Im Einsatz für Natur und Biodiversität

Wiesenbronn: Fränkisches Weindorf

von:
Insektenschutz Grünflächenpflege
Abb. 1: Auf den Wiesen am Ortsrand neben dem gemeindeeigenen Grünschnitt- und Häckselplatz wurden zur Förderung der dortigen Eidechsenvorkommen und vieler anderer Arten einige Stämme als liegendes Totholz abgelegt und Lesestein-Totholz-Haufen angelegt. An ausgewählten Stellen wird zudem Gehölzsukzession durch Wildrosen zugelassen. Foto: Jonas Renk

Im öffentlichen Grün von Wiesenbronn, einem kleinen Weindorf im Vorderen Steigerwald in Unterfranken mit ungefähr 1100 Einwohnern, werden seit 2021 in verschiedenen Bereichen Projekte und Maßnahmen zur Förderung von Natur und Biodiversität initiiert und erfolgreich umgesetzt. Besonderes Engagement zeigen dabei der Wiesenbronner Bürgermeister Volkhard Warmdt und der ehrenamtliche Umwelt- und Naturschutzbeauftragte der Gemeinde Heinrich Wilhelm (Bild 2). Einige der unternommenen Schritte werden hier beispielhaft vorgestellt.

Extensivierung der Mahd auf den gemeindeeigenen Grünflächen

Im öffentlichen Grün von Wiesenbronn, einem kleinen Weindorf im Vorderen Steigerwald in Unterfranken mit ungefähr 1100 Einwohnern, werden seit 2021 in verschiedenen Bereichen Projekte und Maßnahmen zur Förderung von Natur und Biodiversität initiiert und erfolgreich umgesetzt. Besonderes Engagement zeigen dabei der Wiesenbronner Bürgermeister Volkhard Warmdt und der ehrenamtliche Umwelt- und Naturschutzbeauftragte der Gemeinde Heinrich Wilhelm (Bild 2). Einige der unternommenen Schritte werden hier beispielhaft vorgestellt.

Aktuell ist der Wiesenbronner Bauhof mit tatkräftiger Unterstützung von Heinrich Wilhelm dabei, auf gemeindeeigenen Flächen sukzessive vom regelmäßigen Mulchen auf eine biodiversitätsschonendere extensive Mahd umzustellen. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Bauhofs hat Heinrich Wilhelm dazu in diesem Jahr auch an einer Fortbildung zum Thema Praxis der insektenfreundlichen Mähtechnik mit Maschinenvorführung teilgenommen. Der Fokus ist bei der Umstellung der Pflege zunächst auf bestimmte gemeindeeigene Wiesen und Streuobstwiesen mit hohem ökologischen Potenzial gesetzt worden. Die ausgewählten Flächen werden seit diesem Jahr mit dem bauhofeigenen Einachser mit Messermähbalken extensiv und spät im Jahr gemäht und das Mähgut abgeräumt. Das Mähgut wird dabei teilweise traditionell "aufgebockt" bis es schließlich für die Verwertung abtransportiert wird. Die Extensivierung der Mahd soll nun auf weitere Flächen ausgedehnt werden.

"Wildlebensräume" am Ortsrand

Unter den Flächen, die bereits biodiversitätsschonend gepflegt werden und auf denen das Mähgut "aufgebockt" wird, befinden sich auch ein paar Wiesen am Ortsrand neben dem gemeindeeigenen Grünschnitt- und Häckselplatz. Zur Förderung der dortigen Eidechsenvorkommen und vieler anderer Arten wurden dort auch einige Stämme als liegendes Totholz abgelegt und Lesestein-Totholz-Haufen angelegt. An ausgewählten Stellen wird zudem natürliche Gehölzsukzession durch Wildrosen zugelassen. Durch ein großes Holzschild am Wegesrand, auf dem in großen Buchstaben "Wildlebensräume" steht, wird auf die ökologische Funktion hingewiesen. Das Schild hat Heinrich Wilhelm hierfür extra anfertigen lassen. In der Nähe der Lesestein-Totholz-Riegel werden bald noch offene Bodenstellen mit ungewaschenem Sand (Sandlinsen) angelegt, die von Reptilien zur Eiablage genutzt werden können, aber zum Beispiel auch in sandigen Boden nistenden Arten der Wildbienen und Solitärwespen als Fortpflanzungsstätte dienen können. Um auch für einige in Totholzlöchern nistende Solitärbienen und -wespen naturnahe Niströhren zu bieten, werden in das liegende Totholz an den besonnten Stellen noch einige waagerechte Initialbohrungen verschiedener Größe vorgenommen.

