TA-Lärm

Zur Feststellung von Bolzplatzlärm nicht anwendbar

Der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg hatte mit Urteil vom 23.05.2014, Az.: 10 S 249/14 über die Beschwerde eines Nachbarn zu entscheiden, der sich von dem Lärm, der von einem der Gemeinde gehörenden Bolzplatz ausging, gestört fühlte.

Der Kläger wohnte in einem allgemeinen Wohngebiet als Mieter in einer Dachgeschosswohnung auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Bolzplatzes in etwa 30 Meter Entfernung. Der Bolzplatz wurde durch jugendliche und junge Erwachsene zum Fußball- und Hockeyspielen genutzt, was von der beklagten Gemeinde auch ausdrücklich erlaubt worden war.

Als sich der Kläger weiterhin über den Lärm beschwerte, ließ die Beklagte eine Schallimmissionsprognose nach den Vorgaben der TA-Lärm anfertigen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Immissionsrichtwerte des allgemeinen Wohngebiets eingehalten wurden. Der Kläger war hiermit nicht einverstanden und erhob schließlich Klage mit dem Antrag, die Benutzung des Bolzplatzes zu untersagen, da er durch den Lärm überdurchschnittlich gestört werde und eine Unterhaltung und das Schlafen in seiner Wohnung nur bei geschlossenen Fenstern möglich sei.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in der Berufungsinstanz bei der Entscheidung des Falls einige rechtlich interessante Gesichtspunkte herausgearbeitet. Demnach kommt als Anspruchsgrundlage des Klägers für das Lärmminderungsbegehren allein der allgemeine öffentlich-rechtliche Abwehranspruch in Betracht, nicht aber das gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz möglicherweise verletzte immissionsschutzrechtliche Vermeidungsgebot.

Ferner sei auf den vorliegenden Bolzplatz die Vorschrift des § 22 Abs. 1a Bundesimmissionsschutzgesetz nicht anwendbar. Diese Vorschrift privilegiert Kinderlärm, gegen den bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen im Ergebnis kein Abwehranspruch besteht. Diese Vorschrift war jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht anwendbar, da der Benutzerkreis des Bolzplatzes nicht auf Kinder beschränkt war und er auch von Personen über 14 Jahren legal benutzt werden durfte.

Als schwieriges Problem stellte sich heraus, nach welchen technischen Regelwerken zu beurteilen war, ob der vom Bolzplatz ausgehende Lärm noch hinzunehmen war, oder nicht. Hierzu vertrat der VGH Baden-Württemberg die Ansicht, der von dem Bolzplatz ausgehende Lärm könne nicht abschließend anhand von technischen Regelwerken beurteilt werden. Weder die TA-Lärm, noch die Sportanlagenlärmschutzverordnung, noch die Freizeitlärmrichtlinie seien für den konkret betroffenen Bolzplatz anwendbar. Vorliegend könne nur die Sportanlagenlärmschutzverordnung einen Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung bieten, jedoch sei darüber hinaus eine individuelle Würdigung der von Spiel- und Freizeitanlagen ausgehenden Lärmimmissionen erforderlich.

Gemäß Ziffer 1a und b der TA-Lärm ist diese weder auf Sportanlagen, die der Sportanlagenlärmschutzverordnung unterliegen, noch auf sonstige nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen anwendbar.

Zwar sei die Freizeitlärmrichtlinie (LAI-Richtlinie Freizeitanlagen) nach ihrer Nummer 1 auch auf Freizeitanlagen anwendbar, die dazu bestimmt seien, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Die in Nummer 1 der Freizeitlärmrichtlinie aufgeführten Regelbeispiele für ihre Anwendbarkeit zeigten jedoch, dass die Richtlinie primär größere Freizeitanlagen mit technischen Einrichtungen und einem entsprechenden Störungspotenzial erfassen wolle.

Auch die Sportanlagenlärmschutzverordnung ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf den von dem betroffenen Bolzplatz ausgehenden Lärm nicht unmittelbar anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ließen die Beschreibungen des Anwendungsbereichs der Verordnung und die in ihrem § 3 vorgesehenen Maßnahmen erkennen, dass die Verordnung auf Sportanlagen anwendbar sein solle, die dem Vereinssport, Schulsport oder vergleichbar organisiertem Freizeitsport dienen. Der Verordnungsgeber habe jedoch nicht kleinräumige Anlagen im Blick gehabt, die auf regelmäßig unorganisierte, ohne nennenswerte Beteiligung von Zuschauern, Schiedsrichtern oder anderen Aufsichtspersonen stattfindende körperlich-spielerische Aktivitäten von Kindern zugeschnitten sein.

Der Verordnungsgeber der Sportanlagenlärmschutzverordnung sei davon ausgegangen, dass "Kinderspielplätze und freizeitsportliche Aktivitäten auf Sportgelegenheiten wie Wegen, Plätzen, Spielstraßen und Freiflächen ... nicht erfasst" würden. Dem schloss sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg an.

Der zu beurteilende Bolzplatz war daher als Anlage einzuordnen, die für unorganisierte freizeitsportliche Aktivitäten geeignet und bestimmt war. Dennoch sah der Verwaltungsgerichtshof in der Sportanlagenlärmschutzverordnung die am besten geeignete Grundlage für eine erste Beurteilung des entstehenden Lärms an, da diese den Besonderheiten des bei Sport und Spiel auftretenden Lärms hinreichend Rechnung trage. Die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen, die von derartigen Anlagen ausgingen, müsse jedoch wegen deren Atypik und Vielgestaltigkeit der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten bleiben.

Diese tatrichterliche Wertung ergab, ausgehend von Messungen auf Grundlage der Sportanlagenlärmschutzverordnung und unter besonderer Berücksichtigung der bei einer Inaugenscheinnahme ermittelten örtlichen Verhältnisse, dass der Kläger die vom Bolzplatz ausgehenden Geräuschimmissionen bei umfassender Interessenabwägung zu dulden hat. Entscheidend für das Gericht war, dass Bolzplätze im allgemeinen Wohngebiet nicht grundsätzlich unzulässig sind, für die spielerische und sportliche Betätigung Jugendlicher und junger Erwachsener sinnvoll sind, bei der hier vorliegenden rücksichtsvollen Bestimmung von Nutzungszeiten den Ruhebedürfnissen der Anwohner Rechnung getragen wurde und dass sportliche Betätigung im allgemeinen sozial adäquat und allgemein akzeptiert ist.

Insgesamt ist festzuhalten, dass bei Lärm von Sport- und Freizeitanlagen genau nach Benutzerkreis, vorgesehener Nutzung und tatsächlichen Gegebenheiten wie etwa baulichen Merkmalen zu differenzieren ist, um einzuordnen, welches technische Regelwerk die zutreffenden Anhaltspunkte für eine Einordnung der Schallimmissionen bietet.

Dr. Normen Crass, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main.

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Gärtner*in oder Forstwirt*in mit Spezialaufgaben..., Düsseldorf  ansehen
Aufsichtsperson I zur Ausbildung als Technische/r..., Niedersachsen Mitte  ansehen
Bezirksleitung Pflegebezirk für das Garten-,..., Düsseldorf  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen