Urbanes Gärtnern in der Stadt – Fokus auf gesunde Ernährung

Gartenlabor Köln

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Essbare Stadt Gartennetzwerke
Abb. 1: Im Gartenjahr wurden verschiedene Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen für die neuen Gärtner*innen angeboten. Foto: Joachim Bauer

In diesem Jahr hat der Kreisverband Kölner Gartenfreunde e. V. sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Im nächsten Jahr schaut auch die Kleingartenstelle des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen auf 100 Jahre zurück.

Die wechselvolle Geschichte des Kölner Kleingartenwesens ist umfangreich aufgearbeitet worden und die Ziele für die weitere Entwicklung sind formuliert. Aber auch die Grenzen sind aufgezeigt und so geht der Verband und die Verwaltung davon aus, dass es keinen nennenswerten Zuwachs von neuen Kleingartenanlagen in der Zukunft geben wird. Glücklicherweise gibt es zurzeit keine öffentliche Diskussion in Hinblick auf eine Umwandlung von Kleingartenanlagen in Bauland. Umso bedeutender ist der Schutz der bestehenden Anlagen und die Zielsetzung, trotz eines begrenzten Angebotes an Kleingärten, mehr Menschen in der Großstadt die Möglichkeit zum Gärtnern zu bieten.

Das Konzept der "Essbaren Stadt" ist in Köln mittlerweile breit aufgestellt und trägt wesentlich dazu bei, auch den Rahmen für das urbane gärtnern weit zu spannen. So gibt es seit einigen Jahren einen "Ernährungsrat für Köln und Umgebung", der sich aus Vertretern der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft (Landwirtschaft, Handel etc.) und der Stadtpolitik zusammensetzt. Der Ernährungsrat versteht sich als Initiator und Ansprechpartner für alle Fragen der regionalen Nahrungsmittelproduktion und -vermarktung. In 2018 konnte der Ernährungsrat einen gesellschaftlichen Beteiligungsprozess durchführen und die Ergebnisse in einem "Aktionsplan Essbare Stadt Köln" zusammenfassen.¹ In enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung ist auf dieser Grundlage das Konzept Essbare Stadt erarbeitet worden, dass vom zuständigen Ratsausschuss auch beschlossen wurde.


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Abb 2: Planungskonzept für die Gartenfläche an der Olpener Straße mit Anlage von Kraut-, Gemeinschafts- und Stadtgärten eingebettet in die öffentliche Grünfläche. Repro: Joachim Bauer

Die oben genannten Vorgaben des städtischen Kleingartenwesens und die gesellschaftlich breit aufgestellte Diskussion für eine Essbare Stadt gaben den Anlass für einen Workshop, bei dem die Frage nach neuen Gartenformen gestellt wurde. Auf Initiative des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen kamen Akteure aus den Bereichen Kleingartenwesen, Gemeinschaftsgärten, Landwirtschaft und Verwaltung zusammen, um neue Formen des Gärtnerns in der Stadt zu entwickeln.

Hintergrund war das Projekt "Vielfalt vernetzen", das im Rahmen der Grünen Infrastruktur über EFRE-Fördermittel gefördert wird. Das Integrierte Handlungskonzept "Vielfalt Vernetzen" sieht vor, durch verschiedene Projekte im rechtsrheinischen Teil des Äußeren Grüngürtels die Klima- und Umweltbedingungen der Bewohner*innen in den Sozialräumen zu verbessern und die Biodiversität zu erhöhen. Ein Baustein dieses Projektes war das Ziel, für die Menschen aus den angrenzenden Sozialräumen niedrigschwellige Angebote für ein Gärtnern in der Stadt zu ermöglichen. Um dieser Zielsetzung auch den Charakter eines Experimentierprojektes zu verleihen, wurde der Begriff "Gartenlabor" gewählt. Für die Umsetzung stehen zwei ehemalige Ackerflächen, mit einer Gesamtfläche von vier Hektar, zur Verfügung.

Mit der Expertengruppe konnten erste Ansätze und Grundprinzipien für die Ausgestaltung der Gartenlabore erarbeitet werden. Diese Ansätze wurden daraufhin mit den künftigen Gartennutzer*innen weiterentwickelt. Um überhaupt mit dieser Gruppe in Kontakt zu kommen, wurde eine öffentliche Veranstaltung durchgeführt, bei der sich Interessenten für ein erstes Einstiegsprojekt anmelden konnten. Die Resonanz auf diese erste Veranstaltung war so groß, dass im Nachgang sogar ein Auswahlverfahren durchgeführt werden musste. Hieraus konnte dann eine Gruppe von 80 Parteien ausgewählt werden, denen im ersten Jahr Gelegenheit zum Gärtnern auf einer der beiden Modellflächen angeboten wurde. Eine Fläche von insgesamt 4000 Quadratmetern wurde im Frühjahr von einem Öko-Landwirt hergerichtet, mit verschiedenen Gemüsesorten eingesät und dann so in 80 Teilflächen aufgeteilt, dass jeder Teilnehmer eine Fläche von 50 Quadratmeter mit allen eingesäten Gemüsesorten erhielt.

