Zum Tee beim "Genius Loci"

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Landschaftsarchitektur
„The Glory of the Garden“ zeigt sich in Hestercomb (Jekyll/ Lutyens) unter anderem in der Verbindung zwischen Garten und englischer Parklandschaft. Gestaltungselemente finden sich zum Beispiel in Köln in Parkanlagen von FritzEncke. Foto: Karla Krieger, Köln 2009

"England ist das Mekka, das gelobte Land, in das man mindestens einmal im Jahr pilgern muss, um sich anregen (und frustrieren) zu lassen, um zu staunen und die Fassung zu verlieren."1

Seit wann ist das eigentlich so, fragen wir uns. Und vor allem warum ist das so? Und warum ist das bei uns nicht so? Die Theorie lautet: In englischen Gärten treffen wir allerorten auf ein unsichtbares, aber ganz und gar präsentes Phänomen - den "Geist des Ortes". Er verleiht den Anlagen ihre besondere Faszination und Würze. Wer dem "Geist des Ortes" nicht ins Auge schaut, ihn übersieht oder gar leugnet, dem fehlen unter Umständen Gründe und Motivation, um rettende Initiativen und gute Ideen zur Beförderung der Gartenkultur zu ergreifen.

Der "genius loci" dürfte wohl schon Heinrich Fürst Pückler das nötige Quäntchen Wahnsinn eingehaucht haben, ohne das er seine Großtaten im Bereich der Gartenkunst trotz aller Widrigkeiten nicht hätte ausführen können. Schon als junger Mann ist Pückler mit dem "Geist des Ortes" in einen Dialog getreten, als er sich bei Vollmond in der Gruft seiner Ahnen einschließen ließ, um Erkenntnisse zu gewinnen über den Tod und das Leben.

Schauen wir uns exemplarisch an, wie sich durch englandreisende Gärtner englische Gartenkultur und Pflanzenleidenschaft bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland verbreiteten. Besuchen wir dann die Stadt Köln, die in Rahmen der Reformgartendiskussion als Drehscheibe und Impulsgeber fungierte, sich dieser Rolle aber heute nicht mehr bewusst ist. Und versuchen wir auch die Frage zu beantworten, warum Werke der Gartenkunst heute oft als Denkmäler zweiter Klasse erscheinen und warum uns vielleicht der "Geist des Ortes" dabei helfen könnte diesem Phänomen etwas entgegen zu setzen. Welche Rolle spielt vielleicht die Denkmalpflege und wie können wir von einer Reise über den Kanal auch heute wieder etwas von der Gartenleidenschaft aus England mitbringen.

"The Glory of the Garden will never pass away"

Das Anlegen wie auch das Besuchen und Betrachten von Gärten hat in England eine lange Tradition. Der englische Garten wird öffentlich zelebriert: kein Dorf ohne Horticultural-Society, kein Landstrich ohne Garden-Festival. Und Prince Charles, der Headgardener der Nation, empfängt Staatsgäste am liebsten in Gärtnerschürze und Gummistiefeln. Mitten in London überrascht das "Garden Museum" Besucher mit ungewöhnlichen Ausstellungen zum Thema Garten, spannenden Vorträgen, hochinteressanten Gartenexkursionen und einem besonderen Museumsgarten.

Das "Garden Museum" ist ein Ort sinnlich erfahrbarer Gartenkultur.2 Auf dem alten Friedhof nebenan ruht John Tradescant (1570-1638), Gärtner des englischen Königs, und beobachtet mit Wohlwollen das grüne Treiben in der Nachbarschaft. Er hat - wie Rudyard Kipling 1911 in seinem Gedicht "The Glory of the garden" formuliert - nur einen Wunsch: "And the glory of the garden it shall never pass away".

