Erinnerung eines Stadtgärtners von 1962 bis 1998, Teil I

Von der autogerechten Stadt zur Grünordnungsplanung

von:
Gartenämter
Der Freizeitpark Alter Friedhof. Foto: de la Chevallerie

Im Jahr 1962 begann ich meine kommunale Laufbahn im Gartenamt Frankfurt am Main, unter Leitung von Johannes Sallmann, einem bundesweit angesehenen Fachmann. Ihm verdankt der Berufsstand die Einrichtung des Referendariats Landespflege im höheren kommunalen Verwaltungsdienst und die Gründung der "Ständigen Konferenz der Gartenamtsleiter beim Deutschen Städtetag" (GALK), einer gesamtdeutschen Organisation aller Gartenämter, die für die Arbeit der Gartenämter sehr hilfreich war und auch heute noch ist.

In Frankfurt hatte ich die Aufgabe, die Bundesgartenschau 1967 vorzubereiten. Wettbewerb und Vorplanung waren gelaufen, die ersten hundert Bäume im Niddatal gepflanzt, dann der große Eklat: die Ausstellung wurde aus Finanzgründen abgesagt, ein bisher einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik, was auch etwas über den Stellenwert des öffentlichen Grüns in dieser Zeit aussagte.

Es war die Zeit des stürmischen Wiederaufbaus nach 1945. Der Faktor "Grün" hatte nur einen relativ geringen Stellenwert. Ökologie war noch ein Fremdwort, der Verbrauch von Umweltressourcen kein Thema. Natur und Landschaft war zum Verbrauch da. Von der Wohlfahrtswirkung des Stadtgrüns sprach man allenfalls in Sonntagsreden. Es fehlte an wissenschaftlichen Messdaten, wie Infrarotaufnahmen oder das Messen von Kaltluftströmen, die eine Grundlage der Stadtentwicklungsplanung hätten sein können. Hier muss an einen Pionier erinnert werden, Dr. Aloys Bernatzky, Mitarbeiter im Gartenamt, der als einer der erstens in Deutschland Temperaturmessungen in Parkanlagen unternahm.

Das klingt heute als selbstverständlich, doch, im Ingenieuralltag war es wichtig, beweisbare Zahlen vorzulegen, wollte man etwas zu erreichen. Gartenämter hatten damals einen schwierigen Stand, ging es um den Schutz von "Grün". Um jeden Baum musste gekämpft werden. Unvergessen eine Begegnung im Frankfurter Westend, einem Gründerzeitviertel, das weitgehend zur Bürostadt umgebaut wurde. Viele prachtvolle Villen mussten Hochhäusern weichen. Denkmalschutz war damals noch kein Thema, geschweige denn Baumschutz. Ein stadtbekannter Baulöwe bot mir "1000 D-Mark auf die Hand", wenn ich einen bestimmten Baum zum Fällen frei geben würde. Oder eine Äußerung des damaligen Verkehrsdezernenten, als es um die Erhaltung von Bäumen in der Innenstadt ging: "In anderen Innenstädten gibt es doch auch keine Bäume mehr".

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Der Freizeitpark Alter Friedhof. Foto: de la Chevallerie
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Die Reisinger Herbert Anlagen Foto: de la Chevallerie
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Die Reisinger Herbert Anlagen Foto: de la Chevallerie

Wechsel zum Gartenamt Wiesbaden

Am 1. Januar 1970 übernahm ich die Amtsleitung im Gartenamt Wiesbaden. Das Amt war längere Zeit ohne Führung, hatte in der Stadtpolitik keine Lobby, so hatte man die Absicht, das Gartenamt in das Forstamt einzugliedern. Nur durch den Einspruch bedeutender Persönlichkeiten, insbesondere des Präsidenten des Zentralverbands für Gartenbau (ZVG), Dr. h.c. Ernst Schröder, konnte dies abgewehrt werden. Die Selbständigkeit des Amtes blieb erhalten. Vieles galt es neu zu ordnen. Die Spielplätze wurden vom Jugendamt verwaltet, Kleingärten vom Liegenschaftsamt, Schulgrün vom Schulamt, Kuranlagen von der Kurverwaltung. Selbst über Straßenbäume entschied das Tiefbauamt mit der Begründung, die Bäume stünden ja schließlich auf einem zum Straßenprofil gehörenden Baumstreifen.

