Landesgartenschau Bad Gandersheim setzt auf das Thema Wasser
Fluss vor Landschaft
von: Dipl.-Ing. Marcus Hanke, M.Sc. Franziska SchadzekDie Rowithastadt Bad Gandersheim ist mit ihren circa 11.000 Einwohnern im Kreis Nordheim, im südwestlichen Harzvorland verortet. Eingebettet zwischen dem Oberharz und dem Leine-Weserbergland wird die Stadt von einem charakteristischen Landschaftsbild geprägt. Die markante Topografie und die Flusslandschaft mit ihren Tallagen lassen einen einzigartigen stadt-landschaftlichen Kontext entstehen. Unterstrichen wird die besondere räumliche Lage durch die Flüsse Gande und Eterna. Die gewässerspezifische Auenlandschaft bildet atmosphärische Übergänge zwischen Stadt- und Naturräumen, im Inneren der Stadt fließen die beiden Gewässer zusammen.
Seit den 1960er Jahre entwickelte sich Bad Gandersheim dank der besonderen Umweltbedingungen und Solequellen zu einem zertifizierten Kurort. Rehakliniken, der Kurpark und zahlreiche Gesundheitseinrichtungen prägten nicht nur das Bild, sondern auch die Identität des Ortes. Seit den 1990er Jahren entwickelt sich der Kursektor rückläufig; monofunktionale und überdimensionierte Infrastrukturen erweisen sich als nicht mehr zeitgemäß oder nachnutzungsfähig und entwickeln sich zunehmend zum Problem für die Stadt und die Region.
Neben dem Event-Charakter, den zahlreichen Attraktionen und der vegetativen Vielfalt ist eine Landesgartenschau ein wichtiges Instrument nachhaltiger Stadtentwicklung. Sie soll die Lebensqualität der Stadt und des Umlandes verbessern und die Stadtentwicklung fördern. Die Gesamtsituation erfordert es, Themen wie regionale Einbindung, Gesundheit und Naherholung in Verbindung mit zeitgenössischer Freiraumgestaltung sowie Hochwasser- und Naturschutz neu zu interpretieren.
Konzept
Das Landesgartenschaugelände in Bad Gandersheim ist geprägt von linearen, weitläufigen Talräumen, Topografie und Gewässerstrukturen. Um die Identität des Kurortes nachhaltig zu stärken, wird das Thema Wasser als Hauptattraktion hervorgehoben und dauerhaft mit den Freiraumstrukturen verknüpft. Es entsteht ein Miteinander aus bestehenden Kurort-Strukturen und neu gestalteter Parksequenzen, die sich in ihren inhaltlichen Ausrichtungen und Schwerpunkten ergänzen. Durch gestalterische Setzungen miteinander verwoben, entsteht so eine natürliche Parklandschaft mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und positiven Entwicklungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung.
SUG-Stellenmarkt
Das übergeordnete Entwurfskonzept gliedert das Gesamt-Areal in den Landschaftspark und Sportpark, den Kurpark und den Auepark, deren spezifische Eigenschaften und Potenziale herausgearbeitet und gestärkt werden. Dem entsprechend sieht das Konzept eine Vernetzung der Teilräume durch ein differenziert gestaltetes Wegenetz vor. Eine neue, befestigte Kurpromenade spannt sich als verbindendes Rückgrat der einzelnen Parkbereiche auf und verbindet die Innenstadt mit dem Landesgartenschaugelände. Nördlich der Stiftskirche bildet der Spielplatz Plangarten den städtischen Antritt der Promenade. Flussaufwärts, der Gande folgend, werden die bestehenden und neuen stadträumliche Strukturen des Kurparks bis zu den Osterbergseen im östlichen Landschaftspark erschlossen. Mit der Steinernen Insel befindet sich hier der Haupteingang der Landesgartenschau.
Das umgebaute Sole-Naturfreibad bildet zusammen mit dem neuen Wasserspielplatz einen wichtigen Verknüpfungspunkt im Gesamtkonzept. Von hier aus führt die Promenade durch den nördlichen Kurpark in Richtung Kurklinik und der Wilhelmsquelle. Anschließend wird die Promenade in vereinfachter Ausführung und als "Landschaftssteg" durch das Landschaftsschutzgebiet, den Auepark, bis zum Kloster Brunshausen weitergeführt. Das im Jahre 852 gegründete Benediktinerkloster ist der Gründungsort des Stiftes Gandersheim und somit ein wichtiger Stadtbaustein, der durch die Anbindung in das Gesamtkonzept einbezogen wird.
