Das Grüne Netz Hamburg als grüne Infrastruktur

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Gesamtluftbild ‚Stromaufwärts an Elbe und Bille’. Foto: BSW, Spengler Wiescholek Architekten und Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst studio. Luftbild: Matthias Friedel, Visualisierung: moka-studio.

Das Grüne Netz Hamburg ist die aus den geographischen Begabungen der Stadt heraus entwickelte planerische Freiraumstruktur Hamburgs: als strategisches Instrument dient es der Steuerung einer integrierten Stadtentwicklung durch grüne Infrastruktur. Fritz Schumacher hat 1920 mit seinem "System der Grünflächen" und dem berühmten Federplan den Grundstein hierfür gelegt.

In der Folge wurden zwar Teile des Grünen Netzes ausgebaut, eine systematische bauliche Umsetzung dieser Planungsidee hat aber nie in ihrer Gesamtheit stattgefunden. Angesichts der zunehmenden baulichen Verdichtung Hamburgs soll sich dies nun ändern: Die Entwicklung und der Bau der Landschaftsachse Horner Geest ist Pilotvorhaben und Auftakt zur Realisierung und weiteren Qualifizierung des Grünen Netzes.

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Federplan von Fritz Schumacher, 1920.
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Grünes Netz Hamburg: Struktur und Logo. Abb.: BUE (nur als kleine Abbildung!)

Begonnen hat die Idee einer netzartigen grünen Infrastruktur für Hamburg vor mehr als 100 Jahren als der heutige Stadtstaat Hamburg noch aus vielen selbständigen Städten bestand. Gustav Oelsner entwickelte für Altona drei grüne Gürtel, im selbstständigen Wandsbek wurde ein verbindender Grünzug gebaut und Fritz Schumacher skizzierte zusammenfassend und vorausschauend in seinem "Federplan" die städtebauliche Entwicklung eines künftigen Hamburgs. In diesem Plan sind es die Weißflächen, die als eine künftige Freiraumstruktur, als gewollte Zäsuren angelegt werden sollten.

In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts begann man in der Landschaftsplanung auf Landesebene das Vorhandene zu sichern und planerisch zu einem Freiraumverbundsystem für die Gesamtstadt zu verbinden, dem Grünen Netz. Zwei grüne Ringe, Landschaftsachsen, Parkanlagen und kleinteilige Grünspangen - alles zusammen und miteinander verbunden greifen sie die vorhandenen Freiraumstrukturen auf und entwickeln daraus ein eigenständiges Konzept im verbindlichen Landschaftsprogramm.

Im Folgenden soll der Blick auf die linearen Freiraumelemente des Grünen Netzes gelenkt werden und den derzeit laufenden Bemühungen, diese in ihrer Qualität neu zu entwickeln und umzusetzen. Am konkreten Beispiel der Landschaftsachse Horner Geest wird deutlich gemacht, wie diese strategischen Ziele im Zuge der aktuellen Stadtentwicklungspolitik umgesetzt werden können und welche Herausforderungen damit verbunden sind.

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Wandern auf dem Grünen Ring. Foto: Thomas Krenz
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Verlauf der zwölf Landschaftsachsen. Ziffer 4: Landschaftsachse Horner Geest. Abb.: BUE
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Gesamtplan „Stromaufwärts an Elbe und Bille“. Bild: BSW, Spengler Wiescholek Architekten und Stadtplaner, WES GmbH Landschaftsarchitekten, Urban Catalyst studio.

Grüne Ringe

Der Erste Grüne Ring ist der Rest der alten mittelalterlichen Befestigungsanlagen, der, nachdem er seine militärische Bedeutung verloren hatte, wie in vielen Städten von Bebauung frei gehalten und zum Teil begrünt wurde. Dass heute ein so großer Teil mittlerweile bebaut oder mit verkehrlichen Infrastrukturen belegt ist, lässt sich nachträglich bedauern, scheint jedoch irreversibel.

Der Zweite Grüne Ring ist die "Fangleine" des Grünen Netzes: ein 100 Kilometer langer Weg durch den ausfransenden Rand der Stadt. Ein Weg, der manchmal ganz schmal als Pfad durch kleine Wildnisse führt, manchmal große Parkanlagen in breiten Wegen, wie zum Beispiel den Altonaer Volkspark, durchmisst und manchmal entlang von vielbefahrenen Magistralen in einer begleitenden grünen Fuge seine asphaltierte Spur findet. Auch Kleingartenanlagen werden durchquert und bieten Einblicke in die Seelen der Gärtner.