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"Hirschkäfer-Kinderstube" im Grünschnitt- und Häckselplatz

Im Grünschnitt- und Häckselplatz selbst wurde ein Bereich mit altem verrottendem Totholz und Gehölzschnitt, in dem Heinrich Wilhelm regelmäßig Hirschkäfer (Lucanus cervus) und deren Larven festgestellt hat, mit einem Holzzaun abgetrennt, damit sich die seltenen und als stark gefährdet eingestuften Tiere (Rote Liste Deutschland 2022) dort ungestört entwickeln können. Auch hier wird auf Initiative von Heinrich Wilhelm mit einem großen Holzschild auf kreative Weise auf die ökologische Funktion hingewiesen: darauf steht treffend und selbsterklärend "Hirschkäfer-Kinderstube".

Naturschonende Inszenierung des Alten Steinbruchs im Gemeindewald

Weiter außerhalb am Rand des Gemeindegebiets befindet sich ein gemeindeeigener Wald. Dort hat Wiesenbronn 2021 damit begonnen, einen historischen Steinbruch, der bis dahin als "Lost Place" mitten im Wald in der Nähe eines Wanderweges lag und der immer wieder vermüllt wurde, mit einfachen Mitteln gestalterisch und informativ zu inszenieren, ohne seine ökologischen Funktionen zu beeinträchtigen. Große Info-Tafeln auf Cortenstahl-Elementen weisen den Besuchern*Innen nun den Weg durch den Steinbruch zu den Felswänden, an denen früher der "Schilfsandstein" abgebaut wurde, und erläutern seine historische Bedeutung, die geologisch-erdgeschichtliche Entstehung des Gesteins und die ökologische Bedeutung des Bereichs.

Im Laufe der Zeit hat sich der Steinbruch auch zu einem besonderen Biotop entwickelt, in dem unter anderem die stark gefährdete Gelbbauchunke vorkommt. Die Wegführung wurde daher so gewählt, dass bestimmte Bereiche des Steinbruchs, die von Besucher*Innen ungestört bleiben sollen, bewusst nicht erschlossen wurden. Die Vermüllung des Steinbruchs hat seit der Aufwertung deutlich abgenommen. Anfallendes Totholz wird im Steinbruch aufgrund seiner ökologischen Funktion bewusst als liegendes Totholz verteilt.

Ökologische Aufwertung des Friedhofs

Doch nicht nur außerorts, sondern auch im Siedlungsbereich wurden in Wiesenbronn seit 2021 umfassende Maßnahmen für die Biodiversität realisiert. In dem mitten im Ort gelegenen Friedhof ist etwa ein Plan für biodiversitätsfördernde Maßnahmen entwickelt und ein großer Teil der enthaltenen Maßnahmen bereits umgesetzt worden. Im Beitrag "Maßnahmen für biologische Vielfalt in unterfränkischem Weindorf: Der Wiesenbronner Arkadenfriedhof" in der Ausgabe 11/2021 dieser Zeitschrift wurde bereits darüber berichtet.

Anlässlich des "Tags des Friedhofs" fand auf dem Wiesenbronner Friedhof 2021 eine Veranstaltung mit Führungen, Info-Ständen und Konzerten statt, bei dem die biodiversitätsfördernden Maßnahmen auf dem Friedhof erläutert wurden. Außerdem erschien 2021 ein umfassender Zeitungsartikel in der Würzburger "Main-Post", in dem über das Projekt berichtet wurde. In der Zwischenzeit sind weitere Maßnahmen geplant und umgesetzt worden. Im Randbereich des Friedhofs sind auf einer Fläche, auf der sich zuvor Vielschnittrasen vor einer hohen leeren Außenmauer befunden hatte, zur Förderung von Insekten, zwei Beete mit einer speziellen Blühmischung angesät und mit Stauden bepflanzt, eine Sandlinse angelegt und liegendes Totholz hingelegt worden.

An der dahinter befindlichen Mauer sind von Heinrich Wilhelm aus Holz gebaute Elemente - Fledermausflachkästen, Vogelnistkästen und Nisthölzer für Solitärbienen und -wespen (getrocknetes Hartholz mit Initialbohrungen verschiedener Größe) aufgehängt worden. Im mittleren Bereich des Friedhofs ist ein gemeindeeigenes Mustergrab angelegt worden, das als Praxisbeispiel und Inspiration für eine biodiversitätsfördernde, attraktive und pflegeextensive Grabbepflanzung dienen soll.

