Bauvorhaben mit umstrittenen Ausmaßen

Wann ist ein Neubau rücksichtslos?

Recht und Normen
Der bei Bauvorhaben oft reklamierte Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot wird von der Rechtsprechung nur selten angenommen Foto: Bernd Sterzl, pixelio.de

Mit Beschluss vom 06.03.2017, Az.: 1 B 2/17 hat das OVG Sachsen als Berufungsinstanz die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig zurückgewiesen. Dieser lesenswerte Beschluss fasst über den Einzelfall hinaus zusammen, wann das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme wegen des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise oder der überbauten Grundstücksfläche verletzt sein kann.

Der Nachbar griff die Baugenehmigung des Bauherrn für ein Wohn- und Geschäftshaus an. Er argumentierte, das Wohn- und Geschäftshaus füge sich nicht in die nähere Umgebung ein. In der unmittelbaren Umgebung des Bauvorhabens seien keine vergleichbaren mehrgeschossigen Gebäude mit einer Firsthöhe von knapp 15 Metern vorhanden. Dies sei nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Fall. Bei diesem Gebäude handele es sich allerdings um einen die Umgebung nicht prägenden "Ausreißer". Ferner füge sich das Bauvorhaben wegen seiner Dachform nicht ein. Die Gebäude in der näheren Umgebung hätten Satteldächer, das Bauvorhaben sei aber mit einem Flachdach geplant. Darüber hinaus habe es eine zu hohe Traufhöhe und eine zu hohe Firsthöhe, was zu einer optisch massiven Wirkung führe. Zudem werde durch das Vorhaben eine hintere faktische Baulinie überschritten und die Antragsteller stünden beim Verlassen ihres Gebäudes an der Gartenseite einer haushohen und zwei Meter tiefen, geschlossenen Wand gegenüber, weshalb das Vorhaben auch rücksichtslos sei.

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Das Gebäude der Antragsteller mit zwei Vollgeschossen und ausgebautem Dachgeschoss werde von dem Bauvorhaben deutlich überragt und quasi eingemauert. Das Bauvorhaben entfalte eine erdrückende Wirkung. Das OVG Sachsen hat der Beschwerde nicht stattgegeben. Wie das Verwaltungsgericht Dresden ging das OVG davon aus, dass keine das Bauvorhaben in nachbarschützenden Vorschriften verletzt, auf die sich der Nachbar berufen kann. Dabei stellt das OVG klar, dass Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche bereits nicht nachbarschützend sind. Dies gelte auch für Gestaltungssatzungen, die etwa die Gestaltung der Dachform betreffen.

Entgegen der Behauptung der Antragsteller sei in der näheren Umgebung eine vergleichbare Bebauung vorhanden. Die Antragsteller hätten den Bereich der näheren Umgebung zu knapp bemessen. Darüber hinaus sei das Bauvorhaben auch nicht rücksichtslos, denn das im Begriff des Einfügens gem. § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme gebe dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung durch ein Bauvorhaben verschont zu bleiben. Das Rücksichtnahmegebot sei erst dann verletzt, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgehe, wie dies beispielsweise bei einer erdrückenden, abriegelnden, erschlagenden oder einzumauernden Wirkung in Betracht komme.

Ob dies der Fall sei, sei eine Frage des Einzelfalls, wobei auch die Vorprägung durch das Vorhabengrundstück und die Gebäude in der näheren Umgebung mit ihrer Prägung zu berücksichtigen seien. Im zu entscheidenden Fall war der Baukörper des zu errichtenden Gebäudes nicht wesentlich höher oder massiver als der des Nachbargebäudes. Deshalb konnte kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot festgestellt werden.

Der Beschluss des OVG Sachsen zeigt, dass sich ein Nachbar mit Aussicht auf Erfolg nur dann gegen ein Bauvorhaben wenden kann, wenn nachbarschützende Vorschriften verletzt werden. Zu denen gehören Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung von Ausnahmefällen abgesehen gerade nicht. Der oft reklamierte Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot wird von der Rechtsprechung jedoch nur selten angenommen. Im Zusammenhang mit einer erdrückenden Wirkung des Nachbarbauvorhabens werden von der Rechtsprechung nur extreme Fälle als rücksichtslos bewertet. So beurteilte das Bundesverwaltungsgericht die Errichtung eines zwölfgeschossigen Hochhauses in einem Abstand von 15 Metern an der engsten Stelle zu einem zweieinhalbgeschossigen Gebäude als rücksichtslos (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.03.1981, Az.: 4 C 1.78).

Dr. Normen Crass, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main.

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