Der ehemalige BUGA-Park Britzer Garten wird fit für die Zukunft
Nachhaltige Pflege mittels Parkpflegewerk
von: Beate Reuber, Gabrielle Kleuvers
Ein Defizit an Grünflächen
Nach dem 2. Weltkrieg nahm im weitestgehend "baumfreien" und seiner Grünanlagen "beraubten" Berlin die Wiederherstellung der bedeutenden gärtnerischen Anlagen wie beispielsweise der Große Tiergarten, die Begrünung der Trümmerberge in Ost und West sowie der Ufer von Spree und Havel einen hohen Stellenwert ein. Das vorläufige Ende dieser "grünen Bauphase" bildete im Jahr 1985 die Bundesgartenschau im Westen der geteilten Stadt und 1987 die Berliner Gartenschau im Ostteil.
Insbesondere der Ausgleich des Gründefizits in den dichtbesiedelten West-Berliner Bezirken Neukölln, Tempelhof und Kreuzberg stand im Fokus der Entwicklung. Von den traditionellen Erholungsgebieten wie Treptower Park, Köllnische Heide oder Müggelsee abgeschnitten, beschloss 1976 der West-Berliner Senat die grüne Vision einer Bundesgartenschau mit einer Kernfläche von mehr als 90 Hektar Größe.
Bereits zwei Jahre später, 1978, wurde vom damaligen Bausenator und Befürworter des Großprojektes, Harry Ristock, der erste Baum auf der bis dahin weitestgehend baum- und strauchlosen Ackerfläche zwischen Buckow, Britz und Mariendorf gepflanzt. 200 Millionen D-Mark sollte die Realisierung des BUGA-Geländes letztendlich kosten. Ursprünglich sah der Bebauungsplan für das mit zahlreichen Kleingartenkolonien und Gärtnereien bebaute Areal die Errichtung der sogenannten "Osttangente Süd" vor. Die Autobahntrasse 102 sollte im Süden den Teltowkanal überqueren und von der Mohriner Allee durch den Britzer Garten, teilweise untertunnelt, bis zur Marienfelder Chaussee und über die Stadtgrenze hinaus bis nach Dresden führen. Die Freihaltung der Trasse war eine Vorgabe für den landschaftsplanerischen Wettbewerb und teilweise ist diese auch heute noch auf Plänen und anhand der Positionierung einiger Gebäude im Britzer Garten erkennbar.
Von besonderer Qualität: Bürger*innen-beteiligung und Kunst im Park
Eine Projektgruppe zur "Realisierung BUGA 1985" wurde gegründet und war vermutlich die erste Bürger*innenbeteiligung Berlins mit 170.000 verteilten Stimmzetteln. Mehr als 4000 Stimmzettel mit Wünschen, Vorschlägen und Ideen kamen von den Bürger*innen zurück und flossen in den 1977 durchgeführten bundesweiten Ideenwettbewerb ein. Der meistgenannte Wunsch war die Schaffung einer großen Seenfläche inmitten der Parkanlage.
48 Garten- und Landschaftsarchitekten reichten Vorschläge zur Gestaltung der Bundesgartenschau 1985 ein. Das Preisgericht prämierte zwei Arbeiten: Den ersten Platz belegte das Planungsbüro Georg Penker, ein gleichdotierter Sonderpreis für den avantgardistischsten Plan ging an die Gruppe Klingenberg Schaal. Keines der beiden siegreichen Büros erhielt jedoch den Zuschlag. Beauftragt wurde letztendlich der zweitplatzierte Garten- und Landschaftsarchitekt Wolfgang Miller aus Stuttgart.
Hintergrund war das Ergebnis einer weiteren durchgeführten Bürger*innenbefragung, die klar für den Entwurf des Büros Miller mit einer großzügigen Wasserfläche inmitten der Anlage votierte – anstelle des eher kleinteilig gestalteten Wasserkonzepts des Planungsbüro Penker. Sicherlich spielte auch eine Rolle für das Votum, dass mit dem Entwurf des Büros Miller die ursprünglich eingestellten Mittel in Höhe von 98 Millionen D-Mark nicht bereits in der Entwurfsphase einer drastischen Kostensteigerung unterlagen.
