EXPO 2015 in Mailand: „Feeding the Planet: Energy for Life“

Zwischen grüner Dekoration, Zukunftsbildern und Tourismus

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In diesem Jahr findet die Expo unter dem Motto "Feeding the Planet: Energy for Life" in Mailand bis 31.10.2015 statt. Es müsste in den 149 Pavillons - so könnte man meinen - um das Thema "Landwirtschaft, Agrarlandschaftsentwicklung, Selbstversorgung, neue Gartenstrukturen und Zukunftsszenarien für die Nahrungsmittel" gehen, alles Felder die uns als Landschaftsarchitekten direkt angehen oder mittelbar betreffen.
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Exotische Bilder am vietnamesischen Pavillon. Fotos: Jürgen Milchert
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Der Eingang in den österreichischen Bergwald.

Der weltweite Wandel der Kulturlandschaften hin zu industriellen Landschaften, das weiterhin ungebrochene Wachstum der Städte und der erdklimatische Veränderungsprozess stellen für die heute schon sieben Milliarden Menschen ein existenzielles Problem dar. In jeder Nachrichtensendung wird man mit den daraus resultierenden Folgen konfrontiert, seien sie politisch, ökonomisch oder ökologisch. So durfte man sehr ge-spannt zum Mailänder Messegelände fahren.

Das Ausstellungskonzept der diesjährigen Expo lehnt sich an die lineare Grundstruktur einer historischen römischen Stadtgründung an: Entlang einer breiten Hauptachse (dem römischen Cardo) mit einer etwa zwei Kilometer transparent überdachten Hauptachse sind die einzelnen Länderpavillons aufgereiht. Das Zentrum (das Forum) kreuzt eine kleinere Nebenachse (Decumanus) mit den italienischen Provinzpavillons und dem Höhepunkt, dem riesigen weißen italienischen Pavillon. Entlang dieser Grundstruktur ist eine Art Raster gebildet, wo die kleinen und großen Länderpavillons liegen. Als weiteren optischen Höhepunkt gibt es unweit des italienischen Pavillons einen Parksee samt floral aufgehübschtem Expo-Turm. Dort finden auch die meist musikalischen Großveranstaltungen statt. Die Kosten der Expo belaufen sich auf rund 2,5 Milliarden Euro und man rechnet mit etwa 20 Millionen Besuchern. Eine Zahl, die kaum erreicht werden kann. Dies lässt sich heute schon anhand der riesigen leeren Parkplätze und des großen neuen Bahnhofes mit wenigen Menschen und kaum geöffneten Geschäften sagen. Erwartete man in diesem halben Jahr wirklich 20 Millionen Besucher, so müssten ja etwa 120.000 bis 150.000 Menschen täglich die Expo besuchen, was durch die Infrastruktur und bauliche Fülle kaum zu bewältigen wäre. Mir fiel bei meinen Besuchen Anfang und Mitte Mai auf, dass viele italienische Schulklassen zu sehen waren, ein probates Mittel, die Besucherzahlen nach oben zu treiben. Dagegen konnte man auffällig wenig asiatische Besucher sehen, was vermutlich einer mangelhaften Bewerbung geschuldet ist.

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Der Aufgang zum brasilianischen Pavillon.

Motto und Botschaft der Expo 2015

Wie so oft bei derartigen Megaausstellungen wird man von der Bildermacht der Länderpavillons, der Restaurationsbetriebe, der Nahrungsmittelindustrien und anderen Firmensponsoren regelrecht überflutet. Rund ein Drittel aller Länderpavillons sind rein auf Tourismus und Verkauf ausgerichtete Länderwerbeveranstaltungen, ein weiteres Drittel sind (macht)politische Selbstdarstellungen und nur rund 20 Pavillons sind für uns als Landschaftsarchitekten wirklich spannend, weil sie neue Sichtweisen oder Nachdenkliches bieten, uns mit Ungewohntem konfrontieren oder zu heftigem Widerspruch herausfordern.

