Die Balinger Gartenschau mit neuer Uferlandschaft
Parkband um die Altstadt
von: Ursi Hochrein, Kerstin WinandiEin langer, schmaler Grünraum legt sich, rahmend und betonend entlang von Fluss und Stadtmauer um die historische Altstadt nach Norden über ehemalige Tennisfelder und Asphaltflächen bis zur alten Mühle am nördlichen Stadtrand. Die vorhandenen Grünbereiche rund um die Altstadt, wurden zu einem verbindenden bandartigen Park aufgewertet. Seine linearen Strukturen, Fluss- und Uferlandschaft, das Wegesystem und das Großgrün wurden verwoben. Die Belange einer ökologischen und klimatischen Aufwertung sowie der Erhöhung der Aufenthaltsqualität und Gestaltung des öffentlichen Raums, wurden hierbei immer wieder im gegenseitigen Respekt miteinander verflochten.
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Feingliedrige Kette
Als feingliedrige Kette wurde die ursprünglich kompakte Uferpromenade ergänzt um ein Netz von schmalen Wegen, von Rampen und Treppen, zur Wahrnehmung des Flusses und seines Ufer. Es verschmelzen Aufenthaltsbereiche, Fluss- und Uferbereiche, rahmende Stadtmauer und freie Grünflächen zu einem Park. Die Flusslandschaft wurde zum öffentlichen Grünzug geöffnet und durchgängig erschlossen, an wichtigen Stellen konnten Gebäude abgerissen und die Durchgängigkeit hergestellt werden.
Durch Stege und durch Ufer nahe Rasenwege, Kiesinseln und freigelegte Kalkplatten wurde die Flusslandschaft erschlossen und die untere mit der oberen Ebene verknüpft. Einengungen des Flussbetts wurden weiträumig entfernt, der Gewässerverlauf renaturiert und in seiner Breite und Strömungsgeschwindigkeit abwechslungsreich gestaltet. Im Auenbereich wurden befestigte Beläge und Asphalt entfernt und durch großzügige Wiesen mit Aufenthaltsqualität ersetzt.
Garten- und Aufenthaltsbereiche
Eingelegt in dieses elaborierte Geflecht von Mauern, Fluss und Wegen finden sich die akzentuierenden "Edelsteine" - intensivere Garten- und Aufenthaltsbereiche, die jeweils den prägenden Charakter des Teilbereiches signifikant und attraktiv herausarbeiten.
In direkter Nähe zu den Flüssen Eyach und Steinach galt es, alle diese Maßnahmen im Einklang mit Naturschutz und Wasserwirtschaft zu entwickeln. So sind auf der einen Seite die Ufer der Eyach für einen wechselnden Wasserabfluss zwischen 1,3 und 130 Kubikmeter pro Sekunde baulich zu sichern. Gleichzeitig wurden alle Zugänge an das Wasser für den Menschen sorgfältig auf die Strömung und insbesondere auch bezüglich des Naturschutzes abgestimmt.
Die Pflanzenauswahl im Uferbereich ist grundsätzlich standortgerecht und autochthon und erhebt dennoch den Anspruch im Gartenschaujahr und auch danach üppig zu blühen und für Mensch und Tier ein vielfältiges Blütenbild über den Jahreswechsel hin zu generieren.
Ein Spaziergang
Der Fuß- und Radweg auf der Ostseite der Eyach konnte auch über die Gartenschauflächen hinaus nach Süden verlängert und innerhalb des Geländes die Lücken geschlossen werden. Im Süden noch ganz naturnah mit vielfältiger Uferstaudenansaat, erreicht man unter einzelnen neuen Schattenbäumen das von der Stadt neugebaute Stadtarchiv, mit einem Vorplatz samt Blick über die Eyach hinweg auf das Schloss. Die ursprünglich mit motorisiertem Individualverkehr, befahrene Brücke zum Viehmarktplatz konnte als reiner Fuß- und Radwegesteg zur Altstadt, neu errichtet werden.