Warum macht es oft so wenig Spaß, sich Gärten in Deutschland anzusehen? Warum ist der Gartentourismus nur eine Nische in der deutschen Touristiklandschaft? In Gartenämtern und Gartenbaubetrieben schwindet die Fachkenntnis, fehlende finanzielle Mittel tun ihr übriges. Cotoneaster- und Kirschlorbeer werden aus Vorgärten entfernt - nur um sie durch sogenannte "Kiesgärten" zu ersetzen, die durch ihre armselige Erscheinung Pflegeleichtigkeit suggerieren. Gartenkultur sieht anders aus. Trotz vieler positiver Beispiele ist doch häufig eine Missachtung gartenkultureller Errungenschaften festzustellen, (die nicht unbedingt etwas mit mangelnden Finanzmitteln zu tun hat).

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Die Gärtnerei Georg Arends in Wuppertal Ronsdorf hatte Vorbildcharakter. Hier der Besuch durch den Reichsverband Gartenbau in den 1930er Jahren. Sie ist noch heute ein lebendiger Ort der Gartenkultur. Foto: Georg-Arends-Archiv, Wuppertal
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Der Züchter Georg Arends im Flachen Haus in der Gärtnerei in Ronsdorf. Foto: Georg-Arends-Archiv, Wuppertal

Sehnsuchtsland England

Um das Jahr 1814 reiste der Lebemann Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871), Herrscher über ein verarmtes Fürstentum, nach England. Er skizzierte, notierte, diskutierte und arbeitete als Gärtner, um geheime gartenpraktische Erkenntnisse zu erlangen. Pückler stellte fest, dass jede englische Hausfrau mehr von Gartenkunst und Gartenpraxis verstand als manch ausgebildeter Gärtner zu Hause. In zahlreichen Briefen beschrieb er seine Eindrücke: "Was ich aber heute sah, war … ein Zauberort in das reizendste Gewand der Poesie gehüllt, und von aller Majestät der Geschichte umgeben."3 Zurück in Muskau, setzte Pückler seine Vision eines großen Landschaftsgartens nach englischem Vorbild gegen alle Widerstände um. "Die Realität gilt Pückler nichts, der Traum ist alles"4 Aus England hatte er die Fachkenntnisse, die Leidenschaft und das Bewusstsein für die Besonderheiten des Ortes mitgebracht.

"Gärtner, Maler, Philosophen, Dichter - geht nach Wörlitz!"

Rund 50 Jahre zuvor fand bereits ein intensiver Transfer englischer Gartenkultur statt. Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) reiste im Jahr 1763 in das "fortschrittliche" England, um Lösungen für die wirtschaftlichen Probleme seines Landes zu finden. Nach seiner Rückkehr verwandelte er sein 700 Quadratkilometer großes Fürstentum in ein kleines "England" um. "Mit Wörlitz entstand auf dem Kontinent eine neue Qualität von Gartenkunst, die die unterschiedlichen Strömungen der Gartentheorien Englands aufnahm, ihre Gestaltungsprinzipien und Programme nutzte und die gesamte Breite englischer Gestaltungsauffassung wiedergab…"5. Landschaft, Bauten und landwirtschaftliche Nutzflächen bildeten eine einheitlich gestaltete Parklandschaft, in der überall das Schöne mit dem Nützlichen verbunden wurde. Es war geprägt durch Reformen zur Wirtschaftsförderung ebenso wie durch soziale und pädagogische Maßnahmen im Sinne der Aufklärung. Es gab ein Armen- und Krankenhaus und das "Philanthropin" - eine "Musterschule der Menschenfreundlichkeit". So englisch war das Ergebnis, dass der englische Reiseschriftsteller James Boswell (1740-95) sich in Wörlitz wie zu Hause fühlte.

