Zeitgenössische Grabgestaltung mit bewährten und neuen Konzepten

Von Symmetrie bis Exzentrik

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Grabgestaltung Friedhöfe
Auf dem Wiener Zentralfriedhof werden alle Ehrengräber – hier das des Komponisten Arnold Schönberg (1874–1951) – sehr schlicht mit Eisbegonien in den Stadtfarben Rot und Weiß bepflanzt, ergänzt um Rosa. Zusammen mit dem Grabzeichen entsteht dennoch ein expressives Gesamtbild. Foto: Thomas Herrgen

Individuelle Erdgrabstätten sind offenbar "out". Die Zahl der Urnengräber, anonymen Bestattungen und Ruheforste nimmt dagegen immer weiter zu. Damit zwangsläufig verbunden ist auch ein stückweiter Verlust an Friedhofskultur. Dazu gehört das gestaltete, bepflanzte Erdgrab, mit Grabzeichen, kleinen Gehölzen, einem grünen Teppich und saisonaler Bepflanzung. Und tatsächlich, es gibt sie immer noch, die guten Beispiele für klassische bis moderne und zeitgenössische bis "exzentrische" Gestaltungs- und Pflanzkonzepte. Wer insbesondere im Frühling und Sommer über die Friedhöfe und Gartenschauen des Landes geht, sieht sie noch, die schönen, gestalteten Grabbepflanzungen und Mustergrabanlagen. Auch floristischer Blumenschmuck und individuelle Grabzeichen drücken im Zusammenspiel mit dem dauerhaften Grün sowohl die Erinnerung an den Verstorbenen, als auch die Trauer der Hinterbliebenen aus. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändern sich jeweils Mode, Geschmack und Trends auch auf den Friedhöfen. Grabbepflanzung ist insofern - genau wie die Aspekte Schnittblumen, Gartenstile oder Gartenmöbel - immer auch ein Ausdruck der jeweiligen Zeit.

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Grabgestaltung Friedhöfe
Dieses Mustergrab (IGA Berlin) nutzt die dritte Dimension eindringlich und schafft einen Raum. Die Grabsteine sind aufgehängt und die sehr dichte Pflanzung gibt allem eine Basis. Foto: Thomas Herrgen
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Mustergräber zeigen beispielhaft Gestaltungsmöglichkeiten auf, so auch für das farbliche Zusammenspiel von Grabstein und Bepflanzung (LGS Landau 2015). Foto: Thomas Herrgen
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Während auf Friedhöfen die meisten Gräber doch eher flach und als ebenes Bild gestaltet sind, arbeitete dieses Mustergrab mit Stufen, Höhen und Modellierung (BUGA Koblenz 2011). Foto: Thomas Herrgen
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Ob dieses exzentrische Mustergrab einmal für einen ebensolchen Menschen gestaltet wird, bleibt unbekannt. Die IGA Berlin 2017 zeigte die außergewöhnliche Gestaltung. Vielleicht eine neue Mode? Foto: Thomas Herrgen

Menschen, die sich für ein Grab auf dem Friedhof entscheiden, wünschen sich einen konkreten Ort der Trauer, nah am Leben. Sie lieben Blumen und Pflanzen und suchen ein grünes, blühendes Umfeld. Dafür gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Das individuelle Grab mit einem sehr persönlichen Grabmal und einer darauf abgestimmten Grabbepflanzung, oder das seit einigen Jahren angebotene Gemeinschaftsgrab beziehungsweise der "Memoriamgarten".

Neben den Friedhöfen selbst präsentieren alljährlich die verschiedenen Gartenschauen und Messen modernste Bepflanzungs-Designs, organisch oder geometrisch, individuell und vielfältig, kombiniert mit kunstvollen Grabzeichen von Bildhauern, Steinmetzen und Holzkünstlern. Die Stile und Mittel sind mitunter auch ausgefallen bis exzentrisch, wenn etwa die Grabzeichen in Gestellen über dem Grab "schweben", oder Blitze aus dem Grabstein schießen.

