Sozial-ökologische Bedeutung und aktuelle Trends

Wohlfühlort Sommer- und Naturbad

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Naturbäder Stadtmarketing
Abb. 1: Parkbad Weende nach Umbau zum Naturbad 2019. Das Freibad hat von Mai bis Mitte September geöffnet, das Parkgelände bleibt ganzjährig geöffnet. Eine Multicodierung der Anlage wurde bereits in der Planungs- und Umbauphase berücksichtigt. Foto: GoeSF

Das Parkbad Weende in Göttingen ist ganzjährig geöffnet und entwickelt sich zu einem wichtigen Treffpunkt für alle Altersgruppen und zentralem Freizeitareal im Stadtteil Weende. Auch nach Ende der Badesaison im September bleibt das Parkgelände geöffnet. Der kostenfreie Zugang wird durch helligkeitsgesteuerte Tore ermöglicht. Die Göttinger können den Park und dessen vielfältiges Spiel- und Fitnessangebot, wie beispielsweise ein Bodentrampolin, eine Beachsoccer-Arena, zwei Beachvolleyball-Plätze in Wettkampfgröße ganzjährig nutzen. Mit diesem neuen Nutzungskonzept wurde ein Bindeglied zwischen mehreren Wohngebieten geschaffen.

Das ehemalige Chlorbad wurde von 2016 bis 2018 in das zweite Sommerbad mit biologischer Wasseraufbereitung in Göttingen umgebaut.¹ Als der Göttinger Stadtrat im Jahr 2012 beschloss, das Freibad Weende zu schließen, organisierten die Weender Bürger*innen zahlreiche Protestaktionen für den Erhalt. Diese Aktionen und die engagierte Öffentlichkeitsarbeit führten zu einer hohen Identifikation der Weender Bevölkerung mit dem Freibad und schließlich auch zu einem Umdenken der Politik. Der Zehn-Meter-Sprungturm avancierte zum Symbol des Bürgerengagements und zum architektonischen Wahrzeichen des Ortsteils Weende. Seinen Erhalt und Sanierung ermöglichte der Förderverein Freibad Weende e. V.

In Zusammenarbeit mit der Göttinger Sport und Freizeit GmbH & Co. KG (GoeSF), die den Umbau in ein Naturbad präferierte, gelang ein Kompromiss zur Neugestaltung des Freibades, der im Mai 2016 einstimmig vom Rat der Stadt beschlossen wurde. Der Förderverein unterstützt mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen die Unterhaltung, den Betrieb sowie Veranstaltungen des Weender Parkbades.

Die ganzjährige Nutzung des Parks und des vielseitigen Spiel- und Sportangebotes auch nach Beendigung der Badesaison ist ein weicher Standortfaktor und trägt wesentlich zu einer sozial-ökologischen Stadtentwicklung bei. Durch die ganzjährige Öffnung kann auch das an das Bad angebundene Restaurant wirtschaftlicher und mit höherwertigem Angebot betrieben werden. Damit lassen sich auch hohe Investitionskosten für die Spiel- und Sportgeräte vor den politischen Entscheidungsträgern rechtfertigen.

Innovation im Regenerationsbereich

Eine Infotafel am Regenerationsbereich im Parkbad Weende veranschaulicht den Badegästen, was im Untergrund des Schilf-Feldes, das aus zahlreichen Düsen mit Wasser besprengt wird, passiert. 1300 Quadratmeter Wasserfläche werden aus dem Weendespring gespeist. Das Beckenwasser läuft durch die Überlaufrinnen in den Schwallwasserbehälter. Dort wird auch Nachfüllwasser aus der Quelle zugeleitet, der Ausgleich für die Verdunstung. Vom Schwallwasserbehälter wird das Wasser auf den Geomatrix-Bodenfilter gepumpt. Mikroorganismen in verschiedenen Filterschichten reinigen das Wasser. Luft- und Wassertemperatur, der pH-Wert sowie die Durchflussmenge werden in diesem geschlossenen Kreislauf permanent gemessen. Ein Prozessleitsystem liest die Daten aus und steuert den Wasserkreislauf automatisch.

