Die Gartenschau „Natur in Alzenau 2015“ im Spessart

Zwischen Weingärten, Auen und Obstwiesen

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Die prosperierende Kleinstadt Alzenau in Franken liegt am Rand des Spessarts in landschaftlich reizvoller Umgebung am Schnittpunkt zweier unterschiedlicher naturräumlicher Einheiten, die in mancher Hinsicht ein geologisches Eldorado darstellen. "Steile Felsen, uralte Ablagerungen, Faltungen, Eiskeile aus dem Pleistozän, Sanddünen, Durchbrüche, Braunkohle, Verwerfungen und Erdbeben. Im Vorspessart mit der nach Westen vorgelagerten Untermainebene konzentrieren sich viele Auswirkungen von inneren und äußeren Kräften auf die Erdoberfläche - zwar nicht in riesigen Abmessungen, doch einzigartig in ihrer Mannigfaltigkeit", (Johann Kugler, 2001).

Die dicht bewaldeten Ausläufer des Naturparks Spessart bilden die Kulisse des Stadtbildes im Osten. Im Westen beginnt die weitläufige Mainebene. Dort liegt mit dem Naturschutzgebiet "Alzenauer Sande" eine geologische Besonderheit vor. Auf den mit Kiefern überstandenen Sandmagerrasenflächen sind viele seltene Tier- und Pflanzenarten vorzufinden. Die Kulturlandschaft des Weinanbaus prägt vor allem die höher am Hang gelegenen Stadtteile. Von dort kommen die einzigen fränkischen Weine, die auf Urgesteinsböden wachsen. Der Waldsaum des Hahnenkamms schützt die Weinberge vor den kalten Ost- und Nordostwinden. Die Auen entlang des Flusses Kahl am Kahlgrund werden seit Jahrhunderten von den regionaltypischen Streuobstbeständen durchzogen.

Alzenau war bis in das 20. Jahrhundert ein landwirtschaftlich geprägter Ort, dem erst 1951 die Stadtrechte verliehen wurden. Die beschauliche Altstadt wird von stolzen Burgmauern aus dem 14. Jahrhundert überragt. Die Burg, einst Verwaltungssitz der Kurfürsten von Mainz, ist ein weithin sichtbares Zeichen wechselnder Landesherrschaften.

Die "kleine" Gartenschau "Natur in Alzenau 2015" gibt den Anlass vernachlässigte Stadträume zu rekultivieren. Die neuen Grünflächen konzentrieren sich auf zwei sehr unterschiedliche Bereiche: In zentraler Stadtlage südlich des Stadtkerns in den Kahlauen findet sich eine etwa vier Hektar große Fläche, eine extensiv genutzte, in Teilen verwilderte Kleingartenanlage mit erhaltenswertem Gehölzbestand, der künftige "Generationenpark". Wohngebiete, eine Seniorenwohnanlage, eine Sozialstation, eine Kindertagesstätte sind die Nachbarn. Einige Kleingärtner werden nach Ende der Gartenschau ihre Flächen wieder bewirtschaften.

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Durch die in naher Zukunft geplante Umsiedlung der Wellpappefabrik wird in zentraler Lage ein neues Stadtquartier entstehen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu verschiedenen Schulen der Stadt. Durch den Erwerb eines Teils des Fabrikareals sowie der westlich angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen steht der Stadt Alzenau schon heute eine weitere, ebenfalls vier Hektar große Fläche, der "Energiepark" zur Verfügung.

Beide Areale wurden extensiv genutzt, waren vernachlässigt und teilweise bisher nicht zugänglich und dennoch Stadträume mit einem hohen Potenzial für die Freizeit- und Erholungsnutzung. Südlich an den "Generationenpark" angrenzend bildet der Hauckwald, ein naturnaher Stadtpark auf einer sandigen Düne mit wertvollem alten Eichen- und Buchenbeständen, den grünen Verbinder zwischen den beiden Gartenschaubereichen, der wichtiger Bestandteil eines zukünftigen "Grünen Bandes südlich der Kahl" werden soll.

