„GartenZeitReise“ als Zäsur zur Industrielandschaft

Zeit für Schönheit in Schmalkalden

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Landesgartenschauen und Grünprojekte
Themengärten/Waldzeit Fotos: Sinai (6)

Schmalkalden ist eine reizende Fachwerkstatt mit reichem historischem Erbe. Umso mutiger erscheint es, neben der Altstadt und Schloss Wilhelmsburg die vormals industriell geprägten Vororte der Stadt in den Fokus der Gartenschau zu rücken. Dort findet sich eben keine intakte Altstadtsituation, sondern zersetzte Fabrikationsstandorte, stark befahrene Verkehrsstränge und ein fragiles Schulumfeld.

Die Stadt Schmalkalden erhält mit der Landesgartenschau 2015 ein zusammenhängendes Parkgewebe in der westlichen Vorstadt.

Als deutliche Zäsur spannt sich ein Erzählstrang als "Gartenzeitreise" in die heterogene Abfolge von Parks ein. Der Strang greift dabei unterschiedliche Stimmungen und Programme auf und kommentiert diese als Themen der Stadtgesellschaft durch alle Zeiten:
als
Zeit für Veränderung, Westendpark
Zeit für Sinnlichkeit, VibaPark
Zeit für Natürlichkeit, Siechenteiche
Zeit für Gemeinsamkeit, Stadtpark
Zeit für Erinnerung, Altstadtparcours
Zeit für Schönheit, Schlossgärten Wilhelmsburg.

Mit den neuen Anlagen wird ein ordnendes Gerüst mit verbindenden landschaftlichen Merkmalen und einer gemeinsamen Identität eingerichtet. Bei aller Unterschiedlichkeit der Orte werden dabei einzelne Strukturelemente und Charaktere zum gemeinsamen Gestaltungsprinzip:

Eine einfache, sehr klare gestalterische Sprache, das Erleben von großzügigen offenen Zentralräumen mit intensiv gestalteten Rändern, eine zurückhaltende Inszenierung des Reliefs mit flachen Terrassen an Schmalkalde sowie Quell- und Siechenteichen, ein übergreifendes Materialkonzept mit den Dominanten des unbehandelten Stahls (der steht bildlich für die handwerkliche Tradition der Stadt) und Miscanthus (als Energielieferant eine Pflanze der Zukunft) und die markanten "Parkschalen" als intensiv gegliederte Gräserfelder, die gleichzeitig abschirmen und verbinden können und den darin eingeschnittenen "Zeitfenstern" als erzählerische Themenstationen und Raum für Gartenexperimente.

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Landesgartenschauen und Grünprojekte
Themengärten/Eisenzeit
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Westendpark/Schmalkalde

Westendpark - Zeit für Veränderung

Städte werden als sich ständig verändernde Organismen wahrgenommen. Die Konversion des ehemaligen Kranbaugeländes steht damit beispielhaft für die massiven Umbrüche die Schmalkalden erlebt. Die historisch geprägte Stadt beschäftigt sich bereits heute maßgeblich mit Zukunftstechnologien und überführt damit die Veränderung in eine positive Stimmung.

Die Zeitfenster im Westendpark greifen diese Thematik auf und setzen sich mit den Materialien und Technologien der Vergangenheit und der Zukunft auseinander; ein Garten der Eisenzeit, der Industrie, des Waldes, der Reformation und ein Garten für die Zeit des Neuen … eingelagert sind die Zeitfenster in dem übergreifenden Elements des Gräsersaums.

Das stärkste Parkmotiv der Veränderung im Westendpark bringt aber die des Flusses Schmalkalde mit sich: In der Dynamik der jahreszeitlichen Wechsel der Wasserstände, in den ständigen Veränderungen der Uferlinien und in den damit stets unterschiedlichen Geräuschkulissen. Der Fluss als Gewässer 1. Ordnung wird aus seiner beidseitigen Fassung aus Stahlspundwänden befreit und erhält nun in weiten Teilen natürliche Ufer mit weichen Krautsäumen. Eine massive Veränderung unseres Verhältnisses zur Natur wird sichtbar.

