Weg zu einem möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch
Zukünftige Landschaftsarchitektur aufgrund suffizientem Handeln
von: Landschaftsarchitektin SIA/BSLA Brigitte Nyffenegger
Im vorgegebenen Rahmen suffiziente Planungsansätze
In der Nachhaltigkeit wird Suffizienz ergänzend zur Effizienz und Konsistenz verwendet und verfolgt das Ziel, einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch zu erwirken. Die Anforderungen an ein Bauvorhaben werden aber in der Regel als notwendig erachtet und nicht in Frage gestellt. Sie werden nach den heute gültigen Qualitätsstandards, welche in der Fachwelt Konsens sind, umgesetzt.
Die Suffizienz im Sinne einer Optimierung des Planungs- und Bauprozesses ist fassbar. In der Landschaftsarchitektur rücken dabei folgende Fragen in den Vordergrund:
Was kann vom Bestand erhalten werden? Was kann vom Aushubmaterial vor Ort wieder eingebaut werden? Welche baulichen Maßnahmen, beispielsweise für eine Überwindung von Höhen, ermöglichen einen geringeren Energieverbrauch und können diese in den Entwurf integriert werden? Wie schaffen wir Entwürfe, die ein langfristig tragendes Grundgerüst aufweisen, welches strapazierfähig ist, viele Nutzungen zulässt und Nutzungsänderungen ermöglicht? Auf welche Hartflächen kann verzichtet werden? Welche Materialien enthalten wenig Energie für die Herstellung, die Lagerung und den Rückbau und lassen sich aus der Region beziehen? Wie werden dauerhafte Konstruktionen erzielt, deren unterschiedliche Materialien repariert oder ersetzt und letztendlich einfach separat entsorgt werden können? Was kann vom Ort oder von anderen Baustellen in der Region wiederverwendet werden? Wie wird Bäumen, auch im Straßenraum, genug Wurzelraum gegeben, damit sie groß, kräftig und stattlich werden können?
Welche Pflanzen sind an den hier gegebenen Standorten auch zukünftig klimatauglich? Wie werden einfache Systeme, beispielsweise auf Dächern, für die Bewässerung oder die Wasserrückhaltung eingesetzt, die wenig Technik und Infrastruktur erfordern? Was kann durch die Nutzenden selbst hinzugefügt und muss nicht von Planenden und Bauenden realisiert werden? Wie können natürliche Prozesse in den Entwurf von Bepflanzungen integriert werden? Wie weit wird die Sukzession für Grün- und Hartflächen Gestalterin? Wie erzeugen wir möglichst geschlossene Kreisläufe in der Pflege der Anlage?
Diese Überlegungen zielen auf die Reduktion der Verwendung von Rohstoffen und Energie ab und erzeugen dadurch eine Minimierung der Grauen Energie in der Erstellung des Bauvorhabens. Das gebaute Projekt steckt langfristig auch den Pflegebedarf im Unterhalt ab.
SUG-Stellenmarkt



Keine neue Idee
In der Gartengeschichte finden wir dazu Beispiele aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Die Grenzen des Wachstums wurden 1972 in einer Publikation vom Club of Rome aufgezeigt. Ende 1970 begann die Postmoderne, mit ihrer Vielzahl von Ideen, Richtungen und Wahrheiten. Das Heterogene durfte wieder in Erscheinung treten. In dieser Zeit nach der großen Ölkrise wurde mehr Wert auf Ökologie, aber auch auf die Reduktion des Eingriffs auf das Notwendige gelegt.
Heute spricht man bei dieser Planungs- und Bauweise von Nachhaltigkeit. Damals nannte man es "das Prinzip des kleinstmöglichen Eingriffes". Diese Zeit hat mit ihren Diskussionen und ihren Werteverschiebungen in der Gesellschaft viele Parallelen zu heute. Hier finden wir in der Landschaftsarchitektur aus den 1970er- und 1980er-Jahren Beispiele vom spielerischen Einsatz von Spolien, welche in neue Entwürfe integriert wurden, aber auch die Wiederverwendung von Baumaterialien, die entwurfsbestimmend wurden.
Die Arbeiten von Peter Latz, wie der Bürgerpark Hafeninsel in Saarbrücken, von Eduard Neuenschwander mit der Kantonsschule Rämibühl in Zürich oder von Louis G. Le Roy mit der Ökokathedrale in Mildam sind hier beispielhaft. An diesen Beispielen ist ersichtlich, dass eine neue Ästhetik entstehen kann, die eine haptische und strukturelle Vielfalt aufweist und Dank dem Arbeiten mit Vorhandenem, Überraschendes erzeugen kann.