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Fritz Encke, Gartendirektor in Köln von 1903 bis 1926, kommt maßgebliche Bedeutung zu im Zuge der Verbreitung der Idee des von England inspirierten reformierten/architektonischen Gartens. Die öffentlichen Parkanlagen gestaltete er „architektonisch“ im Rahmen der Sondergärten. Foto: Stadt Köln
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Der legendäre Pondgarden in Hamptoncourt bei London – Ein Ziel der Englandreise der DGFG im Jahr 1909 und Vorbild für zahlreiche Senkgärten in Deutschland. Abb.: Ansichtskarte, Privatbesitz Krieger
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Der Karl-Schwering-Platz in Köln wurde 1925 von Fritz Encke als Senkgarten geplant. Ein früher Senkgarten von Encke befindet sich im 1912 angelegten Vorgebirgspark in Köln. Foto: Karla Krieger, Köln 2009

Reform durch Gartenkunst - Vorbild England

Im späten 19. Jahrhundert galt das Konzept der Landschaftsgärten als erstarrt. Die Gartengestalter fanden wieder Lösungen in England. Ihr Blick richtet sich auf das Konzept der Landhäuser, das den Garten als Erweiterung des Wohnraumes betrachtete. Der Garten wurde jetzt formal gestaltet und durch Hecken und Zäune in einzelne Gartenräume geteilt.

Aufgeschlossene und neugierige Gartengestalter und Gärtner gingen nach England. Der bekannte Staudenzüchter Georg Arends (1863-1952) berichtete von seiner Arbeit im Jahr 1885 in einer Staudengärtnerei bei London: "Der Betrieb war wohl einer der ersten Gärtnereien Englands, die Stauden als Spezialität kultivierte. Durch weitreichende Verbindungen in alle Welt waren die Sammlungen für die damalige Zeit außerordentlich vielfältig. (…) Hier in Tottenham war es auch, wo ich zuerst in einem Kalthause die noch neue Primula obconica kennen lernte, die später in meinem Züchterleben eine große Rolle spielte."

"Mehrfach hatten wir auch Gelegenheit, die … kleinen Ausstellungen der "Royal Horticultural Society" zu besuchen, auf denen schon damals immer alle Neuheiten an Pflanzen, Einführungen aus anderen Ländern und Züchtungen gezeigt wurden."

"… Die Sonntage benutzten wir Deutschen - es waren deren fünf im Betrieb - die öffentlichen Parks zu besichtigen und wenigstens einmal im Monat nach Kew Gardens zu fahren. (…) Viele hundert Namen prägten sich so meinem Gedächtnis ein. Vor allem war es die "Rockery", der Steingarten, … der meine Vorliebe fand".6

Arends eröffnete im Jahr 1888 in Wuppertal-Ronsdorf seine erfolgreiche Gärtnerei, die noch heute besteht. Die Vorliebe für die "Rockery" in Kew wird sich 25 Jahre später an einer Felsenmauer im Kölner "Park am Fort I" niederschlagen.

Friedrich August Encke (1861-1931), Sohn eines Pfarrers und Rosenliebhabers aus Oberstedten bei Bad Homburg, begab sich nach seiner Ausbildung an der Königlichen Gärtnerlehranstalt in Potsdam im Jahr 1884 nach Großbritannien und arbeitete für ein Jahr in der Gärtnerei Dickens bei Liverpool. Der Betrieb bewirtschaftete eine Fläche von 1,5 Quadratkilometer Größe einschließlich eines großen Schaugartens. Mehrere hundert Mitarbeiter erzeugten ein breites Sortiment an Stauden, Rosen und Gehölzen. Man unterhielt zudem eine Entwurfsabteilung, in der Landhausgärten (!) geplant wurden.7 Fritz Encke lehrte später an der Königlichen Gartenakademie in Potsdam und ging im Jahr 1903 als Gartendirektor nach Köln. Er machte Köln zum "Bauhaus der Gartenkultur", in dem er entscheidende Impulse für die Gartenreform in Deutschland setzte.

Zeitgleich mit Encke waren der Rosenzüchter Lambert (1839-1926) sowie die Gärtner Goos (1858-1917) und Koenemann (1848-1910) bei Dickens tätig. Als sie im Jahr 1885 ihre Staudengärtnerei gründeten meinten die deutschen Kollegen dazu: "daß mit Stauden bei uns in Deutschland nichts zu machen sei".8 Fritz Encke schreibt 1910 in seinem Nachruf auf Heinrich Koenemann: "Der Gedanke, eine Gärtnerei zu gründen, welche sich der Anzucht von Stauden … und … die Verbreitung dieser für den Garten so wertvollen Pflanzenart … zur Aufgabe machen sollte, kam meinen beiden Freunden Goos und Koenemann in England ... Wir bewunderten damals die fortgeschrittene Kultur der Stauden … und wurden uns klar, wie weit in jener Zeit Deutschland auf diesem Gebiete hinter England zurück war."9