Ein Pfad unter der neuen Brücke hindurch führt zu den Wassergärten. Der Ufer begleitende Steg liegt knapp über der Niedrigwasserlinie und ermöglicht so den direkten Kontakt zum Fluss. Zum Füße-baumeln-lassen im Sommer, die im Feuchtbereich neu initiierten Uferstauden erkunden oder einfach auf das gegenüberliegende Schloss und seine Spiegelung im Wasser schauen - es lohnt sich der Weg ans Wasser hinunter und der auf der anderen Seite steile Aufstieg.
Alternativ führt die neu geschaffene Promenade an der Oberkante des Ostufers weiter zu den Eyachterrassen, einem zuvor nicht zugänglichen Uferbereich. Betretbare Rasenbermen durchziehen hier die neu geschaffenen Blütenwiesen, überstellt immer wieder mit Gruppen von Erlen. Diese lassen durch ihre Anordnung den Blick von der obersten Sitzstufe auf das Schloss und die Altstadt frei. Einzelne Sitzkanten ergänzen die Aufenthaltsangebote. Auch hier wurde bei der Pflanzung des Ufers auf eine standortgerechte und autochthone Auswahl geachtet, die gleichzeitig den Anspruch auf einen vielfältigen Flusslebensraum und einen attraktiven Anblick für die Besucher bietet.
Am Brückenkopf Stingstraße wird nach der Gartenschau, der Städtebau arrondiert und ein kleiner Platz mit Schnittplatanen den Auftakt zur Altstadt bilden, während die zur Promenade umgebaute Straße weiterführt. Während der Gartenschau liegt hier ein Schwerpunkt der temporären Ausstellungsgärten mit Gastronomiezelt, Bühne, französischem Partnergarten und den Ausstellungsgärten der Garten- und Landschaftsbetriebe.
Der Etzelbach wurde im Mündungsbereich zur Eyach im Rahmen eines erforderlichen Ersatzbrückenbaus renaturiert und mit einer Fischtreppe an die Eyach angeschlossen. Neben diesen Gewässermaßnahmen wurde hier vor allem die Aufenthaltsqualität erhöht. Die spannende Topografie wurde für eine Kletteranlage mit unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden im Charakter von Vogelhäuschen und -nestern gemeinsam mit Firma KuKuk Freiflug GmbH entwickelt und bietet nun Kindern unterschiedlichster Altersgruppen Kletter-, Schaukel- und Balancierzonen sowie Vielfalt für Rollenspiele und freie Bewegung. In Ergänzung zum Bach entstand ein Wasser-Matsch-Bereich, mit Wehren zum Steuern der Ströme, Findlingen und Holzstämmen zum Klettern und Sitzen.
Weiter führt die Fuß- und Radwegeverbindung auf der Ostseite der Eyach. Die Anlieger und Besucher parken nun auf der dem Fluss abgewandten Seite, um Fußgängern den Blick auf das Wasser zu ermöglichen. Die Promenade erhielt eine neue Oberfläche und Sitzbänke stärken trotz steiler Ufer den neuen Charakter.
Im nördlichsten Abschnitt prägt die erhaltenswerte Lindenallee den Fußweg. Entlang der Westseite wurde ein Spielpfad zur Erprobung der Fitness und für die Kinder zum Spielen geschaffen.
Auch der Stadtgarten öffnet sich nun stärker zum Wasser. Eine Rampe führt zur obersten Terrasse. Ab hier führt ein Rasenweg mit Sitzkante entlang der Berme zwischen blühenden Uferstauden an das flache Ufer weiter. Ab der Uferoberkante prägen die bestehende Allee und die großen Solitärbäume weiterhin den Stadtgarten. Die große Rasenfläche zwischen Allee und Ufer wurde räumlich großzügig geklärt und ermöglicht freies offenes Spiel. Filigrane Stahlhalme laden am Westrand in den Gartenzimmern zum Balancieren, Wippen und zur Fitness ein. Auf zahlreichen bequemen Bänken kann man ein Päuschen machen.
