Berlin

Landschaftsarchitektin Herta Hammerbacher neu bewertet

Der Lebensweg Herta Hammerbachers (1900–1985), eine der erfolgreichsten und einflussreichsten deutschen Garten- und Landschaftsarchitektinnen des 20. Jahrhunderts, wird neu bewertet.
Gartengeschichte Landschaftsarchitektur
Herta Hammerbacher, rechts, war eine der einflussreichsten deutschen Gartenarchitektinnen. 38 Jahre nach ihrem Tod werden ihre Verstrickungen im Nationalsozialismus diskutiert. Fotos: Technische Universität Berlin, Inv. Nr. F 12533, 12536
Gartengeschichte Landschaftsarchitektur
Herta Hammerbacher (rechts). Foto: Technische Universität Berlin, Inv. Nr. F 12536

Die Zusammenarbeit der späteren Professorin an der TU Berlin mit NS-Funktionären und NS-Organisationen hat jetzt Konsequenzen. In der Berliner Tagespresse wird inzwischen über ihren "braunen Daumen" (Berliner Zeitung) und ihre "ambivalente Nazi-Zeit" (Der Tagesspiegel) geschrieben.

Auslöser war der Beschluss des Bezirksamts Pankow vom 1. November 2022, eine neue Straße im Ortsteil Heinersdorf nach ihr zu benennen. Die örtlichen Grünen verlangten im Dezember den Beschluss aufzuheben, weil Hammerbacher vor 1945 Hausgärten für NS-Funktionäre und Grünprojekte für NS-Organisationen geplant hatte. Das Pankower Bezirksparlament hat nun gegen die Stimmen von CDU und AfD den Bezirksamts-Beschluss aufgehoben. Der Behörde wurde empfohlen, weitere Begutachtungen zur Person Herta Hammerbachers einzuholen und alternative Benennungsvorschläge zu prüfen.

Die Landschaftsarchitektin und Hammerbacher-Biografin Jeong-Hi Go hatte bereits in einer Dokumentation des planerischen Nachlasses Hammerbachers für das Architekturmuseum der TU Berlin die Planung eines Villengartens in Berlin-Grunewald für den Staatsekretär im Reichspropagandaministerium und späteren Reichsführer SS, Karl Hanke, (1938) aufgeführt. In der Dokumentation findet sich auch der Entwurf einer großen Parkanlage in Kleinmachnow für Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge (1938–1941), eines Paten des deutschen Atombombenprogramms. Neben Prominenten des NS-Staates zählten auch der Verein "Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft" (1941), der Reichsarbeitsdienst (1940) und die Reichspostdirektion (1938) zu ihren Auftraggebern für Außenanlagen in der Hauptstadt.

Als deutschsprachige Südtiroler, auf Grundlage einer 1939 vom Reichsführer SS ausgehandelten Vereinbarung zwischen Deutschland und Italien, genötigt wurden, nach Österreich auszuwandern, begrünte sie zwischen 1939 und 1943 Umsiedlerprojekte in Vorarlberg und Tirol. Auftraggeber war der NS-Gausiedlungsplaner Helmut Erdle.

Begrünungen für Arbeitslager

Für die Organisation Todt, eine paramilitärische Bautruppe des NS-Staates, schuf sie zwischen 1938 und 1941 die Außenanlagen dreier "Bereitschaftslager" und eines Barackenlagers in Mecklenburg und Brandenburg. Dabei handelte es sich um Dienstverpflichteten-Arbeitslager für die Rüstungsindustrie.

Im deutsch besetzten Polen schuf Hammerbacher 1940 bis 1944 vor allem Ehrenmale der Wehrmacht und deutsche Friedhöfe. Für die Städte Wysoka, Powiat Wyrzysk, sowie Zgierz und Ozorków, beide Wojewodschaft Łódź, entwarf sie auch einen Grünflächenplan. In Ozorków begrünte sie zudem die in Adolf-Hitler-Straße umbenannte örtliche Hauptstraße (1944). Hammerbacher bezeichnete diese Arbeiten selbst als "kriegswichtig". Aus ihren Steuerunterlagen geht hervor, dass der 1943 von ihr und ihren Geschäftspartnern erwirtschaftete Gewinn zu 57 Prozent im von Deutschland besetzten Polen erwirtschaftet wurde.

