Wie die Romantik bis ins 21. Jahrhundert wirkt - Tagungsbericht zur RheinMainRomantik

Zwischen Empfindsamkeit und wilder Natur

von:
Historische Parks und Gärten
Christian Georg Schütz d. Ä.: Rheinlandschaft bei Rüdesheim, 1774. Öl auf Lindenholz. Museum Wiesbaden (Foto, Sammlung), Inventarnummer M276

Ein gemächlich dahin fließender Strom, Weinberge, Burgen auf steil aufragenden Felsen und darüber der blaue Himmel. Das ist das Bild, das die Dichter der Romantik vom Rhein zeichneten, das Maler mit Stift und Farbe auf Leinwänden verewigten und später Fotografen vervielfältigten. Doch was ist heute angesichts von Romantik-Reisen, romantischem Wein-Wochenende und Candle-Light-Dinner noch von den ursprünglichen Ideen der Rhein-Romantik geblieben? Was charakterisiert Landschaftsgärten und Landschaft aus dieser Epoche als romantisch, beziehungsweise was wurde, was wird als romantisch empfunden?

Diesen Fragen nachzugehen hatten die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen und das Landesamt für Denkmalpflege Hessen zur Tagung "RheinMainRomantik. Wie Romantik bis ins 21. Jahrhundert wirkt" Fachleute aus Gartenkunst und -denkmalpflege, aus Literatur- und Kunstwissenschaft, Botanik, Geografie und Geschichte eingeladen.¹) Die Veranstaltung war Teil des vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain initiierten Schwerpunkt-Projekts "Impuls Romantik", das die Bedeutung der Romantik für die Region Frankfurt RheinMain genreübergreifend beleuchtet. Der nachfolgende Bericht gibt einen Einblick in die Schwerpunktthemen der Tagung.

Was ist eigentlich "Romantik"?

Dass es nicht leicht sein würde, den Begriff der Romantik in Bezug auf die Gartenkunst zu schärfen, machte Stefan Schweizer, Moderator des ersten Diskurses, zu Beginn deutlich. Zu offensichtlich sei im Vergleich zu anderen Kunstgattungen das Fehlen klarer Begrifflichkeiten, das daraus resultiert, dass die unterschiedlichsten Fachrichtungen sowohl an der Beschreibung als auch an der Deutung/Interpretation von Garten und Landschaft beteiligt sind.

Vordergründig steht Romantik erst einmal für alles, "was mit Gefühl zusammenhängt und damit ein Gegenbild zur technisierten Welt ist", so die allgemeine Auffassung. Ein offener Begriff also, der je nach Sichtweise gefüllt wird und wurde, denn eindeutig war er selbst zur Zeit der als Romantik bezeichneten Epoche nicht.

In seinem Eingangsvortrag zeichnete Adrian von Buttlar die Entwicklung der deutschen Landschaftsgärten auf dem Weg in die Romantik nach. Als Ausgangspunkt dienten Aussagen des Gartentheoretikers Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742-1792), zum Wesen der Romantik, wonach der romantische Garten "fast ganz ein Werk der Natur" ist und die Kunst "wenig Antheil" daran hat. Und: "Das Romantische und Bezaubernde in der Landschaft entspringt aus dem Außerordentlichen und Seltsamen der Formen ... Die Wirkungen des Romantischen sind Bewunderung, Überraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst."

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Historische Parks und Gärten
Burgruine im Staatspark Hanau-Wilhelmsbad. Foto: Oana Szekely (2011), Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen
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Die Rossel im Osteinschen Parkwald, Rüdesheim am Rhein, eine der frühesten künstlichen Ruinen in Landschaftsparks in Deutschland. Foto: Oana Szekely (2010), Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen

Vorbild für die deutschen Landschaftsgärten waren die englischen, die als Ideallandschaften den Gesetzen der Landschaftsmalerei gefolgt waren. Aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in dem damaligen deutschen Vielländer-Staat vollzog sich der Kulturtransfer jedoch keineswegs geradlinig und überall gleich. Auch die zeitliche Ungleichheit, in der sich in England bereits eine Weiterentwicklung vom klassischen Landschaftsgarten Browns zum sentimentalen Garten Chambers vollzogen hatte, führte immer wieder zu "Kurskorrekturen". Somit greift nach von Buttlar eine Einteilung in Stil-Perioden - naturalistisch, vorromantisch-sentimental, klassisch und romantisch-gemischt - für den deutschen Landschaftsgarten zu kurz.