Weltweit bekannt scheint die Tatsache, dass die heute schon rund sieben Milliarden Esser, die aufgrund der demografischen Entwicklung bis zum Jahre 2030 auf rund neun Milliarden Menschen steigen dürften, eine echte Herausforderung für Gartenbau, Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie sind. Die in Mailand gezeigten Lösungsansätze liegen aber kaum darin, Einsparungs- und Umverteilungsstrategien der heute schon vorhandenen Nahrungsmittel zu entwickeln und umzusetzen (etwa 30 bis 40 Prozent aller heute produzierten Lebensmittel wird weggeworfen!), sondern die großmäulig verkündete Botschaft geht dahin, durch den Einsatz von mehr Kunstdünger, raffinierten Genveränderungen oder neuen industriellen landwirtschaftlichen Verfahren immer mehr Konsumenten sättigen zu können. Geradezu beispielhaft kann man das in den Pavillons der USA, Russlands, Chinas, Israels und der Niederlande sehen, wo der Besucher vorausschauend schon ein Kochbuch für In-vitro-Fleisch, also biochemisch erzeugtes Laborfleisch, erstehen kann. Überhaupt scheint es weltweit kaum Zukunftspessimismus zu geben: Viele "Entwicklungsländer" sind stolz, den Produktionsstandard der "fortgeschrittenen" Länder erreicht zu haben oder erreichen zu wollen. Die technologischen Fortschrittsländer propagieren das "Anything Goes" und die wenigen zum Nachdenken angelegten Pavillons sind oft mit Informationen überfrachtet. Der erstmals bei einer Weltausstellung zu findende Pavillon des "Heiligen Stuhles" mit dem Abendmahlsbild des venezianischen Malers "Tintoretto", einem den schäbigen Hunger in Slumgebieten zeigenden Film und einer drastischen Fotostrecke der gegenwärtigen weltweiten Konflikte bildet in Mailand die erwähnenswerte kritische Ausnahme. Ein interaktiver Tisch im Pavillon weist daraufhin, dass es bei der menschlichen Nahrung nicht nur um die Sättigung geht, sondern, dass das (gemeinsame) Essen ein existenzielles Kulturgut der Menschheit ist, das in vielen Ritualen, Religionen und Regeln Eingang gefunden hat. Die Kultivierung des Essens spielt ansonsten eine eher unbedeutende Rolle, sieht man von der Vielzahl von recht teuren Restaurants ab, in dem man recht gut Essen kann.

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Transparente Blütenlandschaften erzeugen elektrischen Strom.
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Der Expo-Turm markiert den Forumbereich.
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Vertikale Felder an der Außenmauer des israelischen Pavillons.

Selbst dort, wo es eigentlich schwierige ökologische Zusammenhänge gibt, etwa beim Überlebenskampf der Biene, die ja nach dem Rind das zweitwichtigste Nutztier des Menschen ist, kommt man in einem betont niedlichen Design daher. So feiert der Pavillon Großbritanniens die fleißige Biene mit einem gefälligen Arrangement von aus Roststahl begrenzten Blumenwiesen, einer begehbaren Wabenkonstruktion und dem Verkauf von Honigprodukten. Mir fiel auf, dass das beruhigende Vogelgezwitscher aus Lautsprechern erklang, die in den Blumenwiesen eingesteckt waren. Anfang Mai fand ich, trotz systematischer Suche, nicht eine einzige reale Biene in der Blumenwiese. Das Albert Einstein zugewiesene Zitat verlangt da schon mehr Ernsthaftigkeit: "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr."