Entlang des Weges, zum Parkinnern hin, entwickeln sich drei stahlgefasste Terrassen in Sitzhöhe. Bei starken Pegelveränderungen ändert sich die Kontur des Parks in drei Stufen. Die Terrassen sind mit Stauden und Bäumen der Aue bepflanzt und bieten Raum zum Sitzen und Spielen. Der zentrale Wiesenraum des Parks bietet Blicke auf die umgebenden Hangrücken und zum Schloss Wilhelmsburg, dem Epilog der GartenZeitreise in Schmalkalden. Die leicht überwölbte Fläche bietet viel Raum zur individuellen Entfaltung; informeller Sport ist hier ebenso gut aufgehoben wie kontemplative Freizeitnutzungen auf dem Grün des Rasens.

Der Park wird im Osten im Bereich der ehemaligen Fabrikantenvilla geöffnet. Über einen flach geneigten Platanenplatz gelangt der Besucher in das Zentrum des Westendparks. Von Süden her führt ein Brückenneubau über die Schmalkalde und verknüpft ihn mit der "Zeit für Sinnlichkeit", dem Gelände der Süßwarenfabrik VibaSweets. Langfristig dienen die Brückenbauwerke u.a. zur Führung des Mommelsteinradweges, einem überregionalen Fernradweg, der in Schmalkalden von den Besonderheiten des Westendparks in besonderer Weise profitieren wird. Der Westendpark wird langfristig durch eine bis dahin neue Nutzergruppe erschlossen: Stellplätze für Wohnmobilisten werden in die Parkschale geschoben und durch großzügige Pflanzfelder voneinander getrennt. Für diese Nutzergruppe offenbart sich der Westendpark als eine Oase am Wasser und in fußläufiger Nähe zur historischen Altstadt Schmalkaldens.

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Rasenterrassen
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Quellteich
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Siechenteich

Stadtpark mit den Siechenteichen - Zeit für Gemeinsamkeit und Zeit für Natürlichkeit

Das Verhältnis zwischen Alt und Jung, zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, zwischen den Ethnien und den Geschlechtern wird gerade in Parkanlagen aktiv diskutiert. Die sogenannten Generationenparks und das Gender - Prinzip stehen für eine aktuelle Hinwendung zu diesen Fragen. Der neue Park am Quellteich mit seinen Anrainern ist in besonderer Weise dazu geeignet, eine Kultur des "Für sich und miteinander" zu vermitteln. Die spezifischen Angebote an den Parkrändern korrespondieren dabei mit den offenen Rasenkissen als gemeinsame Mitte.

Naturerleben am Quellteich: Der Quellteich wird stark aufgeweitet und an die Siechenteiche im Westen angebunden. Dabei wird die Quelle mit einer besonderen Fassung herausgearbeitet. Der hainartige Baumbestand wird behutsam ergänzt und zur Straße verdichtet; parkseitig entstehen auf flachen Terrassen aus Naturstein attraktive Verweilorte direkt am Teich.

Zu dem südlich gelegenen Schulzentrum hin werden unterschiedliche Bewegungsprogramme aufgerufen; kleine Fitnessstationen in Form von Trampolinen, Hangelspiel und Boulderwand werden durch Volleyballfeld und Tischtennisplatten ergänzt.

Die Zeitfenster in der Parkschale sind mit experimentellen Spielstationen versehen; diese sollen Generationen übergreifend zusammenführen und in barrierefreier Weise überraschen und mit feinen Topografien und Wasser Spaß machen. Die Parkschale schirmt den Stadtpark zu den Stellplatzanlagen am Schulzentrum ab, wirkt aber gleichzeitig als nutzbare Oberfläche.

Im Westen des Stadtparks wird durch ein unterirdisches Bauwerk unter der Krötengasse der Quellteich mit den Siechenteichen verbunden. Natur sind die Siechenteiche und das Mühlengebäude im engeren Sinne zwar nicht, dennoch strahlen sie eine gewachsene Natürlichkeit mit großem Charme aus; dieser wird erhalten und behutsam herausgearbeitet. Ein schonend aufgeständerter Steg lagert auf dem vorhandenen Damm zwischen den Siechenteichen. An bewusst platzierten Situationen weitet sich der Steg mit kleinen Stationen auf. Hier können die Besucher einen Moment innehalten und die Schönheit des landschaftlichen Kleinods genießen. Der Steg mündet, vom Stadtpark kommend, auf einer Platzfläche am Mühlengebäude.