Das Thema "Kunst im Park" war immanenter Bestandteil der BUGA-Planung. Erstmalig in dieser Größenordnung wurde bei der Entwicklung einer Bundesgartenschau ein Kunstwettbewerb im Volumen von fünf Millionen D-Mark durchgeführt, dessen zahlreiche und vielfältigen Kunstobjekte wie Skulpturen und ikonographischen Architekturen noch heute das Bild des Britzer Gartens prägen. Rund 650 Künstler*innen beteiligten sich an verschiedenen Wettbewerben, woraus schlussendlich 40 Kunstwerke direkt im oder in unmittelbarer Nähe der neu geschaffenen Parkanlage entstanden.
Das Konzept, die Bedeutung und hohe Qualität der neuen Anlage mit seiner rund 10 Hektar großen Wasserfläche, ausgedehnten Rasenarealen, vielfältigen Themengärten und Kunstwerken in Verbindung mit Umweltbildungseinrichtungen und einem breiten Veranstaltungsprogramm führte bereits während der Durchführung der BUGA vom 26. April bis 20. Oktober 1985 zu intensiven Diskussionen über die Nachnutzung der umzäunten Anlage. Anfängliche Pläne, die Umzäunung nach Beendigung der BUGA 1985 abzubauen und die Fläche als sogenannten "Netzpark", sprich als Wegeverbindung zugänglich zu machen, wurden vom West-Berliner Senat verworfen. Der 90 Hektar große Park sollte dauerhaft erhalten und das vorbildhafte gärtnerische Niveau gesichert werden. Die Umzäunung blieb und ein Eintrittsentgelt von 50 Pfennig wurde erhoben.
SUG-Stellenmarkt



Das Parkpflegewerk als Grundlage für nachhaltige Pflege, Entwicklung und Erhalt
Im Jahr 1987 entstand ein Parkpflegewerk unter Beteiligung und Mithilfe zahlreicher Fachverwaltungen, Experten und Fachvereinigungen. Ein Konzept mit kurzfristigen (bis fünf Jahre), mittelfristigen (bis zehn Jahre) und langfristigen (bis 25 Jahre) Entwicklungszielen wurde geschaffen – unter Einbindung des ausführenden Planungsbüros, das im Zuge dessen die Gelegenheit bekam, die eigenen Planungsideen zu überprüfen und als Grundlage für den zukünftigen Umgang mit der Parkanlage zu definieren.
Hieraus leiteten und leiten sich noch heute vegetationstechnische Entwicklungen einzelner Parkräume wie ein naturnaher Uferschutz, der Erhalt von Sichtachsen und der Anspruch auf Förderung des Artenschutzes und der Biodiversität ab. Das Spannungsfeld des Britzer Gartens liegt in seinen qualitativ hochwertigen gärtnerischen Themengärten und Sonderschauen einerseits sowie den naturnahen Gartenräumen andererseits, die sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Erholungsnutzung, Spiel und Freizeitsport – begleitet von parkverträglichen Veranstaltungen, Kultur- und Bildungsangeboten.
Analog zu den vorangegangenen Bundesgartenschauen wurde die Grünflächenpflege im Britzer Garten während des Durchführungszeitraums von den Wettbewerbsgewinnern des Garten- und Landschaftsbaus übernommen. Zumeist endete die Beauftragung mit Beendigung der Gartenschau und kommunale Stellen übernahmen stattdessen die Aufgaben. Im Fall des Britzer Gartens wurde ein anderer Weg gewählt: Die landeseigene, für die Ausrichtung der Bundesgartenschau verantwortliche Gesellschaft, die heutige Grün Berlin, wurde mit dem Weiterbetrieb der Gesamtanlage beauftragt. Die Grundlage bildeten Nutzungsverträge, die mit den beteiligten Grundstückseigentümern, den Berliner Bezirken Neukölln und Tempelhof-Schöneberg, geschlossen wurden.
Das Prinzip der externen Vergabe blieb bei allen Gewerken auch nach der BUGA 1985 bestehen, so auch für die Unterhaltungs- und Entwicklungspflege im Britzer Garten, die entsprechend der Vergabeordnung regelmäßig und europaweit ausgeschrieben werden. Zur Sicherung der gewünschten Qualität bei der Durchführung aller gärtnerischen Leistungen werden für jeden Pflegebereich individuelle Kriterienkataloge erstellt. Die anhand dieser Kriterien erstellten Leistungsverzeichnisse beinhalten Beschreibungen zu "Vegetationsbildern" und den entsprechend definierten, durchzuführenden Leistungen. Dabei werden besonders repräsentative Pflanzbereiche, wie beispielsweise Rosen- und Staudengarten in ihrer Flächengestaltung als Gesamtbild detailliert beschrieben. Dieses beinhaltet unter anderem Wegebeläge, Beeteinfassungen, rahmengebende Heckenkörper, Pergolen, Rankgerüste und vorhandene Brunnen oder Kunstwerke. Darüber hinaus werden genaue Pflegeanforderungen hinsichtlich Habitus, Schmuckwirkung, Bindetechnik, Schnitt, Düngung, Winterschutz und Etikettierung bezogen auf Gattungen, Art und Sorte der Gehölze und Stauden formuliert. Vorausgesetzt wird, dass insbesondere diese hochwertigen und für das Gesamtbild des Britzer Gartens wesentlichen Pflegebereiche durch ausgebildetes Fachpersonal betreut wird.