Es ist keine wirklich gewachsene Grenze der Stadt, die man beim Entlanglaufen erfährt, sondern eine gesetzte. Ein Stadtrand, der individuelle Freiräume zulässt und gleichzeitig einen tiefen Einblick in das zum Rand hin zunehmend ungeordnete System Stadt gewährt. Die Grenzlinie umfasst durchaus die Kernstadt Hamburg und könnte als grüner Weg mit Inhalten gefüllt werden. Taugt der grüne Ring als eine Wachstumsgrenze der verdichteten Stadt? Ist er eine Abenteuerroute für urbane Pioniere? Ein Erprobungsfeld für Kunst in den urbanen Zwischenzonen? Ist es eine sportliche Herausforderung für Hamburger/innen, um ein Mal die eigene Stadt mit eigener Muskelkraft umrunden zu wollen?

Zirkuläre Wegesysteme in der Stadt funktionieren in der Regel nicht als Alltagsbewegungen, zu sehr ist der Organismus der Stadt auf ihr Zentrum ausgelegt. Nur radiale Wegeverbindungen führen zum schnellen Ziel und entwickeln dadurch ihre Alltagsfunktion. Die zirkuläre Bewegung hingegen macht die eigentliche Bewegung zum Ziel. Sportliche Bewegung ist ein fester Teil der städtischen Gesellschaft. Klar abgesteckte Zirkel und Streckenrouten könnten daher helfen, den grünen Ring in Alltagsabläufe zu integrieren. Sie bilden messbare Einheiten, die in eigenen zeitlichen Kategorien bewältigt werden können. 100 Kilometer ausgewiesener Weg, getaktet durch Wegemarkierungen, werden dann zu festen Maßeinheiten im Raum. Dies könnte eine Stärkung des Weges für den Alltag in der Stadt erzeugen. Der Auftakt mit Wandervereinen, die nacheinander sämtliche Streckenabschnitte erwandern, wird in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal angeboten und erfreut sich zunehmender Nachfrage in der Bevölkerung. Eine Karte liegt kostenfrei vor und die Wegemarkierung wurde mittlerweile optimiert - ob mit Fahrrad oder zu Fuß - beides ist möglich. Noch stärker wäre die Taktung und Markierung künftig zu entwickeln (http://www.hamburg.de/wandern-im-gruenen).

Um die eigenwillige Ästhetik dieses Freiraums zu erkunden, bedarf es noch möglicher Entdecker. Erkundungen durch Schriftsteller, Photographen, Comiczeichner, Künstler und Planer könnten hierfür Aufmerksamkeiten erzeugen und den scheinbar wertlosen Stadtrand in seiner besonderen, ihm eigenen Qualität aufscheinen lassen.

Landschaftsachsen

Die Landschaftsachsen als radiale freiraumplanerische Figuren verbinden die innere Stadt mit den angrenzenden Landschaftsräumen. Oder umgekehrt: von der Landschaft her kommend führen sie zur Stadt hin, sind Leitbahnen, um mehr Natur in die Stadt zu bringen und fließende, durchgängige Bewegungen zu ermöglichen. Zwölf Landschaftsachsen sind es mittlerweile in Hamburg geworden, die so Stadt und Landschaft verbinden.

Die Achsen sind in ihren Begabungen sehr unterschiedlich. Manchmal sind sie zwingend oder erschließen sich "intuitiv", insbesondere wenn sie entlang von Flüssen verlaufen. Der Fluss als Begleiter ist eine sinnfällige Orientierung, die keiner weiteren Erläuterung bedarf. Entlang der Alster verläuft die Alsterachse, die tief mit der Stadt und ihren Bewohnern verbunden ist. Nicht zuletzt, weil sie im Sommer von zahllosen Booten auch von der Wasserseite aus erlebt werden kann. Hier zeigt sich das Potenzial einer grünen Achse nahezu perfekt.

Auch entlang der Wandse, einem eher unbekannteren Zufluss der Alster, sind die naturräumlichen Begabungen sehr prägnant. Allerdings zeigt sich hier ein Dilemma: Die grünen radialen Verbindungen müssen immer wieder breite Straßen queren. Und wer Vorfahrt in der Stadt hat, zeigt sich schnell: das Auto. Umwege und Desorientierung für den Fuß- und Fahrradverkehr sind die Folge. Die stete Unterbrechung ist ein Motiv, das leider alle Landschaftsachsen begleitet.

