Wildbienen und Wespen auf Gründächern

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Dachbegrünung
Überaltertes extensives Gründach (Fläche 1) mit vergrasten randständigen Pflanztrögen. Im Vordergrund Lasioglossum spp. beim Blütenbesuch. Fotos: Rolf Witt

Gerade extensive Gründächer erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Gleiches gilt auch für Wildbienen. Vor allem im Zuge einer breiten Diskussion über den Rückgang von blütenbestäubenden Insekten, ihrer herausragenden ökologischen Bedeutung und sicherlich auch dank ihres positiv-sympathischen Images haben Wildbienen erheblich an Einfluss im Naturschutz gewonnen. Wildbienenprojekte verzeichnen eine starke Zunahme und erreichen eine breite Akzeptanz.

Sie gehören aufgrund vieler artspezifischer Anpassungen zu den aussagekräftigsten Indikatorgruppen um die ökologische Qualität von Gründächern einzuschätzen. Es ist die einzige Insektenfamilie, in der Lebensformtypen von parasitischer, solitärer bis zu hoch sozialer Lebensweise vorkommen. Mit über 561 Arten in Deutschland und fast 360 Arten in Niedersachsen gehören sie zu den sehr artenreichen Familien. Vielfalt und schwere Bestimmbarkeit machen eine schnelle Einarbeitung in die Gruppe unmöglich. Bei entsprechenden Fragestellungen und Planungen müssen deshalb erfahrene Experten hinzugezogen werden.

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Tab. 1: Gesamtartenliste der 2015 nachgewiesenen Stechimmen. [Erläuterung der Abkürzungen: RL D = Status nach Rote Liste Deutschland, RL N = Status nach Rote Liste der Bienen Niedersachsens; Gefährdungskategorien: 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Art der Vorwarnliste, D = Daten unzureichend, * = ungefährdet, Untersuchungsflächen: 1 = Üstra, Mitte; 2 = Wohnhaus, Linden-Mitte; 3 = Gewerbe, Hainholz; 4 = Uni, Herrenhausen; 5 = Dachdecker, Ricklingen; 6 = Polizei, Limmer; 7 = Hotel, Mitte; 8 = Kita, Südstadt; 9 = AWO Gebäude, Linden-Süd; 10 = Garagen, Linden-Süd; Artenabundanzen: 1 = 1–2 individuen, 2 = 3–20 Individuen, 3 = > 20 Individuen]
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Tab. 2: Zusammenstellung der Charakteristika der untersuchten Gründächer. [Legende: Flächen: 1 = Firmenzentrale Üstra, H-Mitte; 2 = Wohnhaus-Neubau, H-Linden; 3 = Gewerbe, H-Hainholz; 4 = Uni, H-Herrenhausen; 5 = Dachdeckerbetrieb, H-Ricklingen; 6 = Polizei, H-Limmer; 7 = Dachterrasse Hotelinnenhof, H-Mitte; 8 = Kindertagesstätte, H-Südstadt; 9 = AWO-Gebäude, H-Linden; 10 = Garagendächer, H-Linden; * = ausschließlich Sedum-Arten]

Die Wildbienenfauna von Gründächern gilt als schlecht untersucht. Es besteht weiterhin noch erheblicher Forschungsbedarf (Zurbuchen & Müller 2012). Aus Deutschland liegen mit Ausnahme Riedmiller (1994) und Mann (1994) keine detaillierteren Untersuchungen vor. Aktuelle umfangreiche Studien gibt es aus der Forschungsgruppe Stadtökologie (S. Brenneisen) der Hochschule Wädenswil/CH.

In Hannover, der "Bundeshauptstadt der Biodiversität 2011" wurde im Zusammenhang mit der "Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt" von 2007 das Programm "Mehr Natur in der Stadt" aufgelegt. Vor diesem Hintergrund wurde eine Vorstudie zur Untersuchung von Wildbienen/Stechimmen auf Gründächern durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Region Hannover e. V. mit Mitteln der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung in Auftrag gegeben. Zusätzlich wurden die sehr nahe mit den Wildbienen verwandten solitären und parasitischen Wespenarten (rund 650 Arten in Deutschland) analysiert. Die spezifisch auf verschiedenste Insektengruppen und Spinnen angepassten Jäger stehen auf einer höheren Trophieebene als die Wildbienen. Als charakteristische Bewohner trockenwarmer Biotope stellen sie als bewährte Indikatorgruppe eine wichtige Ergänzung in der Bewertung dar (Witt 2009). Die nützlichen Arten sind auf einen regelmäßigen Blütenbesuch zur Eigenversorgung mit Nektar angewiesen. Zusammen mit den Wildbienen und Ameisen werden sie als Stechimmen (Hymenoptera Aculeata) bezeichnet.