Nachdenklicheres findet sich in den Pavillons der Schweiz, Südkoreas, Deutschlands und Österreichs. Der Schweizer Pavillon, der aus vier Nahrungsmitteltürmen besteht, veranschaulicht das Thema Überfluss, Mangel und Nachhaltigkeit optisch nach innen und außen. Die Besucher können sich Packungen mit Salz, Apfelringen, Schokolade und Wasser kostenlos mitnehmen. Die vier Türme leeren sich allmählich. Besonders gut gefallen hat mir der Ansatzpunkt der kleinen Nebenausstellung im Schweizer Pavillon: Das berühmte Zitat von den möglichen weltweiten Auswirkungen des Flügelschlages eines Schmetterlings, der anderswo einen Tornado auslösen kann, also dass das ganz Kleine ganz Großes bewirken kann, wird versucht, an Basel aufzuzeigen. Basel mit seinen 190.000 Einwohnern ist zwar nur eine kleine Stadt in einem kleinen Land, hat aber einen weltweiten "Spirit". Der drückt sich darin aus, dass Friedrich Nietzsche hier Weltphilosophie schrieb, Arnold Böcklin mit seiner "Toteninsel" eine neue romantische Trauersymbolik hervorbrachte oder in Tadeus Reichstein, der das synthetische Verfahren zur Gewinnung von Vitamin C entdeckte. Rudolf Steiner schuf in Dornach am Stadtrand von Basel mit dem "Goetheanum" das weltweit beachtete Zentrum der Anthroposophie und mit der "Art Basel" ist die spannendste und größte weltweite Messe für zeitgenössische Kunst enstanden. Manche Flügelschläge sind mir etwas zu groß geraten, aber es wäre doch unglaublich spannend, ein Ausstellungskonzept zu finden, das die kleinen Dinge "feiert", statt sich auf den üblichen Wettbewerb der Superlativen einzulassen.

Mit dem Beitrag "Breathe Austria" rückt Österreich die Luft als wichtigstes Lebensmittel der Menschheit in den Fokus der Expobesucher. Der nur 600 Quadratmeter große Pavillon unseres Nachbarlandes wurde zum Bergwaldstück mit zahlreichen Bäumen, Sträuchern und Pflanzen. Der Pavillon soll klimaneutral sein. Die rund 43.000 Quadratmeter Blattoberfläche des Waldes sollen pro Stunde gut 60 Kilogramm Sauerstoff erzeugen und pro Tag knapp 100 Kilogramm CO absorbieren. Durch neuartige Farbstoff-Solarzellen soll der Pavillon energieneutral sein. Viel spannender als diese technischen Daten ist allerdings die gärtnerische Inszenierung eines naturwüchsigen Bergwaldes, der innerhalb der Expohektik einfach Zeit zum Durchatmen lässt. In diesem Pavillon zeigen sich außerdem gute Ansätze, wie man "Natur" mit virtuellen Geräten vernetzen kann. Denn nur aus Kenntnis entsteht Interesse und manchmal auch Umweltengagement. So kann man mit speziellen Ferngläsern den Wald betrachten und sich in einer Art vernetztem Blickfeld über die speziellen Pflanzenarten und ökologischen Zusammenhänge informieren. Diese unkomplizierte Vernetzung von realer und digitaler Welt halte ich für eine der wichtigsten landschaftsarchitektonischen Herausforderungen des nächsten Jahrzehntes.

Der Deutsche Pavillon, der rund 50 Millionen Euro gekostet hat, kommt typischerweise mit der belehrenden Attitüde unseres Landes daher: An der deutschen Umwelttechnologie soll der Planet genesen! Es gibt zwei Eingänge, man kommt über einen großzügigen Auftritt auf das Dach des Pavillons. Dabei läuft man über verschiedenfarbige Holztrittflächen, die an das unregelmäßige Muster der deutschen Feld- und Wiesenlandschaft erinnern soll, ein Blick, den man erhält, wenn man über Deutschland fliegt. Der "deutsche Vogelblick" ist anders als der auf die geradlinige Niederlande, auf das weidenbestimmte England, auf die riesigen Felder östlicher Staaten oder die Wälder Skandinaviens oder bergbestimmten Regionen. Auf dem Pavillon stehen große Blüten, die mit neuartigen Photovoltaikfolien beklebt sind. Über sie kann man mit den Besuchern des Pavillons in Kontakt kommen, denen eine Reihe von Besonderheiten geboten werden, wie beispielsweise eine Art Kartontablett, auf dem wie von Zauberhand in der jeweiligen Sprache des Besuchers Informationen erscheinen. Abgerundet wird der deutsche Pavillon durch eine Freiluftbühne, die von den einzelnen Bundesländern bespielt wird. Alles in allem ist der deutsche Pavillon interessant, vielleicht wird einem hier zuviel geboten.

