Danakil – eine Erlebnisreise auf der Spur des Wassers
BUGA Erfurt 2021 mit neuem Wüsten- und Urwaldhaus
von: M. A. Sibylle EßerVon Sonnenflüchtern und Schattenmachern
Im Zentrum der Hauptausstellungsfläche der BUGA Erfurt 2021, dem egapark, ist eines der besonderen Vorzeigeprojekte der Bundesgartenschau entstanden: das Danakil - ein Wüsten - und Urwaldhaus. Namensgeber ist die Danakil-Wüste in Äthiopien. Ehemals fruchtbares urwaldähnliches Land, ist diese Wüste heute eines der lebensfeindlichsten Gebiete der Erde. Das neue Wüsten- und Urwaldhaus zeigt die Strategien zum Überleben von Pflanzen und Tieren in beiden Biotopen. Wasser spielt die zentrale Rolle. Während im warmen, feuchten Regenwald der Konkurrenzkampf um die Sonnenstrahlen tobt, lechzen die Wüstenbewohner nach Wasser. Das wird didaktisch wie digital auf neuestem technischen Stand spannend und spektakulär erklärt.
Zur Historie: Das Gebäude entstand am ehemaligen Standort der Zentralgaststätte. Die in die Jahre gekommenen Schauhäuser, die den heutigen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Besuchererlebnis, Technik und Energiebilanz nicht mehr gerecht wurden, mussten weichen. Die 820 Quadratmeter Ausstellungsfläche des Danakil ziehen sich nun über drei Geschosse und sind mittels einer Brücke mit einem neuen Überwinterungsgewächshaus verbunden.
Der Bestand von Kakteen, Sukkulenten und exotischen Gehölzen aus den ehemaligen Gewächshäusern wurde mit begleitender Beratung durch das seit 300 Jahren auf Kakteen spezialisierte Erfurter Unternehmen Kakteen Haage vorgenommen. Fünf Meter hoch war die größte Palme, meterhoch auch 40 große Kakteen. Für sie wurden extra Holzgestelle gebaut.
Ulrich Haage fand dazu keine Literatur. Er bereiste in Arizona Gärtnereien, in denen mexikanische Gärtner riesige Kakteen ausgruben, speziell verpackten und mittels eines Krans auf Tieflader luden, um sie anschließend quer durch die U.S.A. zu transportieren. 3 bis 4 Tonnen wogen einzelne alte Pflanzen, die nun auch in Erfurt umgezogen werden mussten. In ein neues Gebäude mit viel Platz: es ist 83 Meter lang und 13 Meter hoch. Der ganze Komplex vereinigt 1250 Quadratmeter Wüstenhaus und 850 Quadratmeter Urwaldhaus. Geplant und gebaut wurde es vom Architekturbüro Henchion Reuter Architekten Berlin/Dublin in Zusammenarbeit mit Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Dresden/Prag, die für die Außenbereiche, den Klimawald und die Klimaringe verantwortlich zeichnen. Die Erstellung und Einrichtung (Danakil und Überwinterungsgewächshaus) hat 21,4 Millionen Euro gekostet, davon kamen 17,2 Millionen Euro aus der Förderung: 15,5 Millionen Euro (90 % der förderungsfähigen Kosten) gemäß Richtlinie des Freistaats Thüringen für die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW).
Dass das Tropenhaus inhaltlich eine Besucherattraktion geworden ist, liegt maßgeblich an Viktoria Wille. Die Berliner Architektin und Chefin des Büros "Stories within Architecture" ist Szenografin, also verantwortlich für die Darstellung der außergewöhnlichen Lebensräume. In einem Interview äußerte sie: "Es ist wie eine Reise, wir wollen die Besucher auf die Spur des Wassers schicken. Wasser ist das einzige Element auf der Erde, das natürlich in allen Aggregatzuständen vorkommt. Dabei bleibt seine Menge gleich - nur seine Verteilung ändert sich stetig. Es ist in der Luft, in Pflanzen, im Boden oder auch in uns."
Der Lauf des Wassers leitet die "Reisenden" hier thematisch auf einem Hauptweg durch die klimatypischen Landschaften. Viele kleine Nebenpfade laden dazu ein, die Pflanzen- und Tierwelt zu entdecken oder eigene Forschungen zu betreiben. Die extremen Unterschiede zwischen Urwald und Wüste und der Kampf ums Wasser werden darin zum Erlebnis für die Besucher. Wie kommen Pflanzen und Tiere damit klar? Wasserquellen sind in dieser Erlebniswelt Wissensquellen. Für das Erlangen dieses Wissens könnten die Besucher modernste Technik nutzen.
