SCHNEEBRUCH

Wer haftet, wenn Äste brechen?

Baumpflege
Das Gericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Foto: Silke Koch

Zu Schneebruch bei Bäumen und hieraus resultierenden Schäden kommt es gelegentlich, wenn es entweder bereits zu einem sehr frühen oder noch zu einem sehr späten Zeitpunkt zu ergiebigen Schneefällen kommt. Dies war beispielsweise selbst im schneearmen Rheinland noch in der zweiten Märzhälfte 1999 der Fall oder in weiten Teilen Deutschlands um und nach Ostern Ende März 2008. Bei Schäden dieser Art handelt es sich in der Regel um höhere Gewalt, sodass keine Haftung besteht. Etwas anderes gilt aber auch hier selbstverständlich dann, wenn Bäume nicht allein witterungsbedingt umstürzen oder Äste herabfallen, sondern der Schnee letztlich nur der letzte Anlass war, der einen ohnehin kranken, vorgeschädigten oder erkennbar behandlungsbedürftigen Baum zum Einsturz gebracht hat.

Ein aktuelles Beispiel hierfür aus der Rechtsprechung ist das rechtskräftige Urteil des LG Lüneburg vom 14.06.2018 - 2 O 46/17 -. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 08.11.2016 parkte der Kläger sein Fahrzeug auf seinem Grundstück. Aufgrund starker nächtlicher Schneefälle von circa zehn Zentimetern Neuschnee brach am Folgetag ein großer Ast von dem Baum des benachbarten öffentlichen Grundstücks ab und beschädigte das Klägerfahrzeug. Nachdem auf Anforderung der Ehefrau des Klägers Mitarbeiter der beklagten Kommune den Astabbruch fotografisch dokumentiert hatten, kam es zu einem weiteren Astbruch. Mitarbeiter der Beklagten entfernten daraufhin im Rahmen eines neuerlichen Besuches des Grundstücks des Klägers zahlreiche Äste des Baumes. Dieser wurde zu einem späteren Zeitpunkt vollständig entfernt.

Das Gericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Dem Sachverständigengutachten folgend ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass selbst bei regelmäßiger Baumkontrolle der Astbruch am 08.11.2016 nicht hätte verhindert werden können. Der Baum war zum Schadenzeitpunkt in einem guten, gesunden Zustand und wies keinerlei über das generelle Baumrisiko hinausgehende Risiken auf. Weitergehender Handlungsbedarf im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht hat im Vorfeld nicht bestanden. Ursache des Astbruchs war voraussichtlich die verbliebene Belaubung in Kombination mit dem frühen Schneefall, was zu einem nicht vorhersehbaren Abbruch geführt hat.

Folglich habe sich in dem Astbruch das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. In der Folge hat das Gericht auch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog abgelehnt. Vorliegend habe nämlich als Voraussetzung für einen solchen Anspruch bereits kein Abwehranspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 1004 BGB bestanden. Die Beeinträchtigung sei nämlich nicht wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückzuführen, sondern allein durch ein Naturereignis ausgelöst worden. Dies sei dem Eigentümer nicht zuzurechnen. Anders könne dies sein, wenn der Baum sich in einem Zustand befunden habe, in welchem er für Naturgewalten besonders anfällig sei. Dies sei aufgrund des guten Vitalitätszustandes des Baumes vorliegend aber nicht der Fall gewesen.

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In der Folge hat das Gericht auch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog abgelehnt. Foto: Xaver Klaussner

Die begrüßenswerte Entscheidung des LG Lüneburg grenzt zutreffend das allgemeine Lebensrisiko von einer schadenursächlich gewordenen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ab. Hier war der Schneebruch nicht bloßer Anlass bei einem vorgeschädigten Baum, sondern Ursache des Schadeneintritts. Auf gleicher Linie liegt bereits ein Urteil des LG Heidelberg vom 28.04.1982 - 3 O 382/81 -, VersR 1983, 280. Anders war die Sach- und Rechtslage hingegen in einem Urteil des OLG München vom 07.08.2008 - 1 U 5171/07 -, juris. Dort wurde der beklagte Straßenbaulastträger für einen im Zuge von Schneebruch herabgefallenen Totholzast, der einen Kfz-Schaden verursachte, zur Leistung von Schadenersatz verurteilt, weil eine erforderliche, rechtzeitige Totholzbeseitigung durch den Pflichtigen nicht erfolgt war.

Praxistipp: In den FLL-Baumkontrollrichtlinien, Ausgabe 2010, sind unter 5.5 "Zusatzkontrollen" nach extremen Witterungsereignissen wie beispielsweise Orkan oder Eisregen vorgesehen. Schneebruch wird hier nicht ausdrücklich aufgeführt. Es drängt sich aber auf, dass auch Schneebruch zu extremen Witterungsereignissen zählt, und daher Zusatzkontrollen erforderlich macht. Diese Zusatzkontrollen erfordern selbstverständlich nicht die Intensität von Regelkontrollen. Vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob akute Gefahren beispielsweise durch vom Schneebruch betroffene lose oder angebrochene Äste bestehen. Solche akuten Gefahren sind sodann unverzüglich zu beseitigen.

Ass. jur. Armin Braun
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