Wenn es darum geht, Argumente pro Dachbegrünungen zu formulieren, wird gerne betont, dass "Gründächer ökologische Ausgleichsfläche und Ersatzlebensräume für Tiere" oder "anerkannte Minderungsmaßnahme bei der Eingriffs-Ausgleichsregelung" sein können. "Je nach Begrünungsart sind dauerhafte Lebensräume mit hoher Artenvielfalt in Flora und Fauna möglich" (FBB - Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V.). Inwieweit diese Ansprüche bei Wildbienen und verwandten solitären Wespenfamilien erreicht werden können, war eine wichtige Frage einer nun neu vorliegenden Studie.

Methodik

Für die vier zur Verfügung stehenden Erfassungstage wurden zehn Dächer ausgewählt. Die Stechimmen wurden an jeweils einem Tag im Juni und Juli 2015 für mindestens eine Stunde durch zwei Personen mit Kescherfängen erfasst. Bearbeitet wurde ausschließlich der Dachbereich. Selbst unmittelbar benachbarte Vegetation wie Bäume oder auf das Dach rankende Pflanzen wurden nicht einbezogen. Auf den Einsatz von Fallen, zum Beispiel Farbschalen, wurde bewusst verzichtet. Fallenerfassungen ohne begleitende Erfassungen durch Experten können leicht zu verfälschten Ergebnissen führen. Einerseits können Arten angelockt werden, die keine echte Bindung zum Habitat haben, andererseits sind die Fallen für bestimmte Arten nicht fängig. Zudem besteht die Gefahr der kompletten Auslöschung von Populationen. Dabei gelten alle Wildbienenarten nach der Bundesartenschutzverordnung als "besonders geschützt". Auf den überschaubaren Untersuchungsflächen lassen sich mit Handfängen hohe Erfassungsgrade erreichen und zugleich ergänzende Detailinformationen gewinnen.

Untersuchungsflächen

Fast alle ausgewählten Dächer sind Extensivbegrünungen mit dünner Standard-Substratschicht. Einzelne Probeflächen sind zusätzlich mit Stauden bepflanzt. Alter, Höhe, Umgebungsstruktur, Exposition, Nutzung und Pflege variieren, sodass verschiedene Ausprägungen dieser Parameter analysiert werden konnten.

Eine Ausnahme stellt das struktur- und pflanzenartenreiche Dach eines auf Gründächer spezialisierten Dachdeckerbetriebes dar (Fläche 5). Vielfältige mosaikartige Kleinstrukturen und kleinere Bereiche mit höherer Schichtdicke sowie feinerem Bodensubstrat ergänzen das Gründach.

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Weibchen der Maskenbiene Hylaeus hyalinatus auf einer Sedum-Blüte.
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Weibchen der gefährdeten oligolektischen Sandbiene Andrena denticulata sammelt Pollen auf einer Asteraceen-Blüte (Fläche 5).

Ergebnisse Artenspektrum

Insgesamt wurden 28 Wildbienen- und 13 Wespenarten nachgewiesen. Für die Ergebnisinterpretation bleiben die Funde der ubiquitären staatenbildenden Hummeln (Bombus hypnorum, B. lapidarius, B. lucorum-Komplex, B. pascuorum, B. terrestris) und Faltenwespen weitgehend unberücksichtigt. Beide Gruppen nutzen die Dächer ausschließlich als Nahrungshabitat. Die anspruchslosen Arten besitzen einen großen Aktionsradius und eine eingeschränkte wertgebende Bedeutung. Die Honigbiene (Apis mellifera) wird gar nicht aufgelistet, da sie unter anderem nach der Bundesartenschutzverordnung, BArtSchV, nur als domestiziertes Haustier gilt. Gründächer können auch diesen Arten wichtige ergänzende Nahrungsressourcen bieten. Ökologisch bedeutsam ist der Fakt, dass Honigbienen und häufige Hummeln die bei weitem dominantesten Blütenbesucher sind.

