Petra Pelz über die BUGA und den Klimawandel – ein Gespräch

Vom Urban Jungle zu Prärie und Steppe

von:
BUGA 2021 Bundesgartenschauen
Abb. 1: Die große Staudenschau an der Wasserachse erforderte eine ausgeklügelte Baustellenlogistik: Allein 2200 Lkw 4-Achser transportierten 1200 Kubikmeter Bodenaushub ab. Foto: Steve Bauernfeind

Der Klimawandel ist ein großes Thema auf der BUGA in Erfurt. Er wird in vielen Ausstellungsbereichen eine Rolle spielen. Die Sommer werden in Deutschland immer wärmer, das Frühjahr beginnt zeitiger, die Winter jedoch bleiben bisweilen eisig - in Zukunft müssen auch in deutschen Parks Pflanzen eingesetzt werden, die diese Bedingungen aushalten. So hat die international gefragte Landschaftsarchitektin Petra Pelz zur BUGA Erfurt auf 4000 Quadratmetern ein klimagerechtes Staudenbeet mit Steppen- und Präriepflanzen angelegt.

Die von ihr ausgewählten Präriepflanzen kommen in freier Natur in Nordamerika vor, die Steppenpflanzen stammen ursprünglich aus Osteuropa und Wüstenregionen. Lockere, durchlässige Böden und ein nicht zu aufgedüngtes Substrat sorgen für gutes Wachstum und Blütenfülle. So erfolgte vor der Pflanzung ein Bodenaustausch bis zu einer Tiefe von 45 Zentimetern. Eingefüllt wurde eine spezielle Erfurter Mischung: Ein Substrat aus Blähschiefer, Sand und Kompost auf gutem Unterboden. Gemischt wurden die circa 1700 Kubikmeter für das Staudenbeet auf der Erfurter Deponie, die über eine große Bodenbörse verfügt und Substrate für jeden gärtnerischen Anspruch bietet. Dort entstehen schon seit Jahren aus Grünabfällen der Erfurter Parks und Kleingärten Substrate verschiedener Qualitäten. Auch der egapark liefert seine Grünabfälle zur Kompostierung und erhält - als Prinzip der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft - Substrate zurück.

Bei der Gestaltung und Anlage wollte man ganz bewusst an das bestehende große Blumen-Beet anknüpfen. Die Pflanzengruppen sind in Drifts unterteilt, in geschwungene Formen mit unterschiedlicher Wuchshöhe. Hohe Gruppen wechseln sich mit niedrigen Pflanzungen ab, es entstehen Räume, die nicht alles auf einen Blick zeigen. Zur BUGA können Besucher nun mit allen Sinnen auf geschlungenen Rasenwegen mitten durch die Ovale und Fensterbeete Duft und Farbe erspüren.

Man kann etwa Pflanzen wie Baptisia australia (blaue Färberhülse) entdecken. Sie stammt aus Nordamerika. Die wie eine Lupine wirkende, blau blühende Pflanze düngt den Boden gleich selbst. Sie kann Knöllchenbakterien durch die Wurzeln aufnehmen und damit Stickstoff binden und an den Boden abgeben. Eine Gerüstpflanze ist sie außerdem: mit 1,5 Metern sehr hoch, ausladend und präsent. Ideal für Parks, da sehr pflegeleicht und zuverlässig mehrjährig. Einen besonderen Duft verbreitet die Angelica: Die mannshohe alte Heilpflanze hilft bei Appetitlosigkeit und wirkt antiseptisch. Die Angelica, auch Engelwurz genannt, gehört zur Familie der Doldenblütler. Sie sieht dem Kümmel oder Anis sehr ähnlich und verströmt einen aromatischen Geruch. Diese beiden Beetkandidatinnen werden zudem von ausgefallenen Sorten wie Elfenblumen, Farnen, Gräsern, Hosta und so vielen weiteren exotisch anmutende Begleit- und Füllpflanzen umrahmt.


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Wir trafen Petra Pelz auf dem Gelände und haben sie zu ihrer Planung und Pflanzung befragt, das Interview führte Sibylle Eßer.

Wie haben Sie sich dem Ort genähert?

Petra Pelz: Es gab historische Fotos vom Park, der ja seit 1992 unter Denkmalschutz steht. Wenn man die alten Fotos anschaut, sieht man, wie Reinhold Lingner, der Gestalter der iga 1961, gearbeitet hat. Da war das Gelände relativ frei und durchgängig beplant. Das auch damals schon 6000 Quadratmeter große Staudenbeet war durch Heckenblöcke mit Sitzplätzen eingefasst. Jetzt hat man das wieder freigeräumt und die vier Eibenhecken kommen gut durch. Vorher waren verschiedene Themen eher ohne Zusammenhang aneinandergereiht - jetzt ist die räumliche Struktur wiederhergestellt. Die Durchgängigkeit hat diese Kleinteiligkeit im Gelände aufgehoben. Es gibt wieder eine Großzügigkeit, Durchgängigkeit und eine gradlinige Struktur. Die Bepflanzung selbst unterliegt natürlich immer einer Mode.