Spannend ist außerdem der brasilianische Pavillon, der ein großartiges Eingangsnetz besitzt, das vor allem die jungen Besucher anzieht. Sehr gelungen fand ich auch den ganz in Weiß gehaltenen Pavillon Südkoreas, der selbstkritisch unsere Art des Nahrungskonsums hinterfragt. Architektonisch interessant ist vor allem auch der zweite Pavillon Chinas, mit dem der Meister des harten Winkels, Stararchitekt Daniel Libeskind, zeigt, dass er auch abgerundet asiatisch und beinahe schneckenhausähnlich bauen kann. In diesem Pavillon Chinas, der von seinen verschiedenen Staatsländern bestückt wurde, wird eine bunte Leistungsschau gezeigt. Man betritt einen prachtvollen kreisrunden Raum, an dessen Wänden die Filmaufnahmen eines Bambuswaldes im Schneetreiben gezeigt werden: Man möchte endlich einmal die laute Hektik ausatmen, schon erscheinen zwei laut kreischende schrille comichafte Pandas, die einem die Illusion rauben, etwas könnte still und erhaben sein und einfach noch für sich selbst wirken. Prachtvoll überladen wirken die meisten neureichen Länder der arabischen Halbinsel. Allein Katar hat ein interessantes Raumkonzept, das eine Einheit aus einem weißem Innenraum und pflanzengrünen Außenräumen bietet. Ausstellungsdidaktisch gelungen ist auch der Pavillon Israels, wo Film und Moderation ineinander übergehen.

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Im Eingangsbereich des Südkoreanischen Pavillons befindet sich eine völlig künstliche Miniaturlandschaft, in der selbst das Wasser ein Bildschirm ist.
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Blick auf das Slow-food-Häuschen.
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Die typische Freiraumgestaltung auf der EXPO, Rollrasen mit Gemüsebeeten.

Landschaftsarchitektur als dekoratives Moment

Schaut man sich einmal die Ausstellungsthemen und die Außenraumgestaltungen der Expo 2015 an, so zeigt es sich, dass nicht die Themen "Garten" und "Landschaft" im Mittelpunkt der meisten Installationen stehen, sondern das Thema Nahrungs- und Agrartechnologie. Auch das öffentliche Grün auf dem Expo-Gelände ist eine Randerscheinung. Es ist anzunehmen, dass der Expo-See und einige Kanäle bestehen bleiben dürfen. Anders als beispielsweise auf der Expo 2000 in Hannover sind in Mailand kaum anspruchsvolle öffentliche Freiräume zu finden. Allerdings sind verschiedene Tendenzen augenfällig, die mit der Ausstellungsarchitektur zu tun haben:

Die Zwischenräume sind meist aus Rollrasen und Rostkanten begrenzten Gemüsebeeten gestaltet. Was früher die Blumen waren, sind heute modischerweise die Gemüsepflanzen. Nicht das Urban Gardening oder Urban Farming als Lebenskultur stehen im Vordergrund, sondern die Pflanzen verkommen zum rein dekorativen Element. Auch an den Wänden zahlreicher Pavillons finden sich überall vertikale Felder und Gemüsegärten. Bei der heutigen Popularität der Gemüsegärtnerei könnte es sich aber auch um einen Wink des Zeitgottes Chronos handeln, der hier vielleicht das Nutzgartenbild und seine Schönheiten schon alltäglich und präsent ins Bewusstsein der Menschen verankert. Dadurch wird es uns leichter fallen, einer eventuellen tatsächlichen Nahrungsnotsituation - wie so oft in der Gartengeschichte - mit einem allgemeinen, auch ästhetisch akzeptierten Gemüseanbau zu begegnen. Während vor etwa zwei Generationen bei uns der "schöne" Rasen-Koniferen-Garten die Nutzgärten ersetzte, findet gegenwärtig eine Gegenrevolution statt: Schon heute führen Verarmungstendenzen, etwa in den Ländern rund um das Mittelmeer, zu einem Wandel der Gartenkultur hinzu Agrar-, Gemüse- oder Obstgärten. Bisher ist es in Deutschland so, dass man zwar überall in Stadt und Land für die Gemüse- und Obstgärtnerei politische und mediale Unterstützung findet, aber nur dann, wenn sie nicht aus einer wirtschaftlichen Notsituation heraus entsteht. Es geht um Schönheit, Echtheit, Selbständigkeit und Ökologie, aber nicht um Armut. Urban Gardening ist ein pseudoexotischer Lebensstil, den man in der "Landlust" nachlesen kann. Vielleicht handelt es sich bei den vielen Gemüsebeeten und dem breiten Diskurs über die neue Leidenschaft der Gemüsegärtnerei aber auch um einen kleinen Wink aus der Zukunft, dass Modisches auch einmal existenziell werden kann.