Je nach Gartentyp und ideengeschichtlichem Hintergrund oder Intention (Modus) entstanden in ein und derselben Stilphase unterschiedliche Gartenausprägungen.

So umfasst die landschaftliche Gartenkunst die naturalistischen Eremitagen fürstlicher Gärten der Aufklärung (wie Sanspareil der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth ab 1744) ebenso wie die bürgerlichen Gärten der Empfindsamkeit, die der Flucht in die Innerlichkeit dienten, bis zu Volksgärten, wie dem Englischen Garten in München, die im klassischen Landschaftsstil einen reformerischen Ansatz verfolgten.

Auch die Landschaftsarchitektin Andrea Siegmund machte deutlich, dass sich in Landschaftsgärten nicht nur eine Weltanschauung widerspiegelt. Zur Unterscheidung von romantischen und nicht-romantischen Gärten des 18. und 19. Jahrhunderts hielt sie vier idealtypische Deutungsvarianten bereit, die kontrovers diskutiert wurden: aufklärerisch motiviert, der Empfindsamkeit zuzurechnend sowie romantisch und gegenaufklärerisch. Als ein Merkmal für die typische Ausprägung der Interpretation kann der Stil der verwendeten Staffagenarchitektur sowie deren gestalterische Einbindung in ihre Umgebung Auskunft geben. Beispielen der Ruinenarchitektur unterschiedlichster Ausprägung widmete die Baudenkmalpflegerin Anja Dötsch einen eigenen Vortrag.

Wie Romantik und Aufklärung in enger Wechselwirkung zu Konzeption und Rezeption von Garten und Landschaft standen, stellte der Germanist und Historiker Günter Oesterle vor. Auslöser romantischer Gefühle war eher die Landschaft, die landschaftliche Natur, denn "in einem Garten läuft die Natur mit allen ihren Plätzen nach" befand der romantische Dichter Ludwig Tieck stellvertretend für eine Generation, die dem Garten nüchterner gegenüber stand als die Generationen vorher und nachher. In der Landschaft wurde das Wilde, Unwegsame gesucht. Ein romantisches Merkmal, das sich durch die gesamte Literatur von Brentano über Eichendorff bis zu Tieck zieht, war, sich in der Natur zu verlaufen, vom Wege abzukommen. Auch wenn sich in dieser Zeit die Entgrenzung des Gartens zur Landschaft vollzog, suchte man im Garten eher Intimität. Man wollte sich nicht verlaufen, sondern "bei sich selbst ankommen", "in sich selbst versinken". Das führte wieder zur Wertschätzung alter Gartenformen, zur Rückkehr des hortus conclusus.

Als Beispiel für einen derartigen "romantischen Garten", der kein ausladender Landschaftsgarten war, sondern ein in sich geschlossener Rückzugsort, stellte Oesterle den Garten des Komponisten und Publizisten Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) in Halle vor. In Anlehnung an den Wörlitzer Park gestaltet war der Garten Treffpunkt von Künstlern, auch eines Kreises von romantischen Dichtern und Gelehrten, so auch Goethe, Brentano und Tieck. Diese suchten von hier aus jedoch eher den Blick in die Landschaft des Saaletals und schilderten diese in fast hymnischer Weise - die Beschreibung des Gartens durch seinen Besitzer, ein Anhänger der Aufklärung, nimmt sich dagegen sehr rational aus.

Historische Parks und Gärten
Auswahl von Landschaftsgärten beziehungsweise landschaftlich überformter Gärten in der Region Frankfurt Rhein Main. Foto: Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Inken Formann
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Deutsche Landschaftsgärten – Stil, Typus, Modus. Typus Volksgarten. Adrian von Buttlar: Grafik aus dem Vortrag am 20.9.2012 in Hanau-Wilhelmsbad

Deutlich war allen Vorträgen zu entnehmen, dass ein romantischer Garten oder eine Landschaft erst durch die Romantisierung des Vorgegebenen entsteht, also in der Spiegelung von Emotionen und Reflexion - dies insbesondere, wenn Landschaft oder Gärten in der Literatur "verewigt" werden. Dann entstehen "literarische" Orte, die durch die Überfrachtung mit Bedeutungen und Symbolik auch den Blick auf die umgebende Landschaft verändern. Je nach Bekanntheitsgrad gräbt sich eine solche Wahrnehmung ins regionale oder nationale Bewusstsein ein.