Das Motto lautet dennoch häufig: "Weniger ist mehr". Ein einziger Eyecatcher mit Rahmenbepflanzung, ein bis zwei Bodendeckern und punktueller Saisonbepflanzung wirkt kraftvoll und beruhigend zugleich. Und eine gute, dichte Pflanzung ist fast immer ein Garant für niedrigen Zeit- und Kostenaufwand in der Pflege. Ein schön gestaltetes Grab muss übers Jahr gesehen also nicht teuer sein, sofern die Hinterbliebenen selbst pflegen und damit auch ein Stück Trauer-"Arbeit" leisten wollen. Wer die Pflege nicht mehr selbst erledigen kann oder will, aber trotzdem wünscht, dass das Grab lebendig, grün und bepflanzt ist, für den werden überregional und lokal inzwischen zahlreiche Modelle für die organisierte Grabpflege angeboten.

Grundregeln der Gestaltung

In der Vergangenheit folgte die Grabgestaltung sehr oft den Regeln der Symmetrie: Grabstein mittig, Buchskugel oder Eibensäule rechts und links, ein durchgehender Bodendecker und ein bis zwei zentrierte Pflanzbereiche für den Wechselflor. Da konnte im Grunde nur vieles "richtig" und wenig "falsch" gemacht werden. Andere Konzepte sahen eine Diagonale über die Grabfläche vor, wiederum andere ein dichtes Begrünen mit verschiedensten Beetpflanzen, wobei die Vielfalt auch zum bunten Durcheinander geraten kann. Zwar ist gegenwärtig so gut wie alles möglich, aber eins geht dennoch niemals: Alles gemischt. Die Bepflanzung sollte ausgewogen und stets auf den baulichen und pflanzlichen Rahmen sowie untereinander abgestimmt sein. Gräser lockern das Konzept zudem auf, ebenso gestalterische Elemente wie große Wurzeln, Steine oder Keramikkugeln. Besonders exotisch wirkt ein Gartenbonsai, der nicht nur ein Hingucker ist, sondern dem Grab und seinem Umfeld etwas Meditatives verleiht. Farblich ist heute Reduktion angesagt, etwa mit Gestaltungen in weiß bis creme, oder blau bis lila oder orange bis gelb. Die Wechselbepflanzung wird nicht nur rund oder oval angelegt, sie kann vielfältig, etwa in Form von Tropfen, Herz, Spirale oder Schlange geformt sein. Die Gestaltungswünsche der Hinterbliebenen (oder Kunden) sind hier ausschlaggebend. Die moderne Grabbepflanzung richtet sich im Wesentlichen nach drei Grundregeln:

  • Pflanzlicher Hintergrund mit Charakterpflanzen (Gehölze, kleine Sträucher, hohe Gräser)
  • Geschlossene, homogene Fläche (Bodendecker, Stauden)
  • Kleine, mehr oder weniger farbige Wechselflorbepflanzung als Einbettung.

So dient ein Teppich aus Bodendeckern, niedrigen Stauden oder immergrünen Kriechgehölzen als flächige Basis für Pflanzbänder, Blütenkissen, Tupfer und Besonderheiten, passend zum Stein und kombiniert mit Accessoires. Als Kulisse im Hintergrund, seitlich des Grabzeichens steht ein kleines Gehölz, etwa Kiefer, Eibe, Buchsbaum, Wacholder oder eine Hochstammrose als Charakterbepflanzung. Sie grenzen auch zum Nachbargrab dahinter ab und geben der Gestaltung eine rückseitige Fassung.