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Der Teich mit der neu gestalteten Terrasse als landschaftliches Entree. Fotos: RoosGrün (2)
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Der Haupteingang – ein städtisches Entree.
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Der Übersichtsplan des Geländes. Abb.: RoosGrün

Eine „Gartenzeitreise“ auf der Landesgartenschau Schmalkalden 2015

Vom 25. April bis zum 4. Oktober 2015 ist Schmalkalden Gastgeber der 3. Thüringer Landesgartenschau. Unter dem Motto "GartenZeitReise" entstanden auf 13 Hektar Schaufläche Themengärten, Blütenbänder und Wiesenräume. Den rund 350.000 erwarteten Besucher wird in Restaurants und Bistros Thüringer Gastlichkeit geboten. Etwa 500 Veranstaltungen von Konzerten über Hochseil-Artistik und Kabarett bis hin zu Vorträgen beleben die Gartenschautage.

In Vorbereitung der Landesgartenschau wurden drei Industriebrachen in grüne Parks verwandelt, ein Abschnitt des Flusses Schmalkalde renaturiert und die Terrassengärten von Schloss Wilhelmsburg nach historischem Vorbild gestaltet. Parallel sind der Stadtboden und wertvolle Gebäude saniert sowie Bahn und Bus in einem zentralen ÖPNV-Knotenpunkt gebündelt worden.

Für diese Maßnahmen wurden rund 30 Millionen Euro investiert. Fördermittel gaben der Freistaat Thüringen, der Europäische Fond für regionale Entwicklung - EFRE, Europa für Thüringen, die Stadt Schmalkalden, der Landkreis Schmalkalden-Meiningen und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Hinzu kamen private Investitionen in den angrenzenden Bereichen. Der Investitionshaushalt der LGS Schmalkalden 2015 GmbH beträgt 8,1 Millionen Euro, davon werden 5,1 Millionen Euro durch das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz bereitgestellt. Ihr Durchführungshaushalt fasst 6,9 Millionen Euro.

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Der nahezu fertiggestellte Terrassengarten von Schloss Wilhelmsburg. Foto: Helmut Wiegel

Der neue VibaPark – Süßwaren als Leitmotiv

Mit dem Neubau des Viba-Event-Centers des Süßwarenherstellers Viba Sweets GmbH in Schmalkalden und in Vorbereitung der Landesgartenschau 2015 galt es, eine repräsentative, nutzungsorientierte Freiraumgestaltung des Grünzuges "An der Fuchsenkothe" sowie des künftig öffentlichen Viba-Parks zu entwerfen und umzusetzen. Weiterhin war entsprechend den funktionalen und logistischen Erfordernissen die Anbindung der benachbarten Produktions- und Lagerhallen der Viba Sweets GmbH an den öffentlichen Verkehr in die Planung zu integrieren. Das Gebiet selbst als ehemalige Gewerbebrache besitzt aufgrund seiner Lage entlang der Kasseler Straße eine hohe städtebauliche Bedeutung als repräsentativer Stadteingang.

Schwerpunkte der Planung waren die Gestaltung des Freiraumes entlang des Fließgewässers Fuchsenkothe und des zur Stadt orientierten Raumes. Angeregt durch die Idee des Hochbauarchitekten, das Viba-Event-Center als "Pralinenschachtel" zu betrachten, in dem sich verschiedene "Pralinen" befinden, wurden die unterschiedlichen Produkte der Viba Sweets GmbH auch für die Betrachtungen im Freiraum zugrunde gelegt. So wird die umlaufende Terrasse zu einem "Tablett", auf dem sich das Viba-Event-Center präsentiert. Bezeichnungen wie "Sweet Fruits" und "Sweet

Play" nehmen Bezug auf den Firmennamen beziehungsweise Produkte der Viba Sweets GmbH. Die Vielfalt der Viba-Produkte ist auch hinsichtlich der Pflanzenverwendung ablesbar. So sind Nussbäume als Rohstoff für Nougat, Obstbäume, Gräser sowie Duft- und Aromapflanzen als Komponenten anderer Viba-Produkte gepflanzt worden.