Was hat Sie zum Konzept der Staudenschau inspiriert? Die Farben, die Sie auf einer Reise aufgenommen haben, Formen aus Kunst oder zeitgenössischem Design?

Eigentlich habe ich mir den Ort angeguckt und festgestellt, dass an der einen Seite der ´Großen Staudenschau´ das große ornamentale Blumenbeet anschließt und an dem anderen Ende der Gräsergarten. Beides wollte ich miteinander verbinden. Also die Farbenfreude und opulente Pracht mit der Natürlichkeit und Wildnis des Gräsergartens miteinander verweben, so dass ein großes Ganzes entsteht. Übrigens habe ich kaum Bauchschmerzen im Umgang mit pflanzlichen Farben. Es sind ja alles gebrochene Farbtöne. So kann es schon mal vorkommen, dass ich ruhig auch mal Orange und Pink kombiniere. Ich weiß, da scheiden sich die Geister. Aber da kommt Spannung ins Beet. Davon mal abgesehen, ist es wichtig eine durchgängige Idee zu haben, mit Farben und Formen zu "spielen" aber auch mit guten robusten Pflanzen das Gelände so zu modellieren, dass man auch räumlich sinnliche Erfahrungen erleben kann.

Auf der anderen Seite ist die Fläche riesig - ich pflanze gern maßstabsgerecht. Das heißt, ich skaliere runter oder hoch. Wie zum Beispiel schon zur BUGA Gera Ronneburg 2007. Das war die große Antwort auf die Weite der Landschaft mit großräumig wirkenden Pflanzen. So, wie wenn man ein Fußballstadion mit großräumigen Pflanzen füllt. In der ukrainischen Donbass Arena habe ich ebenso maßstäblich gepflanzt. Das waren große Gebäude mit großen Flächen. In einem Hausgarten ist das natürlich anders. Auch da muss der Maßstab wieder passen.



Was ist der erste Schritt, wenn Sie mit Ihren Pflanzkonzepten beginnen?

Petra Pelz: Zuerst fange ich an, die Flächen zu zeichnen, ohne zu wissen, was reinkommt. Ich lege also zuerst den Maßstab fest. Linien zeichnen, Flächen definieren. . . dann erst kommen die Kombinationen. Würde ich mit den Pflanzen anfangen, geriete das Ganze zu kleinteilig. Diese Vorgehensweise unterscheidet mich auch von anderen Kollegen. Aber dadurch bleibt alles großzügig.

Die anspruchsvolle Ästhetik Ihrer Pflanzungen entsteht auch immer durch unterschiedliche Wuchshöhen: in der Mischung aus kissenbildenden Gräserhorsten und hochaufwachsenden Stauden zum Beispiel. Wo finden Sie Vorbilder und die dazugehörigen Pflanzen?

Petra Pelz: Die Antwort hängt mit dem Maßstab zusammen. "Was blüht uns morgen" sollte es heißen. Es gibt einen kleineren Bereich, bei den Fensterbeeten, wo es vorwiegend aber nicht ausschließlich mediterrane Arten geben wird und es gibt in der Großen Staudenschau vorwiegend aber nicht ausschließlich nordamerikanische Stauden und Gräser. Den Steppengarten gibt es ja bereits. So haben die Besucher drei Gärten mit unterschiedlichen Naturvorbilder zur Auswahl. Hier können sie sich Ideen für Kombinationen mit nach Hause nehmen und in diesen trockenen Zeiten einfach nachpflanzen. Ich habe deshalb vorrangig hoch auswachsende nordamerikanische Stauden verwendet, da sie mit ihren langen Wurzeln viel Trockenheit vertragen. Darum wird es auf der riesigen Staudenschau Fläche zum größtenteils nordamerikanische Stauden geben, weil ich das Volumen brauche. Natürlich bin ich da nicht hundertprozentig konsequent geblieben. So habe ich auch Steppensalbei und Schafgarbe dazwischengesetzt oder im großen Fensterbeet, also wo es die mediterranen Arten vorwiegend gibt, auch mal einige niedrige Prärie oder Steppenpflanzen. Das ist aber nicht so entscheidend. Wichtig war mir, den Charakter der Pflanzung, die Stimmung rüberzubringen.

Weil die Dimension des großen Staudenbeetes so groß ist, sind die Stauden und Gräser in unterschiedlichen Höhenebenen modelliert. Auf einem Rasenband wandelnd soll man darin eintauchen können. Sitzsäcke laden in Pflanznischen zum Verweilen ein. Ich habe ein spannendes Konzept, mein Konzept "Silent Island". Es vermittelt: hier kann ich in ein opulent wogendes Blütenmeer eintauchen. Hier schalte ich Lärm und die hektische Umwelt einfach aus. Das Konzept würde ich auch gern mehr für Bürogärten, für die Pause von Mitarbeitern umsetzen. Überhaupt finde ich, ist es an der Zeit rasenlose Gärten zu schaffen, in denen die Pflanzen den Hauptpart spielen. Ein Sitzsack dazu, und man taucht ein und kann sich geborgen fühlen in der Natur. Die Idee dahinter: je technischer die Umwelt, desto mehr Rückzugsorte findet man in der Natur. Und Rasen wird es künftig ohne Aufwand zu betreiben, ohnehin schwer haben.