Die Künstler Edy Brunner und Karl Schneider haben zusammen mit Ernst Cramer in Zürich in der Wohnsiedlung Heiligfeld Spolien zum Thema ihres Entwurfs gemacht. Es sind Teile einer Villa in Zürich-Seefeld, die abgebrochen und wie Findlinge aufgestellt, spielerisch neuen Verwendungszwecken zugefügt wurden. Ein Balkon wurde so zur Kanzel und Orte zum Grillen wurden mit den Spolien eingerichtet. Ursula Schmocker-Willi hat für die Wohnsiedlung Sagi Hegi in Winterthur eine im heutigen Sinne hoch suffiziente Freiraumgestaltung realisiert. Der Entwurf weist eine robuste Grundstruktur auf, die vielfältigen Nutzungsänderungen standhält.
Ein ansehnlicher Bereich sind Pflanzgärten. Abbruchmaterialien wurden für den Kinderspielplatz und für die Stützmauern wiederverwendet. Der Spielwert hat sich dadurch erhöht. Auch ein gelungenes Beispiel aus dieser Zeit ist der Klingenhof von René Haubensak in Zürich. Hier wurde ein Hofgebäude nur in Teilen abgebrochen und aus dem Rest ein Spiel- und Erholungsraum entwickelt. In anderen Regionen der Schweiz können wahrscheinlich vergleichbare Beispiele gefunden werden.


Das Hinterfragen der Rahmenbedingungen
Die Frage nach dem richtigen Maß ist viel umfassender und hinterfragt die bisherige Praxis der Definition von Projektzielen. Üblich ist, dass in einem vorgegebenen Kostenrahmen ein Maximum an Raum-, Gestaltungs-, Nutzungs- und Erholungsqualität im Freiraum geschaffen werden soll. Im Gleichzug werden vor Ort die Werte der Biodiversität erhöht, die technischen Anforderungen zu Sicherheit und Behindertengerechtigkeit berücksichtigt, invasive Neophyten bekämpft und die Auswirkungen des Klimawandels reduziert. Auch lieben wir Komfort.
Diese Ziele und Wünsche möchte ich nicht in Frage stellen, jedoch liegt hier das Potenzial, wirksam suffizient zu sein. Wenn hier die Ansprüche – egal ob heute in Gesetzen, Normen und in Merkblättern verankert oder nicht – reduziert werden, kann wirksam Raum für suffizientes Handeln geschaffen werden. Mit einem bewussten und genügsamen Verhalten kann eine andere Lebens- und Lebensraumqualität entstehen.
Als Beispiel einer zu diskutierenden Vorgabe ist das in der schweizerischen Norm VSS 40 291A maximale Gefälle von 6 Prozent für einen Autoparkplatz. Diese Vorgabe zielt darauf ab, dass beim Öffnen der Autotür diese nicht an das Nachbarauto anstößt und so keine Kratzer entstehen. Die Vorgabe dieser maximalen 6-Prozent-Gefälle führt aber oft dazu, dass für die Parkplätze von Autos Terrassen gebaut oder stärkere Abgrabungen durchgeführt werden, die oft mit Stützmauern gefasst werden müssen.
Die Integration dieser Stützmauern in abschüssiges Gelände ist optisch oft schwierig und führt zu zusätzlichen Mauern entlang von öffentlichen Straßen oder an Hausvorplätzen. Ein gestalterisch und räumlich schönes Beispiel einer Parkierungsanlage, die diese Randbedingung nicht einhält, sind die Parkplätze auf dem Hauptplatz in Schwyz. Trotzdem wird hier rege geparkt.
Beispiele aus der Gartengeschichte
Der Blick in die Gartengeschichte bis Ende des 19. Jahrhunderts zeigt hier Strategien auf. Die Wiederverwendung von Baumaterialien war im Gartenbau üblich. Diese erfolgte gemäß meiner Erfahrung im Mauer- und im Belagsbau, sowie in der Wiederverwendung der Ausstattung. Die bautechnischen Anforderungen waren auch viel geringer; im Gegenzug wurde jedoch mehr gepflegt. Beispielsweise wurden Belagseinfassungen nicht erstellt oder nur in Sand versetzt.
Wir werden dieses Jahr in Ennenda GL Wege eines Landschaftsgartens, der vermutlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt, ausgraben und neuen Deckbelag einbauen, sowie deren Rasenkanten wieder bombieren. Die Wege unter der heutigen Rasendecke weisen größtenteils keine Einfassungen auf und wir werden auch keine neuen Einfassungen erstellen. Auf diese sonst übliche Modernisierung wird verzichtet und ebenso auf eine aufwändige Pflege der Wege und deren Kanten. Es entsteht dadurch in manierlicher Weise ein Garten der Freiheit, bei dem periodisch mit der Pflege steuernd eingegriffen, der Natur und ihrer Dynamik aber Raum und Zeit zugesprochen wird.
Vollständige Umgestaltungen von Gärten und Parks gab es im 19. Jahrhundert kaum. Es wurde ergänzt oder in Teilen umgebaut. Baumaßnamen zur Schaffung von ökologischen Werten oder zur Erlangung von zusätzlicher Sicherheit gab es auch nicht. Einschneidend war die Aufgabe des Massenausgleichs auf der Parzelle, der bei Bauvorhaben oft noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts üblich war. Mit der zunehmenden Mobilität nach dem zweiten Weltkrieg und dem damit einhergehenden Bau von Tiefgaragen war dies nicht mehr umsetzbar.