Ein weiterer Trend, der in Mailand sichtbar wird, ist die Vertikalisierung des Grüns. Große Beachtung finden die beiden innenstadtnahen Wohnhochhäuser, die einen vertikalen Wald als Außenhaut tragen. Wahrscheinlich werden sie später das Wahrzeichen der Expo Mailand sein, obwohl sie gar nicht auf dem Expo-Gelände stehen. Architekt Stefano Boeri bepflanzt die Wände und Balkone der Wohntürme mit 750 Bäumen, 4000 Büschen und 40.000 Bodendeckern. Gefühlt jeder fünfte Länderpavillon besitzt eine grüne Außenhaut aus Gemüsepflanzen, Getreide oder Kräutern. Das Grün geht die Wände hoch, aber nicht mehr traditionell als Rankgewächs, sondern als vertikale Felder oder Weiden. Auch innerhalb der Pavillons ist allerhand grünes Essbares zu finden. Augenfällig ist allerdings der schlechte Pflegezustand, wie überhaupt die gärtnerische Unterhaltungskunst nicht besonders ausgeprägt ist.

Ein Lichtblick ist das Gelände der "Slow food Bewegung", die ja vor gut 25 Jahren in Italien als Gegenentwurf zum "Fast Food" entstanden ist und wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Weltausstellung sich das Motto "Feeding the planet" gab. Ihr Gründer Carlo Petrini setzt seine Essenskultur mit "Gut, Sauber und Fair" gegen die "Fast-Food-Kultur", die man am US-Pavillon oder gleich bei den Fast-Food-Ketten auf dem Expo-Gelände bewundern kann. In der Slow-Food-Philosophie steht der Essensgenuss im Vordergrund, was bedeutet, dass die Lebensmittel zum Wachsen und Gedeihen Zeit brauchen, sie eine ökologische, regionale, kulturelle und ästhetische Qualität haben müssen. Auf der Expo gibt es ein kleines Slow-Food-Gelände, wo viel Grünes und Informatives zu sehen ist und es auch die Möglichkeit gibt, spielerisch Slow-Food zu lernen - was nicht nur für die Kinder spannend ist. Ich hätte mir gewünscht, dass es speziell mehr Informationen über die erste gastronomische Universität im nur wenig von Mailand entfernten Bra gibt. Immerhin kann man zwischen den Holzhäusern der Slow-Food-Bewegung erahnen, dass die grünen Nahrungsmittel nicht nur dekorativ sind, sondern auch ihre spezielle Energie sowie Kraft ausdrücken, um wahrscheinlich die engste Verbindung von Pflanze und Mensch zu bilden. Auch in unserer Gärtnerzunft ist ja leider seit den 60er-Jahren die Verbindung zu essbarem Grün verloren gegangen. Auch ist manche Pflanzenschönheit essbar und manches Verborgene besitzt einen besonderen Heilwert. In unseren Lehrveranstaltungen sind seit rund 50 Jahren die Nutzpflanzen ausgegrenzt. Das ließe sich ändern. Wir pflanzen beispielsweise in immer stärkerem Maße bei Straßenbäumen nicht mehr das Wachsende, sondern Zustände, die alle 20 bis 30 Jahre zur Freude der Baumschulen ersetzt werden.