Entsprechend heftig und langwierig waren die Auseinandersetzungen, führten aber schließlich zum Erfolg. Besonders schlecht stand es um Straßenbäume. Alleen verschwanden wegen Straßenverbreiterungen, unter Bäumen wurde geparkt, der Boden entsprechend verdichtet. Eine umfassende Baumsanierung war unbedingt erforderlich. Eine entsprechende Magistratsvorlage wurde eingebracht, ein Millionen schweres Baumsanierungsprogramm genehmigt. Hunderte neue Bäume

konnten gepflanzt, Baumstandorte saniert werden. Eine weitere Baumgeißel war die Verwendung von Streusalz, das unkontrolliert in großen Mengen auf Straßen und Gehwegen ausgebracht wurde. Hunderte Bäume wurden krank, starben. Auch hier endlose Diskussionen, man bezweifelte den Zusammenhang von Streusalz und Baumtod. Hier half die Unterstützung der GALK, die dieses Problem im Deutschen Städtetag zur Sprache bringen konnte. Schließlich hatten wir Erfolg, die ausgebrachten Salzmengen wurden erheblich reduziert und in Wiesbaden wurde per Ortssatzung ein Streusalzverbot auf Gehwegen erlassen.

Besonders aktiv war die GALK-Arbeitsgruppe "Straßenbäume", unter Leitung von Gregor Blauermel, Amtsleiter des Gartenamts in Krefeld und später seinem Nachfolger, Hartmut Tauchnitz, Amtsleiter des Gartenamts in Münster. Es entstand die berühmte, heute noch anerkannte "Straßenbaumliste", das Ergebnis von Erfahrungsberichten vieler Städte, Empfehlungen, welche Bäume für das Stadtklima geeignet, besonders widerstandfähig gegen Erkrankungen waren.

Andere Arbeitskreise der GALK behandelten ökologische Themen, betriebswirtschaftliche Fragen bis hin zur damals aufkommenden Digitalisierung.

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Mietergärten in der Siedlung Krautgärten/Wiesbaden-Kostheim. Die ersten in Wiesbaden 1979. Foto: de la Chevallerie
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Quartierspark Adolfsallee, Umwandlung einer Straße in einen Grünzug. Foto: de la Chevallerie
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Stadtpark Warmer Damm. „Besitzergreifen des Rasens“ nach Freigabe im Jahr 1970. Foto: de la Chevallerie
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Stadtpark Warmer Damm. „Besitzergreifen des Rasens“ nach Freigabe im Jahr 1970. Foto: de la Chevallerie

Ökologie versus Gartenkultur

Ökologie war für viele ein Fremdwort, auch für Gartenämter. Man sprach allgemein von Unkräutern, nicht von Wildkräutern. Gärtner waren gut ausgebildet in der Verwendung von Herbiziden und Pestiziden, die bekämpften Kräuter dagegen kannten sie nicht. In den Kinderschuhen steckte auch die "Baumchirurgie", hohle Bäume wurden mit Zement ausgefüllt, Äste glatt am Stamm abgeschnitten, was große Wunden erzeugte. Doch mit wachsendem Umweltbewusstsein im Berufsstand, in der Gesellschaft und damit auch in der Politik, erfolgte langsam ein Umdenken. Eine neue kommunale Behörde entstand, die ersten Umweltämter. Umweltexperten aller Bereiche, auch Landespfleger,nahmen hier ihre Arbeit auf. Das war notwendig und segensreich, stand aber oft nicht im Einklang mit der traditionellen Parkkultur. Ökologen waren Blumen pflanzende und Rasen schneidende Gärtner ein Gräuel. Sie forderten Wiesen statt Rasen, heimische Gehölze statt Exoten, Schutz der Wildkräuter. Das rüttelte am Grundverständnis der Parkkultur. Letztlich ging es um die Frage "Biotop oder gestalteter Park".