Der Regenerationsbereich ist mit einer Stärke von 250 Zentimetern deutlich höher als bei dem ersten Göttinger Naturbad in Grone (ca. 70 cm). Das zu reinigende Wasser wird in zwei verschiedenen Ebenen eingebracht; auf der Oberfläche und in der Mitte. Dadurch ergibt sich eine vertikale Durchströmung, die je nach Bedarf angepasst werden kann. Eine hohe Reinigungskraft mit geringem Durchfluss ergibt sich beim Beaufschlagen auf die oberste Schicht, eine schnelle Durchströmung mit geringerer Reinigung bei der mittleren Schicht. Der Flächenverbrauch und die Investition sind bei diesem Aufbau geringer.

Forschungsthema Sommerbäder

Das Parkbad Weende ist ein besonders herausragendes Beispiel für innovative und nachhaltige Naturbadkonzepte im deutschsprachigen Raum, die im Rahmen der Studie "Integrierte Planung und Gestaltung von Sommerbädern (Naturbäder und Naturschwimmbäder) - Potenziale für eine nachhaltige Stadtentwicklung" am Fachgebiet Landschaftsarchitektur an der Brandenburgischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) genauer untersucht wurden.² Die übergreifende Zielsetzung der Forschungsstudie bestand darin, Potenziale, Relevanz und Perspektiven integrierter Entwicklungsansätze von Sommerbädern für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu untersuchen. Als Ergebnis der Analyse der kommunalen Praxis (auf Grundlage einer Internetrecherche und einer Fallstudienuntersuchung) wurden Handlungsempfehlungen für die planerische Praxis einer integrierten Gestaltung und Planung von Sommerbädern erarbeitet.

Der Untersuchung liegt ein umfassendes Verständnis von Sommerbädern zugrunde, das sich insbesondere aus der Perspektive der nachhaltigen, integrierten Stadtentwicklung ergibt. Danach verfügen prinzipiell alle Freibäder und urbanen Gewässer (Flüsse und Seen) über Potentiale für Naturbadkonzepte.

Sommerbäder stellen eine große Ressource an städtischen Grün- und Freiräumen dar und erfüllen somit gemeinnützige, baukulturelle und ökologische Funktionen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz sowie zur nachhaltigen Stadtentwicklung.³

Das Forschungsprojekt wurde von einer forschungsbegleitenden Arbeitsgruppe begleitet und fachlich unterstützt. Zwei Expertenwerkstätten mit Vertretern aus Forschung und Praxis dienten der Vertiefung und Überprüfung der Themenschwerpunkte und Handlungsempfehlungen.

Im Rahmen einer bundesweiten Online-Recherche (Recherchezeitraum Dez. 2018 bis Apr. 2019) wurden 190 kommunale und private Sommerbäder identifiziert. Weitere Naturbäder konnten in der Schweiz und in Österreich ermittelt werden. Davon liegen 32 Naturbäder in Großstädten, 54 in Mittelstädten und 80 in Kleinstädten sowie im ländlichen Raum.

Auf dieser Grundlage wurde eine Vorauswahl von 54 Sommerbädern getroffen,

  • die aufgrund von Sanierungsbedarf der Badebereiche und Gebäude zu Naturbädern umgebaut wurden,
  • bei denen es sich um den Erhalt von historischen Naturbädern mit denkmalgeschützten Bauwerken handelt,
  • die der Erweiterung des Angebotes sowie Attraktivitätssteigerung von Hallenbadanlagen respektive Saunalandschaften dienen,
  • die als Natur-Erlebnisbad neu errichtet wurden und mit verschiedenen Typologien baulicher Anlagen ausgestattet sind (Brücken, Steganlagen, Umkleide- und Sanitärräume, Gastronomie, Spielplätze, Ferienwohnungen, Kletterwände).
  • die mit nachhaltigen Architekturkonzepten (begrünte Dächer, Holzbautechnik) und barrierefreien Zugänge ausgestattet sind.

Die Auswahl sollte so erfolgen, dass jedes der oben angeführten Kriterien von einer hinreichenden Anzahl der ausgewählten Sommerbäder erfüllt wird (mehrere Kriterien, aber nicht alle, können auf ein Sommerbad zutreffen).