So wurden Pflanzen und Tiere nicht nach ihrem Vorkommen in der Welt, sondern nach ihren faszinierenden Überlebensstrategien gruppiert und sortiert. Nach der Vorstellung von Viktoria Wille erzählen Pflanzen oder Tiere als Protagonisten, wie sie sich an die besonderen Lebensbedingungen angepasst haben, was sie erfolgreich gemacht hat. So gibt es im Urwaldbereich Mauermakis, grüne Leguane und Wasseragame - sogar Fische wie einen Süßwasserrochen. Es wird ein 4 bis 5 Meter hohes Gehege für eine Baumpython geben und einen Wasserfall, der 6,5 Meter in die Tiefe stürzt. Blattschneiderameisen können auf ihrem Weg zum Strauch in einer Acrylröhre beobachtet werden. Eine große Sanddüne und ein Wadi - also ein ausgetrockneter Flusslauf gehören zum Biotop Wüste und werden von Rüsselspringern, Gundis, Langohrigeln und Grabfröschen besiedelt. Im Wüstenhaus begegnet man zuerst den Sonnenflüchtern. Pflanzen wie die Fenestraria wachsen direkt unter der Erde und lugen nur über den Wüstenboden.
Zu diesen Strategien gibt es Parallelen in der Tierwelt. Käfer oder Nagetiere flüchten vor der glühenden Hitze unter die Erde. Die Familie der Erdmännchen macht vor, wie das erfolgreich auch im Team funktioniert. Wer sich von den putzigen Erdmännchen losgerissen hat, trifft die einfallsreichen Schattenmacher. Ob durch baumartigen oder kriechenden Wuchs, steil gestellte Blätter, lange Dornen, Warzen, Rippen oder Lamellen: Es gibt viele Wege, damit sich eine Hälfte des Körpers von Tier und Pflanze stets im Schatten befindet. Dann folgen auf dem Rundweg durch das Wüstenhaus die Schatzgräber. Not macht erfinderisch: Tiefreichende Wurzel- oder Tunnelsysteme oder ein weitreichendes oberflächennahes Wurzelsystem helfen den Pflanzen Wasser zu finden. Man beobachtet die Fettschwanzmaus, die Nahrung in ihrem Schwanz speichern kann und bei Bedarf als Reserve mit sich trägt - ähnlich wie der Kaktus. Oder Insekten, die den Tau am Morgen an ihrem Körper sammeln um über den heißen Tag zu kommen.
Wie hochspezialisierte Lebensräume erklärt werden
Wüste und Regenwald - beides sind hochspezialisierte Lebensräume die einander in vielerlei Hinsicht bedingen. Seit längerem können wir beobachten, dass die Größe der Wüstengebiete auf der Erde wächst und der Regenwald schrumpft. Auch dafür will das Danakil durch das Erlebnis in der Klimazonenwelt sensibilisieren.
Mit einer Wünschelruten-App oder einem interaktivem Audioguide werden die Besucher zu Entdeckern, ein magischer Monitor mit Touchscreen Funktion hilft dabei die Phänomene zu verstehen. Frei drehbare Monitore wiederum - sogenannte Landschaftsscanner - vermitteln interessante Fakten zu den Pflanzen. Auf eine Beschilderung wurde verzichtet.
Mit dem Danakil ist ein touristisches Highlight mit bislang deutschlandweitem Alleinstellungsmerkmal in Erfurt entstanden. Durch die Verbindung von moderner Architektur, Natur, Kultur, nachhaltigem Wirtschaften und Ökologie eröffnen sich mit diesem Modell-Gewächshaus völlig neue Möglichkeiten, den Park als touristische Attraktion herauszustellen. Auch nach dem Ende der Bundesgartenschau werden jährlich bis zu 100.000 Besucher allein im Tropenhaus erwartet.
