Forschung
Wie Bürgerdialoge politisch etwas bewirken
Bürgerbeteiligung ist en vogue, wenn es gilt, den Klimawandel, die Flüchtlingspolitik oder auch die Sanierung des örtlichen Krankenhauses zu verhandeln. Doch welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Bürgerdialoge tatsächlich dazu beitragen, gesellschaftliche Polarisierung zu verringern und Politiker*innen und Bürger*innen einander näherzubringen? Das untersuchen Forschende der Universität Stuttgart gemeinsam mit Kolleg*innen aus sechs weiteren Ländern im Rahmen eines neuen EU-Projekts mit dem Titel EUComMeet.
Der Bürgerrat "Deutschlands Rolle in der Welt", bei dem rund 150 ausgeloste Teilnehmende in zehn Sitzungen über die Zukunft der Demokratie in Deutschland diskutierten, stand unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, und die Ergebnisse wurden in Form eines Gutachtens am 19. März 2021 dem Deutschen Bundestag vorgelegt.
Weitaus weniger Wirkungskraft entfaltete der paneuropäische Bürgerdialog "Europolis" im Vorfeld der Europawahlen 2009. Damals diskutierten 348 Bürger*innen aus allen 27 Mitgliedsstaaten der EU in Brüssel ein Wochenende lang über Migrationspolitik und Klimawandel. Doch trotz des enormen Aufwands von zehn Millionen Euro und sehr guter Organisation war die Reaktion der politischen Eliten quasi null.
"Ob ein Bürgerdialog politisches Handeln bewirkt und zudem, zum Beispiel durch die sozialen Medien, Strahlkraft in die Gesellschaft hinein entfalten kann, hängt nicht nur von der Qualität der Diskussionsprozesse ab, sondern auch von anderen Faktoren wie der politischen Unterstützung oder der Vernetzung", erklärt Prof. André Bächtiger vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart. "Welche Faktoren das genau sind, wollen wir in dem Projekt EUComMeet genauer analysieren."
Es soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen Bürgerforen politische und gesellschaftliche Wirkungen erzielt haben und unter welchen Umständen nicht-beteiligte Bürger*innen Empfehlungen von dialogischen Bürgerbeteiligungsverfahren als legitim erachten.
Wissenschaftliche Ansprechpartner: Prof. Dr. André Bächtiger, andre.baechtiger@sowi.uni-stuttgart.de