Konsens bestand auch darin, dass die Romantik charakterisiert ist durch eine gewandelte Wahrnehmung, jetzt aus der Bewegung heraus. Typisch ist eine Betrachtung von außen, der subjektive Blick verbunden mit Gefühlen. Ein in den Vorträgen wiederkehrendes Bild war die Szene, wie die Rheinlandschaft aus dem langsam über den Fluss gleitenden Schiff von den Romantikern schauend betrachtet und beschrieben wird.

Das Bild entsteht im Auge des Betrachters

Der veränderte Blick auf Garten und Landschaft zeigt sich auch in den anderen Künsten, in denen bei der Naturbetrachtung Details herausgezoomt und durch den Künstler interpretiert wiedergegeben werden.

Der Kunsthistoriker und Germanist Reinhard Wegener widmete sich in seinem Vortrag der Wechselwirkung von romantischer Malerei und Rezeption. Anhand von Bildern der Maler Jakob Philipp Hackert (1737-1807) und Caspar David Friedrich (1774-1840) machte er deutlich, dass die dargestellten Archetypen von Landschaft auf eine gebildete Käuferschicht ausgerichtet waren, die "Bild und Zitat" verknüpfend zu lesen wusste. Als Methode, das Auge gezielt auf die Landschaft als einer Illusion von Arkadien zu lenken, schoben die Maler zwischen den Betrachter und das eigentliche Bild im Vordergrund ein zweites Bild, meist in dunkleren Farben gehalten. Diese Malweise änderte sich nach 1800. Jetzt tritt der Prozess des Malens in den Vordergrund, das Bild wird skizzenhaft angelegt. Nur der Ausschnitt, der beim realen Sehen im Gesichtsfeld scharf wahrgenommen würde, wird präzise ausgemalt, zu den Rändern hin verschwimmt das Bild. Damit wird zugleich die Interpretationsebene suggeriert: "Das Bild entsteht im Auge des Betrachters". Im Mittelpunkt dieser Art von Malerei steht der Blick auf das Subjekt, nicht das Subjekt selbst.

Auch inspirierte der Garten als Ort der Begegnung, der Liebe und des Todes die romantische Musik. Die Gartenthemen aus der Lyrik wurden zu poetischen Liedern komponiert, in denen die Hohe Frau, die Gärtnerin, der vom Mond beschienene Garten, Blumen ... besungen werden. Anhand von Tonbeispielen machte die Musikwissenschaftlerin Ute Jung-Kaiser darauf aufmerksam, wie Text und musikalische Interpretation sich gegenseitig verstärken, wie Instrumentierung, Rhythmus, Tonart und Modulationen Gefühle ausdrücken und beim Zuhörer Bilder entstehen lassen. Es gab aber auch den umgekehrten Weg von der Musik zum Garten, ihn ging Richard Wagner: Er suchte einen Garten, um sich für das Bühnenbild zu Klingsors Zaubergarten im Parsifal inspirieren zu lassen - und fand ihn an der Villa Rufolo in Ravello an der Amalfiküste.

Eine völlig andere Seite der Romantik - das Ordnen, Systematisieren und Typisieren, blätterte der Biologe Hansjörg Küster auf: Bei der Kartierung der Alpennatur in der Schweiz zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatte man Höhenstufungen bei Vegetationsvorkommen festgestellt, die sich beim Vergleich mit anderen Gebirgen bestätigten. Und so wurde die Typisierung und Zonierung der Schweiz als Modell für eine potenzielle Vegetation und Verbreitung von Tieren auf die gesamte Welt übertragen. Die darauf basierenden Karten - nach Küster eigentlich als pädagogisches Material gedacht und nicht als eine reale Abbildung - zeigten also vermeintlich, was wo zu wachsen hatte, was man dort erwartete. "So brachte man die Natur in Ordnung", war Küsters Fazit.