Abzüglich der oben ausgeschlossenen Arten wurden nur 23 Wildbienen- und neun Grabwespenarten festgestellt.

Nur wenige Arten traten auf mehreren Dächern auf. Die höchste Stetigkeit weisen die Furchenbienen-Art Lasioglossum morio und die Maskenbiene Hylaeus hyalinatus auf.

Es folgen H. communis, L. nitidulum und L. laticeps. Diese Arten können als charakteristisch für extensive Gründächer bezeichnet werden. Hylaeus hyalinatus und Lasioglossum nitidulum legen ihre Nester in Spalten, Fugen und Rissen an und gelten als typische Bewohner von Felsbiotopen. Den verbreiteten Arten bieten Dächer und Mauern im Siedlungsbereich ideale Sekundärbiotope. Bei den anderen drei Arten handelt es sich um häufige, synanthrope Vertreter.

Die Wildbienenfauna wird, wie in anderen Studien auch, durch die artenreiche Gattung Lasioglossum dominiert. Einige der überwiegend polylektischen, unscheinbaren Arten haben sogar eine soziale Lebensweise ausgebildet. Daneben sind Maskenbienen (Hylaeus) sowie in geringerem Maße Sandbienen (Andrena) und Bauchsammlerbienen (Gattungen Megachile, Osmia) biotopprägend.

Grabwespen traten auf allen Dächern nur sehr vereinzelt auf. Die kurzrüsseligen Arten versorgten sich dort in erster Linie mit Nektar. Jagende Tiere konnten nur sehr selten beobachtet werden. So hat sich Cerceris rybyensis auf kleine Wildbienen, zum Beispiel Lasioglossum spp. spezialisiert, die beim Blütenbesuch auf Fläche 7 erbeutet wurden. Dominante Gilde waren die blattlausjagenden Grabwespen mit drei Arten. Überraschend war das völlige Fehlen von Vertretern aus den artenreichen Taxa der Wegwespen (Pompilidae), Goldwespen (Chrysididae) und solitären Faltenwespen (Eumenidae). Es ist zu vermuten, dass die geringe Artenzahl solitärer Wespen mit fehlenden Beutetierpopulationen in Zusammenhang steht.

Das Artenspektrum ist bei den extensiven Sedum-Dächern (Flächen 1-4, 6) mit ein bis drei Wildbienenarten und null bis zwei Grabwespenarten extrem gering. Auf den kleinen Flächen 7 und 8, die mit ihren punktuellen Stauden-Pflanzungen einen Übergang zur einfachen Intensivbegrünung darstellen, konnten bereits sechs bis neun Arten nachgewiesen werden.

Die von hohen Gebäuden eingerahmten Fläche 7 wies trotz Innenstadtlage sogar die höchste Individuenabundanz aller extensiven Gründächer auf. Eine Korrelation der Artendiversität mit der Dachhöhe war nicht festzustellen. Ein Sonderfall stellt die strukturreiche Fläche 5 dar. Trotz der geringen Erfassungsintensität und ungünstigen Bedingungen am ersten Untersuchungstag konnte hier mit 13 Arten das größte Artenspektrum nachgewiesen werden. Die Ergebnisse spiegeln exemplarisch das Optimierungspotential von extensiven Gründächern mit kleinen Zonen extensiver Intensivbegrünung wider. Bemerkenswert ist der niedersächsische Erstnachweis der nur 2,5 Millimeter großen Grabwespe Spilomena mocsaryi. Die in Stängeln nistende, extrem seltene Art war bisher nur aus Berlin bekannt (Saure 2005).

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Extensives Gründach auf der Fläche 8 mit zusätzlich gepflanzten Einzelstauden und strukturreichem Randbiotop, einem Kinderspielplatz.
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Isolierte Innenstadtlage der Hotelterrasse (Fläche 7). Extensives Sedum-Dach, das mit zusätzlich gepflanzten Stauden aufgewertet wurde.
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Strukturreicher Dachgarten (Fläche 5) mit Hochbeet, Dachkuppel und Rubus-Gestrüpp (Fundort der Grabwespe Spilomena mocsaryi).