Mit der Beschreibung der "Vegetationsbilder" wird insgesamt der Vielfältigkeit und Einzigartigkeit wesentlicher Parkbereiche des Britzer Gartens Rechnung getragen. Dabei umfassen diese nicht nur die bereits benannten hochwertigen Gehölz- und Staudenflächen, sondern werden beispielsweise auch für Rasenflächen erstellt. Bei Letzteren enthalten die "Bilder" unter anderem auch Mahdzeiten und -abfolgen, insbesondere zum Schutz der bodenlebenden Organismen.
Eine solche Arbeitsgrundlage setzt ein fundiertes gärtnerisches Fachwissen und die Bereitschaft des Fachpersonals voraus, den jeweiligen Pflegebereich gut kennenzulernen, ganzheitlich zu denken, zu beobachten und mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Je längerfristiger die Betreuung und Expertise desto besser sind erwartungsgemäß die Ergebnisse, da die Flächen und Eigenarten des jeweiligen Pflegebereiches besser kennengelernt und verstanden werden. Gleichzeitig wirkt diese Art der Betreuung und der Neuausschreibung einer schleichenden "Betriebsblindheit" entgegen. In regelmäßig stattfindendem Austausch zwischen Fachpersonal und Objektmanagement wird das jeweilige Pflegeziel entsprechend des aktuellen Standes immer wieder nachjustiert und formuliert.


Neue Herausforderungen: Grundlagen schaffen und Lösungsansätze entwickeln
Um weiterhin die oben erwähnten Qualitätsstandards und die Einzigartigkeit der Anlage zu erhalten, muss sich der Britzer Garten unter anderem im Zeichen des Klimawandels neuen Herausforderungen stellen. Eine stabile und nachhaltige Vegetationsstruktur gilt es zu erhalten und zukunftsfähig anzupassen, ohne die Identität der Parkanlage zu verändern.
Als Grundlage dafür hat die Grün Berlin als Betreiberin des Britzer Gartens im Jahr 2021 nach umfangreichen Voruntersuchungen und mit Hilfe einer weitreichenden Bürger*innenbeteiligung das Entwicklungskonzept "Britzer Garten 2030" erstellt. Ziel des Konzeptes ist, die urbane Grünfläche im Bezirk Neukölln auch langfristig an die wandelnden Bedürfnisse der Besucher*innen anzupassen. Auf der Agenda steht die behutsame und schrittweise Weiterentwicklung der mittlerweile fast 40-jährigen Parkanlage. Dazu zählt u.a. eine barrierefreie und gendergerechte, d.h. die Bedürfnisse aller sozialer Gruppen und Geschlechter berücksichtigende, Qualifizierung, die Modernisierung der Infrastruktur und vor allem die Förderung der Biodiversität und Klimaresilienz unter Berücksichtigung der bestehenden und erhaltenswerten Flora- und Fauna-Habitate.
Gemeinsam mit den Berliner Naturschutzverbänden wurden die Zielstellungen und Grundsätze zur Artenvielfalt formuliert, um daraus resultierende Maßnahmen in das Parkpflegewerk zu integrieren. Als erster entscheidender Meilenstein und Basis wurde 2023 eine umfangreiche, flächendeckende Biotopkartierung und eine Bestandsaufnahme ausgewählter Organismengruppen von Flora und Fauna durchgeführt. Auch das behördenverbindliche Landschaftsprogramm der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) zu Biotop- und Artenschutz, welches in sogenannten Biotopverbundflächen dargestellt wird, hat Auswirkungen auf den Britzer Garten. Gesetztes Ziel ist das Bewahren, Wiederherstellen und Entwickeln von funktionsfähigen, ökologischen Wechselbeziehungen in der Landschaft. Wichtige Verbundflächen gewährleisten den genetischen Austausch zwischen den in Berlin vorkommenden Populationen und Tierwanderungen.