Vom südlichen Ende des Stadtgartens führt, eine vorgestellte Stahltreppe, als klar ablesbar neue Setzung zum ehemaligen Zwinger, einem vorher nicht zugänglichen Gelände. Die alte Stadtmauer wurde aufwändig, in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege, von Spezialisten ertüchtigt. Der Zwinger selbst wurde entgegen seiner ursprünglichen Funktion zum attraktiven Ort der Ruhe und Kontemplation. Die Kraft der historischen Befestigungsanlage wurde durch die Ablesbarkeit der historischen Mauern erlebbar und sichtbar gemacht.
Der ruhige Innenraum, gefasst durch die historischen Mauern ist mit lockeren Kleinbäumen (Sieben-Söhne-des-Himmels) überstellt. Die flächige wassergebundene Decke ist durchsetzt mit Blütenfeldern aus dauerhaften Stauden. Die Bänke an den Stirnseiten werden durch lose Möblierung ergänzt. Der Ausblick nach draußen wurde vor allem im Bereich des ehemaligen Turms betont. Über einen schmalen Zugang ist der Garten auch von der Altstadt aus erreichbar. Der Vorplatz, bietet anstelle der früheren Stellplätze zusätzlich Raum zum abendlichen Boulespiel oder sonstigem Nachbarschaftstreff.
Am Brückenkopf der Steinachmündung wurde der kleine Platz am Wasser zum Stadtbalkon unter Bäumen mit Blick aufs Schloss aufgewertet, eine Schnitthecke blendet die angrenzenden Privatstellplätze aus. Zur Mündung hinunter führt eine schmale, steile Treppe zu ein paar ergänzten Steinschollen von denen aus man den Blick aufs Schloss vom Flussniveau genießen kann. Die Heinzlenstraße wurde einschließlich des östlichen Viehmarktplatzes zum verkehrsberuhigten Bereich umgestaltet.
Die nach Süden orientierte Hochterrasse vor dem Schloss wurde mit einem duftenden Rosen- und Staudengarten aufgewertet. Ein höherer Rosenbogen bietet Hochzeiten im Freien vor dem Hintergrund des Schlosses an und im Alltag ermöglicht auch hier eine lose Möblierung entspannten Aufenthalt.
Anstelle des ehemaligen Rappenturms entstand in Reminiszenz daran eine Sitzskulptur mit Blick in Richtung Mündungsbereich. Ablesbar sind die ehemalige Bastion und der Turm in klar erkennbarer neuer Materialität. Das Ufer wird hier noch flacher: ab der zu sanierenden alten Stadtmauer bereichern blühende Uferstauden die bisherige Vegetation. Die Rasenterrasse ermöglicht den Zugang zum Wasser. Der extrem schmale und baufällige Steg in Richtung Viehmarktplatz konnte ersetzt werden. Der flussaufwärts fehlende Fußweg konnte hier durch etwas Grunderwerb fortgesetzt werden. Durch diverse Umgestaltungen entlang des Steinachufers konnten ein Großteil der alten Ufermauern entfallen und es entstanden flachere Böschungen mit artenreichen Uferstauden.
Nach Abriss des alten Jugendhauses konnte dessen Fläche und die ursprünglich als Parkplatz genutzte Freiflächen am Regenrückhaltebecken als Schwefelbadgärten für die umliegenden Quartiere unter dem Motto des ehemaligen Schwefelbades mit Aufenthaltsangeboten für Jung und Alt aufgewertet werden. Der Steg zur Inselstraße wurde im Sinne der stärker frequentierten Fußwegerichtungen mit Öffnung als Radweg in Richtung Spitalstraße verlegt.
Am Sternbach-Wasserfall, wurde eine deutliche Aufweitung des Ufers ermöglicht. Vom Straßenraum gelangt man über Stufen auf einen Terrassenplatz von dem aus man einen attraktiven Blick auf den Wasserfall hat. Zum Wasser gelangt man über Rasenbermen zwischen Wiesenblumen. Sitzsteine laden hier immer wieder zum Aufenthalt mit Blick auf das Wasser ein.