Die neue Umweltdebatte erforderte entsprechende Antworten der Gartenämter, der GALK. Grundsätzlich waren ja die ökologischen Ansätze richtig und notwendig, doch durfte nicht das Kind, die Parkkultur, mit dem Bade ausgeschüttet werden. Parkkultur war mehr als Spontanvegetation. Parkkultur bedeutet die künstlerische Gestaltung von Anlagen, die Verwendung einer Vielfalt von Pflanzen, wie Sommerblumen, Stauden und Gehölzen. Das waren nicht nur einheimische, sondern auch Exoten vielerlei Länder, oft schon seit Jahrhunderten eingewandert, die Kastanie zum Beispiel. Und zur Parkkultur gehören gepflegte Rasenflächen, für die Ästhetik eines Parks unverzichtbar und auch für das Freizeitbedürfnis der Städter, dem Spielen und Lagern auf dem Rasen. Für die Verwendung von Exoten kam noch ein Argument hinzu, sie kamen mit dem veränderten Stadtklima oft besser zurecht als heimische Arten, im heutigen Klimawandel von zunehmender Bedeutung. Dazu ein Beispiel damaliger ideologischer Auseinandersetzung: Es sollte eine Tiefgarage mit Bäumen bepflanzt werden. Das Umweltamt forderte eine heimische Baumart. Wir pflanzten aber den Schnurbaum, Sophora japonica, der besser mit dem kargen Standort zu Recht zu kommen versprach, was sich bis zum heutigen Tag als richtig erwiesen hat.

Das Lieblingsthema der Ökologen galt jedoch der "Wiese", der Anlage von Blumenwiesen. In einem großflächigen Landschaftspark wäre das kein Thema, Wiesen gab es hier schon immer außerhalb des pleasuregrounds. Doch in kleinräumigen Stadtparks ist die Situation eine andere. Ein gepflegter Rasen prägt das ästhetische Bild eines Parks, unterstreicht die Raumstrukturen, ist ganzjährig immer vom gleichen Aussehen. Eine Wiese dagegen ist nur zeitweise schön, zur Blütezeit. Auch wäre sie bei einer Freizeitnutzung schnell zertrampelt.

Langsam kehrte im Alltag des Gartenamtes vermehrt ökologisches Denken ein, dank entsprechender Schulung der Gärtner. Sie lernten, dass Laub kein Unrat ist, das entsorgt werden muss, dass Gehölzflächen im Herbst nicht umgegraben werden müssen, zum Schutz der Bodenfauna, dass der Einsatz von Chemie nur auf begründete Ausnahmefälle zu beschränken ist. Ziemlich in Vergessenheit geraten war auch die Kompostwirtschaft, von Alwin Seifert schon vor 150 Jahren als das non plus ultra der Gartenpflege gefordert. Dank der Unterstützung des tüchtigen Abteilungsleiters für die Pflege, Günter Wilbert und seiner engagierten Gartenmeister, gelang die Umstellung in kurzer Zeit. Einschneidend für alle war jedoch die Reduzierung oder gar der Verzicht auf Herbizide und Pestizide. Hier musste Farbe bekannt werden. Ich verbot den Einsatz von Herbiziden in allen Wiesbadener Grünanlagen, in Gehölzflächen, im Rasen, auch auf den Wegen.

Wiesbaden war damals einer der Vorreiter in der BRD. Sehr schnell waren die Auswirkungen zu sehen. Unter Gehölzen entwickelten sich spontane Krautschichten, im Rasen durften wieder Gänseblümchen, Löwenzahn, Veronika und Veilchen blühen, Kieswege wurden gehackt oder geflämmt. Auch wurden etliche Versuche unternommen, ob man Rasen so ohne weiteres in Blumenwiesen verwandeln kann. Meist führte das zu negativen Ergebnissen, ein Durchwachsen des Rasens ergab noch keine Blumenwiese. Auch die Aussaat von Blumensamen führte zu keinem nachhaltigen Ergebnis, lediglich zu einem verwilderten Rasen mit Disteln.

