Grundlage für die Entwicklung der Berliner Kleingärten erarbeitet
Kleingartenentwicklungsplan Berlin 2030
von: Beate WimmerIn Berlin gibt es rund 71.000 Kleingartenparzellen in 877 Kleingartenanlagen mit einer Gesamtfläche von rund 2900 Hektar. Die Kleingärten nehmen rund 3 Prozent der gesamten Stadtfläche ein, davon befinden sich circa drei Viertel im Eigentum des Landes Berlin. Keine vergleichbare Metropole hat eine so große Anzahl an privat nutzbaren Gärten im unmittelbaren Einzugsbereich der Innenstadt.
Im ersten Flächennutzungsplan (FNP) für das wiedervereinigte Berlin, der im Jahr 1994 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, wurden rund 700 Hektar Kleingartenfläche für andere Nutzungen ausgewiesen beziehungsweise aufgrund ihrer geringen Größe nicht dargestellt. Für landeseigene Kleingartenanlagen, die nicht für verkehrliche, soziale und technische Projekte vorgesehen waren, wurde ein zehnjähriger pauschaler Schutz vor Kündigungen, und darüber hinaus die Erarbeitung eines maßnahmeorientierten Kleingartenentwicklungsplanes beschlossen.
In den Folgejahren zeichnete sich jedoch aufgrund der leicht rückläufigen Bevölkerungsentwicklung und des Rückgangs des produzierenden Gewerbes in Berlin ab, dass sich die Inanspruchnahme der städtebaulichen Entwicklungspotentiale des FNP über einen längeren Zeitraum erstrecken würde als erwartet. Der Druck auf die Kleingartenflächen blieb aus, weshalb auf die Erstellung eines "maßnahmeorientierten Kleingartenentwicklungsplanes" verzichtet wurde.
Mit Ablauf des zehnjährigen Kündigungsschutzes wurde jedoch die Prüfung einer Verlängerung erforderlich. Im Ergebnis wurde im Jahr 2004 der erste Kleingartenentwicklungsplan (KEP) vom Berliner Senat beschlossen, der rund 80 Prozent der damals bestehenden Kleingartenfläche als dauerhaft gesichert darstellte und für 8 Prozent eine Verlängerung des Schutzes um sechs beziehungsweise zehn Jahre vorsah. Mit den Fortschreibungen in den Jahren 2010 und 2014 wurde der Schutz nochmals bis zum Jahr 2020 verlängert.
Der Kleingartenentwicklungsplan (KEP) ist ein informelles Planwerk. Er informiert über den aktuellen Stand der Planungen und absehbare Entwicklungen, identifiziert Handlungsbedarfe und gibt Empfehlungen für die Zukunft des Berliner Kleingartenwesens. Der KEP ist kein Sicherungsinstrument mit rechtlicher Verbindlichkeit, er ist aber von den Planungsbehörden als behördenverbindliche Vorgabe in der vorbereitenden wie in der verbindlichen Bauleitplanung in die Abwägung einzustellen.
Von der schrumpfenden zur wachsenden Stadt
Nach Jahren der Stagnation beziehungsweise leicht rückläufiger Bevölkerungszahlen ist die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in Berlin von rund 3,53 Millionen im Jahr 2014 auf 3,75 Millionen zur Jahresmitte 2019 angestiegen. Bis 2030 wird die Bevölkerungszahl voraussichtlich um weitere rund 100.000 Personen zunehmen. Berlin wächst, damit nehmen auch die Flächenbedarfe für Wohnungsbau, Verkehr und Gewerbe, aber auch soziale Infrastruktureinrichtungen wie Schulen und Kitas zu. Damit geraten auch die Kleingartenflächen zunehmend in den Fokus möglicher Beanspruchung. Der Anstieg der Bevölkerung bedeutet aber auch einen Anstieg des Bedarfs an zusätzlichen Kleingärten.