Koenemann hatte 1909 an Vorbereitung und Durchführung der großen Englandreise der D.G.f.G. (Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst, später DGGL) mitgewirkt. 90 Gärtner, Gartengestalter und Gartenamtsleiter besuchten historische Gärten, moderne Volksparks, Landhaus- und Cottagegärten.10

Über den Besuch des "Pondgarden" in Hampton Court nahe London schrieb der Mitinitiator der Reise, Reinhold Hoemann: "Das war´s, was wir suchten. In diesem kleinen Gärtchen war uns ein auserlesenes Kabinettstückchen englischer Gartenkunst geboten. Allein der Anblick dieses Gärtchens hätte eine Reise nach England gelohnt und ich zweifle nicht, daß die hier gebotenen Anregungen reichlich Früchte tragen werden."11 Er sollte Recht behalten. In Köln realisierte Fritz Encke wenig später im Vorgebirgspark einen der ersten Senkgärten Deutschlands (Abb. 6). In diesen Volkspark modernen Zuschnitts flossen verschiedene Anregungen aus den öffentlichen englischen Parks ein.

Anregungen zu der Englandreise der D.G.f.G. gab auch der Architekt, Mitbegründer des Deutschen Werkbundes und Verfechter des formalen/architektonischen Gartens - Hermann Muthesius (1861-1927), der sechs Jahre in England gelebt hatte und 1904 sein Buch "Das englische Haus" veröffentlichte. Muthesius hatte aus England die Überzeugung mitgebracht, dass der Architekt des Hauses auch den Garten gestalten müsse, um die gestalterische Einheit sicherzustellen. Dies ließ sich in der Praxis allerdings nur selten befriedigend umsetzen, da Hochbauarchitekten nicht über das erforderliche Fachwissen verfügten. Muthesius arbeitete bei der Planung einer Villa in Elteville mit Fritz Encke zusammen.12 Im Jahr 1907 veröffentlichte Encke - angeregt von Muthesius - ein Buch über die zeitgemäße Gestaltung von Hausgärten. Beide initiierten den richtungsweisenden Hausgarten-Wettbewerb, der 1908 in der Zeitschrift "Die Woche" erschien.13

Die Rolle von Muthesius als Impulsgeber für die Gartenreform in Deutschland wurde erst mit der im Jahr 2000 erschienen Dissertation von Uwe Schneider ausführlich thematisiert. Die Englandbegeisterung unter Gartengestaltern blieb auch während des Ersten Weltkrieges erhalten. Im Jahr 1917 rezensierte Baron Walter von Engelhardt (1864-1940), Düsseldorfer Kollege von Fritz Encke, die zweite Ausgabe von Gertrud Jekylls "Wald und Garten" und übte damit wohl indirekt Kritik an einer gewissen Nüchternheit der deutschen Gartenkultur: "... dass hoffentlich in seiner neuen Auflage die gleiche wohlverdient freundliche Aufnahme wie die vorige finden wird - trotz der englischen Verfasserin. Die nationale Abstammung spielt hier keine wesentliche Rolle. … "Allzu viele unserer Gartenbücher beschränken sich auf lehrhafte Kulturanweisungen und Beschreibungen, denen es an Eindrucksfähigkeit fehlt, … wo solche Dinge wie Gärten und Gartenschönheit, Menschfreude und Sonnenschein … außer Acht gelassen werden. …, erfrischt durch heiter strebende Lebendigkeit legen wir das Buch aus der Hand voll Dank für seine reiche Freudenspende."14

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… und in Köln 1914. Foto: Karla Krieger 2010
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Treppenanlage in Hestercomb 1903… Foto: Karla Krieger 2009

