Exotisch-heimische Mischungen für das Stadtgrün auf dem Prüfstand
Wie gut sind Hybridansaaten?
von: Dr. Reinhard WittIn den letzten Jahren tauchen immer mehr Mischungen auf, die heimische Arten mit nicht heimischen Kulturformen und Wildformen kombinieren.
So hat das Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim (LWG) seit 2003 "einjährige Saatmischungen für den Siedlungsraum sowie verschiedene modular gestaffelte dauerhafte Mischungen nach gestalterischen und ökologischen Kriterien entwickelt und geprüft."¹ Ziele sind eine bessere Optik, ökologische Vielfalt, Biodiversität, ein längeres Blütenangebot - alles aber oft mit imkerischem Hintergrund, also auf die Honigbiene ausgerichtet.
Auf der Webseite hieß es 2019, dass in Zukunft durchgeblüht wird: "Der Blick in die Natur zeigt deutlich, dass unsere heimischen Blütenpflanzen immer früher in die Samenreife gehen. Ab dem Hochsommer stehen unseren Insekten nur noch wenig blühende Trachtpflanzen zur Verfügung. Spätblühende Stauden der nordamerikanischen Prärie können diese Lücke bis in den Herbst hinein schließen. Derzeit prüft und optimiert das Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau Mischungen wie die sogenannte 'Kleine Prärie' aus heimischen und nordamerikanischen Arten, die saisonübergreifende Trachtangebote bis zum Frost liefern sollen".
Nun mag man es fraglich finden, ob es ausgerechnet nordamerikanische Präriestauden sein müssen. Und dann, ob die Ausrichtung auf Honigbienen Sinn macht? Schließlich haben Imker einige der invasivsten Neophyten überhaupt hierzulande eingebracht: Indisches Springkraut, Kanadische Goldrute, Riesenbärenklau. . . Von den neuen, jetzt bewusst eingeführten Arten kann ein ebenso hohes invasives Potential ausgehen. Der Klimawandel macht das nur noch unvorhersehbarer.
Die Frage nach dem Ziel ist dabei zentral. Gewiss, für Honigbienen bringen solche Rezepte Futter. Das ist ja schon mal was. Hinzu kommt: Will man ästhetisch an die angeblichen Vorstellungen eines Massenpublikums angepasste Zusammenstellungen für den überschaubaren Zeitraum einiger Jahre konzipieren, dann können solche Mischlösungen heimisch-exotisch durchaus punkten. Allerdings nicht mehr, wenn es, wie der Anspruch des Instituts für Stadtgrün und Landschaftsbau ist, auch um ökologische Vielfalt und - noch höher gegriffen - gar um Biodiversität geht. So zumindest steht es 2019 im Netz und in der dazugehörigen Broschüre. Da gibt es wirkungsvollere Möglichkeiten.
Die neueren Veitshöchheimer Mischungen wie Blaulicht oder Farbenmix erscheinen im heimischen Artenspektrum zum Teil etwas besser austariert. Und es könnte sein, dass diese langfristig eher funktionieren. Aber es gibt immer noch genug Irrläufer (Duftwolke, Leuchtfeuer), die wenig zur Biodiversität beitragen und nicht einmal ansatzweise nachhaltig sind.
Trotzdem sind auch die besseren unter ihnen nach meiner Meinung kritisch zu hinterfragen, wenn es um nachhaltige Ansaaten geht. Da sie viel zu wenige heimische Arten enthalten, und diese oft noch aus unterschiedlichen Lebensräumen kommen, ist schon allein pflegetechnisch eine dauerhafte Artenvielfalt nicht zu halten. Aber genau diese, auf einem breiten Artenspektrum basierende Nachhaltigkeit fordern Artenschutz, Biodiversität und jetzt noch - der Klimawandel. Der Nachweis, dass diese Mischungen auch über lange Zeiträume funktionieren, steht noch aus. Auf kurze Zeit sind einige durchaus überzeugend. Doch nun zur Langzeitbetrachtung älterer Varianten der LWG.
Besonders interessant ist es für uns, ob im Zuge des Klimawandels die Chance besteht, dass solche Mischungen nachhaltig, also über längere Zeiträume funktionieren. Dazu müsste sich das eingebrachte Artenspektrum nicht nur ein, zwei Jährchen halten, sondern auch langfristig etablieren, um - unser erklärtes Ziel für den Klimawandel - die Samenbank des Bodens für stressige Zeiten aufzubauen.
SUG-Stellenmarkt
Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand: Wie gut sind Hybrid-Mischungen?
