Zeitrahmen für Fällung

Wann sollte ein Sondierstab bei der Baumkontrolle eingesetzt werden?

Richtlinien Baumfällung
Nach Auffassung des OLG Hamm liegt eine unfallursächlich gewordene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte vielmehr darin, dass im Rahmen der Baumkontrolle über eine bloße Sichtkontrolle hinaus nicht weitergehende Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines Sondierstabes erfolgt sind. Foto: Marc Tollas, pixelio.de

"Straßenbaum gegen Porsche" titelte die Pressestelle des OLG Hamm in ihrer Pressemitteilung vom 28.01.2021. Gegenstand dieser Pressemitteilung war das rechtskräftige Urteil des OLG Hamm vom 30.10.2020 - 11 U 34/20 -, wo es darum geht, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz eines Sondierstabes notwendig ist sowie um den Zeitrahmen für eine Baumfällung. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war am 10.06.2016 mit seinem Porsche 911 Carrera Cabriolet auf einer Straße im Stadtgebiet der beklagten Kommune unterwegs, als ihm während der Fahrt ein Stämmling einer mehrstämmigen, circa 16 Meter hohen Esche auf sein Fahrzeug stürzte und dieses erheblich beschädigte. Die Stadt hatte zuletzt vor dem Unfall Sichtkontrollen des Baumes am 21.08.2015 und 13.04.2016 durchgeführt. Im Rahmen der Kontrolle im Jahre 2015 stellte der Baumkontrolleur fest, dass der Baum an einem alten Stämmlingsausbruch morsch ist, schräg zur Straße steht und erkannte die Notwendigkeit einer Fällung, ohne hierfür aber einen Zeitrahmen festzulegen.

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Richtlinien Baumfällung
Die Stadt hatte zuletzt vor dem Unfall Sichtkontrollen des Baumes am 21.08.2015 und 13.04.2016 durchgeführt. Im Rahmen der Kontrolle im Jahre 2016 wurde festgestellt, dass der Baum morsch ist, Pilzbefall hat und gefällt werden muss, ordnete aber lediglich eine Verkürzung der Kontrollintervalle auf neun Monate an. Foto: Thomas Max Müller, pixelio.de

Im Rahmen der Kontrolle im Jahre 2016 stellte die Baumkontrolleurin fest, dass der Baum morsch ist, Pilzbefall hat und gefällt werden muss, ordnete aber lediglich eine Verkürzung der Kontrollintervalle auf neun Monate an. Mit der Klage begehrt der Kläger Schadenersatz in Höhe von mehr als 51.000 Euro. Das LG Essen hat nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Sachverständigengutachten der Klage durch Urteil vom 09.01.2020 - 4 O 297/16 - in Höhe von mehr als 47.000 Euro überwiegend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der beklagten Stadt vor dem OLG Hamm hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg, indem das OLG Hamm durch Urteil vom 30.10.2020 - 11 U 34/20 - die erstinstanzliche Entscheidung auf eine Verurteilung in Höhe von gut 38.000 Euro abänderte unter anspruchsmindernd berücksichtigter Betriebsgefahr des Fahrzeuges von 20 Prozent.

Das OLG Hamm legt zunächst die Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen einschließlich des Kontrollintervalls dar, wobei das Gericht in Kenntnis der differenzierten Kontrollintervalle nach den FLL-Baumkontrollrichtlinien weiterhin eine starre Halbjahreskontrolle für angemessen hält. Gleichzeitig stellt das OLG Hamm aber fest, dass es auf das Kontrollintervall vorliegend entscheidungserheblich nicht ankommt, da die letzte Sichtkontrolle vor dem Unfall erst circa zwei Monate vorher war. Nach Auffassung des OLG Hamm liegt eine unfallursächlich gewordene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte vielmehr darin, dass im Rahmen der Baumkontrolle über eine bloße Sichtkontrolle hinaus nicht weitergehende Untersuchungen unter Zuhilfenahme eines Sondierstabes erfolgt sind.

Der Einsatz eines Sondierstabes sei jedenfalls bei den Defektsymptomen Schrägstand in Verbindung mit Pilzbefall und Morschungen erforderlich. Bei dessen Einsatz hätte ausweislich des gerichtlichen Sachverständigengutachtens das Ausmaß der Fäule des Baumes erkannt werden können und müssen. Dann aber hätte bei der letzten vor dem Unfall erfolgten Kontrolle des Baumes am 13.04.2016 dessen unverzügliche Fällung innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen angeordnet werden müssen, sodass der Baum zum Schadenszeitpunkt bereits gefällt gewesen wäre. In der erstinstanzlichen Entscheidung hat das LG Essen auf Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zusätzlich noch ausgeführt, dass bei der Sichtkontrolle vom 21.08.2015 bereits eine Winterfällung 2015/2016 angemessen gewesen wäre, die bis zum 28.02.2016 hätte stattfinden müssen, also innerhalb eines Zeitraums von etwas mehr als sechs Monaten.

Die Entscheidung des OLG Hamm ist aufgrund der Beweisaufnahme im Ergebnis überzeugend und in der Begründung überwiegend - abgesehen von dem nicht entscheidungserheblichen Festhalten an dem starren Halbjahreskontrollintervall - gut nachvollziehbar. Die Notwendigkeit des Einsatzes eines Sondierstabes ist im Übrigen - soweit ersichtlich - bislang noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung gewesen.

Die FLL-Baumkontrollrichtlinien sehen erforderlichenfalls den Einsatz einfacher Hilfsmittel wie beispielsweise eines Sondierstabes bereits im Rahmen der Regelkontrolle vor, sodass es sich hierbei noch nicht um eine eingehende Untersuchung handelt (Ausgabe 2020, Abschnitt 5.2.2.2). Schließlich bereichert die Entscheidung die wenige bislang existierende Rechtsprechung zum Zeitrahmen für notwendige Maßnahmen, hier speziell im Hinblick auf eine Baumfällung.

Hierzu sei ergänzend hingewiesen auf die Entscheidung des OLG Braunschweig vom 01.02.2019 - 11 U 19/18 -, SuG 07/2019, 53 zum Zeitrahmen für eine Kroneneinkürzung sowie den Beschluss des OLG Hamm vom 31.07.2015 i.V.m. dem Hinweisbeschluss vom 03.07.2015 - I - 11 113/14 -, zum Zeitrahmen für die Durchführung notwendiger Baumpflegemaßnahmen und Totholzbeseitigung. Ältere Rechtsprechung hat überwiegend in nicht zumutbarer Weise für den Pflichtigen von diesem ohne sachgerechte Einzelfallprüfung pauschal ein sofortiges Handeln gefordert (vgl. hierzu Braun, Die Haftungsuhr läuft: Zeitrahmen für Gefahrenbeseitigung nach der Baumkontrolle, Jahrbuch der Baumpflege 2011, 76 m.w.N.).

Ass. jur. Armin Braun, GVV-Kommunalversicherung

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