Weiter nördlich des Stadtgartens, vorbei am städtischen Friedhof, wird der Auftakt zur verbindenden Straße in Richtung Bahnhof neu akzentuiert. Durch die Verlagerung von Tennisplätzen aus diesem Bereich heraus und die Verlegung des Jugendhauses in diesen Bereich hinein entstand die Möglichkeit, hier einen großzügigen Aktivpark für alle Generationen zu entwickeln. Der Platzgewinn wurde aufgeteilt in intensive Sport- und Spielflächen außerhalb der Hochwasserzone und flussorientierte Erholungsflächen, die auch überflutet werden können.
Unter den großen alten Linden, eingerahmt durch Schattenstauden, sind zwei Bouleplätze, ein Bücherregal und Seniorensportanlagen positioniert. Angrenzend an das Jugendhaus entstand, in Abstimmung mit der örtlichen Skaterszene ein Skateplatz, der auch mit Scootern, Inline-Skates und BMX-Fahrrädern benutzbar ist. Eine geschwungene Betonsitzkante mit angrenzendem Hügel und Holzplattformen dient als Sichtschutz zur Straße und als Sitz- und Liegemöglichkeit für die Zuschauer. Dem Wunsch der Jugendbefragung nachkommend, entstanden über die Skateanlage hinaus noch ein Streetballfeld, Trampolinfelder, Beachvolleyball, ein Schachspiel, Schaukeln und eine Bewegungsstruktur als Calisthenicsanlage, an der man mit seinem eigenen Körpergewicht Übungen machen kann.
Eine großzügige, multifunktionale Wiese mit einem langen Kies- und Schotterstrand entlang des Eyachufers dient als Erlebnisraum des Flusses. Von Stein zu Stein hüpfend kann man bei Flachwasser versuchen, die Uferseite trocken zu wechseln. Die beiden Seiten des neuen Parkufersteges, der dem Gewässer viel mehr Raum gibt als die ursprüngliche Brücke, münden in kleinere Plätze, die in den angrenzenden Stadtraum überführen.
Entlang alter Linden, die auf der ehemals alten Dammkrone sitzen, spaziert man entlang der neuen Hochwasserschutzmauer nach Norden und kommt schon bald in den Bereich des Erlebniswaldes. Wo früher vollflächig Asphalt regierte, ist heute unter Verwendung der ausgebaggerten Erde der Flussrenaturierung eine abwechslungsreiche Spiel- und Hügellandschaft entstanden, die zum Entdecken und Erfahren einlädt: Robinienstämme, ein Dendrophon, Rollbalken, Wackeltiere, ein Vogelnest, Wackelplatten, Weidentipis und vieles mehr wollen erobert und bespielt werden.
Durch sämtliche Bereiche zieht sich eine fahrradtaugliche Parkpromenade, gesäumt von vielen kleineren Wegen, die angrenzende Bereiche erschließen. Insgesamt entwickelte sich so ein für Fußgänger und in weiten Teilen auch Radfahrer durchgängiges Grünband entlang der Altstadt mit zahlreichen kleinen Setzungen, welche die Aufenthaltsqualität verbessern, über Material- und Ausstattungswahl die gestalterische Verbindung lesbar werden lassen und gleichzeitig auch die ökologische Vernetzung stärken.
- Planung Südteil: lohrer hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh, München
- Ausschreibung und Bauleitung: Lintig Sengewald Landschaftsarchitekten
- Planung Stege: Mayr|Ludescher|Partner Beratende Ingenieure PartGmbB
- Planung Nordteil: Planstatt Senner Landschaftsarchitektur, Umweltplanung, Überlingen
- Ausschreibung und Bauleitung: Planstatt Senner Landschaftsarchitektur, Umweltplanung, Überlingen
- Planung Parkufersteg: IB Miebach, Lohmar