Im Wüstenhaus ist ein Temperaturband der Raumlufttemperatur von mindestens 12 Grad Celsius - 16 Grad Celsius und maximal 18 Grad Celsius - 22 Grad Celsius entsprechend eines jahreszeitlichen Profils vorgegeben. Eine aktive Kühlung ist jedoch nicht vorgesehen. Im Sommer wird das Wüstenhaus ausschließlich natürlich gelüftet, so dass die Raumtemperaturen im Sommer an die Außentemperatur gekoppelt sind. Ein Anstieg der Raumlufttemperatur bis ca. 3 Grad Celsius über die Außenlufttemperatur wird dabei toleriert. Regelbare Lüftungsöffnungen mindestens in den Südwest-, Nordwest und Nordostfassaden sind entsprechend ausgelegt und sorgen für eine natürliche Ablüftung überschüssiger Wärmelasten. Die Raumluftfeuchte soll möglichst gering sein, eine aktive raumlufttechnische Entfeuchtung kommt jedoch nicht zum Einsatz.
Hinter den gelbgrünen Schwefelseen im neuen Gewächshaus beginnt nun die Wüste. 80 Tonnen heller, feinkörniger Sand bilden den Übergang von der Danakilsenke in die staubtrockene, nachgestellte Landschaft. Hier übernahm ein herkömmliches Laubgebläse die Aufgabe des Windes und blies den Sand hinein. Garten- und Landschaftsbauer David Jakob (Firma Lindenlaub) designte damit die Sanddüne in typischen Wellen und Sandformationen. Projektleiter Sandro Schollmeyer erklärt: "80 Tonnen Sand, das sind knapp drei Lkw-Ladungen, waren erforderlich, bis die Sanddüne ihr endgültiges Aussehen hatte. Mehrere Stunden Arbeit waren dazu notwendig. Sicher müssen wir auch später öfter nachformen."
Die Innenbauteile (Kunstfelsen, Böden, Wände etc.) sind massiv ausgeführt und dienen als passive Wärmespeicher zur Aufnahme von Solarstrahlung, die nachts wieder an den Raum abgegeben werden kann und dann zur Temperierung des Raumes beiträgt. Für die Verglasung verwendete man eine 2-Scheiben Isolierverglasung mit moderat selektiver, neutraler Sonnenschutzbeschichtung, die einen guten winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz bietet. Ein Sonnenschutzsystem ist im Wüstenhaus nicht geplant.
Die Beheizung des Wüstenhauses erfolgt einerseits durch statische Heizkörper, die entlang der Außenfassaden in Unterflurschächten in den Wartungsgängen verlaufen. Außerdem gibt es eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und variabler Aufteilung zwischen Frischluft und Umluft, die (auch bei kalten Außentemperaturen, das heißt, unabhängig von den Fassadenöffnungen), zwei Funktionen erfüllt: Sie sorgt einerseits dafür, dass stets die minimal erforderliche Frischluftmenge im Raum zur Verfügung gestellt werden kann. Zudem wird über die Lüftungsanlage eine stetige minimale Luftbewegung in allen Raumbereichen garantiert, die für die Bepflanzung wichtig ist. Dazu sind die Zuluftöffnungen in geeigneter Form als Düsen ausgebildet und an verschiedenen Stellen über die Fläche im Raum verteilt. Die Abluft wird am niedrigsten Punkt im südwestlichen Teil des Raumes gefasst, was eine kurze Anbindung zur Lüftungszentrale im benachbarten Untergeschoss ermöglicht und gleichzeitig der Ausbildung stagnierender Luftschichten im Bodenbereich (u. a. während der Heizperiode) entgegenwirkt.
Im Urwaldhaus ist ein Temperaturband der Raumlufttemperatur von mindestens 18 Grad Celsius - 24 Grad Celsius und maximal 26 Grad Celsius - 28 Grad Celsius entsprechend eines jahreszeitlichen Profils vorgegeben Eine aktive Kühlung ist nicht vorgesehen. Im Sommer wird das Urwaldhaus natürlich gelüftet, so dass die Raumtemperaturen im Sommer weitgehend an die Außentemperatur gekoppelt sind. Die erforderliche relative Raumluftfeuchte beträgt mindestens 60 Prozent und sollte 85 Prozent nicht überschreiten.