Interessant ist es auch, die verschiedenen Ausstellungsstrategien zu vergleichen und die sich daraus ergebenden Pavillonarchitekturen. Vielleicht kann man daraus auch für Gartenschauen und gärtnerische Events lernen: Die besseren Raumlösungen für die großen Pavillons besitzen fast immer zwei Eingangsbereiche. Da gibt es das große Entree, beispielsweise den großen Netzaufgang und den funktionalen Eingang im brasilianischen Pavillon oder den Dachaufgang im deutschen Pavillon und den eigentlichen Eingang in das Ausstellungsinnere. Großmächte oder Staaten, die sich dafür halten, bevorzugen den großen Auftritt. Sie sind nicht wie eine weitere Perle nah an der breiten Fußgängerstraße gebaut, sondern liegen wie ein Barockschloss in gebührender Entfernung: Repräsentativer Blumenschmuck (China), eine gold-gewaltige Überdachung (Russland) oder ein fast landschaftlicher Auftritt mit allerlei Nutzpflanzenbeete (Frankreich) locken in den Pavillon. Dann gibt es zeichenhafte nach außen fast spartanische Pavillons (Vatikan, Iran), die ihre Kraft nach Innen entfalten, aber auch Pavillons, die nach dem Marktschreierprinzip funktionieren oder politisch indoktrinieren wollen.

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Demeter, die (eigentlich griechische) Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin – ein 2500 Jahre altes Original.

Zusammenfassung und Ausblick

Leider ist die Expo 2015 - wie heutzutage so viele Großveranstaltungen - mit großen Sicherheitsvorkehrungen verbunden. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern hemmt auch das Entstehen einer Atmosphäre des Freundlich-Friedlichen-Miteinanders. Obwohl das Expo-Gelände bis etwa 22.00 Uhr geöffnet ist, findet sich hier wenig von einer freundlichen oder gar feierlichen Stimmung. Hoffentlich ist in der Innenstadt Mailands mehr von einer Expo-Stimmung zu finden. Zudem gibt es noch eine weitere Entwicklung auf dem Expo-Gelände, die ich als grässlich empfunden habe: In vielen Pavillons wird man zwar freundlich von schönen Menschen begrüßt, aber wenn man einmal drin ist, regelrecht zwangsweise durchgeschleust. Da kann man nicht einfach den Pavillon verlassen, sondern wird von den vielen anwesenden Sicherheitsleuten an diesem menschlichen Grundrecht gehindert. Dies hemmt zudem noch jegliche Basaratmosphäre des Kommens und Gehens, die man doch auf einer Weltausstellung auch erwartet.

Was wird bleiben von der Expo 2015 in Mailand? Bis jetzt ist lediglich bekannt, dass der italienische Pavillon als Teil eines erweiterten Messegeländes bestehen bleiben soll. Die anderen Pavillons sollen wieder verschwinden. Entweder werden sie entsorgt oder sie finden einen Platz in ihren Heimatländern. Dies ist für den großen Aufwand, den viele Länder betreiben, eigentlich schade. Zudem ist es nahezu unmöglich, in ein oder zwei Tagen alles gesehen zu haben. Die Wartezeiten summieren sich zu einigen Stunden. Auch deshalb wäre es an der Zeit, einmal über alternative Formen der Weltausstellung nachzudenken. So ist eine dezentrale Weltausstellung denkbar, der Standort der einzelnen Pavillons könnte beispielsweise in der UNO ausgelost werden, das heißt, die Weltausstellung findet nicht an einem Ort statt, sondern in den 149 Ländern der Welt. Dadurch würden auch die Besucherzahlen steigen und die Eintrittskosten wegfallen. Es wäre auch denkbar, den Weltausstellungspark ins Zentrum zu stellen und die Expo-Pavillons zur Nebensache zu machen, die nicht gegeneinander protzen, sondern sich landschaftlich einfügen.

Prof. Dr. Jürgen Milchert
Autor

Hochschule Osnabrück

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