Gartentourismus

Von Ensemble zu Ensemble deutliche Unterschiede zu verzeichnen

Heilgärten
Öffentlicher Park in Fez, Marokko, 2014.
Heilgärten
Goddinton House, England, 2010. Fotos: Tim Harms

Gärten und Parks, eine abgetrennte Landschaft zur Erquickung der Oberschicht, gab es bereits in der Antike, denkt man an das angebliche Weltwunder der Hängenden Gärten von Babylon. Tatsächlich stammt das deutsche Wort Paradies von dem persischen pairidaeza und bedeutet Einhegung. Dieser Terminus bezog sich auf das abgezäunte Jagdrevier des persischen Herrschers (vgl. Thacker 1989, S. 11).

Dabei ist das Alter nicht unbedingt ausschlaggebend bei der Frage was Gartentourismus eigentlich ist. Dieser kann nach Hlavac wie folgt definiert werden: "Tourismus, dessen geographische beziehungsweise thematische Ziele Gärten oder Parks sind, unabhängig von der Entstehungszeit der Garten- bzw. Parkanlage und unabhängig, ob die Anlage im öffentlichen oder privaten Besitz steht." (Hlavac 2006, S. 28). Dabei ist die Größe des Ensembles, genau wie das Alter, vollkommen gleichgültig. Es kann sich um weite Parklandschaften und englische Landschaftsgärten aber ebenso um kleine Privatgärten handeln.

Der Gartentourismus wird dabei nicht als eigener Bereich im Tourismus behandelt, sondern wird entweder im Rahmen von Freizeit- und Erlebniswelten (vgl. Müller 2006, S. 35ff.) oder im Falle des Tourismus in historischen Gärten und Schlössern im Rahmen des Kulturtourismus behandelt (vgl. Steinecke 2007, S. 86ff). In der Gesamtbetrachtung handelt es sich bei dem, was unter Gartentourismus fällt, frei nach Theodor Fontane um ein tatsächlich "weites Feld". So lassen sich zahlreiche Aktivitäten unter dem Schirm des Gartentourismus finden, wie etwa der Besuch:

  • historischer Landschaftsparks und -gärten,
  • Klostergärten (historisch eher medizinischer Tourismus)
  • Botanischer Gärten (edukativ und zur Erholung)
  • Privatgärten (z.B. Projekt "offene Gartenpforte")
  • öffentlicher Gärten und Parkanlagen
  • Garten- und Landschaftsschauen (Bundes- und Landesgartenschauen)
  • Baumschulen und Gärtnereien (im weitesten Sinne)
  • Erlebniswelten (Eden Project Cornwall)

Ebenso stark divergierend, wie die möglichen Betätigungsbereiche, sind mögliche Zielgruppen hinsichtlich eines gerichteten Marketings für den geneigten Anbieter. Obgleich mit Arno Brandt bereits im Jahre 2004 eine wissenschaftliche Aufarbeitung von intentionellen Gartentouristen stattgefunden hat, die durch die Arbeiten zahlreicher weiterer Autoren ergänzt werden können, zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass hier von Ensemble zu Ensemble deutliche Unterschiede zu konstatieren sind. Diese sind im Falle der Mehrzahl der Anlagen auf das direkte touristische Umfeld der Gartenanlage zurückzuführen und machen eine gewissenhafte Umfeldanalyse notwendig, besitzen doch nur wenige Anlagen eine Strahlkraft, die Anreisen von mehr als den üblichen 90 Minuten für Tagestouristen vermuten lassen. Eine eigene Primärdatengenerierung wird damit in den meisten Fällen dringend empfohlen.

In erwähnten Tagesgästen liegt dann wohl auch das ökonomische Heil gartentouristischer Anlagen. Tatsächlich ist das Stereotyp des klassischen Teilnehmers einer busgestützten, organisierten Gartenreise so definitiv für die Masse der Besucher nicht haltbar. In Ermangelung eines starken nationalen Verbandes lassen sich Besucherzahlen für Deutschland zwar nur schätzen, doch gehen diese von 19 bis 22 Millionen Übernachtungsgästen und bis zu 270 Millionen Tagesbesuchern pro Jahr aus. Hinsichtlich der Preissensibilität zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass insbesondere bei Repeatern, sprich Stammgästen deutscher Gartenanlagen, von einer erhöhten Preissensibilität ausgegangen werden muss, was wenig verwundert, nutzt sich die Besonderheit einer Attraktion auf natürliche Weise bei weiteren Besuchen zu einem gewissen Teil ab. Anders verhält es sich oftmals bei Erstbesuchern, vor allem im Kontext von Veranstaltungen. Da hier der Garten meist lediglich als Kulisse dient und das primäre Besuchsmotiv oft wenig mit den Vorzügen und Reizen der Anlage zu tun hat, lastet die Pflicht der Gästeakquise maßgeblich auf den Schultern des Veranstalters, der für die "Bühne" Garten zahlt. Anteile von bis zu 40 Prozent der Jahresbesucher sind bei bestimmten Modellen auf diese Weise möglich und können damit durchaus wertvolle und oft unumgängliche Maßnahmen des finanziellen Überlebens darstellen, ist die Erhaltung von Gartenflächen doch alles andere als kostengünstig und das Drehen an der so genannten Preisschraube, wie etwa von Puppe empfohlen, zumindest im Bereich eines Denkmals eigentlich inakzeptabel aber oft leider unausweichlich, wie die Übersicht der Eintrittspreise einiger ausgewählter europäischer Gärten zeigt.

Unproblematisch ist der Einsatz von Veranstaltungen gleichwohl ebenfalls nicht, bewegt sich eine Gartenanlage doch immer im Spannungsfeld zwischen Schutz und Pflege auf der einen Seite und der Notwendigkeit der Mittelakquise auf der anderen. Weitere Ansätze liegen insbesondere im Bereich der Kooperation, was allerdings thematisch oder geographisch starke Korrelationen mit den ausgewählten Partnern unbedingt notwendig macht. Als Kardinalfehler im praktisch durchgeführten Gartentourismus lässt sich leider zudem immer wieder ein ökonomisch desaströser Dilettantismus konstatieren, welcher aus dem Vorurteil hervorgeht, dass Tourismus keinen touristischen Experten notwendig macht. Tatsächlich sind allerdings eine trennscharfe Besuchersegmentierung und ein hierauf basierendes, zielgruppenspezifisches Gartenmarketing hochkomplexe Aufgaben, die mithilfe professioneller Beratung den Betrieb von Gartenanlagen deutlich zu erleichtern vermögen.

MA Tim Harms, Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Scientific Associate, Fachhochschule Stralsund, Fachbereich Wirtschaft.

Literatur

Hlavac, Christian (2006): Gartentourismus - Ein kurzer historischer Abriss. In: Hlavac, Christian, Antz, Christian (Hrsg.): Vorwärts in's Paradies - Gartentourismus in Europa. München.

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