Gemeinsam mit den Expert*innen wurde eine Auswahl von 20 Fallstudien getroffen.4 Die Auswahlkriterien waren neben der Lage vor allem Gestaltung und Nutzung (Architektur und Freiraum), Denkmalschutz, Multifunktionalität, ökologische und soziale Aspekte, Nachhaltigkeit, Betreiberschaft und eine innovative Wasseraufbereitung.

Die in den Fallstudien beschriebenen Sommerbäder wurden im Sommer 2019 bereist und genauer untersucht. Daraus konnten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die in eine Projektdokumentation einfließen.5

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Abb. 2: Das Naturerlebnisbad Großenhain (NEB) hat den "Public Value Award für das öffentliche Bad 2020" gewonnen. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e. V. verlieh dem NEB den 2. Preis in der Kategorie Freibad aufgrund der rein biologischen Wasserkläranlage und der geschickten Einbindung des Naturbades in die Röderaue. Foto: Stadtverwaltung Großenhain
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Abb. 3: Flussbadeanstalt Luisenbad an der Wilden Saale in Halle um 1900. Quelle: Stadtarchiv Halle

Historische Entwicklung

Die Geschichte der Sommerbäder geht zurück bis in die Zeit der Aufklärung. Damals entstehen erste Flussbadestellen mit Aufsicht und Schwimmunterricht ohne Bäderarchitektur, allenfalls nur mit einfachen Stegen. Diese Flussbäder sind vor allem sehr beliebt bei den damaligen Studenten. Mit der Industrialisierung ziehen immer mehr Menschen in die Stadt, um Arbeit zu finden. Die Wohnungen besitzen noch kein fließendes Wasser, so dass sie auch den Fluss aufsuchen, um sich darin zu reinigen. Infolgedessen und auch, um die Kontrolle am Fluss zu behalten, werden Kastenbäder von den Städten gebaut mit Pontons und Stegen, die vor Blicken schützen sollen. Auch überdachte Badehäuser werden errichtet, die vor allem bei den Frauen sehr beliebt sind. Ende des 19. Jahrhunderts und mit dem beginnenden 20. Jahrhundert werden, begleitet von der Natur- und Gesundheitsbewegung, Frauen- und Männerbäder am Fluss zusammengelegt. Die Industrialisierung führt zunehmend zur Verschmutzung der Flüsse. Damit sich die Bevölkerung auch im Winter waschen kann und aus hygienischen Gründen, entstehen erste Hallenbäder in den Städten. In den 1930er-Jahren werden Volksbäder mit Schwimmbecken und Gebäuden in Freianlagen gebaut, oft auch in Verbindung mit Sport- und Freizeitanlagen.

In den 1960er-Jahren kommt es zum Bau von Chlorbädern. Viele Flussbäder schließen in dieser Zeit aufgrund der starken Verschmutzung der Flüsse für immer ihre Türen. Infolge der ersten Sanierungswelle der Chlorbäder entstehen erste Naturbadkonzepte mit biologischer Wasseraufbereitung durch Pionierarbeiten. Die Tendenz der Umgestaltung von konventionellen Bädern in Naturbäder mit biologischer Wasseraufbereitung ist steigend und erfreut sich auch aufgrund vieler Allergien und dem Nachhaltigkeitsaspekt bis in die Gegenwart großer Beliebtheit.

Aktuelle Entwicklung

Heute gibt es die unterschiedlichsten Typen von Sommerbädern. Naturschwimmbäder werden häufig als Synonym für Freibäder mit biologischer Wasseraufbereitung verwendet. Als Naturbäder werden zunehmend auch Flussbäder und Binnenseen betrachtet.

Es gibt die Naturbäder mit historischen Gebäuden, Naturbäder mit Neubau nach Vorbild historischer Bäderarchitektur sowie Naturbäder mit Neubau. In der Studie wurden neben Flussbädern mit historischen Gebäuden auch Flussbäder mit Neubau betrachtet.

Während konventionelle Freibäder sich in der Regel sehr gleichen, kann festgehalten werden, jedes Naturbad hat seine eigene Philosophie.