Wege- und Orientierungssysteme sind daher eines der großen Themen, denen man sich in der Entwicklung stärker als bisher widmen muss. Es muss gelingen, eine fließende Bewegung durch die Stadt zu ermöglichen, die Halt und Rückgrat im Grünen findet und Menschen aufgrund von querungsarmen, attraktiven Verbindungen zum Umstieg vom Auto auf das Fahrrad bewegt.

Jede Achse ist unverwechselbar. Spezifische Besonderheiten werden als Identifikationspunkte gestalterisch integriert. Auf diese Art könnten zum Beispiel Haltepunkte des öffentlichen Nahverkehrs als lebendige Ankunftsorte zu urbanen Kristallisationskernen entwickelt werden. Weithin sichtbare Architekturen könnten freigestellt und so zu Orientierungspunkten über große räumliche Distanzen werden.

In der Diskussion um eine dichtere Stadt verdienen mögliche bauliche Kanten an den Grünzügen besonderes Augenmerk. Sie als gebaute Gebäudekanten auszugestalten, kann die Kontur des Freiraums stärken, diesen beleben und den Kontrast zwischen gebauter und ungebauter Stadt sichtbar machen.

Und nicht zuletzt sind die Landschaftsachsen Naturräume, in denen Jahreszeiten an der Vegetation erlebbar werden und Kontakt zur Stadtnatur stattfindet. Eine Stadtnatur, die zum einen gärtnerisch geprägt sein kann, aber auch andere wilde Bilder von Natur erschafft, die allerdings einer besonderen Aufmerksamkeit in der Ausführung und Pflege bedürfen, um nicht als "verwahrlost", sondern als "wilde Natur" positiv konnotiert zu werden.

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Landschaftsachse als Mobilitätsraum. Foto: Cornelia Peters
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Die Landschaftsachse Horner Geest endet nach acht Kilometern am Öjendorfer Park. Foto: Cornelia Peters
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Vision: „Die Achse blüht auf“. Visualisierung: Breimann & Bruun; Luftbild: Matthias Friedel

Die Landschaftsachse Horner Geest

Die Weiterentwicklung des Grünen Netzes wird auch im Zuge der aktuellen Stadtentwicklung vorangetrieben. Im Rahmen des im Sommer 2014 veröffentlichten Senatskonzepts "Stromaufwärts an Elbe und Bille - Wohnen und urbane Produktion in HamburgOst" soll unter anderem die Landschaftsachse entlang der Horner Geestkante entwickelt werden.

Befördert durch ihre Aufnahme in das Förderprogramm des BMUB "Nationale Projekte des Städtebaus 2015" wurde sie nun als Pilotvorhaben für die Realisierung ausgewählt. Damit besteht die einmalige Chance, die in Teilen nur auf dem Papier existierende grüne Achse in ihrer Gesamtheit zu entwickeln sowie wahrnehmbar und erlebbar zu machen. Denn das Versprechen, das jeder der zwölf Landschaftsachsen immanent ist, nämlich in die Landschaft zu gelangen, ist noch nicht durchgängig erkennbar. Bis zum Jahr 2019 stehen nun knapp fünf Millionen Euro zur Verfügung, um diesen Prozess anzustoßen.

Mit dem stadtentwicklungspolitischen Beschluss Hamburgs, verstärkt den Blick elbaufwärts nach Osten zu lenken und die vorhandenen Potenziale dieses unterbewerteten Stadtraums zu stärken, kommt der Landschaftsachse auf der Geestkante eine zentrale Freiraumfunktion zu. "Stromaufwärts an Elbe und Bille" ist kein fertiges Stadtentwicklungskonzept, sondern ein Zukunftsbild, das die hohen Potenziale dieses Raumes aufzeigt, der durch eine dialogorientierte und kooperative Stadtplanung sukzessive entwickelt werden soll.

Nach der HafenCity und dem "Sprung über die Elbe" mit IBA und igs 2013 sind die östlichen Stadtquartiere neue Schwerpunkte der Hamburger Stadtentwicklungspolitik (www.hamburg.de/stromaufwaerts). In dem heterogenen Stadtgebiet leben heute rund 164.000 Menschen in zum Teil qualitativ hochwertigen stadtbildprägenden Backsteinbeständen. Das im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Gebiet ist heute in weiten Teilen aber durch den aufgelockerten und nutzungsentmischten Städtebau der Nachkriegszeit geprägt. Zudem sind hier viele Gewerbe- und Industriebetriebe angesiedelt. Der Raum bietet Potenzial für etwa 10.000 bis 20.000 neue Wohnungen und befördert damit das aktuelle Wohnungsbauprogramm der wachsenden Stadt Hamburg, das den Bau von 6000 Wohnungen jährlich zum Ziel hat.