Die "Steinerne Insel" und der Landschaftspark
Die Pkw-Haupterschließung der Landesgartenschau erfolgt aus Richtung Süden über eine Anbindung an die B 64 und die Braunschweiger Straße. Von den Stellplätzen und dem Antrittsplatz im Umfeld der Paracelsus-Klinik am See führt der Weg hinunter in den Landschaftspark zum Haupteingang der Landesgartenschau. Es eröffnen sich im Verlauf des Weges einige gezielt gesetzte Blickbeziehungen auf das Landesgartenschaugelände.
Die steinerne Insel mit der Seebühne bildet den Auftakt und das Entree am Haupteingang und fungiert als Gelenk zwischen Landschaftspark im Westen und Sportpark im Osten. Der Platz wird aus einem schmalen, länglichen Betonwerkstein mit gestrahltem Naturstein-Vorsatz im Fischgrätverband belegt. Die Farbverteilung erfolgt als Bänderung, um flächige Farbfelder zu vermeiden.
Während der Landesgartenschau werden hier Ausstellungshallen und Architekturen für die notwendigen Nutzungen wie Kassenbereich, Infobereiche, Gastronomie etc. situiert. Der westliche Bereich der steinernen Insel ist durch eingeschnittene Sitzterrassen geprägt, die den Blick auf die Seebühne leiten. Die Terrassen können für Konzerte unter anderem temporär bestuhlt werden, oder als Freisitze für die Gastronomie dienen. Dauerhaft bildet die steinerne Insel ein offenes Park-Forum, einen Ort der Zusammenkunft, der das Gemeinschaftliche in sich trägt und durch seine Nutzungsoffenheit und Attraktivität zu einer Vielzahl von Aneignungen einlädt. Ein besonderer Ort, der das Landschaftsbild nachhaltig prägt.
Ein weiteres Charakteristikum für den Landschaftspark ist die Rahmung der westlichen Osterbergseen mit der umlaufenden Kurpromenade. Der nördliche Teil des Rundwegs, der Dammweg zwischen Fluss und See wird neu modelliert, sodass Retentionsflächen erhöht und das Prinzip der miteinander verbundenen Wassersysteme sichtbar gemacht wird. Dem gleichen Ansatz folgend wird zwischen den beiden Osterbergseen ein naturnaher Überlauf integriert, die Wassertreppe. Im Spannungsfeld zwischen dem renaturierten Bachlauf der Eterna und den Osterbergseen entwickeln sich durch behutsame Eingriffe hochattraktiv inszenierte Räume für die Landesgartenschau. Einzelne Steganlagen geben Einblicke in die Vielfalt der Gewässerflora und -Fauna und schützen die sensiblen Uferbereiche vor Betreten und Übernutzung. Dem Spiel von Licht und Schatten, offenen und von Bäumen überstandenen Uferzonen folgend, entwickeln sich vielfältige, dem Standort entsprechende Vegetationsbilder.
Der Rundsteg
Der große Rundsteg im westlichen Bereich des Landschaftsparks bildet durch die skulpturale Ausprägung und die Dimensionen ein wesentliches Highlight der Landesgartenschau. Die filigrane Bauweise einer radialen Stahl-Holzkonstruktion, lässt den Steg über das Wasser hinwegschweben. Im Inneren entsteht ein imposanter Wasserspiegel, der über ein Fontänenfeld und Beleuchtungselemente zu besonderen Anlässen inszeniert wird. Der Rundsteg wird in zwei Ebenen unterteilt, welche durch Treppen und Rampen barrierefrei miteinander verbunden sind. Besucher haben so die Möglichkeit diese besondere räumliche Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu genießen. Die Geländer mit Edelstahlseilführung und der hölzerne Handlauf unterstreichen den leichten Charakter der Konstruktion. Gegründet über punktuelle Schraubfundamente konnte der Eingriff in den Untergrund möglichst gering gehalten werden und gleichzeitig ein Einbau im anstehenden Wasser realisiert werden.
Der Sportpark
Der Sportpark östlich der steinernen Insel impliziert die Auseinandersetzung mit Themen wie Aktivität, Gesundheit und therapeutische Maßnahmen, im Kontext der angrenzenden Paracelsusklinik. Im Sinne einer generationsübergreifenden Landesgartenschau werden hier Bewegungs- und Spielangebote für Jung bis Alt geschaffen. Gleichzeitig wird über diese neue Attraktion der anschließende Campingplatz mit in die Parklandschaft eingebunden und so zukünftig ein attraktiver Ort für eine alternative Möglichkeit des Wellnessurlaubs in Bad Gandersheim geschaffen.