Abwechslung mit Varianten

Innerhalb der Grundprinzipien sind viele Varianten und Abwandlungen möglich. So lässt sich die Flächenbepflanzung auch längs oder quer aufteilen, halbieren oder dritteln, mit zwei beziehungsweise drei unterschiedlichen Bodendeckern wie Sorten der Kriechspindel oder von Efeu, die etwa durch verschiedenfarbiges oder panaschiertes Laub zueinander kontrastieren. Das Grabzeichen sitzt gelegentlich auch in der Mitte, gar im Vordergrund, oder befindet sich liegend in der Fläche. Dann verschiebt sich die Gehölzkulisse entsprechend oder entfällt. Bepflanzungen mit farbintensivem Sommerflor können organisch fließend oder streng geometrisch gestaltet werden und auf das Grabzeichen Bezug nehmen. Sehr reizvoll sind auch kleine Modellierungen der Graberde, die bepflanzt noch überhöht wirken. Es entstehen Miniatur-Landschaften, die mitunter symbolisch zum Ausdruck bringen wollen, wie "bewegt" und abwechslungsreich das Leben des Verstorbenen war. Mit der Pflanzenauswahl lässt sich ebenso Bezug auf die Vorlieben des Verstorbenen oder die der Hinterbliebenen nehmen, auch unter Berücksichtigung der Pflanzensymbolik.

Gemeinschaftsgrabanlagen

Neben den sehr individuellen Grabgestaltungen sind auch Gemeinschaftsgrabanlagen, etwa für einen Freundeskreis, für eine Berufsgruppe oder Menschen, die im Leben gleiche Interessen hatten, etwa ein Hobby, voll im Trend. Hier hat jeder Verstorbene seinen Ort der letzten Ruhe, dies ist namentlich und mit den Lebensdaten vermerkt. Grabzeichen und Bepflanzung spiegeln jeweils das wider, was die Verstorbenen im Leben ausmachten, etwa Fußball, Musik oder die Malerei. Grün in Form von Bändern, Schleifen und Schlingen zieht die Pflanzfläche zusammen, verbindet die Individuen zur Gruppe und macht deutlich: Hier ist eine "eingeschworene Truppe" bis in den Tod zusammen geblieben.

Grabgestaltung Friedhöfe
Gemeinschaftsgräber oder „Memoriam-Gärten“ für Personengruppen – hier Musiker/Komponisten – können sehr zielgerichtet bepflanzt und mit Attributen ausgestaltet werden (LGS Gießen 2014). Foto: Thomas Herrgen
Grabgestaltung Friedhöfe
Alte Liebe rostet nicht? Wenn doch, dann nur optisch. Der eindrucksvolle Cortenstahl wird von farblich abgestimmter Herbstbepflanzung ergänzt (Mustergrab BUGA Koblenz 2011). Foto: Thomas Herrgen

Die Gemeinschaftsgräber können individuell von den Hinterbliebenen oder als Ganzes durch Fachleute gärtnerisch gepflegt werden. Auch bei diesen Anlagen orientieren sich die Friedhofsgärtner an den Blumen und Pflanzen, die momentan im Trend liegen, oder die die Verstorbenen mochten. Die Gemeinschaftsgrabanlagen stellen eine Alternative für all diejenigen dar, denen ein konkreter Ort mit Blumen und Pflanzen auf einem Friedhof für ihre Verstorbenen wichtig ist, die aber unter Umständen eine aufwendige Grabpflege nicht übernehmen können.

Standort und Pflege

Die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen der Grabbepflanzung variieren stark,je nachdem, ob es sich um ein Urnen-, Einzel-, Familien- oder Gemeinschaftsgrab handelt, ob die Grabstelle unter einem Baum, im Wald, in voller Sonne oder im Schlagschatten einer Mauer oder eines Gebäudes liegt. Im Grundsatz gilt aber immer: dicht und flächendeckend pflanzen, sodass keine Graberde oder das Pflanzsubstrat mehr zu sehen ist. Dies optimiert nicht nur die Optik, so wird auch unerwünschter Aufwuchs ("Unkraut") bestens verhindert. Gleichzeitig dient diese Art der Bepflanzung als Verdunstungsschutz. In der Pflege muss dann auch weniger gejätet und gegossen werden. Eine moderne Grabbepflanzung ist somit nicht nur ein optisches Highlight, sie spart auch Zeit, mittel- und langfristig sogar Kosten.

