Zusatzkontrollen
Notwendigkeit eingehender Untersuchungen nach Sturm
Im rechtskräftigen Urteil des ArbG Aachen vom 26.05.2020 - 4 Ca 681/19 - geht es um die Haftung der Kommune als Baumeigentümerin für durch Umsturz einer Rosskastanie verursachte Schäden an einem auf einem städtischen Parkplatz abgestellten Fahrzeug einer städtischen Mitarbeiterin. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 18.01.2018 stürzte im Zusammenhang mit dem Sturmtief "Friederike" eine Rosskastanie auf dem Parkplatz vor dem Rathaus der Beklagten auf einen dort geparkten Pkw einer Mitarbeiterin und beschädigte diesen schwer. Mit der Klage begehrt der Kläger, der als Kaskoversicherer der Geschädigten dieser gegenüber den Schaden reguliert hat, Erstattung der schadenbedingten Aufwendungen in Höhe von mehr als 12.000 Euro von der beklagten Stadt. Bereits am 03.01.2018 zog das Sturmtief "Burglind" über das Stadtgebiet, ohne dass die Beklagte sich hierdurch zu einer Zusatzkontrolle des Baumes veranlasst sah. Ebenso wenig wurde der Parkplatz ganz oder teilweise gesperrt.
Bei der letzten Sichtkontrolle des Baumes am 01.02.2017 durch einen Mitarbeiter einer beauftragten Fachfirma hatte dieser den Baum als verkehrssicher eingestuft. Die Beklagte ließ die Überreste des Schadbaums vernichten, ohne zuvor eine weitere Begutachtung zu veranlassen oder durchzuführen. Der Fachfirma, die mit der Baumkontrolle beauftragt war, ist in dem Rechtsstreit der Streit verkündet worden. Diese ist dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetreten.
Ein von dem Kläger beauftragter Privatgutachter hielt ein Kontrollintervall von mindestens einmal jährlich, unter Umständen sogar ein halbjährliches Kontrollintervall, für geboten, ferner bereits aufgrund der Baumkontrolle vom 01.02.2017 eine eingehende Untersuchung, die zur Fällung des Baumes vor dem Schadeneintritt geführt habe. Diese Einschätzung wurde im Wesentlichen von dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen bestätigt. Eine eingehende Untersuchung hätte zu einer engmaschigen Kontrolle des Baumes und Entfernung vor dem Schadeneintritt geführt. Außerdem sei nach den FLL-Baumkontrollrichtlinien eine Zusatzkontrolle nach dem Sturm "Burglind" notwendig gewesen. Aufgrund der Beweisaufnahme hat das ArbG Aachen der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Eine fristwahrend von der Beklagten beim LAG Köln eingelegte Berufung ist zurückgenommen worden.
Das ArbG Aachen stützt seine Entscheidung alternativ auf § 839 BGB, sofern es sich um einen öffentlichen Parkplatz gehandelt hat, beziehungsweise auf §§ 280, 241 BGB, sofern es sich um einen Mitarbeiterparkplatz gehandelt hat, was nicht geklärt werden konnte. Zutreffend stellt das Gericht die Inhaltsgleichheit der Verkehrssicherungspflicht in den alternativ genannten Normen fest. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sieht das Gericht nach Beweisaufnahme darin, dass die Beklagte den schadensursächlich gewordenen Baum nicht bereits vor dem Schadeneintritt gefällt oder zumindest den Parkplatz ganz oder teilweise gesperrt hat.
Ein Mitverschulden der Mitarbeiterin, die ihr Fahrzeug trotz Sturmwarnung unter einem Baum geparkt hat, sieht das Gericht nicht. Für das Verschulden des beauftragten Dritten hafte die Kommune ohne Exkulpationsmöglichkeit, da dieser als "verlängerter Arm" der öffentlichen Hand und damit hoheitlich tätig geworden sei. Der beauftragte Baumkontrolleur habe im Rahmen der durchgeführten Sichtkontrolle fahrlässig nicht erkannt, dass eine eingehende Untersuchung des Baumes erforderlich gewesen wäre und in der Folge dessen Fällung.
Zumindest habe die Kommune alternativ nach dem Sturm vom 03.01.2018 den Parkplatz ganz oder zumindest teilweise sperren müssen, wenn sie schon keine gebotene Zusatzkontrolle des Baumes durchgeführt habe. In beiden Fällen wäre es jedenfalls nicht zu dem Schadeneintritt gekommen. Zulasten der Beklagten wirke sich im Übrigen auch aus, dass diese durch Beseitigung des Baumes nach dem Schadeneintritt eine validere Begutachtung vereitelt habe. Schließlich sei der Anspruch auch nicht aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD verfallen. Die Korrespondenz des Klägers mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten innerhalb von sechs Monaten nach dem Schadensereignis und nach dem Anspruchsübergang auf den Kläger wahre die Ausschlussfrist.
Die Entscheidung des ArbG Aachen ist aufgrund der Beweisaufnahme konsequent und folgerichtig. Zumindest im Innenverhältnis besteht aber ein voller Regressanspruch der beklagten Kommune gegen die beauftragte Fachfirma, der zur Wahrung dieses Regressanspruches in dem Rechtsstreit der Streit verkündet worden ist. Interessant und im Ergebnis durchaus nachvollziehbar ist im Übrigen die Auffassung des Gerichts, ein Mitverschulden lasse sich nicht allein daraus herleiten, dass ein Verkehrsteilnehmer trotz Sturmwarnung unter einem Baum parkt.
Ass. jur. Armin Braun, GVV-Kommunalversicherung