Werkbundausstellung 1914 und die Gartenkultur

Es ist interessant, dass die Gartenkultur 1914 auf der Werkbundausstellung in Köln eine größere Rolle spielte, als im Allgemeinen publiziert. Hier besteht Nachholbedarf. So sei nur erwähnt, dass der Kölner Gartendirektor Fritz Encke Mitglied des Werkbundes war und mit Gartenplanungen auf der Ausstellung vertreten. Unter den Exponaten der Ausstellung fand sich auch ein Gewächshaus der Kölner Firma Rubruck. Rubruck hatte als Mitarbeiter der Kölner Flora (1863) ein aus England importiertes Gewächshaus errichtet und wurde dadurch angeregt, im Jahr 1865 eine eigene Gewächshausfabrikation zu eröffnen. Ein Rubruck-Gewächshaus ist auf dem Gelände der "Orangerie im Volksgarten" in Köln erhalten.15

Köln - Drehscheibe englischer Gartenkultur

Der Stadt Köln kommt im Rahmen der von England inspirierten Gartenreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine impulsgebende Mittlerrolle zu. Fritz Encke wirkte von 1903 bis 1926 in Köln und propagierte vehement den architektonisch/formal reformierten Gartenstil. Jungen Gartenarchitekten, die im Kölner Gartenamt gearbeitet hatten, stand die Welt offen.

Der 1914 geplante Kölner "Park am Fort I", heute Friedenspark, zeigt deutlich von England inspirierte Gestaltungselemente: Terrassen, bepflanzte Trockenmauern, Treppen, Hecken, Pergola, weiße Holzmöbel und Zäune und die Staudenpflanzungen weisen unter anderem auf den im Jahr 1903 von Gertrud Jekyll gestalten Garten von Hestercomb. Die alpinen Stauden an der damals viel beachteten Trockenmauer stammten möglicherweise aus der Gärtnerei von Georg Arends in Wuppertal. Eine technisch und denkmalpflegerisch fehlerhafte Sanierung dieser Mauer macht heute leider eine Neubepflanzung unmöglich.

Allen Anlagen Enckes ist gemeinsam ist, dass sie mit Herzblut und persönlichem Engagement, zum Teil unter widrigen Voraussetzungen errichtet wurden. Sie strahlen trotz erheblicher Erhaltungsmängel noch heute die Leidenschaft und den Pioniergeist der damaligen Zeit aus. Die in den Parks umgesetzten sozialen, pädagogischen und künstlerischen Aspekte gehen über den rein kunsthistorischen Wert der Anlagen hinaus und machen die Parks zu Orten mit besonderer Strahlkraft.

Finanzielle Mittel zur Pflege sind knapp. Die Erarbeitung von Parkpflegewerken wird von der Verwaltung kategorisch abgelehnt. Dies führt zu teilweise erheblichem Verlust an der materiellen Substanz und verunklärt die typischen Gestaltungsabsichten. (Ersatz charakteristischer Holzlattenzäune durch gründerzeitlich inspirierte Metallzäune, Bepflanzung von Staudenbeeten mit Taxus oder Gehölzen unter anderem). Der Zusammenhang der fein aufeinander abgestimmten gestalterischen und baulichen Details geht verloren. Encke selbst sagt zum Zusammenspiel der gestalterischen Elemente: "Die Pflanze ist naturgemäß der Hauptinhalt des Gartens. Aber wie wird deren Wert gesteigert durch enge Beziehungen zu Bauwerken! Von welcher Bedeutung sind Stützmauern, Brüstungen und Treppen! Wie wichtig sind Form und Farbe der aufgestellten Bänke, Stühle und Tische! Welche Bereicherung bedeuten gute Gartenplastiken! Und welche Rolle kann das Wasser spielen mit Architektur und Skulptur!"16

Warum werden die ursprünglichen Merkmale und Ideen aus den Anlagen vertrieben, ihr Zeugniswert gestört, ihre Vorreiterrolle nicht gewürdigt? Wie kann der sich aus der Innovationskraft der Gärten ergebende besondere Geist des Ortes übersehen werden? Warum weiß der heutige Nutzer nichts mehr von der spannenden Entstehungsgeschichte? Die Kölner Parks stehen hier als Beispiel für ähnliche Vorgänge an anderen Orten. Heute stellt sich nicht vornehmlich die Frage nach neuen Gartenstilen, sondern die Frage, wie gegen den Verfall bedeutender bestehender Gärten agiert werden kann. Eine rein akademisch gut aufgestellte Denkmalpflege reicht nicht unbedingt aus.