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Abb. 3 Plakat Gartenlabor Schlagbaumsweg. Über eine Plakataktion werden interessierte Gärtner*innen für die größere Fläche des Gartenlabors gesucht. Foto: Joachim Bauer

Während des Jahres wurden verschiedene Informations- und Lehrveranstaltungen vor Ort angeboten und auf diese Weise der Kontakt zu der Gruppe gestärkt. Die Veranstaltungen wurden auch genutzt, um mit den Gärtner*innen das künftige Angebot auf den beiden Flächen zu diskutieren.

Ziel dieser Angebote ist es, Menschen, die (noch) keine Erfahrung mit dem Gärtnern haben, niederschwellig und stufenweise die Gelegenheit hierfür zu bieten. Durch das Gärtnern soll so ein Bewusstsein für Lebensmittel und gesunde Ernährung geschaffen werden, es soll die Selbstversorgung mit frischem Obst und Gemüse gefördert werden, sowie eine Identifikation mit dem Projekt entstehen. Die Gartenlabore sollen zu besonderen Begegnungsorte entwickelt werden, die durch einen intensiven Austausch das soziale Miteinander und damit den Zusammenhalt befördern. Die Ziel- und Nutzergruppen sollen insbesondere aus den angrenzenden Stadtteilen kommen, gleichzeitig sollen die Gartenlabore aber auch für alle Menschen offen sein.

Aus dem gärtnerischen Beteiligungsprozess haben sich unterschiedliche Gartenmodule herausgearbeitet, die es den Menschen ermöglichen, in das Gartenthema einzusteigen und schrittweise gärtnerische Erfahrung zu sammeln. Man kann beispielsweise damit beginnen sich im zentralen Lern- und Lehrgarten zu informieren, an Veranstaltungen teilzunehmen, vielleicht die partielle Pflege eines Beets zu übernehmen. Danach kann in einem angeleiteten Selbst-Ernte-Garten ein Gartenstück übernommen werden oder im Rahmen eines Gemeinschaftsgartens in der Gruppe eine erste eigene Bewirtschaftung erfolgen. Das Gartenmodule "Stadtgarten" bietet die Möglichkeit ein eigenes Gartengrundstück zu pachten und dort selbständig Obst- und Gemüse anzubauen. Folgende Gartenmodule werden in unterschiedlicher Anzahl und Größenordnung auf die beiden Projektflächen angeordnet.

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Abb. 4: Im Frühjahr 2019 betreten die 80 ausgewählten Gärtner*innen erstmals die von einem Landwirt vorbereiteten Krautgärten. Foto: Joachim Bauer
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Abb. 5: Die Gärtner*innen vor ihrer jeweiligen Parzelle, die mit Bändern und Trampelpfaden abgegrenzt werden. Foto: Joachim Bauer

Der Krautgarten

In diesem Gartenmodul wird mit fachlicher Unterstützung eines Öko-Landwirtes eine große Fläche vorbereitet und dann auf die Nutzer*innen aufgeteilt. Diese pflegen die Teilfläche über den Sommer und ernten das Gemüse. Als minimale Infrastruktur wird ein gemeinsamer Schuppen für Gartengeräte und eine Wasserstelle angeboten. Die Gartengröße liegt bei 50 Quadratmeter. Die Nutzer*innen müssen sich jährlich für eine neue Parzelle bewerben.

Die Gemeinschaftsgärten

In diesem Gartenmodul können Initiativen und Akteursgruppen auf 300-500 Quadratmeter großen Parzellen gemeinschaftlich gärtnern. In den beiden Gartenlaboren werden vorerst mehrere Flächen für potentielle Gemeinschaftsgärten freigehalten und parallel zur Projektentwicklung nach möglichen Gruppen und Akteuren gesucht. Sind diese gefunden, wird mit ihnen gemeinsam der jeweilige Garten entwickelt. Bis dahin werden die Nutzungsfelder als artenreiche extensive Wiesen angelegt.

