Wie kann Biodiversität im urbanen Raum gefördert werden?

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Biodiversität
Städtische Räume bieten viele Potenziale für Flora und Fauna und stellen eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Foto: Reichwein 2009
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Ein typischer Straßenzug in einem städtischen Wohngebiet. Er wirft die Frage auf, ob Grün immer im Hintergrund bleiben und nur aus der Ferne zu genießen sein soll. Foto: Reichwein 2015

Biodiversität erlangt im verdichteten urbanen Raum vermehrt Aufmerksamkeit. Städte zählen paradoxerweise zu den artenreichen Lebensräumen: Einerseits gilt die Verstädterung als eine der größten Bedrohungen für die biologische Vielfalt, weil durch Siedlungsaktivitäten natürliche Strukturen verloren gehen. Andererseits weisen Städte häufig eine größere Artenvielfalt auf als ihr agrarisch geprägtes Umland (Müller et al. 2010). Dies wirft die Frage nach einer aktiven Strategie auf Stadtplanungsebene auf, die sich für die biologische Artenvielfalt in potenziell wertvollen aber noch nicht erschlossenen Flächen einsetzt. Vielfältige Nutzungsansprüche auf engem Raum stellen dabei eine besondere Herausforderung dar. Das Stadtgefüge, auch vor dem Hintergrund der Klimaveränderung, kann daher nur im Dialog der verschiedenen Disziplinen, darunter die Stadt- und Landschaftsplanung und die Vegetationstechnik, sein Potenzial für die Biodiversität entfalten.

Zu dieser Fragestellung fand im März 2015 ein fachübergreifender Workshop am Institut für Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover statt. Ziel war, einen Rahmen für Austausch und Annäherung der verschiedenen Disziplinen zu bieten. Im Fokus stand dabei die Biodiversität im dicht besiedelten Stadtgebiet. Als Ergebnis wurden grundlegende Fragestellungen im Schnittpunkt von Arten- und Biotopschutz, Stadtplanung und Vegetationstechnik herausgearbeitet. Dieser Workshop bildet den Ausgangspunkt des folgenden Artikels.

An dieser Stelle soll keine Grundsatzdiskussion über Stadtentwicklung, Flächenverbrauch und Naturschutz geführt werden, obwohl sich im Workshop zeigte, dass diese Fragen keineswegs ausdiskutiert sind. Vielmehr werden im Schnittbereich von Stadtplanung und Vegetationstechnik verschiedene Aspekte erörtert, die zu Erhaltung und Ausbau der Artenvielfalt beitragen können. Es werden relevante Fragen und konkreter Forschungsbedarf aufgezeigt.

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Im Stadtgebiet von Hannover gelegener, extensiv gepflegter Randstreifen. Im Sommer ist der Aufwuchs am höchsten und der Blühaspekt am stärksten ausgeprägt. Der Wert dieser Flächen muss den Stadtbewohnern durch Öffentlichkeitsarbeit vermittelt werden. Foto: Reichwein 2014

Der Urbane Raum und Biologische Vielfalt

Biologische Vielfalt oder Biodiversität umfasst gemäß Biodiversitätskonvention (CBD - Convention on Biological Biodiversity, 1992) die Artenvielfalt, die Vielfalt der Ökosysteme und die genetische Vielfalt und gilt als Voraussetzung für intakte und funktionsfähige Ökosysteme, in denen wir Menschen leben und von welchen wir abhängig sind (BMZ 2014). Biodiversität ist entscheidend für das menschliche Wohlbefinden, nachhaltige Entwicklung und soziale Gleichheit - im Sinne von Recht auf ein gesundes Lebensumfeld (IUCN). Auch im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit der Städte an den bereits festzustellenden Klimawandel gewinnt die Diversität von Flora und Fauna an Bedeutung. Obwohl diese Kenntnis auf breiten Konsens trifft, ist die Realität alles andere als zufriedenstellend. Stadtteile mit unzureichendem Erholungs- und Nachbarschaftsgrün, spärlich begrünte Straßen oder kahle Spielplätze sind in vielen Städten zu finden.