In der Planung besteht häufig von Anfang an eine Zusammenarbeit von Architektur und Fachplanern mit den Betreibern. Die Beispiele Naturbad Riehen, NaturKulturBad Zschonergrund, Felsenbad Pottenstein oder die Naturerlebnisbäder in Großenhain und Bingen zeigen, Naturbadanlagen werden sehr häufig sensibel in die Landschaft und die Umgebung integriert.

Ein ganzjähriges Nutzungskonzept, wie es für die Umgestaltung des Parkbads Weende zu Beginn des Planungsprozesses vorgesehen war, ist in Deutschland dagegen noch sehr selten.

Bei der Wasserqualität kann festgehalten werden - nach 20 Jahren Erfahrung im Betrieb von Naturbädern mit biologischer Wasserreinigung: Es gibt mittlerweile sehr unterschiedliche Wasserreinigungssysteme mit einer sehr schnellen Weiterentwicklung.

Wenn ein neues System getestet wird und erfolgsversprechend erscheint, wird es auch in anderen Bädern verwendet. Die meisten Wasserbecken sind mit Folienabdichtung ausgestattet. Eine Tonabdichtung konnte bei nur beim Ziegelei SeeBad in Schorndorf festgestellt werden. Es handelt sich dort um eine natürliche Tonabdichtung und in diesem konkreten Beispiel erspart sich die Folienabdichtung, was mit großen Vorteilen einhergeht.

Weil die Besucher eines Naturbades klares Wasser zum Baden wünschen und das Regelwerk der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) aus Sicherheitsgründen die Sicht bis auf den Beckenboden vorschreibt, ist ein sehr zeitaufwändiger und hoher Reinigungsaufwand erforderlich. Hiervon ausgenommen sind die Flussbadeanstalten.

Die Speisung der Becken erfolgt bei fast allen Bädern mit Trinkwasser. Gründe sind vor allem der hohe Nährstoffeintrag von Nitrat und Phosphat über eine Quelle, den auch eine Filteranlage nicht ausreichend mindern kann, um das Algenwachstum zu verhindern.

Viele Bäder waren konventionelle Freibäder und wie das Weender Bad von einer Schließung bedroht. Bürgerinitiativen haben sich für den Erhalt eingesetzt und begleiten diese Bäder mit ihrer Unterstützung bis heute. Es gibt unterschiedliche Betreibermodelle von Naturbädern. In den Städten gehören die Bäder in der Regel den Kommunen und werden von den kommunalen Stadtwerken oder deren Tochtergesellschaften betrieben.

Die Flussbadeanstalten in Deutschland, die in der Studie untersucht wurden, befinden sich dagegen alle in privater Betreiberschaft.

In der Schweiz werden die Flussbäder und Seebäder im Unterschied dazu von den Kantonen unterhalten.

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Abb. 4: Unterer Letten, das älteste erhaltende „Badi“ in Zürich seit 1909. Foto: Christine Fuhrmann
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Abb. 5: Das Felsenbad Pottenstein gehört zu den ältesten Sommerbädern Deutschlands. Es wurde im Jahr 1926 eröffnet und 1988 wegen Baufälligkeit geschlossen. Durch Bürgerengagement konnte das Felsenbad im Jahr 2001 als Naturbad wiedereröffnet werden. Foto: Christine Fuhrmann

Handlungsempfehlungen für eine integrierte Planung und Gestaltung von Sommerbädern

Die Handlungsempfehlungen, die im Rahmen der Studie erarbeitet wurden, können keine konkreten Gestaltungsvorgaben geben. Es geht vielmehr um den Weg zu einem Naturbad, zu einem Gesundheitsort in der Stadt. Mit Sommerbädern können Wohlfühlorte in der Stadt im Klimawandel geschaffen werden. Ein Naturbad kann eine Strategie sein, urbane Natur zu erleben, Menschen in Bewegung und ans Wasser zu bringen, und hat zudem einen Erholungseffekt an Hitzetagen.

Entwurfsidee Naturbad

Grundsätzlich gilt: Ein Naturbad muss gewollt werden, vom Betreiber, von der Politik und letztendlich auch von den Besuchern. Daher ist der erste Schritt, den Anspruch zu formulieren: Welche Art von Naturbad ist gewünscht in der jeweiligen Kommune? Wenn ein konventionelles Bad in ein Naturbad umgestaltet werden soll, empfiehlt es sich, die vorhandenen Beckenkubaturen wiederzuverwenden. Auch eine Reduzierung der Beckengröße und der Wassertiefe ist möglich, das kann unter anderem Auswirkung auf die Wasseraufsicht haben.