Biodiversitätsfördernde Maßnahmen im Außenbereich des Kindergartens

Auch auf dem Vorplatz und im hinteren Außenbereich des Wiesenbronner Kindergartens wurde seit 2021 Einiges zur ökologischen Aufwertung unternommen. Auf dem Vorplatz wurde in einem Bereich, der bis dahin aus einer Schotterfläche mit zwei kleinen Spitzahornen bestand und der ohne fehlende Abgrenzung zum Straßenraum immer wieder von Autos befahren wurde, ein Staudenbeet um die Bäume und ein längliches Hochbeet mit stabiler Trockenmauer zur Straße hin angelegt.

Die Beete wurden bei einer gemeinsamen Pflanzaktion mit den Kindern mit vielen pflegeextensiven und insektenfördernden Stauden wie Großer Fetthenne, Herbstaster und Sonnenhut bepflanzt. Durch das stabile Trockenmauer-Hochbeet ist der Vorplatz nun klar zur Straße hin eingefasst und dient dadurch auch dem Schutz der Kinder. Im hinteren Außenbereich des Kindergartens wurden am Rand Blühmischungen angesät, an der Gerätehalle wurden Fledermausflachkästen und Vogelnistkästen aufgehängt und es wurde ein "Wildlebensturm" errichtet.

Bei diesem handelt es sich um eine regalartige Holzkonstruktion, die vielen verschiedenen Tieren Lebensraum bietet. Im oberen Bereich sind Nisthölzer (Hartholzblöcke mit Löchern verschiedener Größe für Solitärbienen und -wespen) und Vogelnistkästen befestigt. Die "Zwischenetagen" sind mit Totholz und hohlen Pflanzenstängel für Insekten befüllt. Im unteren Bereich, wo die Holzpflöcke mit Pfostenträgern und Fundamenten im Boden befestigt sind, liegen Lesesteine, Sand und Totholz, sodass hier zum Beispiel auch Reptilien Lebensraum finden können. Der "Wildlebensturm" wurde ebenfalls bei einer gemeinsamen Aktion mit den Kindern angelegt.

Ausblick

Die Gemeinde Wiesenbronn wurde bei ihrem Engagement für Natur und Biodiversität im öffentlichen Grün von der Wildlebensraumberatung der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) (Dr. Beate Wende und Autor) fachlich unterstützt.

Am 26. September 2021 wurde die Gemeinde Wiesenbronn bei einer Veranstaltung offiziell zum Modellgebiet der staatlichen Wildlebensraumberatung in Bayern ernannt. Das Engagement der Gemeinde wurde damit öffentlich gewürdigt. Zugleich sollte dies Ausgangspunkt für die Erweiterung der Wildlebensraumberatung über das öffentliche Grün hinaus auf die umliegende Kulturlandschaft sein. Damit dies gelingen kann, bleibt zu hoffen, dass auch genügend Landwirte*innen und Winzer*innen in der Gemeinde bereit sind, sich mit fachlicher und förderspezifischer Unterstützung durch die Wildlebensraumberatung auf ihren Feldern, Wiesen und Weingärten verstärkt für die Natur zu engagieren.

Beeindruckend ist jedenfalls schon heute das vorbildliche und anhaltende Engagement und die hohe Effektivität, mit der sich die Gemeinde und insbesondere Bürgermeister Volkhard Warmdt und Heinrich Wilhelm für die Biodiversität in Wiesenbronn einsetzen und wie viele Projekte und Maßnahmen im öffentlichen Grün dort seit 2021 bereits erfolgreich umgesetzt worden sind oder aktuell realisiert werden.


Anmerkungen

Jonas Renk ist Fachautor und Sachverständiger für Naturschutz. Von Oktober 2020 bis September 2022 hat er als Wissenschaftlicher Koordinator der Wildlebensraumberatung für Öffentliches Grün in Bayern an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) gearbeitet und während dieser Zeit gemeinsam mit Dr. Beate Wende 2021 begonnen, die Gemeinde Wiesenbronn bei ihrem Engagement für Natur und Biodiversität fachlich zu unterstützen.

Weiterführende Links:
M.Sc. (TUM) Jonas Renk
Autor

Umweltplaner und Ingenieurökologe, freiberuflicher Fachautor und Berater für Naturschutz und Biodiversität

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