Zudem wird immer noch wertvolle urbane Landschaft dem motorisierten Verkehr geopfert, was nicht nur einen Flächenverlust, sondern auch eine verstärkte Barriere- und Trennungswirkung zur Folge hat (Smaniotto 2014).

Der städtische Raum bietet Möglichkeiten, unterschiedliche Biodiversitätsziele zu erfüllen, wobei der Artenvielfalt eine besondere Bedeutung zukommt. Aufbau und Ausbau ökologischer Infrastruktur innerhalb einer Stadt verlangt eine gezielte Gestaltung, da Planungen für urbanen Raum primär menschliche Bedürfnisse berücksichtigen wie Wohnen, Arbeiten, Verkehr und Freizeit. Diese anthropogenen Nutzungen sind die ersten, die in der Planung "Platz" finden. Lange Zeit war auch die Grünplanung vornehmlich auf ästhetisch-funktionale Aspekte ausgerichtet.

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Vielfalt auf kleinem Raum: Kratzdistel mit Wildbienen. Foto: Reichwein 2014
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Wildbienen sind Indikatoren für Biodiversität. Habitate finden sie im Stadtgebiet auf Ruderalflächen, extensiv gepflegten Wiesen, blütenreichen Hausgärten, begrünten Dächern und ähnlichen Orten. Foto: Reichwein 2014

Dieses ändert sich zunehmend und einzelne Städte wie die Stadt Hannover legen mittlerweile eigene Programme auf, um die Artenvielfalt zu erhalten oder zu fördern (Landeshauptstadt Hannover 2009). Für den Austausch von Erfahrungen entstehen Plattformen wie das Bündnis KommBio, wo interessierte Kommunen ihr Anliegen und ihre Projekte einer breiten Öffentlichkeit präsentieren.

Eine besondere Herausforderung zur Steigerung von Biodiversität stellen stark verdichtete Stadtteile dar, wo quantitative Verbesserungen der Grünversorgung in absehbarer Zeit nicht erreicht werden können. Von daher eröffnet die Erschließung oder Optimierung bisher nicht genutzter Bereiche wie etwa Dachflächen, Grün auf kleinstem Raum oder gebäudeintegrierter Pflanzungen durch Fassadenbegrünung Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Biodiversität mit den stadtplanerischen Erfordernissen. Dennoch können Konflikte in der Auslegung von Biodiversität entstehen: In welchen Bereichen darf Stadt "Stadt" sein, mit Platz für gepflegte, urbane Strukturen und wo hingegen ist der Platz für Natur und Wildnis? Konsens besteht darüber, dass Stadtgrün und Stadtnatur das Wohnumfeld verbessern und somit auch eine ökonomische Aufwertung für die Stadt bedeuten. Zudem mündet die richtige Balance zwischen Stadt und (Stadt)Natur nicht nur in eine höhere Lebensqualität, sondern auch in bessere Aussichten, dem Klimawandel zu begegnen.

Dabei stellt sich der Begriff Biodiversität im Hinblick auf dichte Siedlungsbereiche als problematisch dar, weil er einerseits sehr breit angelegt ist und damit viel "Spielraum" bietet, aber anderseits stark an Vorstellung von intakter Natur und naturnahen Landschaftsräumen gekoppelt ist. Dieses gilt genauso für andere Begriffe wie Wildnis und Stadtnatur. Biodiversität muss im urbanen Kontext als Arbeitsgrundlage über die gängige Definition hinaus weitere Möglichkeiten zulassen.

Potenziale in der Stadt erschließen

Das im Oktober 2015 vom Bundesumweltministerium vorgelegte Handlungsprogramm "Naturschutz-Offensive 2020" enthält rund 40 Maßnahmen und Initiativen zur Verbesserung der Artenvielfalt (BMUB 2015). Darunter soll im Rahmen der Städtebauförderung mehr Raum für Natur und Naturerleben geschaffen werden. Im dichtbesiedelten Stadtbereich wird man jedoch auf wenige verfügbare Räume stoßen, zumal der Druck auf Freiflächen wegen der Forderung nach mehr Wohnraum derzeit wächst.