Wichtig ist der Blick auf den Ort, um die Eigenart des Ortes zu erkennen. Die Umgebung, die Landschaft, welche Bedarfe haben die Bewohner*innen in den angrenzenden Stadtquartieren? Gibt es Einrichtungen, die besonders berücksichtigt werden sollten, wie beispielsweise Schulen und Seniorenheime? Wie ist die Stadtentwicklung und welche Kooperationen kann man in der Planung bereits voraussehen?

Am Anfang der Planung für ein Naturbad sollte eine Checkliste für Baukultur erstellt werden. Fragen wie die Einbettung der Architektur in den städtebaulichen und landschaftlichen Kontext, Denkmalschutz, Ortsentwicklung werden dadurch frühzeitig beantwortet. Kommunen sollten zur Beratung Architekten, Landschaftsarchitekten und Schlüsselpersonen in den Prozess einbinden.

Vorhandene Strukturen beachten und nutzen

Finanzielle und personelle Ressourcen können eingespart werden, wenn vorhandene Strukturen genutzt werden.

Für die Revitalisierung von Flussbadeanstalten in Deutschland spricht, dass Flussbäder im Gegensatz zu Sommerbädern mit biologischer Wasseraufbereitung einen geringeren Pflegeaufwand haben und dadurch kostengünstiger sind, da weniger personalintensiv.

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Abb. 6: Das Flussbad Rostock gehört zu den wenigen Flussbadeanstalten in Deutschland, die durchgängig betrieben wurden, während in vielen deutschen Städten die letzten Bäder in den 1960er-Jahren geschlossen wurden. Foto: Fabian Klett
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Abb. 7: Das Naturbad Riehen gehört zu den prominenten Beispielen von Naturbädern in der Schweiz. Der Neubau zieht bis zu 65.000 Badegäste jährlich an (altes Bad 20.000). Besonders geschätzt wird die Schlichtheit und Natürlichkeit der Anlage, die landschaftliche Lage, das Sport- und Freizeitangebot, die Wasserqualität und die Gastronomie. Foto: Fabian Klett

Kooperation mit Akteuren, Schnittstellenmethodik, Partnerschaften und Multicodierung

Viele Betreiber überlegen, wie sie ihr Bad zu einem Erlebnisort entwickeln können, der mehr ist als ein Schwimmbad, und dadurch auch ein Bestandteil des sozialen und kulturellen Angebotes an die Bevölkerung wird. Dabei spielt auch eine Rolle, wo das Bad in der Kommune zugeordnet ist: im Fachbereich Sport oder in den Bereichen Sport vs. Kultur und Umwelt.

Es gibt mittlerweile viele Ideen und Schritte dafür, das Angebot über den reinen, "normalen" Badebetrieb hinaus zu vergrößern, Beispiele sind Yoga, Massagen, Wassergymnastik, Nachtbaden, Musik, Schulkonzerte und Freiluftkino im Bad. Auch mit dem Pächter der Gastronomie können kooperative Angebote entwickelt werden, wie beispielsweise Sauna in den Wintermonaten, um dadurch eine ganzjährige Nutzung zu ermöglichen.

Für Familien ist ein vielfältiges Trockenangebot im Sommerbad wichtig. Wenn man das Angebot ausbaut, ist es schade, wenn es nur drei Monate im Jahr zur Verfügung steht.

Eine ganzjährige Nutzung sollte frühzeitig im Planungsprozess und bei der Personalplanung berücksichtigt werden.

Bäume und Wasserpflanzen leisten einen Beitrag zur Klimaanpassung

Bäume sollten in schon bestehenden Anlagen geschützt werden und bei der Neuplanung sollten ausreichend neue Bäume eingeplant werden. Bäume tragen als Schattenspender zur Kühlung der Stadt bei und bieten Sichtschutz. Wasserpflanzen kühlen über die bei ihnen besonders starke Verdunstung.