Ein Loop aus gefärbtem Asphalt kontrastiert das Landschaftsbild und schafft einen zweifelsfreien Wiedererkennungswert im Sportpark. Als Rundlaufstrecke umspielt er die Seenlandschaft und animiert mit den angelagerten Stationen zur aktiven Aneignung des Parks. Klettergeräte, Kletterfelsen, Fitnessgeräte, eine Seilbahn und Boule-Anlage bieten unterschiedliche thematische Angebote. Durch die einheitliche, markante Farbgebung entsteht eine fließende Gesamtfigur. Die vom Loop gefassten, extensiven und intensiven Grüninseln werden zu einem Symbol für Nachhaltigkeit und zu einem verbindenden Treffpunkt im Grünen.
Das Freibad und der Wasserspielplatz
Im Kontext des Landesgartenschaugeländes befindet sich das Frei- und Schwimmbad an prominenter Stelle zwischen Kurpark, Landschafts- und Auepark. Im Rahmen der Landesgartenschau wurde das Schwimmbad durch ein externes Planungsbüro überplant und technisch modernisiert. Das künftige Natur-Solefreibad und der angegliederte Wasserspielplatz bilden eine räumliche Synergie und Gelenkfunktion im Raumgefüge. Die Badelandschaft des Freibads wird künftig gegliedert mit einer klaren und orthogonalen Abfolge aus Holzstegen, der Wasserspielplatz bildet mit freien Formen einen spielerischen Kontrast innerhalb des Ensembles. Am Wasserspielplatz findet sich eine große Attraktion, vor allem für die kleinen Parkgäste: Gefasst in eine klare Formation aus Betonsitzkanten entstehen verschiedene Wasserspielbereiche. Eine Wasserlauf-Muldenrinne aus Natursteinpflaster wird mit Natursteinblöcken akzentuiert und beherbergt verschiedene Wasserspiele wie eine archimedische Schraube, Pumpe, Wippbecken und Klappwehr. Als "weiches Pendant" entsteht eine organische, kleinteilige Topografie aus EPDM-Gummi, kombiniert mit Wasserdüsen. Der spielerische Kontakt mit dem Wasser und die dynamische Ausgestaltung des Spielplatzes lädt Kinder zum freien Spielen und Toben ein, insbesondere an warmen Tagen und über die Landesgartenschau hinaus.
Die Wilhelmsquelle
Nördlich des Freibades wird die Wilhelmsquelle als weitere Attraktion im Park integriert. Räumlich neu gefasst durch eine radiale Platzfläche und die angrenzenden Wege, sowie den Brückenschlag über die Gande, wird Sie als nördlicher Punkt der steinernen Kurpromenade und Nebeneingang der Landesgartenschau inszeniert. Durch den Barfußpfad und die Kneippecken werden therapeutische Aspekte thematisiert. Besucher werden im Vorbeikommen dazu eigeladen, die Anlagen ausprobieren und so eine erholsame Pause auf dem Weg zu erleben.
Der Auepark und der "Landschaftssteg"
Der nördlich anschließende Auepark wird mit den Elementen der Naturlandschaft und Synergieeffekten zur Strukturverbesserung zu einem ökologisch hochwertigen Naturpark entwickelt. Die raumprägenden Gewässerstrukturen, Auwaldgehölze und Wiesen bilden das räumliche Gerüst des Aueparks. Die ruhigen, kontemplativen Landschaftsaspekte und das Naturerleben stehen im Vordergrund. In Verlängerung der städtischen Kurpromenade bieten blühende, artenreiche Wiesen im Wechsel mit Feuchtbiotopen und Übergangszonen, vielfältige Einblicke in unterschiedliche Biotopstrukturen. Die geringere Versiegelung der Wege berücksichtigt die naturräumlichen Anforderungen, unter anderem der Grundwasserneubildung und bestehenden Gehölzstrukturen. Über gezielte Freistellungen und Erweiterung der begleitenden Grünflächen wird gleichzeitig eine Qualifizierung der Retentionsräume angestrebt.
Eine Stufenanlage mit Sitzblockelementen und Naturstein-Krustenplatten ermöglicht einen direkten Zugang zum Gandeufer und macht beispielsweise unterschiedliche Pegelstände des Flusses erlebbar.
Eine lineare Steganlag, der "Landschaftssteg", bietet als aufgeständerte Stahl-HolzKonstruktion die Möglichkeit des weiträumigen Naturerlebens. Der Steg weitet sich partiell zur Aussichtsplattform auf und baut über Richtungswechsel spannende Sichtbeziehungen auf. Formal bilden Steg und Wegeverbindung eine Einheit. Der Einsatz von punktuellen Schraubfundamenten ermöglicht auch hier einen sensiblen Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet und eine minimale Beeinträchtigung der Bodenverhältnisse.