Frei verfügbare großräumige Flächen sind selten, so dass der Zugriff auf kleinere oder auf temporär verfügbare Flächen sinnvoll ist, die als Bausteine für den Aufbau einer Grüninfrastruktur entwickelt werden. Diese können verschiedene Ausprägungen haben wie Inselbiotope, Wildnisinseln oder Ausbreitungs- und Wanderungskorridore. Im Ausbau und in der Vernetzung dieser Bausteine liegt das Potenzial, sowohl dem Artenverlust entgegen zu wirken als auch Erlebnisräume für Menschen zu schaffen. Diese Kleinteiligkeit mag den Puristen unter den Naturschützern schmunzeln lassen, aber angesichts dessen, dass nur wenige Flächen verfügbar sind, ist sie eine probate Möglichkeit. Eine Aufgabe der Forschung liegt darin zu eruieren, welchen Beitrag eine solche Kleinteiligkeit für die Artenvielfalt leisten kann.

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Die Dachbegrünung ist eine Alternative zu unbelebten Dachflächen. Innovative Ansätze in der Technik und in der Pflanzenzusammensetzung könnten dieses Potenzial für die städtische Biodiversität besser erschließen. Foto: Westerholt 2015

Zudem gedeihen im Stadtgebiet zahlreiche nicht-heimische Pflanzenarten, die an die Bedingungen in der Stadt gut angepasst sind und die daher als standortgerecht gelten dürfen, und die außerdem aufgrund ihrer dekorativen Wirkung von vielen Menschen Wertschätzung erfahren. Darunter befinden sich Arten, die zum Beispiel aufgrund von Pollen oder Nektar für wenig spezialisierte Insektenarten als Nahrungsquelle dienen. Ihr ökologischer Wert ist vielleicht aus Naturschutzsicht nicht außergewöhnlich hoch und in der freien Landschaft inakzeptabel, in der Stadt jedoch können sie einen wertvollen Beitrag leisten.

Viele für den Biotop- und Artenschutz wertvolle Anlagen wie Brachflächen oder Brombeergebüsche werden von der Bevölkerung oft als ungepflegt und verwahrlost wahrgenommen (Banse, Mathey 2013). Trotz hoher genereller Akzeptanz für Natur in der Stadt, tun sich viele Menschen mit Sukzessionsflächen und Spontanvegetation schwer (Jessel, Tobias 2002). Öffentlichkeitsarbeit und die Beteiligung der Bevölkerung sind daher unabdingbar.

Private und halbprivate oder halböffentliche Freiflächen wie Privatgärten, Gemeinschaftsgärten, Kleingärten, Firmengärten und -parkplätze oder Vereinsgelände sind im Hinblick auf Biodiversität ebenfalls wichtige Elemente des städtischen Grüns. Ihre Ausgestaltung obliegt im Rahmen der geltenden Gesetze den Eigentümern. Nicht alle Gestaltungsformen dienen dem Biodiversitätsziel und bei einer ausgewogenen Mischung ist dies auch nicht weiter kritisch.

Um eine Ausgewogenheit zu erhalten oder zu erreichen, können im Rahmen der Bauleitplanung Vorgaben gemacht werden, wie bei der Anpflanzung von Gehölzen oder der Begrünung von Dachflächen. Dachbegrünung ist zumindest als Teilausgleich anerkannt (FLL 1998). Doch auch in bestehenden Anlagen sind Verbesserungen möglich. So eröffnen beispielsweise Dachflächen, zum Teil mehrere Hektar groß und nicht zugänglich, ein großes Potenzial. Hier wäre Platz für Experimente. Mindestens ebenso wichtig sind daher Anreiz- und Förderprogramme und immer wieder Öffentlichkeitsarbeit, um Menschen für die Belange der Natur in der Stadt zu sensibilisieren. Dies kann über vielfältige Kanäle geschehen, Vereine wie Naturschutz-, Kleingärtner- oder Imkervereine eingeschlossen.