Fallbeispiel Veitshöchheim
Seit 2003 experimentiert die bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim mit verschiedenen Ansaatmischungen herum. Dabei mixt sie heimische und nicht-heimische Arten aus aller Welt zusammen, sogenannte Hybridmischungen. Das Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau testet solche einjährigen und dauerhaften Ansaaten im Hinblick auf Ökologie, Biodiversität und Klimawandel.
Diese Mischungen sind weit verbreitet und haben ein gutes Renommee. Ich habe einige der Vorläufer der heute aktuellen Mischungen ab 2015 auf zwei Standorten unter naturnahen Bedingungen testen können. Sie wurden nicht gegossen. Hier sind die durchaus kritisch zu betrachtenden Bilder. Dazu zum Vergleich eine zum selben Zeitpunkt nebenan angelegte Fläche mit rein heimischen Ansaaten - ebenfalls nicht gewässert.
In den Veitshöchheimer Berichten² wurden solche Kombimischungen unter dem Titel "Ansaaten für öffentliches und privates Grün" vorgestellt. Sie hießen Veitshöchheimer Blau-Gelb, Gelb-Rot, Rosa-Lila, Bunt, Niedrig und Duft. Ich habe einige mehrjährige Varianten an zwei naturnahen Standorten im oberbayrischen Aßling (unkrautfreie Kiesflächen) und im mittelfränkischen Dietenhofen (unkrautfreier sandiger Lehm) ausprobiert. Sie enthielten laut Angaben von Angelika Eppel-Hotz zwischen 33 und 50 Arten: Einjährige waren überwiegend nicht heimisch, bei Zwei- und Mehrjährigen war es umgekehrt. So hatte beispielsweise die Mischung Gelb-Rot 21 Einjährige (nur vier heimisch), dazu kamen vier Zweijährige (alle heimisch) und 27 mehrjährigen Arten (22 heimisch).
Soweit die Theorie. Der Produzent lieferte aber zum Teil andere Arten und eine andere Artenzusammensetzung. Nur davon konnte ich ausgehen. Ziel war es, ich zitiere, mit solchen speziellen "Magerrasenmischungen" nachhaltige und attraktiver Aspekte zu erzeugen, insgesamt sollte "Nahrung für Blütenbesucher" und eine "hohe ökologische Wertigkeit" erreicht werden. Und so charakterisiert die LGW ihre Hybridmischungen.
Veitshöchheimer Blau-Gelb
Laut Angelika Eppel-Hotz eine "gut strukturierte Mischung mit blauen und violetten Farbtönen, durchsetzt von zartem Gelb und Weiß." Nach der Artenliste des Produzenten enthält sie theoretisch 47 Blumenarten. 15 Einjährige, davon eine heimisch. Vier Zweijährige, alle heimisch und 20 Mehrjährige, davon 23 heimisch.
Veitshöchheimer Bunt
"Abwechslungsreiche und vielfarbige Mischung." Insgesamt enthält sie theoretisch 37 Arten: Zehn einjährige Arten, davon zwei heimische. Dazu drei heimische und ein nicht heimischer Zweijähriger. Außerdem 23 mehrjährige Stauden, fast alle heimisch, nur zwei Exoten.
Veitshöchheimer Gelb-Rot
"Fernwirksame Mischung mit hoher und langanhaltender Leuchtkraft, gute Salzverträglichkeit." Insgesamt theoretisch 45 Arten: 17 Einjährige (zwei heimische), sechs Zweijährige, (drei heimisch) sowie 22 mehrjährige Stauden, davon nur drei nicht-heimisch.
Veitshöchheimer Duft
"Mischung für alle Sinne, die reichlich Insekten- und Schmetterlingsnahrung bereitstellt mit speziellen Nachtduftern bei den ein- und zweijährigen Arten." Insgesamt theoretisch 33 Arten. Zehn nicht heimische und zwei heimische Einjährige, dazu drei heimische und ein nicht heimischer Zweijähriger. Außerdem 17 Mehrjährige, davon fünf nicht heimisch.
Zum Vergleich: Gleichaltes heimisches Bunt
Einige Meter weiter wurde in Aßling auf dem gleichen Boden und zur gleichen Zeit ein Wildblumensaum ausschließlich aus heimischen Arten angelegt. Basismischung war zu 77 Prozent der Wärmeliebende Saum von Rieger-Hofmann. Diese Standardmischung für den Siedlungsbereich enthält allein 56 Wildblumenarten. Dazu kamen mit 23 Prozent Anteil 16 gesäte Einzelarten. Gepflanzt wurden zwölf Arten Initialstauden sowie elf Arten von Wildblumenzwiebeln. Alles in allem wurden also 95 Wildpflanzenarten ausgebracht. Darunter waren acht Einjährige und 15 Zweijährige, der Rest ist dauerhaft. Das ist sehr viel, aber gut, wenn man nicht weiß, was passieren wird.