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Spielplastik auf dem Schulhof Stückrath-Schule, 1977, Bildhauer Hugo Uhl. Foto: de la Chevallerie
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Idealentwurf des Grünflächenamts „Siedlung Krautgärten“. Dezentraler Verkehr ermöglicht 6 Hektar großen Siedlungspark. Abb.: de la Chevallerie

Grünordnung und Landschaftsplanung

Gartenämter haben eine lange Tradition, sie entwickelten sich um die Wende des 19. Jahrhunderts aus der jahrhundertalten Pflegetradition privater Gärten und Parks. Ihre Kernaufgabe war und ist bis heute die Pflege von Parks, Stadtplätzen und Straßenbäumen. Eine Mitwirkung bei der Stadtentwicklungsplanung war jedoch für die Gartenämter kein Thema. Vergessen war das Engagement früherer berühmter Gartenbaudirektoren, wie Peter Joseph Lenné oder Friedrich Ludwig von Sckell, die über die Parkpflege hinaus aktiv in die Stadtplanung eingriffen. In Preußen entstand so die grandiose Gestaltung der Potsdam-Berliner Landschaft durch den königlich-preußischen Gartendirektor Peter Joseph Lenné, der auch der Stadt Berlin mit dem "Projekt der Schmuck und Grünzüge von Berlin und Umgebung" einen grünen Stempel aufdrückte. In Bayern war es der im Dienst des Fürsten Carl Theodors stehende Gartenintendant Friedrich Ludwig von Sckell. Er gestaltete nicht nur den Englischen Garten in München, sondern beschäftigte sich ebenso mit Stadtplanung in München und anderen Städten, so zum Beispiel in Aschaffenburg, wo er die naturräumlichen Gegebenheiten des Stadtumfelds, das Landschaftsbild des Spessarts und die Mainebene, in einen städtebaulichen Zusammenhang mit der Stadt Aschaffenburg setzte. Hier entstand der großartige Landschaftspark Schönbusch. Auch in Nassau gab es ein entsprechendes Beispiel, 1862 beauftragte der Herzog von Nassau seinen Gartendirektor Carl Friedrich Thelemann für seine Residenzstadt Wiesbaden einen Generalbebauungsplan auszuarbeiten. Den damaligen Gartendirektoren ging es nicht nur um "Stadtverschönerung", ihr Anliegen war gleichermaßen die Verbesserung des sozialen wie hygienischen

Umfelds der Bevölkerung.

Sie übertrugen "Gartendenken" auf Stadt und Landschaft. Ihre Parkschöpfungen, in Berlin der Tiergarten, der Englische Garten in München, in Wiesbaden der für das Volk geöffnete Schlosspark Biebrich, waren Vorläufer der späteren "Volksparkbewegung". Auch Nachfolger von Lenné, sein Schüler Gustav Meyer, 1. Gartenbaudirektor in Berlin, entwickelte diese Grünideen weiter, es entstanden die Volksparke Friedrichshain, Humboldthain und Treptower Park. Ebenso tätig waren seine Nachfolger, Hermann Mächtig, später Erwin Barth bis zum letzten Stadtgartendirektor Erhard Mahler, der 2000 in Pension ging, sie setzten die grüne Tradition fort. Mahler war der letzte, für die Gesamtstadt Berlin zuständige Gartenbaudirektor. Durch Zusammenlegung der Referate Städtebau und Landespflege wurde seine Stelle eingespart (!). Auch in anderen Städten gab es vergleichbare Persönlichkeiten, zum Beispiel in Frankfurt am Main, Gartenbaudirektor Max Bromme, Schöpfer einer der ersten Volksparks, dem Ostpark. Als Ernst May Ende der 1920er-Jahre in Frankfurt-Heddernheim die berühmte Römerstadt baute, sorgte Bromme dafür, dass die Siedlung die Niddaaue aussparte und jenseits des Flusses gebaut wurde. Er schuf damit den Grundstock des heutigen Frankfurter Grüngürtels. Diesen Anspruch einer Mitwirkung an der Stadtentwicklung hatten nachfolgende Gartenämter nicht, aus welchem Grund auch immer. Sie beschränkten sich auf ihre Kernaufgabe, die Parkpflege. Doch die neue Generation der ausgebildeten Landschaftsarchitekten der Nachkriegszeit erinnerte sich an die Werke ihrer Vorgänger.