Der Beitrag der Vegetationstechnik

Begrünungsaufgaben wie Dach-, Fassaden- und Verkehrswegebegrünung erfordern Bauweisen, für die traditionelles gärtnerisches Grundwissen alleine nicht mehr ausreicht: Bäume sollen in befestigte Flächen gepflanzt werden und in einem Boden, der eigentlich keiner mehr ist, muss ein Wurzelvolumen untergebracht werden, das dem der Baumkrone entspricht. Auf Dachflächen sollen "blühende Paradiese" entstehen, deren Grundlage eine schwarze Dichtungsbahn ist. Gleistrassen sollen in "grüne Adern" verwandelt werden, ohne Beeinträchtigung der Schienenfahrzeuge und bei minimalem Pflegeaufwand.

Die Etablierung und Unterhaltung von Vegetation an solchen Standorten erfordert einen erhöhten technischen Aufwand und fällt in das Arbeitsgebiet der Vegetationstechnik. Lösungen sollen dabei nicht nur technisch machbar, sondern auch finanzierbar und langfristig wirtschaftlich sein - bei öffentlichen Auftraggebern in der Regel mit kleinem Budget.

Für viele dieser Herausforderungen wurden in den letzten Jahrzehnten Lösungen entwickelt und optimiert. Durch das Begrünen vormals vegetationsfreier Standorte konnte der Grünanteil in der Stadt und somit die Lebensqualität ihrer Bewohner erhöht werden. Zugleich folgen jeder Begrünung ungesteuert Tierarten, die an den Standorten geeignete Habitate finden. Bei der Wahl der Pflanzenarten standen dabei bislang überwiegend funktionale und gestalterische Kriterien im Mittelpunkt. Unter dem Schlagwort "Biodiversität" kommt nun eine weitere Anforderung hinzu: Begrünungsformen sollen zusätzlich zu allen anderen Anforderungen auch einen Beitrag zur Erhöhung der Artenvielfalt leisten.

Wie vegetationstechnische Bauweisen zur biologischen Vielfalt in der Stadt beitragen können, sei am Beispiel der Dachbegrünung veranschaulicht: Bei der Dachbegrünung kommen unterschiedliche Begrünungsformen zwischen Extensiv- und Intensivbegrünung in Frage. Eine einfache Extensivbegrünung, bei der der Sedumaspekt dominiert, stellt gegenüber dem nackten Dach grundsätzlich eine erhebliche Verbesserung dar.

Betrachtet man es unter dem Gesichtspunkt "Biodiversität", so kommen weitere Anforderungen hinzu, die vielleicht bei einer Modifizierung der Bauweise besser bedient werden könnten. Wenn zum Beispiel bekannt ist, welche Pflanzenarten dem Biodiversitätsziel in einer Kommune besonders dienlich sind, könnten Pflanzen und Substrate sowie weitere Elemente (wie etwa Trocken-, Nassbereiche, Geröllhaufen, Oberflächenstrukturen) gezielt eingesetzt werden. Die Vegetationstechnik hat keinen direkten Einfluss auf das Vorkommen von Insekten und anderen Tierarten. Durch das Angebot an Futterpflanzen oder auch an Nistgelegenheiten und -materialien kann deren Ansiedlung jedoch begünstigt werden. Hinsichtlich der biologischen Vielfalt fehlen in der Regel konkrete Anforderungen. Diese zu definieren ist Aufgabe anderer Fachdisziplinen wie Stadtplanung und Artenschutz.