Zum Kloster Brunshausen, am nördlichen Eingang des Aueparks, wird eine neue Querungsmöglichkeit der Hildesheimer Straße geschaffen. Dieser neue Antritt bildet den Brückenschlag des Landesgartenschaugeländes zum höherliegenden Kloster Brunshausen und der dortigen Gastronomieangebote. Über den nahegelegenen Skulpturenweg, ein regionaler Rad- und Wanderweg entlang der stillgelegten Bahntrasse nach Lamspringe, ist der Rückweg zum zentralen Kurpark möglich.
Der Kurpark und die Kurpromenade
Am Bahnviadukt bildet der neu modellierte Gabionenhang eine topografische Besonderheit des Areals und bietet den Gästen einen spektakulären Ausblick über das Landesgartenschaugelände und die Stadt, bis hin zur Stiftskirche. Die geometrischen Rampen akzentuieren den überformten Gabionenhang und bilden gleichzeitig die zentrale barrierefreie Erschließung, zwischen städtischer Kurpromenade und regionaler Wegeverbindung. Der hier überwundene Höhenunterschied beträgt insgesamt 13 Meter.
Die Kurpromenade kontrastiert mit gradliniger und kantiger Formsprache das geschwungene Gandeufer und stellt prägnante Blickbeziehungen sowie regelmäßige Verknüpfungspunkte mit den Bestandswegen her. Wie selbstverständlich gliedern sich lineare Pflanzflächen und Bankelemente in die Gestaltung ein und lassen neben der verbindenden Funktion, qualitativ hochwertige Aufenthaltsmomente entstehen. Landschaftliche Sitzstufen entlang der Wegeführung laden zum Aufenthalt mit Blick auf das Wasser ein. Am westlichen Promenadenauftakt an der Hildesheimer Straße ermöglicht eine großzügige Aufweitung, kombiniert mit Sitzstufen und Rampen einen zusätzlichen Zugang an das Wasser.
Die Kurpromenade wird als übergeordnete Gehwegeverbindung barrierefrei gestaltet. Ein homogener Teppich aus Betonwerksteinpflaster, mit gestrahltem Naturstein-Vorsatz im Reihenverband, unterstützt die Linearität und die Eigenständigkeit als strukturgebendes Element im Kurpark. Im urbanen Bereich der Gande bietet das neugestaltete Ufer zusammen mit der Promenade schattige und sonnige Plätze, grüne und steinerne Uferräume.
Der Plangarten mit Spielplatz
Das Erscheinungsbild der Innenstadt ist geprägt durch ein eindrucksvolles Ensemble von Fachwerksbauten im Stil der Weserrenaissance, die Gandersheimer Domfestspiele um die historische Stiftskirche sind Niedersachsens größtes Freilichttheater. Um die Stadtkulisse und die besondere Atmosphäre mit dem Konzept der Landesgartenschau zu verknüpfen, bildet der Plangarten mit dem Spielplatz künftig das "Bunte Gelenk" und den Antritt der Kurpromenade von der Innenstadt in das süd-östliche Landesgartenschaugelände.
Die am Plangarten beginnende, vom Haupteingang der Landesgartenschau aus betrachtet endende Promenade, führt entlang des Amtsgerichts und der Burg Gandersheim über die Gande und parallel zum Flusslauf bis an den Kurpark. Der Plangarten präsentiert sich als facettenreiche Spielplatz-Landschaft, deren Gestaltung und Gliederung eine spielerische Kinderbeteiligung im Vorfeld der Planung zugrunde liegt.
Polygonale Spielflächen in haptischer und materieller Vielfalt aus freien Rasenflächen, EPDM, Sandflächen und Holzhackschnitzeln werden von umlaufenden Wegen aus wassergebundener Wegedecke und Pflanzflächen gerahmt. Ein Parcours aus Holz-Balancier- und Kletterelementen überspielt und verbindet die unterschiedlichen Bereiche. Durch eine sensible Aufastung der Bestandsgehölze erhält der Plangarten eine helle, freundliche Atmosphäre und eine gute Einsehbarkeit.
Das landschaftsarchitektonische Konzept der Landesgartenschau 2023 bietet der Stadt die Chance, den rückläufigen Entwicklungen des Kurstandortes entgegenzuwirken, die spezifischen Qualitäten herauszuarbeiten und Stadt- und Landschaftsraum miteinander zu verknüpfen. Die naturräumliche Besonderheit als Stadt am Wasser, mit den Flüssen Gande und Eterna, den Teichen und Seen, den Heil- und Solewasserquellen, wird durch die vorgeschlagenen landschaftsarchitektonischen Interventionen gestärkt und zu einem charakteristischen und identitätsstiftenden Raumgefüge Bad Gandersheims transformiert.