Damit dieser Verdichtungsprozess qualitätsvoll stattfinden kann, ist ein zentrales Ziel des Zukunftsbildes, das vorhandene Freiraumnetzwerk und die prägende Wasserlandschaft zu qualifizieren und zum leitenden und die heterogene Stadtlandschaft verbindenden Grundgerüst der zukünftigen Stadtentwicklung zu machen. Neben einem neuen, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Grünzug, der so genannten Grünen Passage soll zukünftig insbesondere die in Ost-West-Richtung verlaufende Landschaftsachse Horner Geest weiter entwickelt werden. Sie bietet die Chance, auf einer Länge von etwa acht Kilometern eine durchgängige Grün-, Biotop-, Erlebnis- und Mobilitätsverbindung von der Innenstadt bis in die freie Landschaft zu schaffen.

Sie führt vom Ersten Grünen Ring im Bereich des Hauptbahnhofs entlang der Geestkante durch eine heterogene Stadtlandschaft nach Osten zum 140 Hektar großen Öjendorfer Park, der Teil des Zweiten Grünen Rings ist. Die Bruchkante zwischen Marsch und Geest ist in Hamburg eine der wenigen topographischen Ereignisse, die sich im Stadtbild erleben lassen. Eine Besonderheit, die im Hamburger Westen mit den besten Wohnlagen entlang der Elbchaussee den Ausblick zelebriert, im Hamburger Osten aber nach den großen Kriegszerstörungen und dem autogerechten Wiederaufbau kaum in der Stadtstruktur in Erscheinung tritt.

Derzeit erarbeiten die Hamburger Landschaftsarchitekten Breimann & Bruun mit dem Planungsbüro Urbanista als Unterauftragnehmer eine grobe Bestandsanalyse, eine Leitidee und ein erstes Konzept für die Bürgermitwirkung und Kommunikation des Projektes. Eine solche Aufgabe, die Planung einer acht Kilometer langen Achse, ist Neuland für alle Beteiligten. Bei der Größe des Planungsraumes sind neue Wege bei den Methoden der Bürgermitwirkung aber auch den Entwurfspraktiken und Darstellungsformen zu entwickeln. Die größten Herausforderungen sind:

  • Wie kann angesichts zahlreicher Brüche und der Heterogenität der Stadtlandschaft ein durchgängiger Freiraum entwickelt werden, der eine fließende Bewegung von Fußgängern und Radfahrern ermöglicht sowie den Raum in seinem Zusammenhang wahrnehmbar und erlebbar macht? Erste Ideen sind, ein durchgängiges Leitgehölz einzubringen, das etwa wie der Weißdorn in vielfältigen Variationen als Hochstamm, als Hecke, als Baumhain oder Knick einsetzbar ist und sich als Gestaltungselement mit Wuchsformen und Blühaspekten gleichermaßen eignet wie durch einen hohen Biotopwert.
  • In einem kooperativen Wettbewerbsverfahren mit Teams aus Künstlern und Landschaftsarchitekten soll zudem ein Leitsystem entwickelt werden, das jenseits von 'Schilderwäldern' den Achsenverlauf 'intuitiv' erkennbar macht, mit notwendigen Ausstattungselementen verknüpft und dabei auch ,identitätsstiftende' Elemente wie die stadtbildprägenden Kirchen oder historische/naturräumliche Relikte einbindet.
  • Wie kann ein vielfältiger Naturerlebnisraum entwickelt werden, der im Sinne eines multicodierten Freiraums Lösungen für eine innovative Verbindung von Naturästhetik, Stadtökologie und Naturerleben für die unterschiedlichen Freiraumtypologien wie Quartierspark, Grünzug, Straßenbegleitgrün, Kleingärten oder Friedhöfe entwickelt?
  • Wie können für die angrenzenden Stadtquartiere identitätsstiftende Freiräume entstehen? Die Landschaftsachse braucht hierfür eine Geschichte, eine kulturelle Erzählung über sich selbst, um sich zu verankern, eine Identität zu entwickeln und die Menschen zu wecken. Eine zentrale Aufgabe ist zudem, eine bessere Anbindung aus und Vernetzung in das Stadtgefüge herzustellen und die in der Landschaftsachse liegenden U-Bahnhaltestellen als lebendige und urbane Kristallisationspunkte zu entwickeln. Weiter soll die prägende Geestkante als identitätsstiftendes, naturräumliches Element mit seinen Blickbeziehungen und den topographischen Unterschieden inszeniert werden.