Heute wird mit der zunehmenden baulichen Verdichtung mehr Aushub für Neubauten produziert als je zuvor. Auch für die Infrastrukturprojekte im Straßen- und Bahnbau wird viel unter- und oberirdisch gebaut. Die Folge sind große Mengen von Erdmassen, die aus den Baustellen heraustransportiert werden. Eine ähnliche Entwicklung können wir auch beim Food Waste oder dem Kauf von Bekleidungs- und Ausstattungsgegenständen beobachten, wo auch große Massen davon umhertransportiert und entsorgt werden. Kleider, oft kaum gebraucht, werden wieder abgestoßen. Einem Gegenstand, wie einem Kleidungsstück oder einem Stein, wird heute leider wenig Wertschätzung entgegengebracht.




Eine zukünftig andere Landschaftsarchitektur
Der Blick auf die Suffizienz von Baumaßnahmen in der Gartengeschichte soll nicht die vergangenen Zustände zurückholen, sondern andere als die heute gewohnten Standards aufzeigen und zum Weiterdenken für die Zukunft anregen.
Ein möglicher Weg könnte die verstärkte Multifunktionalität von öffentlichen und halböffentlichen Orten und Räumen wie der Straßenraum oder die Sportanlagen sein. Warum nicht auch in halböffentlichen Freiräumen, wie den Außenräumen von Wohnsiedlungen, die Zugänglichkeit und Nutzung für Dritte ermöglichen? Wir haben im Büro angefangen, mit beinahe nur pflegerischen Mitteln, Außenräume von Wohnsiedlungen aufzuwerten.
Hierfür gibt es ein großes Potenzial an Anlagen, die heute Pensionskassen und anderen professionellen Investoren gehören, die vorwiegend profitorientiert ausgerichtet sind. Wir haben ein entsprechendes Konzept für die Siedlung der Stiftung PWG an der Anemonenstrasse in Zürich entwickelt. Die Aufwertung hat keinen Anspruch an Vollständigkeit, sondern versucht bewusst kostengünstig zu sein, vorwiegend korrigierend oder ergänzend im Pflanzenbestand zu wirken, die Pflege umzustellen und dadurch eine optische Vielfalt und räumliche Qualitäten zu schaffen.
Ein Großteil der Rasenflächen wird ohne bauliche Maßnahmen zu Wiesen oder Hochstaudenfluren entwickelt. Mit Forstware und Steckhölzern wird gepflanzt. Mit wenig finanziellen Mittel kann trotzdem ein deutlicher Mehrwert für die Erholungsqualität und die Biodiversität geschaffen werden.
Werden die Ansprüche an ein Bauvorhaben reduziert und wird im Sinne der Suffizienz geplant, so verändert dies das Aussehen und die Nutzungsqualität der Freiräume. Möglicherweise werden sie einfacher, weniger repräsentativ wirken, weniger gestaltet sein und mehrere Zeitschichten werden im Freiraum ablesbar sein können. Das Altwerden von Baumaterialien könnte stärker zugelassen werden, Beläge würden vermehrt geflickt und nicht mehr aus ästhetischen Ansprüchen oder aus Sicherheitsgründen ersetzt, auch wenn das Flicken Zeit und somit Geld beansprucht.
Auch wenn auf einer Parzelle ein unpassendes Gehölz, wie beispielsweise eine Thuja, steht, wird sie vielleicht belassen. Die Thuja wirkt unter Umständen fremd, könnte aber dennoch in den Entwurf integriert werden, auch wenn sie ökologisch einen geringen Beitrag leistet. Vielleicht werden neue Beläge allerorts, auch im Straßenraum, bei anstehenden Instandsetzungsarbeiten aufs Minimum reduziert. Hier steht uns eine Diskussion über die Anforderungen in der Fachwelt und möglicherweise auch in der Gesellschaft bevor. Es ist gut möglich, dass aufgrund von konsequentem, suffizientem Handeln weniger geplant, projektiert und gebaut wird und wir dadurch weniger Arbeit haben werden.
Hier fragt sich, wie die dabei übrigbleibende Erwerbsarbeit für alle fair verteilt werden kann.
Ich schätze die Knopfsammlung meiner verstorbenen Patentante, da sie mir ein lieb gewordener Mensch war. Sie wuchs mit wenig auf, die wenigen Ferien verbrachte sie bei Freunden und flog nur einmal zur goldenen Hochzeit von Genf nach Zürich. Ich nutze diese Kleiderknöpfe aus ihrer Knopfsammlung bei Bedarf, auch wenn sie nicht ganz zu den anderen Knöpfen an meinen Kleidungsstücken passen.
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