Zusammenfassung
Es zeigten sich folgende Tendenzen:
Hybridmischungen exotisch-heimisch
- Die Veitshöchheimer Hybrid-Mischungen machten aufgrund vieler exotischer Einjähriger in der ersten Saison (meist) überwältigende Bilder.
- In den Folgejahren fielen aber nicht nur die oft exotischen Einjährigen aus, sondern auch die zweijährigen und dauerhaften Vertreter. Vor allem die nicht heimischen verschwanden.
- Insgesamt ergab sich nach sechs Jahren Versuchszeit nicht das gewünschte Bild einer dichten, störungsfreien Ansaat.
- Durch ausgefallene Exoten entstandene Lücken wurden zum Teil von außen gefüllt. So konnten invasive Einjährige wie das Kanadische Berufkraut in die Flächen einwandern. Auch Landreitgras oder Ackerkratzdisteln fassten Fuß.
- die Mischungen enthielten für eine langfristige Etablierung viel zu wenig ausdauernde heimische Arten.
- die Samenbank konnte mangels Substanz nicht gefüllt werden
- die ökologische Wertigkeit für Biodiversität und Artenschutz ist also bei Hybridmischungen exotisch-heimisch bereits anfangs nicht sehr hoch und sinkt im Laufe der Jahre kontinuierlich. Ihre Qualität fällt mit der Zeit.
Heimische Wildblumenmischungen
- anders die auf heimischen Arten basierenden Mischungen mit Wildblumenarten. Sie enthielten wesentlich mehr Arten als die Veitshöchheimer Mischungen, zum Teil waren doppelt bis dreimal so viel in der Ausgangsmischung vorhanden.
- dadurch können sich je nach Situation und Standort genau die richtigen Arten finden und entfalten. Es waren auf jeden Fall ausreichend viele Arten in der Anfangsmischung, um auf sehr unterschiedliche Bedürfnisse des Standortes, der Konkurrenz, der Pflege sowie auf spezielle Gegebenheiten wie etwa der Wetterlage dieses Jahres reagieren zu können.
- Das bedeutet, dass die heimischen Mischungen auch mit unvorhergesehenen Katastrophen wie beispielsweise längeren Trockenphasen durch den Klimawandel besser umgehen können.
- wie die Betrachtungen über längere Zeiträume im Klimawandelbuch zeigen, sind dabei vor allem ein- und zweijährige Arten von Vorteil: Als Lückenspringer können sie durch Katastrophen gerissene Freistellen schnell wieder auffüllen und so gute Voraussetzungen für die Entwicklung nachfolgender dauerhafterer Arten schaffen. So entstehten grundsätzlich auch nach Katastrophen keine Lücken in der Vegetation, in die Unkräuter von außerhalb eindringen können. Das macht heimische Ansaaten also wesentlich pflegeleichter. Auch müssen sie nicht gegossen werden.
- die Mischungen mit heimischen Arten werden nicht jedes Jahr schlechter. Ganz im Gegenteil zeigt sich, dass sie jedes Jahr schöner und artenreicher, also vielfältiger werden.
- die ökologische Wert für die Biodiversität und Artenschutz steigt also bei heimischen Mischungen stark.
Nach diesen Versuchen stellt sich die Frage nach dem Sinn von Beimischungen von hierzulande unpassenden und sich auf Dauer kaum haltenden, nicht heimischen Arten. Fakt ist, dass die gute Keimung und die massive Dichte kurzlebiger nicht heimischer Arten einen Verdrängungswettbewerb auslösen. Das gefährdet das Ziel einer nachhaltigen Ansaat.
Das spiegelt auch die Artenzusammensetzung wieder. Jedes Saatkorn Zinnie oder Schmuckkörbchen nimmt den Platz weg für ein Korn Wiesensalbei oder Wilde Esparsette. Zudem muss zugunsten des Exotenanteils in der Mischung die nötige Saatgutmenge zur langfristigen Etablierung heimischer Arten reduziert werden. Letztlich geht es aber nicht nur um Platz-, sondern auch um eine Kostenkonkurrenz. Echtes heimisches Wildpflanzensaatgut ist wesentlich teurer als das nicht heimischer Allerweltsarten und Massensorten. Schließlich darf die Mischung nicht so viel kosten, dass die Gewinnmarge des Handels zu schmal ausfällt. Auch das fördert nicht unbedingt die nachhaltige Konzeption solcher Mischungen.
