschichten nicht über einen längeren Zeitraum Staunässe entsteht, was die Wurzeln faulen und die Pflanzen absterben ließe.
Zudem experimentiert das Team um Heß mit zwei verschiedenen Böden. In vier Verdunstungsmulden wachsen die Pflanzen auf einem herkömmlichen Boden; in zwei anderen wurde der Boden mit Pflanzenkohle angereichert, die durch ihre große Oberfläche das Porenvolumen im Boden erhöht. "Dadurch kann er mehr Wasser speichern, und in Trockenperioden steht den Pflanzen länger Wasser zur Verfügung", sagte Heß. Abgedeckt wurde der Boden mit einer Schicht aus mineralischem Mulch, die verhindern soll, dass sich unerwünschte Pflanzen in den Beeten einnisten und so die Versuchsanordnung beeinträchtigen und die Ergebnisse verfälschen.
Bis Ende 2027 werden die Wissenschaftler nun untersuchen, welche der beiden eigens für die Verdunstungsbeete zusammengestellten Vegetationsmischungen in dem städtischen Umfeld besser zurechtkommt, ob es die Pflanzenmischung ist, die feuchte Böden benötigt, oder jene, die mit trockenen zurechtkommt. "Dafür werden wir Vitalitäts- und Mortalitätsdaten erheben. Die Vitalität einer Pflanze zeigt sich an vegetativen und generativen Merkmalen. Die vegetativen Merkmale lassen sich anhand der Anzahl der gebildeten Triebe bestimmen, die wir bei jeder Pflanze zählen werden. Die generativen Merkmale werden durch die Anzahl der Blüten angezeigt. Beide Merkmale geben Auskunft, wie gut sich eine Pflanze am Standort etabliert und in der Lage ist, sich zu vermehren", nennt Heß die Forschungsaufgaben.
Die Versuchsanlage wurde der TU Berlin von der Tegel Projekt GmbH zur Verfügung gestellt. "Ein Vorbild für eine solche Versuchsanlage gibt es in Deutschland nicht. Das ist schon ein Novum.", sagte Prof. Dr. Norbert Kühn, Leiter des Fachgebiets Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung.
Nicht zuletzt erfolgte die Auswahl der Pflanzen auch unter ästhetischen und pflegerischen Gesichtspunkten. "Sollen die Verdunstungsbeete ihre Funktion erfüllen, müssen sie attraktiv aussehen – auch im Winter, wenn nichts blüht –, damit sie von den Menschen akzeptiert und nicht schon nach kurzer Zeit zur Müllhalde umfunktioniert werden", so Norbert Kühn.
Sybille Nitsche, TU Berlin
- Themen Newsletter Forschung und Bildung bestellen
- Themen Newsletter Grünforschung bestellen
- Themen Newsletter Pflanzenforschung bestellen
- Themen Newsletter Vegetationstechnik bestellen
- Themen Newsletter Pflanzenverwendung bestellen
- Themen Newsletter Schwammstadt bestellen
- Themen Newsletter TU Berlin bestellen