Sommerbäder für das Stadtmarketing nutzen

Gerade die Entwicklung von Natur- und Flussbadkonzepten kann als Beitrag zur städtischen Markenbildung genutzt werden, denn die Qualifizierung der urbanen Gewässer kann größere Wertschätzung erzeugen. Die Fallstudien zeigen den gestiegenen Bedarf an Kommunikation und Marketing für Fachplanungen und die Wirkung von Marketingkampagnen. Einige kommunale sowie zivilgesellschaftliche Betreiber nutzen frühzeitige Kommunikations- und Marketingstrategien, um eine ansprechende Vermittlung bei der Stadtbevölkerung und den relevanten Fachressorts zu erzielen.

Die Qualifizierung und Sicherung urbaner Sommerbäder kann in der Stadt nur durch mehrdimensionale Ziele erreicht werden. Die klassischen Ziele von Sommerbädern, die Versorgung mit Erholungsflächen und Schwimm- und Bademöglichkeiten, spielen auch weiterhin eine wichtige Rolle. Dies bestätigten auch die Ergebnisse der Internetrecherche. Der Druck, Bäder zu schließen, weil sie sanierungsbedürftig sind und dafür notwendige finanzielle Mittel fehlen, erfordert bei den Zielsetzungen für urbane Sommerbäder auch das Aufgreifen neuer Anforderungen, die sich aus den aktuellen Herausforderungen an eine nachhaltige Stadtentwicklung ergeben. Hierzu gehören insbesondere demografische Entwicklungsprozesse, Klimawandel und Anforderungen an gesunde Lebensverhältnisse. Die vielfältigen Qualitäten und Funktionen von Sommerbädern können zu diesen Anforderungen einen wichtigen Beitrag leisten.

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Abb. 8: Seebühne für Sommerkonzerte bei freiem Eintritt im Ziegelei SeeBad Schorndorf. Foto: Christine Fuhrmann

ANMERKUNGEN

¹ Ein Freibad mit biologischer Wasserreinigung unterscheidet sich von einem konventionellen Bad durch die Art der Wasserreinigung. Das Wasser wird nicht chemisch mit Chlor gereinigt, sondern über einen komplexen biologischen Prozess. Dazu wird ein Regenerationsbereich benötigt, der in der Regel so groß sein sollte wie die gesamte Badebeckenfläche. Er besteht aus verschiedenen Filterschichten und wird ergänzt durch technische Einbauten, wie beispielsweise einen Neptunfilter.

² Die Forschungsstudie wurde von Dezember 2018 bis November 2020 durchgeführt und im Rahmen der Forschungsinitiative ZukunftBau mit Mitteln des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gefördert. Die Projektleitung obliegt Dr. Christine Fuhrmann.

³ Vgl. Christine Fuhrmann: Ab ins Wasser. Naturnahe Bäder und nachhaltige Stadtentwicklung. In Stadt+Grün Heft 10/2018, S. 18-22.

4 Folgende Fallstudienbeispiele wurden im Rahmen der Forschungsstudie näher untersucht: 1 Naturbad Maria Einsiedel in München, 2 Parkbad Weende in Göttingen, 3 Freibad Froschloch in Dortmund, 4 Naturbad Riehen (CH), 5 Naturerlebnisbad Großenhain, 6 Naturerlebnisbad Bingen, 7 Felsenbad Pottenstein, 8 Grüne Lagune in Ampfing, 9 Ziegelei SeeBad in Schorndorf, 10 Naturbad Stamsried, 11 Natur Kultur Bad Zschonergrund in Dresden, 12 Projekt Flussbad Berlin, 13 Naturbad Falkenwiese, Marli in Lübeck, 14 Flussbad Rostock , 15 Flussbad Oberer Letten in Zürich, 16 Saalestrand in Halle, 17 See im Opfikerpark in Opfikon (CH), 18 Großer Woog Darmstadt, 19 Seebad Enge, Frauenbad Stadthausquai und Strandbad Mythenquai in Zürich, 20 Rheinbad Breite Basel.

5 Die vollständige Projektbericht wird 2021 veröffentlicht.

Dr. Christine Fuhrmann
Autorin

Professur an der Internationalen Hochschule/Fernstudium in Erfurt Landschaftsarchitektur

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