Durch das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg und die Stadt Alzenau erfolgte die Renaturierung der Kahl unter anderem in dem Abschnitt, der an das Wettbewerbsgebiet angrenzt. Im "Energiepark" wurde das ehemals lineare Gerinne auf einer Länge von knapp einem Kilometer in großen Schleifen durch den Talgrund gelegt, Gleit- und Prallhänge wechseln sich ab, das alte Bett bleibt in Teilen als Überflutbecken erhalten, an dessen Steilufern sind schon wieder Eisvögel eingezogen.

Die Verbindung zwischen den beiden Grünflächen "Generationenpark" und "Energiepark" war wesentlicher Bestandteil der Aufgabenstellung. Der neue "Stadtparcours", eine großzügige, materialeinheitliche Wegeverbindung, verknüpft - mit einer Kirschbaumreihe - barrierefrei die beiden Grünanlagen mit der Altstadt und lädt zu einem spannenden "Hindernislauf" durch die neuen und zusammenhängend erlebbaren städtischen Freiräume ein. Hier darf der Besucher - ob im Rahmen der Gartenschau oder in der späteren Grünanlage - zwischendurch schon mal "hängen bleiben".

Der "Stadtparcours" beginnt im "Generationenpark" an einer bestehenden Holzbrücke über die Kahl, die den Übergang ins Stadtzentrum gewährleistet und endet im "Energiepark" auf dem neuen "Kahlbalkon", einer Stahlkonstruktion mit Holzauflage, der in die Kahlschleifen hineinragt und damit einen neuen Blick über die den Kahlgrund eröffnet. Die neue "Kahlpromenade" führt ihrerseits die Stadt ans Wasser, bildet entlang des Flusses einen attraktiven, naturnahen Flanier- und Radweg mit hoher Aufenthaltsqualität, und wird gleichzeitig zur Grünverbindung in die landschaftliche Umgebung Alzenaus. Ihre vollständige Fertigstellung ist erst nach der Gartenschau mit dem Umzug der Wellpappefabrik möglich. "Stadtparcours" und "Kahlpromenade" bilden zusammen einen abwechslungsreichen Rundweg zwischen Stadt, Land und Fluss.

Generationenpark

Die zentrale Einbettung in die Stadt mit anliegenden Einrichtungen für verschiedene Nutzungsgruppen führte im Vorfeld zur Namensgebung. Und der Name bleibt Programm für die dauerhafte Parkanlage: Für Alt und Jung gleichermaßen nutzbar bietet sie vielfältige Angebote für Ruhe und Bewegung, für Spiel, Sport, Fitness, Flanieren, Aufenthalt, Entspannung und umfassende Sinneswahrnehmungen inklusive einer Kneippanlage. Während der Gartenschau ergänzen kulinarische Genüsse diese "Wellness-Oase für die ganze Familie". So entsteht mitten in der Stadt ein Ort der Begegnung, ein Park der Generationen.

Rotlaubige Schnitthecken bilden, in Anlehnung an die historische Parzellenstruktur des Gartenlandes, vielfältig-kleinteilige, dauerhafte Gartenräume aus. Einige der privaten Gärten (ca. 0,1 Hektar) sind während der Gartenschau weiterhin in Nutzung und viele Pachtflächen (ca. 0,72 Hektar) werden nach Ende der Gartenschaumonate wieder bezogen. Die Parkwege vernetzen die Gartenräume und unterstreichen die Parzellenstruktur.

Zwei streng geformte Obstbaumhaine, am westlichen und am östlichen Rand des Generationenparks an der Kahlpromenade gelegen, bilden die Rahmung und erinnern an die regionaltypischen Streuobstwiesen in den Kahlgrundauen.

Direkt am Stadtparcours gelegen findet sich an einem großzügigen Platz der Garten "Wein und Rosen". Die Rose wird im Wingert, dem Weingarten, häufig am Anfang der Rebzeilen als Indikator für Mehltau gepflanzt. Hier sind beide Pflanzen flächig zu einer neuartigen Gartenkomposition arrangiert. Gegenüber wird ein Bewegungsparcours "Generationen in Bewegung" mit Angeboten für Jung und Alt, wie Trimmgeräten, Schachspiel, Tischen zum Kartenspielen, geschützten Rasenflächen für Gymnastik und Tai Chi sowie Tischtennisplatten und Boulebahnen mit optionaler Beeisung im Winter angeboten.