Solche hier geschilderten punktuellen Tests sind nicht repräsentativ. Allerdings sind die Tendenzen eindeutig. Die vorgestellten Versuche aus sechs Jahren an zwei Standorten zeigen, dass aus den bunten Anfangsmischungen mit der Zeit im Wesentlichen die heimischen Arten übrigbleiben, aber sich trotzdem nicht immer ein befriedigendes Bild erzielen lässt, wie es eine gleich alte artenreiche heimische Wildblumeneinsaat erbracht hätte. Die leider erst sechsjährigen Aussaatversuche konnten die hohen von Veitshöchheim gestellten Ansprüche an Dauerhaftigkeit, Biodiversität und ökologischer Wertigkeit bisher entweder nur zum Teil oder gar nicht bestätigen.
Welche Art von Ansaatmischungen brauchen wir?
Hauptargument der Veitshöchheimer für die absolute Notwendigkeit der Beimischung von exotischen Arten, so kann man lesen, seien die "Vorstellungen eines Massenpublikums". Es gäbe keine Akzeptanz der Öffentlichkeit für heimische Mischungen, etwa für Wildblumenwiesen und für Wildblumensäume, so wie sie unsere Landschaft und auch Städte oder Dörfer vor dem Einwirken der Saatgutindustrielobby jahrhundertelang geprägt haben.
Das steht nicht nur so in den Veröffentlichungen, sondern wurde auch bei meiner Naturgarten-Intensiv Tagung zum Klimawandel im März 2020 in der Diskussion behauptet. Dem kann ich nur heftig widersprechen. Seit 1997 gibt es das Haarer Modell, in dem der konsequente Umgang mit heimischen Arten im öffentlichen Grün aufgezeigt wird. Wir selbst als Planungsbüro haben seit dieser Zeit aberhunderte von Gemeindeflächen mit dem Konzept des Bauhoftrainings geplant und betreut.
Auch bei dem von der baden-württembergischen Landesregierung geförderten Projekt "Natur nah dran", das von 2016-2021 rund 70 Gemeinden im ganzen Bundesland bei der Umsetzung von naturnahen Grün unterstützt und von uns begleitet wird, spielt dieses Argument keine Rolle. Die Argumentation, dass wir unbedingt exotische Ansaaten bräuchten, weil die Bevölkerung es angeblich so wolle, ist ein Pseudoargument der globalen Saatgutindustrie, das meiner Meinung nach nicht mehr in die heutige Zeit passt, die von erheblichen Problemen mit dem Artensterben, dem Biodiversitätsschwund und dem Klimawandel begleitet ist.
Wir hingegen ernten mit rein heimischen Mischungen nicht nur Begeisterung bei unseren Gemeinden, den Bauhofmitarbeitern und der Bevölkerung, sondern auch Tiere. Wir säen Naturschutz. Jede Menge seltene und seltenste Tierarten wurden auf unseren, konsequent mit heimischen Arten besäten Flächen gefunden. Das kann man von den Veitshöchheimer Hybridmischungen nicht behaupten. Sie eliminieren mit jedem nichtheimischen Samenkorn unsere hochgefährdete, auf heimische Pflanzen angewiesene Insektenwelt aus dem Siedlungsraum.
Exoten bringen aufgrund ihrer mangelnden Nachhaltigkeit weder Mehrwert für die Bevölkerung noch die von Veitshöchheimern versprochene Ökologie herbei. Sie tragen hingegen zum weiteren Artenschwund und dem Aussterben von Insekten bei, die nicht Honigbiene heißen. Nein, beim Insektensterben geht es nicht um Haustiere, Blütenbesucher und blütenstäubende Insekten.
Literaturtipps
- Kaltofen, K./Witt, Reinhard: Klimawandel: Fluch oder Chance? Naturgarten Verlag, 2020.
- Reinhard Witt. Das Haarer Modell. Naturnahes Öffentliches Grün - Mehr Wildblumen durch richtige Pflege. Naturgarten Verlag, 2019.
- Reinhard Witt: Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten, 5. Auflage, Naturgarten Verlag 2020.
Anmerkungen
- ¹ Farbe für Stadt und Land - Artenreiche Ansaaten für den Siedlungsbereich.
www.lwg.bayern.de/landespflege/gartendokumente/mer... - ² Angelika Appel-Hotz: Farbe für Stadt und Land. Ansaaten für öffentliches und privates Grün. Veitshöchheimer Berichte 172, S. 25-37, 2015.