Sie forderten Einfluss auf die Stadtplanung, auf die Gestaltung der Stadtlandschaft. Ebenfalls in Vergessenheit geraten war die Volksparkbewegung und, im Siedlungsbau der zwanziger Jahre, die sehr segensreiche Einrichtung von Mietergärten, in vielen Siedlungen dieser Zeit eine Selbstverständlichkeit, zum Beispiel in der Taut'schen Siedlung in Berlin-Zehlendorf. Hier gehörte zu jeder Wohnung ein Mietergarten.

Die Mitsprache des Landschaftsarchitekten, des Naturschutzes in der Bauleitplanung erfolgte in kleinen Schritten. Ein wichtiger ökologischer wie sozialer Vordenker dieser Zeit war der Landschaftsarchitekt Günther Grzimek, bis 1960 Gartenamtsleiter in Ulm, danach selbständig und Professor in Kassel, bekannt durch die Anlage des Olympiaparks in München. Er brachte den Begriff "Leistungsgrün" in die Debatte, gemeint war damit die ökologische und soziale Wirksamkeit der Grünanlagen. Nachgeordnet für Grzimek war die ästhetische Qualität einer Anlage, primär kam es ihm auf die Benutzbarkeit und ökologische Wirkung an. "Demokratisierung der öffentlichen Flächen" und "Besitzergreifen des Rasens" - das waren seine Thesen, mithin neu im Berufsstand und entsprechend kontrovers diskutiert. Es war ein wichtiges, dringliches Thema, denn "Grün", sein sozialer wie ökologischer Wert, bedurfte dringend einer Aufwertung. Städtebaulicher Slogan dieser Zeit war die "autogerechte Stadt". Gewaltige Verkehrsschneisen durchschnitten brutal gewachsene Stadtstrukturen, veränderten negativ das Stadtbild, minderten die Qualität des ohnehin knappen öffentlichen Freiraums. Ähnlich verhielt es sich im Siedlungsbau. Die direkte Zuordnung der Autos zu den Wohnungen war wichtiger als autofreie Freiräume. Diese Situation beschäftigte Landschaftsarchitekten, auch Gartenämter, es begann, zumindest in Wiesbaden, ein Einflussnehmen auf die Stadtplanung.

Grünordnungsplanung oder Landschaftsplanung im heutigen Sinne gab es damals nicht. In den Siedlungen waren Grünflächen mehr oder weniger Restflächen, Flächen, die nach Festlegung der Bauten und Straßen übrigblieben. Die Frage ihrer Benutzbarkeit war sekundär. Das galt auch für die Landschaft. Landschaft wurde im Flächennutzungsplan ganz allgemein als "Außengebiet" deklariert, ohne wertende Analyse von Boden, Relief, Klima, Wasser, Flora und Fauna. Hier setzte die Kritik der Landespflege ein. Im Gartenamt Wiesbaden wurde das Sachgebiet Landschaftsplanung eingerichtet, unter Leitung des jungen Abteilungsleiters Dieter Kopp, der eine aktuelle wissenschaftliche wie umweltplanerische Hochschulausbildung von der TU Berlin mitbrachte. Doch eine Mitsprache war seitens der Stadtplaner nicht erwünscht, nicht gewollt. Ein zähes Fingerhakeln begann, die Stadtplaner wehrten sich intensiv gegen ein Mitspracherecht anderer Disziplinen. Ebenso abweisend waren die Verkehrsplaner, ihnen galt nach wie vor das Credo der autogerechten Stadt.

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Die autogerechte Stadt: Bodenverdichtung durch parkende Autos. Foto: de la Chevallerie
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Die autogerechte Stadt: Bodenverdichtung durch parkende Autos. Foto: de la Chevallerie
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Eine Bürgerinitiative baut 1972 einen Spielplatz in Nerotalpark. Foto: Bettina Kutnewsky

Als damaliger Obmann der GALK gründete ich den "Arbeitskreis Landschaft". Das war sehr hilfreich, denn auch in anderen Gartenämtern entwickelten aktive Kollegen entsprechende Initiativen in der Landschaftsplanung, einer der Vorreiter war Wiesbaden und Karlsruhe, unter Leitung des Gartenbaudirektors Robert Mürb und seines Nachfolgers, Horst Schmidt. Als Obmann kam mir die Aufgabe zu, auf Bundesebene mit Vertretern der Stadtplanungsämter eine Übereinkunft zu finden. Das war nur sehr bedingt möglich. Doch die Zeit ging weiter, die zwischenzeitlich gegründeten Umweltämter wurden aktiv, forderten die Berücksichtigung von Naturschutz, den Schutz der Landschaft, was letztlich dazu führte, dass die Aufstellung von Landschaftsplänen in der Bauleitplanung Gesetz wurde.