Andererseits stand das Bild der halboffenen Weidelandschaft, wie sie zum Beispiel die Gemälde Claude Lorrains darstellen, Pate bei der Gestaltung von Garten und Landschaft. Doch immer wurden gestalterische Prinzipien und angestrebte Nutzungen mit einander verbunden.

Mit der Lüneburger Heide stellte Küster eine solche Kulturlandschaft vor, die bereits in der Romantik als "Natur" galt. Durch die kulturelle Aufladung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere im Nationalsozialismus, ist sie zum Inbegriff von romantischer Landschaft geworden ist. Dabei geraten häufig die Nutzungsspuren, die das Bild der Heide prägen, in Vergessenheit, da viele sie nicht lesen können.

Wie romantisch ist unsere Gegenwart?

Jemanden in der aktuellen Kunstszene zu finden, der sich zur Romantik bekennt, dürfte schwierig sein. Zu groß ist die Abneigung gegen alles, was damit assoziiert wird: Sentimentalität, Nähe zu Kitsch, Naivität - und auch der Missbrauch romantischer Ideen in der Vergangenheit. Und doch macht der Kunsthistoriker und Publizist Christian Saehrendt Tendenzen in der heutigen Kunstszene aus, die eindeutig als romantisch einzuordnen sind.

Das fängt mit der Liebe zum Morbiden, zu Ruinen, an. Heute sind es vor allem die Reste einer vergangenen Industrieepoche, wie alte Lagerhallen und verlassene Produktionsstätten, die ähnlich den Ruinen der Romantik mit Leben gefüllt werden. Saehrendt nennt das "Kostümparade". Auch die Umgestaltung von Schrott zu Skulpturen habe etwas Ruinenhaftes an sich. Ein Beispiel dafür ist die monumentale Metallschrottskulptur von Lara Favaretto auf der Dokumenta 13: "wie eine Landschaft mit Türmen - bei Sonnenuntergang ganz romantisch".

Das romantische Verlangen nach Unmittelbarkeit und Einmaligkeit wird aktuell durch die Kunstform der Performance bedient, der im Gegensatz zur Aktionskunst des Happenings nach Saehrendt eine "sakrale Ernsthaftigkeit" anhängt. Sie vermittelt den Zuschauern das "Erleben eines wertvollen Augenblicks" - und das im direkten Kontakt zum Künstler.

Historische Parks und Gärten
Schrottskulptur der Künstlerin Lara Favaretto, documenta 13 Kassel. Foto: Kathrin Rost, aus dem Vortrag von Christian Saehrendt am 20.9.2012 in Hanau-Wilhelmsbad
Historische Parks und Gärten
Komische Kunst im Grüngürtel Frankfurt. Foto: Stefan Cop, Abbildung aus dem Vortrag von Lydia Specht am 21.9.2012 in Bad Homburg v. d. H.

Und schließlich sind im Selbstbild der Künstler Anknüpfungspunkte zu finden. Wie viel von Eichendorffs "Taugenichts" steckt in Künstlerbiographien, die den Rückzug aus einer 'perversen', 'ausbeuterischen' Arbeitswelt sowie das Scheitern daran, zelebrieren, um den anschließenden Aufstieg zu überhöhen? Offensichtlich scheint auch der Drang, sich in seiner Individualität immer wieder neu zu erfinden mit dem gleichzeitigen Zwang, sich gegenüber der Gesellschaft legitimieren zu müssen. Saehrendt ist überzeugt: "Das Erbe der Romantik ist unter einer dicken Kruste von Kitsch intakt".

Wenn Romantik für Überraschung, In-Erstaunen-versetzen, für den anderen Blick auf eine Situation steht, dann gibt es Romantik auch in alltäglichen Freiräumen, ja sogar an Unorten, und nicht nur in den zahlreichen landschaftlichen Gärten der Rhein-Main-Region, die auf ihren Romantik-Gehalt untersucht wurden. Diesen Part übernimmt im Frankfurter Grüngürtel zum Beispiel die 'Komische Kunst'²), die den anderen Blick auf gewohnte Situationen durch Ironie provoziert, oder eine zauberhafte Installation, die selbst eine dunkle Unterführung zu einer romantischen 'Grotte' werden lässt.