Zusammenfassend kann man nur von einem begrenztes Artspektrum auf den extensiven Gründächern sprechen. In zwei alten Studien aus Baden-Württemberg wurde ein größeres Artenspektrum als in Hannover nachgewiesen. Mann (1994) konnte auf vier teilweise intensiv begrünten Dächern 49 Wildbienenarten (max. 27 pro Dach) feststellen. Riedmiller (1994) ermittelte über drei Jahre 51 Wildbienenarten auf Crassulaceen von sechs Dächern. Allerdings setzte er viele künstliche Niststrukturen und ergänzende Fallen bei der Erfassung ein. Die höheren Artenzahlen sind auch dadurch bedingt, dass im wärmebegünstigten Süddeutschland deutlich mehr Wildbienenarten als in Norddeutschland vorkommen. Andererseits sind in den letzten Jahren enorme quantitative und qualitative Bestandseinbrüche bei Wildbienen und Grabwespen zu verzeichnen, die heutzutage zu anderen Ergebnissen führen können. So ermittelten Brenneisen et al. (2014) aktuell in der Schweiz auf zehn extensiven, teilweise gestalteten Gründächern 31 Wildbienenarten. Auf vielen Dächern wurden nur null bis vier Arten gefangen. Im Maximum traten 16 Arten/Jahr/Dach auf und verfehlten damit die angestrebten Artenzahlen deutlich.

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal stellt die Nutzung der Habitate dar. Das Gros der Arten sucht die Dächer nur zur Versorgung mit Nahrung auf. Das Teilhabitat "Nistplatz" befindet sich dann in der näheren Umgebung. Nur auf zwei älteren Gründächern (Fläche 1, 9) konnten Nester gefunden werden. Zwischen dem groben Bodensubstrat fand eine Bodenbildung mit feinerem Material statt, in dem die Furchenbienen Lasioglossum morio und L. laticeps Nester anlegen konnten. Weitere potentielle Nisthabitate stellen Pflanztröge dar. Es ist davon auszugehen, dass Fläche 5 gleichfalls als Nisthabitat genutzt wird. Vor allem stängelnistende Arten können im Rubus-Gestrüpp oder Totholz Nester angelegt haben.

Spezialisten sind kaum vertreten

Oligolektische Wildbienen, die bezüglich der Versorgung ihrer Brut mit Pollen auf bestimmte Pflanzenfamilien angewiesen sind, konnten nur mit drei Arten nachgewiesen werden. Streng oligolektische Arten, die eine Bindung an eine Pflanzengattung entwickelt haben, fehlten gänzlich. Der Anteil oligolektischer Arten von 11,5 Prozent (bezogen auf alle nestbauenden Arten inkl. Hummeln) ist im Vergleich zum niedersachsenweiten Anteil von 33,1 Prozent gering. Die Nachweise sind auf die Asteraceen-Spezialisten Andrena denticulata, Colletes daviesanus, Heriades truncorum beschränkt, die zudem nur auf der bereits herausgehobenen Fläche 5 vorkamen. Auf Sedum-Blüten gibt es keine spezialisierten Bienen und somit fehlen oligolektischen Arten auf Dächern mit Sedum-Monokulturen.

Der Anteil parasitischer Stechimmenarten ist gleichfalls extrem gering. Nur auf Fläche 8 konnten mit der bei Furchenbienen parasitierende Nomada sheppardana und der bei Blattschneiderbienen parasitierenden Coelioxys elongata zwei Einzeltiere nachgewiesen werden. Parasitische Bienen sind oft Indikatoren für stabile Wirtspopulationen, die auf extensiven Gründächern kaum zu finden waren.

Rote-Liste-Arten traten nur sehr vereinzelt auf. Einzig auf Fläche 5 kommen zwei auf der bundesweiten Vorwarnliste befindliche Arten vor. Erfreulicherweise konnten fünf Arten angetroffen werden, die auf der niedersächsischen Roten Liste verzeichnet sind. Allerdings muss angemerkt werden, dass die Gefährdung einiger dieser Arten in einer erforderlichen Überarbeitung sicherlich niedriger einzustufen wäre.

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Artenarmes Sedum-Gründach (Fläche 2) mit benachbarten blütenreichen, naturnah bepflanzten Balkonen.
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Extrem artenarmes, überaltertes und vermoostes Gründach (Fläche 4) mit Allium schoenoprasum und Sedum.

Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung extensiver Gründächer

Die größten Defizite betreffen die fehlenden Nisthabitate. Da die Mehrzahl der Arten im Boden nistet, sollten vor allem Flächen aus nährstoffarmen, etwas bindigem oder lehmigem Sand mit einer Mindeststärke von 15 bis 20 Zentimetern in unterschiedlicher Hangneigung mit Schwerpunkt auf die flache Zonen angeboten werden. Je nach Region kommen auch weitere Substrate in Frage wie etwas Lößlehm. Dazu eignen sich beispielsweise Pflanzkübel, Substratkisten, Tröge, in die Dachfläche integrierte Rahmen. Wichtig ist die Vermeidung von extremen Stauwassersituationen, um die Gefahr biologischer Fallen zu minimieren. Sehr wertvoll sind senkrechte Strukturen wie etwa Mikroabbruchkanten. Gerade flache Bereiche müssen gelegentlich gepflegt werden, um ein Zuwachsen zu verhindern.

Freinistende Arten lassen sich schon mit einzelnen strukturierten Natursteinen, die größer sind als 30 Zentimeter oder mit Trockenmauern fördern. Die Funktionalität von Steinen mit geringer Dichte wie Lavasteine ist bisher nicht überprüft.

Hypergäisch nistende Arten können durch Totholz, hohle und markhaltige Stängel oder fertige Nisthilfen angesiedelt werden. Details können hier nicht erläutert werden. Leider sind in der Ratgeber-Literatur und auf vielen Webseiten gravierende Fehler weit verbreitet. Uneingeschränkt empfohlen werden kann Westrich (2011).

Eine spezielle Fördermaßnahme für die in Schneckenhäusern nistenden Mauerbienen (Osmia spp.) ist in geeigneten Regionen das Auslegen von leeren Schneckenhäusern.

Zweiter maßgeblicher Faktor ist die Verbesserung des spezifischen Pflanzenangebotes als Nahrungsressource aber auch als Baumaterial. Auch hier können Details nicht erläutert werden. Den besten Einstieg in das Thema vermittelt immer noch Westrich (1989).

Viele Maßnahmen sind auch von statischen Voraussetzungen der Dachkonstruktion abhängig. Im kleinen Stil lassen sich aber immer zusätzliche Angebote umsetzen, die bereits positive Effekte haben können. Eine weitere unterstützende Maßnahme liegt in der Optimierung von Randbiotopen.

Schlussfolgerungen und Planungshinweise

  • Extensive, dünnschichtige Gründächer, deren Blütenangebot sich auf Sedum- oder Allium-Arten beschränkt, entsprechen nicht dem "state-of-the-art" zur Verbesserung der Biodiversität. Eine Anerkennung als Kompensationsmaßnahme im Sinne der Eingriffsregelung ist aus fachlichen Gründen kaum vertretbar.
  • Das ökologische Potential extensiver Gründächer lässt sich allerdings schon mit einfachen Maßnahmen signifikant verbessern.
  • Extensive Gründächer haben trotz relativer Artenarmut ein wichtiges naturschutzfachliches Potenzial.
  • Grundsätzlich sollten extensive Gründächer auch als Nisthabitat konzipiert werden und nicht nur als Nahrungshabitat für wenige ubiquitäre Blütenbesucher dienen.
  • Extensive Gründächer beherbergen eine geringere Artenvielfalt als vergleichbare ebenerdige Biotope.
  • Es ist keine Präferenz eines zweischichtigen Substrataufbaus gegenüber einem einschichtigen hinsichtlich der Attraktivität für Stechimmen feststellbar.
  • Ein artenreiches Blütenangebot ist noch kein Garant für den Besuch vieler Stechimmenarten. Um eine stabile Population zu etablieren, müssen Mindestmengen bestimmter Blüten vorhanden sein. Daher kann es sinnvoll sein, weniger Pflanzenarten, diese aber in ausreichenden Quantitäten anzubieten.
  • Bei der Auswahl sollten heimische Pflanzen bevorzugt werden, da diese in der Regel eine höhere Attraktivität für Blütenbesucher besitzen.
  • Biodiversität ist kein alleiniges Qualitätskriterium. Maßstab sollte die Förderung wertgebender Arten sein. Eine Erhöhung der Artendiversität durch ubiquitäre Arten auf Kosten wertgebender Arten kann eine Minderung des naturschutzfachlichen Wertes bedeuten.
  • Das regionale Artenspektrum und lokale Gegebenheiten sollten bei Planungen im Vordergrund stehen. Bundesweit gültige Pauschallösungen kann es nicht geben.
  • Artenreiche benachbarte Biotope können einen starken Einfluss auf Stechimmenvorkommen der Gründächer haben. Nur bei degenerierten Dächern kann der Effekt nahezu fehlen. So bei Fläche 4, wo sich in nur 25 Meter Entfernung der artenreiche Zeigerpflanzengartens der Uni Hannover befindet.
  • Planungen erfordern eine klare Zielformulierung, da man nie allen Ansprüchen gerecht werden kann. So wird sich eine für Wildbienen oder Honigbienen optimierte Bepflanzung und Gestaltung deutlich unterscheiden.
  • Neben Wildbienen sollten auch solitäre Wespen zur ökologischen Bewertung herangezogen werden.
  • Um mögliche Konkurrenzphänomene zu minimieren, sollten Honigbienen nicht auf Gründächer gebracht werden, deren Priorität im Wildbienenschutz liegt.
  • Keine Aufstellung von Hummelnistkästen. Die Völker überhitzen zu schnell und es kommt zu einer deutlich erhöhten Mortalität.
  • Die Biologie steckt glücklicherweise immer wieder voller Überraschungen - so zeigt der Fund der extrem seltenen Grabwespe Spilomena mocsaryi, dass auch extensive Gründächer außergewöhnlichen und seltenen Arten als Habitat dienen können.
  • Es besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Die komplexe Artengruppe erfordert die Zusammenarbeit von Wildbienen-/Wespenexperten und Planern.
  • Extensive und strukturreiche Gründächer haben eine eigene Ästhetik. Inzwischen wird das flächig-plakative Aussehen von Sedum-Flächen immer häufiger positiv konnotiert. Es ist wichtig einen Lernprozess zu initiieren, damit strukturreiche Gründächer mit ihrer bemerkenswerten Fauna als schön, erstrebenswert und wertvoll wahrgenommen werden.

Anmerkung

Danksagung.Mein Dank gilt Gerd Wach, dem Projektleiter vom BUND e. V. Region Hannover, der die technischen Daten und viele Angaben zur Vegetation zur Verfügung stellte. Die Studie wurde von Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung finanziert.

Literatur

Brenneisen, S. (2005): Naturraum Dach - Untersuchung von Nutzungen extensiver Dachbegrünungen durch Wildbienen. - Projektbericht Hochschule Wädenswil: 1-30.

Brenneisen, S., Käppeli, S., Schneider, R., Oertli, S. (2014): Förderung gefährdeter Wildbienen auf Flachdächern. - Schlussbericht Forschungsprojekt Pro Natura, Basel. 1-55.

Mann, G. (1994): Ökologisch-faunistische Aspekte begrünter Dächer in Abhängigkeit vom Schichtaufbau. - Diplomarbeit Univ. Tübingen: 81 S.

Riedmiller, J. (1994): Untersuchungen zur Anlage, Besiedlung und Vernetzung von anthropogenen Sekundärbiotopen auf Dachflächen. - Diss. Univ. Heidelberg, 178 S.

Saure, C. (2005): Rote Liste und Gesamtartenliste der Bienen und Wespen (Hymenoptera part.) von Berlin mit Angaben zu den Ameisen. - In: Der Landesbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege/Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Hrsg.). 61 S.

Westrich, P. (1989): Die Wildbienen Baden-Württembergs. - Ulmer Verlag, 972 S.

Westrich, P. (2011): Wildbienen. Die anderen Bienen. - Pfeil-Verlag. 168 S.

Witt, R. (2009): Wespen. - Vademecum Verlag. 400 S.

Zurbuchen, A., Müller, A. (2012): Wildbienenschutz - von der Wissenschaft zur Praxis. - Haupt Verlag. 162 S.

Dipl. Biol. Rolf Witt
Autor

Freiberuflicher Biologe, Schwerpunkt Wildbienen und Wespen

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