Der Garten "Nichts für Warmduscher" bietet eine Kneippanlage mit verschiedenen Becken und einen vielfältigen "Füßelpfad" an und illustriert in seiner Bepflanzung mit Heilkräutern den ganzheitlichen Ansatz der Kneipp-Philosophie. Daneben, in einem alten Apfelgarten findet sich die "Obstlounge". Sie bietet mit Hängematten und Schaukelstühlen ausgestattet Platz zum Ausruhen.

Der Garten "Mit allen Sinnen" ist ein geschützter Raum mit vielfältigen Hochbeeten und einem umlaufenden Band mit Ruhebereichen. Er ist ein Garten zum Anfassen, ein Kräuter- und Apothekergarten, ein therapeutischer Garten für Demente, der in enger Abstimmung mit der nahegelegenen Tagesbetreuung der Sozialstation Alzenau entwickelt wurde.

Geschützt am Fuße des Hauckwaldes gelegen, stuft sich der Garten "Vom Schatten zum Licht" in den Hang. Waldstauden, -gräser und Hortensien bilden den Übergang, den Verlauf vom schattigen Waldrand zum offenen Wiesenraum des Kahlgrundes aus.

Benachbart findet sich der Kleinkinderspielbereich "Waldspiel", welcher mit vielfältigen Spielelementen einen Erlebnisparcours zum Balancieren, Wippen, Klettern und Rutschen den Hang des Hauckwaldes hinunter, über den Waldsaum hinweg und auf die offenen Wiesen entwickelt. Der Stadtparcours führt mittels einer Rampe barrierefrei vom Generationenpark hinauf in den Hauckwald, unter Beachtung des wertvollen Baumbestandes durch diesen hindurch und am heutigen Verwaltungsgebäude der Wellpappefabrik hinunter zum Mühlweg. Diesen kreuzend geht es weiter auf einem neuen breiten Gehweg der Nikolaus-Fey-Straße zum Energiepark.

Der Hauckwald bleibt in seiner Grundsubstanz und seinem Wegenetz erhalten und wird soweit erforderlich sensibel saniert und ausgelichtet. Ein besonderer Aussichtspunkt eröffnet den Blick über die Stadt zur Burg. Am Energiepark angelangt, schwenkt der Stadtparcours über ein großzügiges Platzgelenk auf ein neu entstandenes Baumplateau, das aber erst nach der Gartenschau vollständig bepflanzt werden kann. Während der Gartenschau ist es Fläche für den Gärtnermarkt, die Blumenhalle und Gastronomie.

Der Höhenunterschied, der sich einer Landzunge gleich von der Straße Richtung Kahl schiebt, ist anthropogen entstanden: eine Aufschüttung der Wellpappefabrik, die im Rahmen der Neubaumaßnahmen gesichert und umgeformt wurde.

Die Hangkante wird genutzt, um den Endpunkt- und Höhepunkt des Stadtparcourszu inszenieren. Dort schiebt er sich als "Balkon zur Kahl" hinaus über den Kahlgrund und eröffnet dem Besucher das Panorama der renaturierten Flussauen der Kahl und in die umgebende offene Feldflur.

Energiepark

Der Energiepark beruht auf einer Initiative der Stadt Alzenau, die sich an dieser Stelle im Freiraum offensiv den regenerativen Energieformen zuwenden möchte. Die thematischen Garten- und Spielinseln, die dort punktuell in den naturnahen Wiesenraum nahe der Kahl eingelassen werden, bleiben dauerhaft erhalten. Sonne, Wind und Wasser, nachwachsende Rohstoffe setzten artifizielle, farbige Akzente und laden zur spielerischen Annäherung an das Thema ein.

Die Böschungen des "Baumplateaus" werden mit lockeren Strauchgruppen versehen. An der Böschungskrone wird ein Staudensaum entwickelt. Wege entlang des Hangfußes und durch den Wiesengrund eröffnet den Blick über die offene Feldflur und auf die "Energiegärten", die jeweils partiell einheitlich durch Sitzmauern gefasst sind. Zur angrenzenden Wohnbebauung hin wurde ein lichter Baumsaum gepflanzt.