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Zum Tee mit dem „Geist des Ortes“ im Garden Museum in London – Blick in den Museumsgarten in der Mittagszeit. Foto: Karla Krieger 2010
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Nicht selten ist der "Geist des Ortes" durch versicherungstechnische/ administrative Destruktion gefährdet. Hier ein Beispiel für die englische Herangehensweise, um historische Monumente zu schützen. Dieses einfache Beispiel bietet Raum für mannigfache Reflextion. Foto: Karla Krieger 2010

"The spirit of the place" - ein Blick auf den National Trust

Der National Trust, eine im Jahr 1894 gegründete private Stiftung, betreut heute 350 historische Gebäude und Gärten, die jährlich von 18 Mio. Menschen besucht werden. Die Stiftung hat 4 Millionen Fördermitglieder und einen Jahresetat von 500 Millionen Euro. Durch seine Arbeit erhält der National Trust nicht nur materielle Güter, sondern auch das Fachwissen. 60.000 "Volunteers" leisten 3,1 Millionen Stunden freiwillige Arbeit pro Jahr. Woher kommt diese erstaunliche Motivation?

"All of our special places are unique and we want to share their stories with our visitors in an imaginative and engaging way. Without compromising our duty of conservation, we want visits to our properties to be both informative and fun." "… we must celebrate a distinctive spirit of place. … visitors for whom this special spot of earth can become like vital part of their lives."17

"Alle unsere Orte sind einzigartig und wir möchten ihre Geschichten mit unseren Besuchern teilen. Ohne Kompromisse in der Pflicht zur denkmalgerechten Erhaltung, möchten wir, dass der Besuch unserer Anlagen sich gleichermaßen informativ wie unterhaltsam gestaltet. Wir müssen den unverwechselbaren "Geist des Ortes" darlegen. Für die Besucher können diese besonderen Orte ein fester Bestandteil ihres Lebens werden."

"To beware the spirit of the place" - das ist es wohl - den Geist des Ortes bewahren und zeigen!

Geschichten? Unterhaltung? "Fun"? Eine sinnlich-emotionale Begründung für die Denkmalpflege? Warum eigentlich nicht? Ist Denkmalpflege Selbstzweck? Die Denkmalschutzgesetze fordern die Bewahrung aus historischen, künstlerischen, wissenschaftlichen, städtebaulichen oder volkskundlichen Gründen. Die historische Originalsubstanz der dreidimensionalen Geschichtsurkunde begründet den Denkmalwert und verbietet ihre beliebige Nachbildung. Daran ist nicht zu rütteln. Doch soll das alles sein? Der "Gefühlswert" eines Denkmals lässt sich nicht messen, katalogisieren und in einen Stil einordnen und ist wie auch der "Geist des Ortes" in der deutschen akademischen Denkmalpflege nicht vorgesehen.

Zur Frage, warum der Naturschutz in Deutschland so viel etablierter ist als der Denkmalschutz, findet man in einem Standardwerk zur Denkmalpflege folgendes: "Um Öffentlichkeitsarbeit bemühen sich auch die Landesämter für Denkmalpflege, die teilweise eigene Pressereferate eingerichtet haben und durch Publikationen zu Spezialthemen berichten und neue Forschungsergebnisse präsentieren."18 Das klingt so spannend wie die Gebrauchsanweisung für ein Bügeleisen. Bezeichnend ist auch, dass der für die Öffentlichkeitsarbeit so wichtige "Tag des Offenen Denkmals" in Deutschland erst rund zehn Jahre nach dem ersten Tag dieser Art (in Frankreich) eingeführt wurde.