Ein eindeutig romantisches Vorbild hat auch die Neugestaltung³) des aufgelassenen Flughafen Frankfurt-Bonames: das Bild "Eismeer" von Caspar David Friedrich. Den dortigen Eisschollen gleich verwerfen sich die aufgebrochenen Betonschollen der ehemaligen Start- und Landebahn und lassen der Veränderung durch die Natur Raum. Gleichzeitig sind sie Zeichen für einen Aufbruch, eine neue Nutzung.

Dass die Menschen sich gerne an romantische Orte führen lassen, zeigt die hohe Nachfrage bei den angebotenen Themenspaziergängen in Frankfurt. "Begegnung mit den Brentanos" oder "Auf dem Hölderlinpfad" führen zu literarischen Orten, bei denen die Beteiligten mit Szenen, Zitaten eine andere Sicht auf Landschaft erhalten. Für die Landschaftsarchitektin Lydia Specht sind das nicht nur Möglichkeiten, Orte zu zeigen, an die die Bevölkerung sonst nicht käme, sondern auch "grüne" Themen an die Allgemeinheit heranzutragen.

Romantik - ein Impuls für die Landschaft von morgen

Seit 2002 steht das Obere Mittelrheintal von Bingen/Rüdesheim bis Koblenz auf der Welterbeliste der Unesco. Aufgenommen wurde es als "Kulturlandschaft von großer Vielfalt und Schönheit". Die Romantik, die doch die heutige Wertschätzung des Rheintals wesentlich mitgeprägt hat, spielte nach Landesdenkmalpfleger Gerd Weiß bei der Aufnahme jedoch kaum eine Rolle. Er zeichnete die Entwicklung dieser besonderen Kulturlandschaft in ihrer Wechselwirkung von Realität und Mythos nach und führte aus, wie sich die Wahrnehmung des Rheins und dessen Darstellung in Literatur, Bild und Musik mit der emotionalen Aufladung wandelte. Mit dazu beigetragen haben im 19. Jahrhundert politische Konstellationen, in deren Verlauf der Fluss zum nationalen Symbol, zum "Deutschen Rhein" wurde. Alle romantischen Aspekte in ihrer Gesamtheit bieten nach Weiß ein Potenzial beim zukünftigen Umgang mit dieser Landschaft, die aufgrund vergangener Prägungen in der Welterbeliste steht.

Mit der Frage, welche Bedeutung die verstärkte Hinwendung zur Romantik in einer zukünftigen Landschaftsgestaltung allgemein hat, setzte sich der Geograph Olaf Kühne in seinem Abschlussvortrag auseinander. Die Ursachen für eine Abkehr vom rein Rationalen und Funktionalen und der Sehnsucht nach Emotionen, sieht er als Gegenbewegung zur "Entzauberung" durch die Moderne. Die Postmoderne ist dagegen von einer zunehmenden Unsicherheit des Einzelnen geprägt, der auf sich gestellt nach Deutungen und Lösungen sucht. Die Folge davon sei eine "radikale Pluralität", die sich auch in den Erwartungen an das Aussehen von Landschaft und Ansprüchen an deren Nutzbarkeit niederschlägt. Individualinteressen, die häufig nicht mit denen der Fachleute kongruent sind, bestimmen die öffentliche Diskussion. Vor allem eine schnelle und/oder radikale Veränderung von Landschaft stößt fast immer auf Widerstand, wobei ein und derselbe Prozess bei verschiedenen Gruppen unterschiedliche Reaktionen auslösen kann. Ein Beispiel war das Freilegen von verbuschten Hängen: Die ältere Generation, welche die freien Hänge noch aus ihrer Jugendzeit in Erinnerung hatte, stimmte der Veränderung zu - für sie ein Rückwärtsschritt zu Bekanntem. Die Jüngeren waren dagegen, weil sie sich der Orte ihrer Jugend- und Kindheit beraubt sahen. Spielt Romantik also auch eine Rolle bei aktuellen Planungsvorhaben?

Das wissenschaftliche Auffächern und fachliche Qualifizieren von Maßnahmen sei eine, das Problem der Wertentscheidung und ihrer Vermittlung die andere Seite, sagte Kühne und machte unmissverständlich klar, dass es nicht genüge, Werte zu definieren: "Das war Moderne, jetzt ist Postmoderne". Zwar müssten Deutungsmuster vorgegeben werden, doch dann gelte es, diese sowohl den Beteiligten zu vermitteln und sie an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Gleichzeitig gelte es aber auch, strategisch zu planen, wie die fachlichen Vorgaben politisch in Wählerstimmen umgemünzt werden können.

