Öffentliches Baurecht

Wie bestimmt sich die Reichweite einer Baugenehmigung?

Bauordnungsrecht
In dem vom OVG Sachsen entschiedenen Fall wehrte sich der Nachbar gegen die Terrassennutzung des Garagendachs durch den Bauherrn und begehrte bauaufsichtliches Einschreiten. Foto: Fotolia

Das OVG Sachsen hat mit Urteil vom 09.03.2017, Az.: 1 A 331/16 entschieden, dass die Reichweite einer Baugenehmigung, also ihr Regelungsgehalt, von der Bauaufsichtsbehörde anhand der vom Bauherrn eingereichten Unterlagen bestimmt wird. Insofern sind alle Antragsunterlagen relevant, neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme also auch die grün gestempelten Bauvoranlagen, zum Beispiel Lageplan, Baubeschreibung und Bauzeichnungen.

In dem vom OVG Sachsen entschiedenen Fall wehrte sich der Nachbar gegen die Terrassennutzung des Garagendachs durch den Bauherrn und begehrte bauaufsichtliches Einschreiten.

Dem Bauherrn war 1996 eine Baugenehmigung zur "Errichtung eines Wohnhauses in Fertigteilbauweise mit Garage" erteilt worden. Nach der Baubeschreibung sollte die Grenzgarage zum Kläger hin ein Flachdach erhalten. Der mit den Bauvorlagen eingereichte "Eingabeplan" zeigt ein Geländer auf dem Dach der Garage und in einem Schnitt des Eingabeplans wird der Dachaufbau als "Terrasse" bezeichnet. Weitere Angaben zu einer Terrassennutzung des Garagendaches enthielten die Bauvorlagen nicht.

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Das OVG Sachsen hat entschieden, dass die Reichweite einer Baugenehmigung, also ihr Regelungsgehalt, von der Bauaufsichtsbehörde anhand der vom Bauherrn eingereichten Unterlagen bestimmt wird. Foto: Fotolia

Der Bauherr errichtete in der Folgezeit auf dem Garagendach eine Terrasse und nutzte diese entsprechend. Im Jahr 2010 begehrte der Kläger erstmals ein bauaufsichtliches Einschreiten von der zuständigen Behörde.

Die Behörde sah jedoch keinen Grund für ein bauaufsichtliches Einschreiten. Auch die Verwaltungsgerichte wiesen in erster und zweiter Instanz eine entsprechende Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten ab. Maßgeblich waren dazu zwei Begründungsansätze.

Erstens bestehe kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, denn ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften, aus dem sich ein Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung oder Nutzungsuntersagung ergeben könne, liege nicht vor. Die Dachterrasse sei von der bestandskräftigen Baugenehmigung aus 1996 umfasst. Aus den mit grünem Stempel versehenen Bauvorlagen folge, dass auch die Dachterrasse Teil der Genehmigung sei. Die zeichnerische Darstellung zeige ein Geländer auf dem Dach der Garage, zudem werde die Fläche in dem Schnitt als Terrasse bezeichnet. Die Erläuterung dazu spreche von einem "Dachaufbau (Terrasse)", wobei die Art der Fliesenverlegung im Einzelnen beschrieben werde.

Zweitens hätten die Kläger ihr Widerspruchs- und Klagerecht gegen die bestandskräftige Baugenehmigung durch Zeitablauf verloren. Die Dachterrasse sei zu einer Zeit ausgeführt worden, als die Baugenehmigung noch nicht erloschen war. Nach der Errichtung der Dachterrasse und ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung hätten die Kläger ihren Widerspruch gegen die Baugenehmigung innerhalb eines Jahres einlegen müssen.

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Alle Antragsunterlagen sind relevant, neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme also auch die grün gestempelten Bauvoranlagen, z. B. Lageplan, Baubeschreibung und Bauzeichnungen. Foto: Fotolia

Zwar sei ihnen die Baugenehmigung nicht bekannt gegeben worden, jedoch hätte sich das Vorliegen der Baugenehmigung aufdrängen müssen und es sei ihnen möglich und zumutbar gewesen, sich über Vorliegen und Inhalt der Baugenehmigung durch Nachfrage beim Bauherrn oder Behörde Gewissheit zu verschaffen.

Auf die Argumentation des Klägers, die bestandskräftig gewordene Baugenehmigung hätte überhaupt nicht rechtmäßig erteilt werden können, da auf einer Grenzgarage keine Dachterrasse zulässig sei, ging das OVG Sachsen nicht ein. Werde eine Baugenehmigung bestandskräftig, gehe ein etwaiges Widerspruchs- und Klagerecht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis durch Zeitablauf verloren (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974, Az.: IV C 2.72).

Aus den Ausführungen des OVG Sachsen folgt für den Nachbarn, dass bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit eines Bauvorhabens eine zügige Kontaktaufnahme mit dem Bauherrn oder der Bauaufsichtsbehörde erfolgen sollte. Auch rechtswidrige Baugenehmigungen können bestandskräftig werden. Wegen der Reichweite bzw. des Regelungsgehalts einer erteilten Genehmigung ist dabei nicht nur auf deren textliche Bestandteile zu achten, sondern auch ein besonderes Augenmerk auf die zur Genehmigung gehörenden Zeichnungen (Pläne und Schnitte) zu legen.

Dr. Normen Crass, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main.

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