Ökologie und Vielfalt

Auch in Deutschland hat aufgrund ausgeräumter Landschaften, Monokulturen und des Einsatzes von Pestiziden ein massives Insektensterben eingesetzt, wie die Bundesumweltministerin 2017 beklagte. Städte mit ihren Grünflächen und eben auch den Friedhöfen sind regelrechte Inseln für Insekten wie Bienen, Hummeln und viele andere. Die Gräber sind ganz unterschiedlich und damit vielfältig bepflanzt, bieten reichhaltige Strukturen, Blütenfülle und Lebensräume, in denen sich Insekten wohl fühlen. Der Artenreichtum von Insekten innerhalb städtischer Räume ist inzwischen bedeutender, als der in landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Friedhöfe tragen mit ihrer Artenvielfalt in der Bepflanzung auch zur Arterhaltung vieler Insekten bei, ohne die es keine Bestäubung etwa auch von Fruchtbäumen gibt. Friedhöfe und die Grabbepflanzung, auch Altbaumbestand und ungemähte Wiesen (Überhangflächen) sind somit auch ein wichtiger ökologischer Faktor.

Grabgestaltung Friedhöfe
Quellen (Pflanzlisten): Bund deutscher Friedhofsgärtner (BdF), Pflanzliste der LGS Landau 2014, Recherchen und Auswahl des Autors

Anregungen zur Gestaltung

Neben Friedhofsgärtnern, Floristen und Steinmetzen, die Grabanlagen realisieren, planen auch Landschaftsarchitekten und Architekten gelegentlich Gräber, Gruften und Gemeinschaftsgrabanlagen. Diese Tätigkeit ist eine (kleine) Nische, verspricht jedoch immer, eine spannende Aufgabe zu werden. Der Planer muss sich mit dem Verstorbenen beschäftigen, mit den Hinterbliebenen sprechen und wie bei jedem Projekt den Standort berücksichtigen und Vorschläge für die Materialien, Pflanzen und Ausstattungen unterbreiten.

Der Bund deutscher Friedhofsgärtner (BdF) setzt sich seit längerem mit einer Werbekampagne für individuell gestaltete und bepflanzte Gräber ein, als Zeichen gegen das Vergessen. Wer Anregungen braucht, kann diese oft auf Friedhöfen selbst (Mustergräber) und Gartenschauen, bei den Friedhofsgärtnern oder im Internet erhalten. Grabgestaltung und -bepflanzung muss am Ende gar nicht teuer sein. Und ein Grab zu pflegen hat, neben der Lust und Freude zu gestalten, auch etwas mit Fürsorge für den Verstorbenen zu tun.

Der BdF gibt viele nützliche Tipps für die Pflege im Jahresverlauf (Kreiskalender), wann welche Tätigkeiten anstehen, was geplant und wie es umgesetzt werden kann. Die Mittel und Möglichkeiten, Gräber zu gestalten und zu pflegen (oder pflegen zu lassen) sind heute vielfältig.

Grabgestaltung Friedhöfe
Bepflanzte Gräber müssen natürlich gepflegt werden. Der Bund deutscher Friedhofsgärtner gibt mit diesem Jahreskreis-Diagramm Hinweise, wann was zu tun ist. Quelle: BdF im ZVG e. V., Bonn

Weitere Anregungen gibt es auch beim jährlichen Tag des Friedhofs im September. Vielleicht schafft es "Die deutsche Friedhofskultur" tatsächlich irgendwann in die Weltliste des "Immateriellen Kulturerbes" der UNESCO. Der Antrag wurde im Herbst 2016 auf den Weg gebracht, um ein "lebendiges und Identität stiftendes Kulturgut" schützen zu lassen. Es wäre ein schöner und wichtiger Erfolg für die Branche und die Menschen, die den Friedhof als Ort der Erinnerung bewahren möchten.

Dipl.-Ing.(FH) Thomas Herrgen
Autor

Landschaftsarchitekt

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