Alle Außenfassaden des Urwaldhauses sind vollständig verglast. Motorisierte Fassadenöffnungen befinden sich im oberen und unteren Bereich der Südwest-, Südost- und Nordostfassaden sowie im Bereich des Schmetterlingstals im Dachbereich. Sie sind so dimensioniert, dass eine wirksame natürliche Durchlüftung zur Abfuhr überschüssiger solarer Wärmegewinne auch hinter dem gegebenenfalls aktiven Sonnenschutzsystem gewährleistet ist. Sie dienen auch zur Feuchteregulierung. Für die Verglasung ist eine Doppelscheiben Isolierverglasung mit Wärmeschutzbeschichtung vorgesehen, die maximale Lichttransmission bei einem guten winterlichen Wärmeschutz bietet. An der Südwest- und Südostfassade sowie im Dachbereich verwendete man ein innen liegendes bewegliches Sonnenschutzsystem. Der Baukörper besteht aus einem einfachen, robusten Gewächshaussystem, das kostengünstig und flexibel war. Metallische Bestandteile im Textil mit "Low-e"-Eigenschaften zur Raumseite hin verbessern den Strahlungskomfort, indem der (unerwünschte) Austausch von Infrarotstrahlung vom warmen Dachbereich in den Aufenthaltsbereich reduziert wird. Mit dem gleichen Effekt kann umgekehrt durch Schließen des Sonnenschutzes in kalten Winternächten der warme Innenraum gegenüber der kalten Dachoberfläche abgeschirmt werden.
Die Beheizung des Urwaldhauses erfolgt einerseits durch statische Heizkörper, die entlang der Außenfassaden in Unterflurschächten verlaufen. Außerdem gibt es eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und variabler Aufteilung zwischen Frischluft und Umluft, die mehrere Funktionen erfüllt: Sie sorgt einerseits dafür, dass stets (auch bei niedrigen Außentemperaturen) die minimal erforderliche Frischluftmenge im Raum zur Verfügung gestellt werden kann und dient der Regulierung der Raumluftfeuchte. Außerdem wird über die Lüftungsanlage eine stetige minimale Luftbewegung in allen Raumbereichen garantiert, die für die Bepflanzung - insbesondere in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit - wichtig ist. Dazu sind die Zuluftöffnungen in geeigneter Form als Düsen ausgebildet und entlang der Fassaden verteilt. Die Andienung erfolgt über die Unterflurschächte. Die Abluft wird am niedrigsten Punkt im Bereich des Teiches im südöstlichen Teil gefasst, was der Ausbildung stagnierender Luftschichten im Bodenbereich (v. a. während der Heizperiode) entgegenwirkt.
Im Urwaldhaus kommen gezielt Hochdruck-Sprühnebelsysteme zum Einsatz. Integriert in die Lüftungsstrategie werden damit sowohl die gewünschten Luftfeuchtebedingungen als auch der adiabatische Kühleffekt optimiert. Damit werden sowohl die Wachstumsbedingungen der Pflanzen als auch der Aufenthaltskomfort für die Besucher verbessert. Es besteht die Möglichkeit, das System mit Ventilatoren zur Erzeugung von Luftbewegung zu kombinieren, was unter sommerlichen Bedingungen sowohl den thermischen Komfort der Besucher lokal erhöhen kann als auch die Klimabedingungen für die Pflanzen bei hoher Luftfeuchtigkeit verbessert. Außerdem können mit der Nebelerzeugung szenografische Effekte eines Tropenwaldes unterstützt werden.
Zahlen und Fakten zum Tropen- und Urwaldhaus Danakil
Maße
- Gebäudemaße: Länge 83 Meter, Breite 30 bis 35 Meter, Höhe 8 bis 13 Meter
- Fläche: Wüstenhaus 1250 Quadratmeter, Urwaldhaus 820 Quadratmeter
- Rauminhalt: 33.000 Kubikmeter
Kosten und Förderung
- Gesamtkosten: 21,4 Millionen Euro (Danakil und Überwinterungsgewächshaus)
- 15,5 Millionen Euro (90 % der förderfähigen Kosten von 17,2 Mio. Euro) aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW)
Bauphasen
- 2013 - Erste Ideenskizze
- 2015 - Wettbewerb mit dem Sieger "Generalplaner ARGE DANAKIL" (Henchion Reuter Architekten, Rehwaldt Landschaftsarchitekten, STORIES within ARCHITECTURE, Tragwerksplanung EiSatGmbh, Obermeyer Planen + Beraten GmbH)
- 2016 - Entwurfsplanung und Förderantrag an die Thüringer Aufbaubank
- 2017 - Genehmigungsplanung für den Bauantrag, Ausführungsplanung und Ausschreibung
- 2018 - Baubeginn
- 2020 - Fertigstellung und Inbetriebnahme (Pflanzen- und Tieransiedlung)
- 2021 - Eröffnung zur BUGA Erfurt 2021
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