"Der windschiefe Garten" macht die Windkraft durch Gräser und Windpfeifen sichtbar. In einem Laufrad kann man selbst Energie erzeugen. Im "Leuchtgarten" werden die Sonnenstrahlen gefangen, gebrochen, vervielfältigt und Schatten spielen. In "Black-Hole-Sun" lassen schwarz-weiße Flächen die unterschiedlichen Absorptions- und Ausstrahlungscharakteristika verschiedener Flächentexturen die Kraft der Sonne spüren. "Flower-Power" verdeutlicht als Garten die Nutzung von Energiepflanzen wie Raps, Sonnenblumen, Chinaschilf oder Energiemais zur Biomassegewinnung.

Im Garten "CH4" wird die Biomasse der Viehzucht mit bekletterbarer Kuh und Kälbchen thematisiert. Die Wasserspielplätze dienen der spielerischen Aneignung der Wasserenergie durch Wasserpumpen, Stauwerke und Wasserrinnen ("H2O") sowie Fontänen und Spritzdüsen ("Wasserkraft"). Ein nahegelegener "Picknickgarten" lädt mit einer großen halbrunden Tafel zum Frühstück im Grünen.

Gartenschau

Die dreimonatige "kleine" Gartenschau "Natur in Alzenau 2015" ist das Eröffnungsfest für die beiden Parkanlagen und deren Grünverbindung. Die Ausstellergärten folgen thematisch den beiden Schwerpunkten Generationen und Energie. Im Generationenpark finden sich zum Beispiel die Themengärten des Garten- und Landschaftsbaus, der Friedhofsgärtner sowie der Baumschulen. Im Energiepark werden die dauerhaften Garten- und Spielinseln etwa durch die Ausstellungsbeiträge der Forste, des Landwirtschaftsministeriums, der Umweltverbände, der Imkerei und einer Brennerei ergänzt. Die dauerhaften Parkanlagen reagieren in ihrer Differenz spielerisch auf die örtlichen Gegebenheiten und bieten jeweils ein charakteristisches, vielfältiges Programm. Hier zeigt sich beispielhaft zeitgemäße Landschaftsarchitektur für vormals extensive, innerörtliche Freiräume einer kleinen, lebendigen Gemeinde. Die beiden neuen Wegeerschließungen Stadtparcours und Kahlpromenade lenken die Besucherströme während der Gartenschau und ermöglichen dauerhaft neue Verbindungen in Alzenau, die entweder direkt oder indirekt mit (bewussten) Umwegen, seitlichen Schlenkern, als Hindernislauf benutzt werden können. Abwegig? Der Weg ist der Weg und der Weg ist das Ziel!

Projektdaten

Realisierungswettbewerb 1. Preis 2010
Entwurfsverfasser: hutterreimann Landschafts-architektur GmbH, Berlin
Ort: Alzenau, Bayern
Auftraggeber: Natur in Alzenau 2015 GmbH

Beteiligte Planer

Gesamtkonzept: hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH, Berlin
Projektleitung: Barbara Hutter
Mitarbeiter: Iris Wendt, Annika Bublitz, Janika Schmidt, Christian Röder
Bauüberwachung: Jörg Bresser (progarten), Berlin für hutterreimann
Balkon zur Kahl: Sauerzapfe Architekten, Berlin
Pflanzplanung (Stauden): Orel + Heidrich Landschaftsarchitekten, Herzogenaurach
Planung Wechselflor: Orel + Heidrich Landschaftsarchitekten, Herzogenaurach
Technische Ausrüstung: Ingenieurbüro Jung, Kleinostheim

Bauzeit und Investitionen

Bauzeit: 2012-2015
Investitionsbudget: Baukosten rund 5,05 Millionen Euro netto
Fläche: 9 Hektar

Literatur

Kugler, Johann: Die Landschaftsgeschichte rund um Alzenau Teil 1 - Die geologischen Aspekte in: Alzenauer Stadtbuch, 2001, Herausgeber Stadt Alzenau.

Dipl.-Ing. Stefan Reimann
Autor

Hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH

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