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Pflanzenvielfalt im Hausgarten fördert die Insektenwelt in städtischen Wohnquartieren. Auch nicht-heimische, dekorative Gartenpflanzen leisten hier einen Beitrag. Foto: Reichwein 2014
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Im Hausgarten: Zitronenfalter an Lichtnelke (Lychnis Coronaria). Foto: Reichwein 2014

Die Vegetationstechnik setzt sich überdies mit der Pflege von Grünflächen auseinander. In den letzten Jahrzehnten hat insbesondere im öffentlichen Bereich eine an ökologischen Gesichtspunkten orientierte Pflege an Bedeutung gewonnen. Hierzu gehört nicht nur der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und andere ökologisch bedenkliche Maßnahmen, sondern auch das Ausrichten von Mahdzeitpunkten, Pflegegängen oder Maschineneinsatz auf Pflanzengesellschaften und deren Habitatfunktion für die städtische Fauna. Für das Pflegemanagement bedeutet dies eine Differenzierung von Grünflächen je nach angestrebtem Ziel. So sind beispielsweise Spielwiesen anders zu behandeln als Rasenflächen in historischen Gärten oder weitläufige Wiesen im Stadtrandbereich. Im Hinblick auf die Artenvielfalt müssen die Ziele seitens der entsprechenden Fachabteilungen festgelegt und mit der Pflege abgestimmt werden. Beispielsweise können Wiesen durch Überführung in eine ein- oder zweischürige Mahd zu artenreiche Blumenwiesen werden, die zahlreichen Insekten Lebensraum bieten.

Allerdings ändert sich durch diese Maßnahmen sowohl die Nutzbarkeit zum Beispiel für Freizeitaktivitäten der Anwohner als auch die Ästhetik. Letztere wird von Bürgern häufig als "ungepflegt" wahrgenommen und den Kommunen wird unterstellt, ihre Flächen nicht hinreichend zu pflegen. Auch könnte der Begriff der "Pflegeextensivierung" nahelegen, dass hier nur Mittel eingespart werden sollen. Tatsächlich jedoch erfordert eine auf Artenvielfalt ausgerichtete extensive Grünflächenpflege ein gutes Konzept, geschultes Personal sowie geeignete Maschinen und Arbeitsgeräte. Zudem muss fachübergreifend gearbeitet werden: Fragestellungen, die zuvor nur die kommunale Pflegetechnik oder nur den Naturschutz zu betreffen schienen, werden nun von beiden Seiten gedacht.

Offene Fragen und Forschungsbedarf

Im Workshop wurden grundlegende Fragestellungen im Bereich Arten- und Biotopschutz, Stadtplanung und Vegetationstechnik herausgearbeitet, von denen einige im Folgenden dargelegt werden. Schwerpunktmäßig stadtpolitische und stadtplanerische Fragestellungen sind:

  • Welche gezielten Maßnahmen tragen zur Erhöhung der Biodiversität bei?
  • Was ist deren Beitrag zur städtischen Lebensqualität?
  • Welche Hemmnisse treten auf und was befördert die Umsetzung?
  • Inwiefern können die Gestaltung und die Folgepflege unter Mitwirkung interessierter Bewohner erfolgen? Welchen Beitrag leistet die Beteiligung zur Aufwertung des Wohnumfelds und zum Zusammenhalt in einem Siedlungsbereich/Stadtquartier? Welche Maßnahmen fördern die Akzeptanz "wilder Natur" in der Stadt?

Aus vegetationstechnischer Sicht sind vor allem drei Bereiche interessant, in welchen wesentlicher Forschungsbedarf besteht:

  • Vorgaben für die Vegetationstechnik: Welche Mindestflächen und welche baulichen Elemente zur Herstellung artspezifischer Lebensraumansprüche werden benötigt?
  • Pilotprojekte: Welchen Beitrag zur Biodiversität können kleinräumig umgesetzte Maßnahmen leisten, zum Beispiel auf kleineren Dachbegrünungsflächen? Hier könnte an die Etablierung heimischer Pflanzen- oder Wildbienenarten auf begrünten Dächern gedacht werden. Welche konkreten Vorgaben bezüglich der technischen Ausführung und der Pflege von Dachbegrünungen können daraus abgeleitet werden?
  • EDV-gestütztes Flächen- und Pflegemanagement: Wie können die vielen kleinen Biodiversitätsflächen in einem IT-System der kommunalen Verwaltung erfasst, verwaltet und über Auskunftsportals online dem Stadtbürger zugänglich gemacht werden?