Insgesamt 34 Zielarten wurden gesetzlich bestimmt, die speziell auf verknüpfte Lebensräume angewiesen sind und einen hohen Mitnahmeeffekt, stellvertretend auch für weitere Arten der Organismengruppe, aufweisen. Auf dem Gebiet des Britzer Gartens wurden mit der Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) und der Libellenart Glänzende Binsenjungfer (Lestes dryas) zwei gefährdete Arten nachgewiesen, wodurch der Britzer Garten eine Kernfläche des Biotopverbunds darstellt. Erste praktische Umsetzungsbeispiele zum Erhalt der Biodiversität und zur Weiterentwicklung der Parkfläche im Sinne des Verbundgedankens sind unter anderem speziell errichtete Reptilienburgen mit angrenzenden Sandlinsen, das Stehenlassen von Hochstubben und Habitatbäumen speziell für Vögel, Fledermäuse und Insekten sowie der Bau von Benjeshecken und Totholzhaufen. Für die ganzheitliche Betrachtung werden dabei nicht nur Flächen innerhalb des Parks, sondern auch die angrenzenden Grünflächen, sogenannte Trittsteinbiotope, einbezogen. Diese Trittsteine sollen einer Verinselung entgegenwirken und das Wandern der Zielarten ermöglichen.
Ein weiterer Baustein im Maßnahmenkanon ist das in regelmäßigen Abständen durchgeführte Amphibienmonitoring. Damit können die Bedürfnisse der untersuchten Arten aufgezeigt und entsprechende Pflegeanweisungen, wie beispielsweise spezielle Mähtechniken und -rhythmen entwickelt werden. Durch den regelmäßigen Zyklus des Monitorings lassen sich Maßnahmenerfolge und Artenausbreitung nachverfolgen und besonders schützenswerte Bereiche ausweisen.


Viele Bausteine – ein Ziel für die Zukunft
Nicht nur Arten- und Biotopschutz im engeren Sinn wird im Britzer Garten praktiziert. Damit verbunden ist auch der Erhalt alter Sorten, insbesondere Obstsorten, durch Nach- und Neupflanzung und damit die Bewahrung der genetischen Vielfalt. Damit einhergehend werden Umweltbildungsangebote aufgesetzt und vermittelt. Hierdurch tragen insbesondere diese Obstbaumquartiere zu einem Natur- und Erholungsgebiet inmitten des dichtbesiedelten urbanen Berliner Raums bei.
Die vorgenannten nachhaltigen und zukunftsgerichteten Entwicklungen halten auch in den tradierten und weithin bekannten Attraktionen des Britzer Gartens Schritt für Schritt Einzug. So werden beispielsweise bei der bekannten Tulpenschau" Tulipan im Britzer Garten" die klassischen holländischen Tulpenfelder und Tulpenwiesen mit mehrjährigen Mischpflanzungen ergänzt. Durch mehrjährige Tulpen und den langen Blühzeitraum von Stauden wird die Bienen- und Insektenfreundlichkeit in der Fläche gesteigert und zum Erhalt zusätzlicher Winterquartiere für Amphibien erfolgt der Rückschnitt der Pflanzen erst im Frühjahr.
Der Britzer Garten verfügt zudem über ein nachhaltiges Regenwassermanagement. Inmitten der Parkanlage wurde im Jahr 2015 eine Pflanzenfilteranlage errichtet. Hier wird das anfallende Regenwasser gesammelt, über einen biologischen Bodenfilter gereinigt und in den rund 10 Hektar großen zentralen See eingeleitet. Das entlastet die natürlichen Gewässer bei Starkregenereignissen, senkt die Einleitungsmengen in die Kanalisation und reduziert die Bewirtschaftungskosten bei der Bewässerung. Zugleich wird der Eintrag von Phosphor und Eisen in den See reduziert und somit auch auf den Pflanzflächen, die durch das Seewasser beregnet werden.
Nachhaltige und zukunftsgerichtete Entwicklung
Sicherlich werden der Klimawandel, der Erhalt sowie die Steigerung der Biodiversität sowie die entsprechend umzusetzenden Maßnahmen in den nächsten Jahren einen weitreichenden Einfluss auf den Britzer Garten haben. Leitgedanke und Handlungsempfehlung bleibt das Parkpflegewerk und der Leitsatz: "Nichts gedeiht ohne Pflege und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung ihren Wert".