Verband startet erstes Projekt für Baumveteranen
BAHÖ will 1000-jährige Linde in Unterölsbach erhalten
Die Mitglieder des Bundesverband für Arboristik, Höhenarbeit und Ökologie (BAHÖ) haben hohe Ziele: Baumveteranen, an denen der Zahn (oder Pilz) der Zeit genagt hat, die Strukturschwächen aufzeigen und eventuell vorschnell beseitigt werden sollen, zu erhalten. Ursache ist oft das fehlende Verständnis für Reaktionsmechanismen von Uralt-Bäumen, denen im Verlauf von Jahrmillionen über ureigene Reiterationsprozessleistungen (Erneuerung durch Neubildung) einen Regenerationspotenzial zur Verfügung steht, das Baumfachleute gezielt wecken können.
Uralt-Veteranen können Geschichten erzählen
"Uralt-Veteranen-Bäume haben Geschichten zu erzählen, waren Augenzeuge des dreißigjährigen Krieges, Gerichtsbaum, haben enge Bezüge zu örtlichen Generationen und Vieles mehr", sagt BAHÖ-Präsident Bodo Siegert. Solche Bäume müssten erhalten bleiben, vorschnelle ungerechtfertigte Fällungen - meist unter dem Mantel der Verkehrssicherheit - das Zerstören eines örtlichen, lebenden geschichtlichen Beweises sollten vermieden werden. Deshalb wurde von den Baumspezialisten des BAHÖ Bundesverbandes das Projekt "Rettet den Baum" aus der Taufe gehoben. Das erste "Fast-Opfer" steht in der Oberpfalz, im Zentrum von Unterölsbach. Von den Dorfbewohnern wird sie auch "1000-jährige Linde an der Kirch" genannt. Den Namen hat sie nicht, weil sie wirklich 1000 Jahre alt ist, sondern weil sie trotz ihres hohlen Stamms weiterhin vor lauter Lebenskraft strotzt und in voller Pracht blüht. Ein Blitzschlag vor 150 Jahren, so erzählen es die Alten, hat einen großen Kronenteil genommen, worauf der Stamm lindentypisch ausfaulte. In der folgenden Zeit wurde immer wieder mal "rumgeschnitten", glücklicherweise nicht so brachial wie anderenorts oft zu sehen. Es bildete sich eine recht hübsche "Pilz-Igelkrone", intensiv grün und strotzend vor Vitalität.
Schon seit Großvaters Zeiten ist der Baum hohl
Die Linde stockt als Hausbaum eines alten landwirtschaftlichen Anwesens, neben der Dorfkirche mit vorgelagertem Friedhof. Der Besitzer, geht von einem ungefähren Alter von rund 600 Jahren aus. Er selbst hat als kleines Kind bereits im hohlen Stamm gespielt, Vater und Großvater erzählten, dass die Linde schon immer so gewesen sei wie sie heute ist: hohl und grün. Unter der Linde wurde gedacht und gefeiert: Kirchweihen, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Die Linde war bestimmende Kulisse, Partylocation, Schatten, der Ort für Trauernde, die Zwiesprache mit dem lebenden Unendlichen, der 1000-jährigen Linde gehalten haben. Könnte sie sprechen, sie könnte tage-, vermutlich jahrelang Geschichten von und um Unterölsbach und deren Menschen erzählen.
Heute wie damals: Jeder Besucher der katholischen St. Willibaldkirche muss unter der beschaulichen Linde hindurchgehen. Die Linde ist ein Wächter der Kirche. Ohne sie wäre der Ort wohl nicht vollständig. Sie gehört zur Gemeinde wie deren Anwohner. Sie ist Teil der Geschichte dieser Ortschaft. Übrigens, die Kirche wurde im 15. Jahrhundert durch das Kloster Gnadenberg errichtet. Vielleicht haben ja damals die Mönche des Klosters die Linde gepflanzt. Dann wäre sie rund 500 Jahre alt.
Bohrwiderstand, Belastungstest und Tomographie
Der BAHÖ und einige Mitglieder haben die Linde zum ersten Projekt "Rettet den Baum" bestimmt. Sachverständige des BAHÖ unter der Leitung von Bodo Siegert haben bereits eingehende technische Untersuchungen durchgeführt. Bohrwiderstand, Zugversuch (Belastungstest) und Tomographie haben tief in die Linde Einblicken lassen.
Das Ergebnis überrascht: Die Linde ist langfristig erhaltbar. Damit kann es die Linde dann doch noch zu einer 1000-jährigen schaffen. Lediglich die insgesamt äußerst vitale Krone müsste strukturiert, etwas in der Höhe eingekürzt werden (Reiteratspflege-Retranchment pruning). Ergänzend dazu einige stabilisierende Kronenverankerungen. Bodenverbessernde Maßnahmen verbessern die Verfügbarkeit der Nährstoffe, denn gute und gesunde Ernährung ist nicht nur beim Menschen wichtig. Damit kann sich die 1000-jährige Unterölsbacher Linde dann auch weiter gegen Unwetter und Klimakatastrophe behaupten.
Der Baum ist in privatem Besitz, der Baumeigentümer kann aber nur schwer die gesamten Kosten alleine tragen. Deshalb hat er den BAHÖ mit seiner Aktion "Rettet den Baum" Unterstützung gebeten. Der BAHÖ unterstützt den Fortbestand der Linde, zum Teil ehrenamtlich mit Verbands-Baumfachleuten.
BAHÖ sucht Sponsoren für Pflegemaßnahmen
Erste Sponsoren aus Wirtschaft und Politik hat der BAHÖ bereits gefunden, es fehlt aber noch Geld, um die Gesamtkosten zu decken. Der BAHÖ freut sich sehr, wenn sich noch weitere Sponsoren finden. Jeder Betrag ist willkommen. Spendenmitteilungen richten Sie bitten an die Mailadresse office@bahö.de. Auch die nächste Anfrage liegt bereits vor: Es gilt eine echte 1000-Jährige zu retten. Eine Eiche, in deren hohlem Stamm tief unten eine Grabstätte ist. Sachverständige empfahlen die Fällung. Der BAHÖ ist bereits tätig und versucht, ein Konzept zur Rettung zu erstellen. Ersten Einschätzungen zur Folge könnte die Eiche an einem Drei-Arm-Traggerüst aufgehängt werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden und berichten auch auf der Webseite bahoe.org über die Fortschritte.
BAHÖ