Die zentrale, alles verbindende Frage ist aber: Wie kann ein Freiraum entstehen, der von den Stadtbewohnern auch als "ihre" Achse wahrgenommen, angeeignet und bespielt wird? Dies gelingt nur, wenn zugleich innovative Wege in der Planungskultur beschritten werden, die aufbauend auf bereits bestehenden Beteiligungsstrukturen der integrierten Stadtteilentwicklung eine experimentellere Herangehensweise in Planung und Umsetzung anwenden und die Akteure vor Ort von Anfang an in den Mittelpunkt der Planung stellen. Neben den Ebenen Informieren und Konsultieren ist das aktive Mitwirken und Mitentscheiden zentral. Neben der baulichen Aufwertung der Achse geht es deshalb auch darum, diese in die Köpfe der Menschen zu bringen und in der Wahrnehmung und Wertschätzung der Bevölkerung zu verankern und erfahrbar zu machen. Hierfür soll zunächst ein branding - Grüne Infrastruktur als Marke - entwickelt werden und jenseits klassischer Beteiligungsformate eine regelmäßige Bespielung durch öffentlichkeitswirksame Aktionen durchgeführt werden. Dies können etwa Picknickaktion White Dinner, Wanderschäfer in der Landschaftsachse, Fackellauf, Entdeckungstouren, Markierung des Verlaufs oder Pflanzaktionen sein. Diese Aktionen sollen dann mit Formaten der Bürgermitwirkung im Sinne einer aufsuchenden Beteiligung verknüpft werden.

Eine solche performative Partizipation bietet die große Chance, das vorhandene Wissen lokaler Akteure als Experten ihres Stadtraumes einzubinden. Als ein erster Schritt sollen die Quartiersbewohner ihr Wissen in die Analyse einbringen und ihre eigenen Wahrnehmungsräume über "mental maps" aufzeigen. Zudem sollen eine Kombination unterschiedlicher Formate Anwendung finden, um jenseits von Partikularinteressen und artikulationsstarken Akteuren auch diejenigen zu adressieren, die aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Lage und einer anderen Beteiligungstradition nur schwer in den Planungsprozess integriert werden können.

Über ein Akteursmapping und eine Sozialraumanalyse sollen zudem die relevanten Akteure heraus gefiltert und Fokusgruppen identifiziert werden, mit denen gemeinsam Projekte zur Aufwertung der Landschaftsachse entwickelt werden. In einem co-kreativen Prozess werden in Teams mit Landschaftsarchitekten/Experten/Bürgern so genannte Leitprojekte als Bürgerprojekte konkretisiert. In einem öffentlichen Votingprozess konkurrieren diese Ideen dann um insgesamt eine Million Euro, die für die Umsetzung von Bürgerprojekten zur Verfügung gestellt werden.

Das Förderprogramm des Bundes "Nationale Projekte des Städtebaus" hat nun den entscheidenden Impuls gegeben, einen sichtbaren Auftakt zur Umsetzung des Grünen Netzes zu realisieren. Der Erfolg hängt davon ab, inwieweit es gelingt, im Rahmen des Prozesses eine kreative Alltagskultur sowohl bei den Stadtbewohnern als auch im Verwaltungshandeln entstehen zu lassen. Zudem gilt es, sich selbsttragende Strukturen zu etablieren, die langfristig zu einer Verstetigung führen können. Dies erfordert engagierte Kümmerer und mutige Entscheidungsträger, die in Anlehnung an den britischen Stadtforscher Charles Landry auf die Frage "Was ist der Wert der Landschaftsachse und was kostet uns das alles?" selbstbewusst antworten: "Was kostet es uns bloß, wenn wir nichts tun?"

 Klaus Hoppe
Autor

Leiter der Abteilung Stadtgrün und Landschaftsplanung, Hamburg

Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft
Dr. Cornelia Peters
Autorin

Referatsleiterin Gesamtstädtische Freiraumstrategien

Umweltbehörde Hamburg (BUKEA)

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