Wird es wieder spektakuläre große Blattpflanzen geben, wie auf der Kraneninsel zur BUGA Heilbronn 2019? Überhaupt: was sind Ihre liebsten strukturgebenden Pflanzen, zum Beispiel für die Vertikale im Beet?

Auf alle Fälle wird es spektakulär zugehen im "Urban Jungle", dem Fensterbeet, was sich gleich in der Nähe der Großen Staudenschau befindet. Es widmet sich winterharten Laubpflanzen. Daniel Zugwurst aus der Abteilung Gärtnerische Ausstellungen aus dem egapark bringt sich sehr ein und kümmert sich um die Beschaffung von seltenen Blattschmuckstauden; wie zum Beispiel eines seltenen Epimediums von Coen Jansen. Oder Datisca cannabina - dem Scheinhanf, strukturgebende Gehölze wie der Trompetenbaum Catalpa oder der seltene Blauglockenbaum Pauwlownia mit riesigen Blättern, die auf den Stock gesetzt werden. Auch nicht winterharte Eibisch Hibiscus Hybriden wird es geben. Die mit den riesengroßen Blüten, die schon Besucher auf der BUGA Heilbronn zum Staunen gebracht haben. Sie stammen übrigens vom Züchter Pascal Klenert aus einer Erfurter Gärtnerei.

Exotik wird hier mit einheimischen Gehölzen nachgeahmt Rodgersien, Cimicifuga, Digitalis, Passiflora, oder mit Schmucklilien und Montbretien. Im mediterranen Fensterbeet gibt es Verbascum, die Königskerze und Fackellilien Kniphofia. Sie bilden einen schönen Strukturkontrast zu den teils kugeligen Formen von Lavendel. Denn auch Strukturen sind neben Blütenfarben schöne Möglichkeiten einen Garten zu gestalten und modellieren. Da es hier auch einige Gräser gibt, ist es ein schöner Übergang in den benachbarten Gräser Garten.

Ein Sonderthema im Staudenbeet wird der "Urban Jungle" sein. Dort setzen Blattschmuckstauden Akzente. Sehen wir "Neuerscheinungen", Neuzüchtungen?

Im Urban Jungle finden sich neben verschiebenden Carex und diversen Hostas, die Struktur- und Texturkontraste schaffen, auch Asarum, Disporum, Podophyllum, Epimedium, Brunnera und Ophiopogon (jeweils in mehreren Arten bzw. Sorten) sowie diverse Farne. Für Höhe sorgen unter anderem Aruncus, Cimicifuga, Boehmeria, Crocosmia 'Luzifer', die grazile Lilium 'Anastasia' oder das fedrige Thalictrum 'Elin', Die Großstauden Datisca cannabina und Arundo donax sind aus der Staudenschau "eingewandert" (wir haben sie geborgen und im Urban Jungle wiederverwendet).Großblättrige Gehölze, wie Catalpa x erubescens 'Purpurea', sorgen zusätzlich für Dschungelfeeling (und auch für Schatten für die darunter wachsenden Stauden).Die bestehenden Kletterpflanzen an den Pergolen sollen ergänzt werden, sodass sich die Besucher im kommenden Jahr unter einem schattenspendenden Blätterdach niederlasen können.

Wer übernimmt während der BUGA die Pflege? Gibt es Anweisungen von Ihnen?

Die Pflege übernimmt die Firma Fichter Garten -und Landschaftsbau aus Magdala. Sie hat diesen Garten in Windeseile und sehr kompetent umgesetzt. Wir arbeiten Hand in Hand.

Wird die Staudenschau, so, wie Sie sie gestaltet haben, dauerhaft im Erfurter egapark erhalten bleiben?

Ja! Ich hoffe doch bei dieser Dimension.

Welche Themengärten/Parkflächen sollten nach Ihrer Meinung von Fachbesuchern unbedingt ergänzend gesehen werden - abgesehen vom Danakil, dem Tropenhaus?

Auf jeden Fall der Karl-Forester Garten, dann den Irisgarten und den japanischen Garten.

Welche Emotionen und Stimmungen sollen Ihre Erfurter Pflanzplanungen auslösen, welche Inspiration können wir erwarten?

Petra Pelz: Man sollte sich geborgen fühlen, wahrnehmen, dass man umgeben ist von Natur, von Düften, Tieren, vor allem Schmetterlingen, denn die gewählten Stauden sind Insektenmagneten. Und natürlich kann man in Farben und Formen der Blüten schwelgen und in eine positive Grundstimmung kommen. Gut wäre, wenn die Stimmung die Erkenntnis wachsen lässt: ich verzichte auf Rasen, der hat es in trockenen deutschen Sommern eh nicht mehr leicht und pflanze mehr Blühpflanzen für meinen eigenen Rückzugsort zuhause.

Frau Pelz, herzlichen Dank für das Gespräch!

M. A. Sibylle Eßer
Autorin

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft mbH (DBG)

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