Kollision

Verkehrssicherungspflicht und Naturschutz

Baumpflege
Gründe der Verkehrssicherungspflicht rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts eine Befreiung nach § 67 BNatSchG nicht. Foto: Karin Schumann, pixelio.de

Entscheidungen, die sich mit der notwendigen Abwägung von Verkehrssicherungspflichten und Naturschutz befassen, gewinnen in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung.

Der Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 17.04.2019 - 2 L 115/16 - wurde bereits in dieser Zeitschrift ausführlich vorgestellt (SuG 8/2019, 60). Es geht dort um die strengen Voraussetzungen einer naturschutzrechtlichen Befreiung vom Alleenschutz. Das OVG fordert für eine Befreiung aus Gründen der Verkehrssicherheit, dass die Maßnahme zwingend erforderlich ist, wie insbesondere zur Gefahrenabwehr. Notwendig sei ein entsprechender Gefahrennachweis.

Bei kranken Bäumen bestehe grundsätzlich eine Pflicht zur Vornahme zumutbarer Erhaltungsmaßnahmen. Eine Befreiungsmöglichkeit komme nur in Betracht, wenn die Erhaltung der Bäume nicht mit zumutbarem Aufwand sichergestellt werden könne. Allgemeine Erwägungen der Verkehrssicherheit genügten für eine Befreiung ebenso wenig wie der Wunsch nach deren Optimierung.

Auf gleicher Linie liegt ein Beschluss des VG Cottbus vom 25.02.2016 - 3 L 89/16 -, juris, der sich eingehend mit den Voraussetzungen des § 17 NatSchAG Brandenburg befasst. In Abs. 1 der vorgenannten Vorschrift ist der Alleenschutz geregelt. Nach Abs. 2 der Regelung "kann eine Ausnahme zugelassen werden, wenn sie aus zwingenden Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist und keine anderen Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit erfolgreich durchgeführt werden konnten".

An das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift stellt das VG Cottbus strenge Anforderungen. Es fordert, dass der geplante Eingriff in die geschützte Allee zur Herstellung beziehungsweise Verbesserung der Verkehrssicherheit unabweisbar geboten ist. Die Erforderlichkeit einer Alleebaumfällung müsse für jeden einzelnen der zu beseitigenden Bäume nachvollziehbar sein. Die Gefahren für die Verkehrssicherheit müssten von den Bäumen selbst ausgehen. Die Auflösung innerverkehrlicher Konfliktlagen zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmern, verursacht durch beengte Fahrbahnverhältnisse wegen der Bäume, genüge nicht.

Weniger streng im Hinblick auf den Alleenschutz urteilt das OVG Berlin-Brandenburg im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in seinem Beschluss vom 10.02.2020 - OVG 11 S 6/20 -, juris. Nach Auffassung des OVG setzt die Befreiung von § 29 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 17 Abs. 1 NatSchAG Brandenburg nur ein überwiegendes öffentliches Interesse voraus. Hierfür genüge, dass Alternativlösungen unzumutbaren Aufwand erfordern, weshalb es geboten sei, überwiegende Gemeinwohlbelange mit Hilfe einer Befreiung zu realisieren. Hierfür sei eine Abwägung zwischen geschützten Naturbelangen und zugunsten einer Befreiung streitenden anderweitigen Gründen des Gemeinwohls erforderlich. Hierzu zähle vorliegend der durch Gehwege und Radstreifen ermöglichte Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer wie etwa Schulkinder, mobilitätseingeschränkte Personen und auf die Benutzung der Straße angewiesene Radfahrer.

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Alle vorgenannten Entscheidungen belegen, dass es bei einer Kollision von Naturschutz und Verkehrssicherungspflicht stets einer sorgfältigen Einzelfallabwägung bedarf, ohne dass einem der Belange generell der Vorrang gebührt. Foto: Shalom, wikimedia creative commons, CC BY-SA 3.0)

In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes befasst sich das VG Neustadt/Weinstraße mit dem Antrag einer Kommune auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung beziehungsweise Befreiung zur Durchführung von Rückschnittmaßnahmen an vier Platanen. Ziel ist die Vergrämung von 20-25 Paaren Saatkrähen, die die Bäume als potenzielle Brutstätten nutzen, auf einem kommunalen Friedhof. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 09.02.2017 - 3 L 121/17.NW - hat das Gericht den Antrag abgelehnt. Die geplante Kürzung der vier Platanen um 20 Prozent, die die Entfernung bestehender und potentieller Nistplätze für die Saatkrähen zur Folge hätte, erfülle den Tatbestand der Beschädigung der Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen.

Für die Zulassung einer Ausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG seien weder Gründe des menschlichen Gesundheitsschutzes nachgewiesen noch der öffentlichen Sicherheit. Die Antragstellerin habe zunächst fachlich fundiert das Vorhandensein eines geeigneten Ersatzstandortes für die Krähen prüfen müssen und alternative Methoden der Vergrämung sowie Alternativen zur Reduzierung der Verschmutzung durch Krähenkot. Gründe der Verkehrssicherungspflicht rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts eine Befreiung nach § 67 BNatSchG nicht. Die Behauptung der Antragstellerin, es bestehe bei den betroffenen Platanen Verdacht auf Massariabefall ersetze keinen erforderlichen Nachweis, dass tatsächlich ein Massariabefall vorliegt.

Alle vorgenannten Entscheidungen belegen, dass es bei einer Kollision von Naturschutz und Verkehrssicherungspflicht stets einer sorgfältigen Einzelfallabwägung bedarf, ohne dass einem der Belange generell der Vorrang gebührt. Abschließend sei zur vertieften Beschäftigung mit der Thematik noch auf den im Dezember 2021 erschienenen FLL-Fachbericht "Artenschutz: Artenvielfalt im Lebensraum Baum - Erhalten, Schützen, Pflegen" hingewiesen.

Ass. jur. Armin Braun, GVV Kommunalversicherung

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