Ein Wiederanknüpfen an die Romantik ist für Kühne möglich, weil Landschaft keinem mehr (ausschließlich) normativen Anpassungsdruck der rationalistischen und funktionalistischen Zurichtung unterliegt. Erwarten würden die Menschen dagegen physische Strukturen, denen sie Bedeutungen jenseits von Funktionen zuschreiben können. Liegt diese Bedeutung im Historischen, dann scheint allerdings oftmals die Kulisse auszureichen.

Den Fachleuten als vermeintlichen Trägern des "legitimen Geschmackes" im Sinn Bordieus4) rät Kühne, die der Postmoderne inne wohnenden Mechanismen zu erkennen und zu nutzen - und gegebenenfalls mit Ironie zu begegnen, denn "(auch) Kitsch, so will es zumindest die Toleranzästhetik unserer Tage, gilt als richtiger Ausdruck richtiger Bedürfnisse"5).

Historische Parks und Gärten
Teufelsbrücke im Staatspark Hanau-Wilhelmsbad. Foto: Oana Szekely (2011), Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen
Historische Parks und Gärten
Freundschaftstempel, Staatspark Fürstenlager, Bensheim-Auerbach. Foto: Oana Szekely (2012), Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen

Fazit

Von einer allgemein gültigen Definition und einer eindeutigen historischen Einordnung der Romantik in der Gartenkunst war man am Ende der Tagung immer noch weit entfernt, im Gegenteil: Der Begriff war in Kenntnis der unterschiedlichen Fragestellungen und Herangehensweisen, der vielen Einzelinformationen und der Verwobenheit der Disziplinen schillernder als zu Beginn. "Aus wissenschaftlicher Sicht ein Traumergebnis", wie Stefan Schweizer am Ende des ersten Diskurses bereits anmerkte, - aber auch ein Hinweis darauf, wie viel Forschung noch notwendig ist.

Doch auch die Praktiker kamen auf ihre Kosten, denn die Kurzvorträge, in denen die Landschaftsgärten der Region Rhein-Main auf ihren Romantikgehalt geprüft wurden und die Exkursionen gaben beispielhaft Anregungen für die eigene Arbeit vor Ort.

Es lohnt sich, auf die Veranstaltungsdokumentation zu warten, um die hochkarätigen Vorträge nachzulesen.6)


Anmerkungen

Die Abbildungen wurden mit freundlicher Genehmigung von den Autoren sowie von der Verwaltung der Schlösser und Gärten Hessen zur Verfügung gestellt.

¹) Die unter Leitung von Dr. Inken Formann konzipierte Tagung fand vom 19. bis 22. September 2012 in Hanau-Wilhelmsbad und Bad Homburg v. d. H. statt. Beteiligt waren als Kooperationspartner: Museum Wiesbaden, KulturRegion FrankfurtRheinMain, Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur DGGL, Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur e. V., Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover sowie die Städte Bad Homburg v. d. H., Hanau und Rüdesheim. Ermöglicht wurde die Veranstaltung durch den Gemeinnützigen Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH.

²)www.frankfurt.de/sixcms/detail.php. [14.10.2012]

³) Die Planung stammt vom Büro GTL, Gnüchtel - Triebswetter - Landschaftsarchitekten GbR, Kassel, und wurde 2005 mit dem Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis ausgezeichnet.

4) Kühne bezieht sich auf Bourdieu, P. (1987 [1979]): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.

5) Kühne zitiert Liessmann, K. P. (2002, hier, S. 26-27): Kitsch! Oder warum der schlechte Geschmack der gute ist. Wien.

6) Geplanter Erscheinungstermin: Ende März 2013 zusammen mit dem Katalog zur Ausstellung "Rheinromantik Kunst und Natur" 22.03.-28.07.2013 im Museum Wiesbaden.

Dr. Ursula Kellner
Autorin

Landschaftsarchitektin AKN und Fachjournalistin DFJV, Redaktionsleiterin „Stadt und Grün“ von 2001 bis 2011

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