Haftung bei Kollision

Wenn der Ast in das Lichtraumprofil hineinragt

Verkehrssicherheit
Der Kläger befuhr mit seinem Lkw eine Gemeindestraße der Beklagten. Dabei stieß er mit dem Containeraufbau gegen einen in einer Höhe von zirka 3,1 Metern in die Straße hineinragenden Ast einer am rechten Fahrbahnrand stehenden Kastanie. Foto: Adobe Stock

Im Urteil des Schleswig-Holsteinischen OLG vom 22.10.2020 - 7 U 100/20 -, juris geht es um die Haftung des gemeindlichen Baumeigentümers für durch Kollision eines Lkw mit einem in das Lichtraumprofil hineinragenden Ast verursachte Schäden. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 22.05.2019 befuhr der Kläger mit seinem Lkw eine Gemeindestraße der Beklagten. Dabei stieß er mit dem Containeraufbau gegen einen in einer Höhe von zirka 3,1 Metern in die Straße hineinragenden Ast einer am rechten Fahrbahnrand stehenden Kastanie mit einem Durchmesser von zirka 1,3 Metern. Hierdurch wurde der Container aus seiner Befestigung gerissen und vollständig verbogen. Auch der Lkw wurde bei dem Unfall massiv beschädigt. Außerdem erlitt der Kläger durch den Unfall diverse Prellungen und Zerrungen.

Die Gemeindestraße hat an der Unfallstelle eine Breite von 4,5 Metern, wobei der asphaltierte Bereich nur 3,6 Meter breit ist und an beiden Seiten von einer gepflasterten Regenrinne gesäumt wird. Auf der Straße besteht ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde. Der Lkw misst inklusive Containeraufbau eine Höhe von 3,33 Metern. Nach Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung ließ die beklagte Kommune ein Warnschild vor dem streitgegenständlichen Baum aufstellen. Der Kläger macht gegen die beklagte Gemeinde als Baumeigentümerin Schadenersatzansprüche in Höhe von insgesamt weit über 60.000 Euro geltend. Das LG Flensburg hat die Klage durch Urteil vom 28.05.2020 - 7 O 135/19 - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Schleswig-Holsteinische OLG als unbegründet zurückgewiesen.

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Verkehrssicherheit
Bei der bei Verkehrsteilnehmern verbreiteten Vorstellung, das Lichtraumprofil müsse generell bis zu einer Höhe von 4 Metern frei sein, handelt es sich – wie diese Entscheidung exemplarisch zeigt – um einen Rechtsirrtum. Foto: Adobe Stock, Rawpixel.com

Das Schleswig-Holsteinische OLG lehnt ebenso wie die Vorinstanz eine Haftung der Beklagten aus § 839 BGB ab. Das OLG legt zunächst die Grundsätze der Rechtsprechung zur Haftung bei Schäden, verursacht durch in das Lichtraumprofil hineinragendes Astwerk, dar. Zu berücksichtigen sind hierbei die Verkehrsbedeutung der Straße (unter besonderer Berücksichtigung des Verkehrs von Fahrzeugen mit höheren Aufbauten), Fahrbahnbreite, Erkennbarkeit der Gefahrenstellen, Höhe des hineinragenden Astes sowie Abwägung zwischen den Belangen der Verkehrssicherheit einerseits und dem ökologischen Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes andererseits. Dabei obliegt es auch dem Verkehrsteilnehmer selbst, auf seine eigene Sicherheit in zumutbarem Maße selbst zu achten.

Die Verkehrssicherungspflicht erfordert hingegen nicht, den Luftraum über der Straße generell in der für Fahrzeuge geltenden maximalen Höhe von vier Meter (§ 32 Abs. 2 StVZO) freizuhalten. Insbesondere bei minderer Verkehrsbedeutung, bei geringer Verkehrsdichte und Schnelligkeit des Verkehrs kann von Fahrzeugführern besonders hoher Fahrzeuge erwartet werden, neben dem eigentlichen Verkehrsgeschehen auch den Luftraum oberhalb der Straße zu beachten. Bei Anwendung dieser Grundsätze betont das OLG, dass es sich bei der Gemeindestraße um eine besonders schmale handelt, bei der schon allein wegen der großen Breite des Lkw (Außenbreite 2,3 Meter) im Hinblick auf etwaigen Gegenverkehr besondere Vorsicht geboten war.

Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der ortskundige Kläger, der auf der Insel einen Containerdienst betreibt und seit 30 Jahren Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ist, damit rechnen müssen, dass im Unfallbereich Teile von Bäumen in den Luftraum der Fahrbahn hineinragen könnten. Angesichts des Gesamteindrucks der Straße drängte sich geradezu auf, dass die Ausnutzung der Fahrbahn bis unmittelbar an die seitliche, gepflasterte Regenrinne heran durch den vorhandenen Baumbestand für Fahrzeuge mit hohen Aufbauten behindert war. D

abei betont das OLG, dass die gepflasterte Regenrinne neben der Fahrbahn nicht zur Fahrbahn gehört, weil befestigte oder unbefestigte, unmittelbar neben der Fahrbahn befindliche Seitenstreifen gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 StVO nicht Bestandteil der Fahrbahn sind. Sie dienen nicht dem fließenden Verkehr und dürfen von Kraftfahrzeugen nur ausnahmsweise mit entsprechender Vorsicht und nur mit reduzierter Geschwindigkeit benutzt werden. Bei gehöriger Aufmerksamkeit wären im Übrigen auch die in Höhe von zirka 3,1 Metern in den Verkehrsraum hineinragenden Äste für den Fahrzeugführer erkennbar gewesen.

Es bestand die Möglichkeit, entweder bei entsprechendem Gegenverkehr den Lkw anzuhalten oder aber das Fahrzeug etwas in die Fahrbahnmitte hin zu verschwenken, um eine Kollision mit in den Luftraum hineinragenden Ästen zu vermeiden. Aus der nachfolgend durch die Beklagte veranlassten Aufstellung eines Warnschildes lässt sich nach Auffassung des OLG nichts für einen zuvor bestehenden rechtswidrigen Zustand herleiten.

Die begrüßenswerte Entscheidung liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung zu durch in das Lichtraumprofil hineinragenden Äste verursachten Schäden, die maßgeblich auf die Einzelfallumstände abstellt. Bei der bei Verkehrsteilnehmern verbreiteten Vorstellung, das Lichtraumprofil müsse generell bis zu einer Höhe von vier Metern frei sein, handelt es sich - wie auch diese Entscheidung exemplarisch zeigt - jedenfalls um einen Rechtsirrtum.

Ass. jur. Armin Braun, GVV-Kommunalversicherung

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