Das städtische Entree ist der großzügig gestaltete, farbenfroh akzentuierte Haupteingangsbereich zum Viba-Event-Center mit Bus-Stopp und mit einem Zierapfelbaumhain überstellten Besucherparkplatz. Das landschaftliche Entree erschließt den Talraum des Fließgewässers Fuchsenkothe im Süden. Großzügige Wiesen- und Wasserflächen sowie kulissenartige Baumreihen geben hier räumliche Weite und integrieren wie selbstverständlich die verschiedenen Nutzungen (Erholen, Spielen, Gastronomie, Wegebezüge). Im fließenden Übergang vom Biergarten "Sweet Fruits" schließt sich der 4000 Quadratmeter große Spielplatz "Sweet Play" unmittelbar an. Über einen Trittplattenweg im Rasen sind die beiden Räume miteinander verbunden. Der Weg folgt dem Schwung der Baumreihen, wechselt im unmittelbaren Spielbereich in einen farbigen Fallschutzbelag als "Spielstraße" und schließt auf den nordwestlich verlaufenden Parkweg an.

Auf verschieden großen, elliptischen Flächen, die den geschwungenen öffentlichen Geh- und Radweg begleiten, sind vielfältige Spielangebote für Kinder und Jugendliche eingeordnet. Sand- und Kleinkindspielgeräte, Seilbahn, Kletterkombinationen sowie Schaukel-, Balancier- und Geschicklichkeitsgeräte bieten Spielmöglichkeiten für die verschiedenen Altersklassen. Geländemodellierungen und farbige Beläge unterstreichen den spielerischen Charakter des Spielplatzes, wobei sich die Bereiche für die Jüngeren nahe dem Biergarten befinden. Die Lage des Spielbereichs ist bewusst entlang des öffentlichen Geh- und Radweges gewählt, damit auch vorbeikommende Spaziergänger und Radfahrer zum Verweilen angeregt werden.

Der weitläufige Park wird durch einen Teich ergänzt, der sich als weite, ruhige Wasserfläche in länglich-organischer Form ausbreitet und das Viba-Event-Center für Vorbeikommende spiegelt und somit eine Einladung zum Besuch ausspricht.

Mit der Entscheidung, die 3. Thüringer Landesgartenschau in Schmalkalden auszurichten, erhielt die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, zu deren Liegenschaften Schloss Wilhelmsburg zählt, die Möglichkeit, den zugehörigen Terrassengarten wiederherzustellen. Ziel dabei war es, Schloss und Garten im Sinne eines Gesamtkunstwerkes zu sichern und weiterzuentwickeln. Infolge eines über mehrere Jahrhunderte anhaltenden Niedergangs hatten Zustand und Erscheinungsbild der Gartenanlage in erheblichem Umfang gelitten. Ihre ursprüngliche Bedeutung als frühbarocker Lustgarten und darüber hinaus als einer der frühesten Terrassengärten nördlich der Alpen erschlossen sich dem Besucher nur noch ansatzweise. Nun bestand die Möglichkeit, die Gartenterrassen einschließlich ihrer bereits im 19. Jahrhundert abgegangenen Stützmauern und den sie erschließenden Treppenlauf wiederherzustellen.

Während die noch vorhandene bauliche Originalsubstanz saniert und denkmal-gerecht ergänzt wurde, kamen als Ersatz für die abgegangenen Stützmauern Gabionenkörbe zur Verwendung. Durch den Einsatz von in Farbigkeit und Textur angepassten Buntsandsteinmaterials ließ sich die Konstruktion gestalterisch in den historischen Bestand integrieren, ohne ihre moderne Herkunft zu verleugnen.

Für die Konzeption der obersten Terrasse konnte der Originalentwurf eines aufwendigen Buchsbaumparterres aus dem Jahre 1672 herangezogen werden. Die gärtnerische Gestaltung der drei folgenden Terrassen erfolgte hingegen in reduzierten Formen, wobei die historischen Quellen des 17. Jahrhunderts als Grundlage für die Auswahl und Präsentation der Bepflanzung dienten.

Dipl.-Ing. Heike Roos
Autorin

Freie Landschaftsarchitektin bdla / Freie Stadtplanerin

Dipl.-Ing. Ole Saß
Autor

sinai Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Dipl.-Ing. Helmut Wiegel
Autor

Wiegel – Landschaftsarchitektur, Gartendenkmalpflege

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