Ausblick

Im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik sollte auf biologische Vielfalt ausgerichtetes Stadtgrün mehr sein als eine optionale Beigabe, eine wünschenswerte Verbesserung oder ein pflichtbewusstes Kopfnicken in Richtung des Umweltschutzes. Stadtgrün und Biodiversität müssen als ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung und zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt anerkannt und gefördert werden. Dies ist besonders auch dann wichtig, wenn durch demografische Veränderungen der Druck auf verfügbare Flächen und auf Qualitätsstandards in der Freiraumgestaltung wächst. Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung müssen dabei einen hohen Stellenwert haben. Nur wenn der Wert von Natur und Biodiversität im Bewusstsein der Stadtbevölkerung verankert werden kann, haben planerische Maßnahmen Aussicht auf dauerhaften Erfolg. Aktive kommunale Strategien erfordern einerseits gute PlanerInnen, die interessante und innovative Ideen entwickeln, und andererseits engagierte und aufgeschlossene Entscheidungsträger, die diese Ideen in den richtigen Rahmen setzen und für deren Umsetzung sorgen. Die Wissenschaft kann dabei sowohl brückenbildende Instanz zur disziplinübergreifenden Optimierung von Planungsprozessen sein als auch in Forschung und Entwicklung von Methoden und Bauweisen einen konstruktiven Beitrag leisten.

Literatur

Banse, J., Mathey, J. (2013). Wahrnehmung, Akzeptanz und Nutzung von Stadtbrachen. Ergebnisse einer Befragung in ausgewählten Stadtgebieten von Dresden. In: Breuste, J.; Pauleit, St.; Pain, J. (Hrsg.): Stadtlandschaft - vielfältige Natur und ungleiche Entwicklung. Darmstadt: Kompetenznetzwerk Stadtökologie, 5: 39-56. Conturec, Darmstadt.

BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2014). Biologische Vielfalt - unsere gemeinsame Verantwortung. www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/umwelt/Biodiversitaet-unsere-gemeinsame-Verantwortung.pdf, aufgerufen am 15.12.2015.

BMUB - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015). Naturschutz-Offensive 2020. Berlin.

CBD - Convention on Biological Diversity. www.cbd.int, aufgerufen am 15.12.2015.

FLL - Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung, Landschaftsbau e. V. (1998). Empfehlungen zur Bewertung in der Bauleitplanung bei der Baugenehmigung und bei der Bauabnahme. Bonn/Bad Godesberg: FLL-Verlag.

IUCN. International Union for Conservation of Nature. Why we need biodiversity. www.iucn.org, aufgerufen am 15.12.2015.

Jessel, B., Tobias, K. (2002). Ökologisch orientierte Planung. Eine Einführung in Theorien, Daten und Me-thoden. UTB Nr. 2280, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

Kommunen für biologische Vielfalt e. V. - www.kommbio.de, aufgerufen am 15.12.2015.

Landeshauptstadt Hannover (2009). Mehr Natur in der Stadt. Ein Programm zur Verbesserung der biologischen Vielfalt in Hannover. www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Umwelt/Naturschutz/Mehr-Natur-in-der-Stadt, aufgerufen am 15.12.2015.

Müller, N., Werner, P., Kelcey, J. G. (Eds.) (2010). Urban Biodiversity and Design. Wiley-Blackwell.

Smaniotto Costa, C. (2014). Can we change processes in our cities? Reflections on the role of urban mobility in strengthening sustainable green infrastructures. Journal of Traffic and Logistics Engineering, (2) 2: 141-155.

Dr. Sabine Reichwein
Autorin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Landschaftsarchitektur, Leibniz Universität Hannover

Dr. Carlos Smaniotto Costa
Autor

Universidade Lusófona, Interdisciplinary Research Centre for Education and Development- CeiED

Dipl.-Ing. Daniel Westerholt
Autor

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Landschaftsarchitektur, Leibniz Universität Hannover

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