Die Gestaltung von Gärten und Häusern soll berühren, in die Seele gehen. Die Atmosphäre englischer Gärten nimmt den Besucher gefangen. Er wird Teil des Ortes, Teil der Geschichte. Räume wirken, als habe der letzte Besitzer sie gerade verlassen. Die Präsentation lässt Nähe und Aneignung zu. Die Besucher sind fasziniert und neugierig: Noch vor Beginn der Restaurierung besuchten in den ersten drei Monaten 30.000 Menschen das vom National Trust frisch übernommene Anwesen Godolphin in Cornwall. Erwachsene, Paare, Familien kommen dann immer wieder in "ihre" Burg und "ihren" Garten. Die Öffentlichkeitsarbeit fängt bei der Jugend an. In Workcamps lernen Jugendliche die historischen Objekte kennen und schätzen und bringen dann ihre Eltern und Großeltern mit. Zwischen lebendiger und phantasievoller Vermittlung und einer zu Recht gefürchteten "Disneysierung" liegen noch große Spannen. Der National Trust zeigt, dass man das am besten erhalten kann, was die Gesellschaft sich zu eigen macht und wie letzteres gelingen kann. Was wir heute von England lernen können hat bereits Gustav Mahler treffend formuliert: "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."

Anmerkungen

1 Würth, Peter: Kleine Philosophie der Passionen - Gärtnern. München 1997.

2 www.gardenmuseum.org.uk.

3 Graf von Luckner, Ferdinand: Die Gartenreisen des Hermann Fürst von Pückler-Muskau: Auf den Spuren eines Exzentrikers durch England und Irland. München 2012, S.16.

4 Ohff, Heinz: Der grüne Fürst. Das abenteuerliche Leben des Hermann Pückler-Muskau., München 1993, S. 79.

5 Trauzettel, Ludwig: Wörlitzer Anlagen, in: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Hamburg 2004.

6 Arends, Georg.: "Mein Leben als Gärtner und Züchter". Stuttgart 1951, S. 10.

7 www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=19211.

8 Nachruf in: Die Gartenwelt 1917, Nr. 23, S. 280.

9 Die Gartenkunst, 1910, XII,7, S. 126.

10 Schneider, Uwe: Hermann Muthesius und die Reformdiskussion in der Gartenarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts. Worms 2000, S. 278ff.

11 Zitiert nach Schneider, 2000, S. 284.

12 www.shk-landschaftsarchitekten.de

13 Sonderheft "Die Woche" Hausgärten. Skizzen und Entwürfe aus dem Wettbewerb der Woche. 1908.

14 Die Gartenwelt, 1917, Heft 6, S. 79.

15 www.kmkbuecholdt.de/historisches/sonstiges/ DWB1914_01.htm

16 Encke: Sondergärten im Park - Manuskript 1924. Zitiert nach Wiegand, Heinz: Entwicklung des Stadtgrüns in Deutschland zwischen 1890 und 1925 am Beispiel der Arbeiten Fritz Enckes, Berlin 1975, S. 57. und Musiolek, Alexandra: Blühende Gartenräume - Der englische Einfluss auf die Gestaltung und Pflanzenverwendung im deutschen Hausgarten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der Reihe: Landschaftsentwicklung und Umweltforschung - Schriftenreihe der Fakultät Architektur Umwelt Gesellschaft. Nr. S 15. Berlin 2005.

17 National Trust, 2010. Strategie-Papier: www.nationaltrust.org.uk/strategy/

18 Hubel, 2006, S.304 und s.a. den Tagungsband zur Jahrestagung der Vereinigung der Denkmalpfleger in Hamburg 2012 "Konversionen - Denkmal Werte Wandel". Schulze, Jörg: Sein oder Schein - Denkmalpflege als Inszenierung. In der Reihe: Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg Nr. 28, S. 203.

Dipl.-Ing. Karla Krieger
Autorin

Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur e.V.

Dipl.-Ing. Gabriele Schabbel-Mader
Autorin

Freischaffende Landschaftsarchitektin, Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur

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