Parallel zu den Bemühungen im Bereich Landschaftsplanung ging es auch um die Verbesserung der Freiraumqualität im Siedlungsbau. Landschaftsarchitekten waren hier nur als bessere "Gründekorateure" tätig, sie begrünten Restflächen, die Stadt- und Verkehrsplaner übrigließen. Es mangelte zwar nicht an Grün in den neuen Siedlungen, doch die Freiflächen waren durch zerschneidende Straßen in ihrer Benutzung stark eingeschränkt, entwertet. Leidtragende waren besonders Kinder, ihr Spielraum waren beengte, eingezäunte Reservate. Bolzplätze gab es kaum. Erwachsenen fehlten entsprechende Aufenthaltsräume. Die Anlage von "Mietergärten", wie in den zwanziger Jahren, war noch kein Thema.

Dass auch andere Lösungen möglich waren, zeigten hervorragende Beispiele in skandinavischen Ländern, zum Beispiel in der Siedlung Södra Tynnered in Göteborg. Die Planung erfolgte nach einem im Grunde ganz simplen Prinzip. Straßen, einschließlich der Parkplätze, wurden konsequent an den Siedlungsrändern angeordnet. Dadurch entstand im Zentrum der Siedlung ein etwa 30 Hektar großer Siedlungspark, ein autofreier Freiraum. Kita und Grundschule waren hier angesiedelt, eingezäunte Spielplätze gab es nicht, der ganze Freiraum war bespielbar, alles war zu Fuß erreichbar, ohne Straßen überqueren zu müssen. Der Nachteil war natürlich, Autofahrer konnten nicht mehr vor ihrer Haustür parken, mussten Wege bis maximal 200 Meter in Kauf nehmen.

Das schwedische Vorbild wollte ich nun in Wiesbaden umsetzen. Die bisherigen Erfahrungen hatten gezeigt, dass Diskussionen nicht zum Ziel führten. Also musste, ganz im Sinne von Lenné, die "Wirkung und Macht des Beispiels" erprobt werden. Eine Gelegenheit bot sich, als die Siedlung "Krautgärten" entwickelt wurde. Mit den von der Stadtplanung vorgegebenen Planungsdaten ging es an die Arbeit, ein Plan entsprechend dem schwedischen Vorbild entstand. Straßen und Parkplätze wurden am Siedlungsrand platziert, das ergab einen großen verkehrsfreien Siedlungspark im Zentrum, mit Spielplätzen und Mietergärten. Das Konzept wurde zunächst dem gemeinsamen Baustadtrat vorgelegt, sein einziger Kommentar war: "das gibt Ärger bei den Stadtplanern". Den gab es auch! Doch immerhin entstand in der später gebauten Siedlung ein kleiner, verkehrsfreier Siedlungspark. Nach unserem Konzept hätte er mit 6 Hektar wesentlich größer sein können, aber ein Anfang war geglückt. Ebenso entstanden Mietergärten, die ersten in Wiesbaden in der Nachkriegszeit.

Teil II erscheint in Stadt+Grün 09-2020.

Literatur


  1. Haber, Wolfgang, Naturschutz und Landesentwicklung, Reihe der Bayerischen
  2. Akademie der schönen Künste, Verlag Georg Callwey 1972
  3. Wolschke-Bulmahn, J, und Clark, R. (Hrg.), Der Garten als Modell.
  4. Festschrift für Kaspar Klaffke, AVM-Akademische Verlagsgesellschaft München
  5. Küster, Hansjörg, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa, Verlag C.H.
  6. Beck München 1953

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