"Es ist schwer rekonstruierbar", schreibt ihre Biografin Jeong-Hi Go, "inwieweit sich Hammerbacher der nationalsozialistischen Wohnungs- und Siedlungsbaukonzeption anpassen musste. Offensichtlich ist jedoch, dass ihr Konzept des landschaftlichen Gartens in den wesentlichen Grundzügen der nationalsozialistischen Siedlungsideologie entspricht." 1934 gewannen Hammerbacher, Foerster und Mattern den 1. Preis beim Gartenwettbewerb im Rahmen der "Deutschen Siedlungsausstellung Heim und Garten" in München-Ramersdorf, der als Schaugarten realisiert wurde. Er wurde Modell der Nationalsozialisten für das neue Wohnideal von Einfamilienhaussiedlungen. Der NSDAP war Hammerbacher im Gegensatz zu Berufskollegen wie Karl Foerster (1.4.1940) oder Herman Mattern (1.1.1940) jedoch nie beigetreten. 1933 wurde sie allerdings Mitglied der frisch gegründeten Reichskunstkammer.

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Terrasse des von Hammerbacher 1938 entworfenen Gartens für Karl Hanke, Staatssekretär im Reichspropagandaministerium und späterer Reichsführer SS. Foto: Technische Universität Berlin, Inv. Nr. F 11984

Bornimer Kreis um Karl Foerster

Hammerbacher gehörte zum Kern des Bornimer Kreises um den Staudenzüchter und Garten-Philosophen Karl Foerster. Mit ihm und dem Landschaftsarchitekten Hermann Mattern, der zwischen 1928 und 1935 auch ihr Ehemann war, bildete die resolute Frau in der ersten Hälfte ihres Lebens eine Arbeitsgemeinschaft in Potsdam-Bornim. Ihr Gestaltungskonzept nannte sie später "Neue Landschaftlichkeit". Es sollte die Landschaft mit Bodenmodellierung, Rasenflächen, organisch-funktionaler Wegeführung und Gehölzrändern in den Privatgarten holen. Die Wirkung sollte sein wie eine "Lichtung im Wald".

In der zweiten Lebenshälfte als erste Professorin an der Technischen Universität Berlin ab 1950 widmete sie sich zunehmend der Stadtplanung. Landschaftlichkeit bildete auch dabei die Grundlage. Hammerbacher plante den Campus der Pädagogischen Akademie Wuppertal (1954), den Grünzug Neu-Altona in Hamburg (1956), Grünflächen für die Internationale Bauausstellung Berlin (1957), das Wohngebiet Hansaviertel-Nord in Berlin (1960) sowie die Bundesgartenschauen 1951 (Hannover), 1955 (Kassel), 1957 (Köln) und 1971 (Köln). 1965 war sie Gründungsmitglied der Karl-Foerster-Stiftung für angewandte Vegetationskunde.

"Innere Emigration"?

Trotz ihrer vielfältigen Aufträge für das NS-Regime hatte die Garten- und Landschaftsarchitektin für sich stets eine "innere Emigration" als emotionalen Zustand in Anspruch genommen, wenn es um die Jahre zwischen 1933 und 1945 ging. Laut ihrer Biografin litt sie jedoch "zweifelsohne sehr stark unter Schuld- und Verantwortungsgefühl für die Zeit des Nationalsozialismus". Kurz vor ihrem Tod habe die 84-jährige ein langes Interview gegeben, berichtete Jeong-Hi Go in einem Vortrag vor der Stralsunder Akademie für Garten- und Landschaftskultur: "Als das Gespräch auf das Thema Nationalsozialismus kam, wehrte sie sich zunächst ein wenig, aber dann brach sie plötzlich in Tränen aus. Sie sagte, dass sie damals alle gewusst haben, was vor sich ging. Und es sei eine grauenhafte Zeit gewesen."

Eine Kenntnis, die ihr Geschäftsgebaren nicht beeinflusst hat. Insofern ist der Beschluss der Pankower BVV gerechtfertigt.

Christian Münter//Mechthild Klett

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