Der Stadtgarten

Ein Stadtgarten vereint die Nutzungswünsche "eigene Parzelle, individuelle Beete, Anbau von Obst- und Gemüse sowie Stauden und Obststräuchern und die Nutzung von Obstgehölzen", gleichzeitig werden die Stadtgärten in den öffentlichen Teil der Anlage integriert und bieten ein weitaus höheres Maß an Austausch und Kommunikation als es klassische Kleingartenkolonien ermöglichen. Das wichtigste aber ist, dass die Gartenflächen flexibel skalierbar sind und es den Nutzern so ermöglichen, ihren Ansprüchen nach mehr oder weniger Flächen zu bewirtschaften. Zunächst wird eine Gartenfläche von 75 Quadratmetern vergeben, die später bis auf 100 Quadratmeter vergrößert werden kann.

Die Gartenlabore basieren auf der Grundidee, eine öffentlich nutzbare Grünfläche als Teil des rechtsrheinischen Äußeren Grüngürtels zu schaffen, in welche die halböffentlichen und privaten Freiflächen als Gartenmodule integriert sind. Als Rückgrat der Anlage wird eine öffentliche Erschließung mit Haupt- und Nebenwegen, einem öffentlichen Platz, Kinderspielplätzen, Gemeinschaftshäuschen, Wasseranschlüssen und Bänken angelegt. Die öffentlichen Flächen werden als artenreiche Wiesen mit Obstbaumpflanzungen angelegt und ergänzen so das Angebot an essbaren Pflanzen.

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Abb. 6: Im Frühjahr 2020 wurden die für dauerhaft ausgewiesenen Gemeinschaftsgärten vor Ort abgegrenzt und stehen den Gärtner*innen zur Nutzung und eigenen Gestaltung zur Verfügung. Foto: Joachim Bauer
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Abb. 7: Die Reihe der Stadtgärten im Sommer 2020. Die angrenzenden Flächen werden als artenreiche Wiesen mit Obstbäumen angelegt Foto: Joachim Bauer

Die Nutzung der aufgeführten Gartenmodule ist an einige wenige Vorgaben gebunden. So steht die Nutzung der Flächen für den Anbau von Gemüse und Obst im Vordergrund. Die Errichtung von dauerhaften Gartenhäusern oder baulichen Konstruktionen ist nicht vorgesehen. In den Sommermonaten können mobile Unterstände zum Schutz und zum Aufenthalt errichtet werden. Die einzelnen Gartenparzellen werden nicht durch Zäune eingefasst, können jedoch mit Staudenpflanzungen abgegrenzt werden. Um diese Vorgaben gegebenenfalls weiterzuentwickeln und zur Stärkung eines Gemeinschaftsgefühls, soll ein Beirat gegründet werden, der auch als Ansprechpartner für die Verwaltung dient.

Wie eingangs erwähnt, wird die Umsetzung des Projektes der Gartenlabore durch EFRE Finanzmittel gefördert. Der Ausbau der öffentlichen Flächen ist für das nächste Jahr vorgesehen. Die Vergabe der einzelnen Gartenparzellen an die Gärtner*innen erfolgte schon zum Frühjahr dieses Jahres. Mit der Vergabe der Gartenflächen stellte sich die Frage, wie die Organisation des Gesamtprojektes und die inhaltlichen Vorgaben langfristig gesichert werden können. Der Kreisverband der Kölner Gartenfreunde, der von Beginn an das Projekt unterstützt hat, hat sich bereit erklärt die Gesamtorganisation und die Abwicklung der Verträge mit den Gartenpächtern zu übernehmen. Die Stadt Köln stellt die Fläche pachtfrei zur Verfügung, so dass von den Gärtner*innen nur eine Umlage für die laufenden Kosten erhoben werden muss.

In diesem Jahr konnten auf der ersten 1,5 Hektar großen Teilfläche für insgesamt 66 Gärtner*innen ein Angebot zum Gärtnern in der Stadt geschaffen werden. Das Angebot ist so aufgebaut, dass auch für Menschen ohne gärtnerisches Wissen ein niederschwelliger Einstieg über die Krautgärten ermöglicht wird. Die Stadtgärten bieten Möglichkeiten für ein längerfristiges Gärtnern und die Gemeinschaftsgärten stehen Hausgemeinschaften oder Freundeskreisen zur Verfügung. Bei allen Gartenmodulen steht der Anbau von Gemüse und Obst in der gewachsenen Erde im Vordergrund. In den nächsten Jahren wird auch die zweite, größere Fläche ganz einbezogen, so dass über die Gartenlabore vielen Menschen die Gelegenheit zum Gärtnern in der Stadt angeboten werden kann.

Literatur

¹ www.essbare-stadt.koeln/aktionsplan/

Dr. Joachim Bauer
Autor

Stellvertretender Amtsleiter, Amt für Landschaftspflege und Grünflächen, Stadt Köln

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