Während der KEP 2004 und dessen Fortschreibungen in 2010 und 2014 hauptsächlich Fragen der Bestandssicherung auf der Grundlage der vorbereitenden und der verbindlichen Bauleitplanung und den Vorgaben des Bundeskleingartengesetzes behandelte, war der Kleingartenentwicklungsplan nun unter den Aspekten der nachhaltigen Stadtentwicklung, des Wohnungsbaubedarfes, der demografischen Veränderungen und der Qualität der Anlagen grundlegend zu überarbeiten.
Mit der Überarbeitung des Kleingartenentwicklungsplanes wurde eine Arbeitsgemeinschaft bestehend aus der Planungsgruppe Cassens + Siewert und der BSM Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung mbH beauftragt. Im Vorfeld der Überarbeitung hatte die Arbeitsgemeinschaft bereits eine Konzeption für die Überarbeitung mit grundsätzlichen Aussagen zum Inhalt und zur Struktur des künftigen Kleingartenentwicklungsplans erstellt.
Bedeutung im urbanen Kontext
Erstmals werden im neuen Kleingartenentwicklungsplan die städtebaulichen und ökologischen Funktionen der Kleingärten analysiert. Für die Kleingartenanlagen wurden folgende Parameter ermittelt:
- Schutzwürdigkeit der Böden,
- Versorgung mit wohnungsnahen Grünanlagen,
- Einwohnerdichte in der Umgebung und
- Schutzwürdigkeit aus stadtklimatischer Sicht.
Aus diesen vier Parametern wurde eine zusammenfassende Gesamtbewertung im urbanen Kontext abgeleitet. Im Ergebnis weisen 80 Prozent der Kleingärten Berlins eine "hohe" bis "sehr hohe" Bedeutung im urbanen Kontext auf.
Analyse und Bewertung der Pächter- und Bewerberdaten
Von den Berliner Kleingärtnerorganisationen wurden für den Kleingartenentwicklungsplan anonymisierte Angaben zur Pächter- und Bewerberstruktur zur Verfügung gestellt. Mit diesen Daten konnten statistisch-demografische Analysen zum Alter der Pächterinnen und Pächter wie auch der Bewerberinnen und Bewerber, zur Pachtdauer und zum Wohnsitz der Pächterinnen und Pächter sowie zur Nachfrage durchgeführt werden. Die Analysen haben gezeigt, dass die Nachfrage nach Kleingärten nicht nur ungebrochen ist, sondern das durch Pächterwechsel verfügbare Angebot bei weitem übersteigt. In der Tendenz ist klar davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Kleingärten analog zum anhaltenden Bevölkerungsanstieg weiterhin proportional ansteigen wird. Die Bewerberzahlen werden voraussichtlich auch auf absehbare Zeit stärker steigen als die Anzahl der verfügbaren Parzellen. Ob und wie lange dieser Trend anhält oder ob er aufgrund des relativ hohen mittleren Alters der Pächterinnen und Pächter möglicherweise in der Zukunft unterbrochen wird, lässt sich auf Basis der vorliegenden Daten derzeit nicht sagen. Daher ist die Fortführung einer systematischen Erfassung der Pächter- und Bewerberdaten sinnvoll.
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Entwicklung des Kleingartenbestandes
Der aktuelle Kleingartenentwicklungsplan (KEP) gibt Auskunft über die Bestandsentwicklung der Berliner Kleingärten bis zum Jahr 2030. Dabei muss der KEP sich am geltenden Planungsrecht wie Bebauungsplänen, Baunutzungsplan, Flächennutzungsplan und Stadtentwicklungsplänen orientieren beziehungsweise diese abbilden. Demnach sind rund 58.000 Parzellen dauerhaft gesichert oder sollen dauerhaft erhalten bleiben. Für rund 7000 Parzellen konnte der Kündigungsschutz bis zum Jahr 2030 verlängert werden, darunter 1240 Parzellen, für die überprüft werden soll, inwieweit der erforderliche Wohnungsbau auf anderen Flächen möglich ist. Aufgrund der bestehenden Flächenkonkurrenzen ist dies ein großer Erfolg.
Bis 2030 wird mit einem moderaten Abgang von rund 500 Parzellen durch die Inanspruchnahme für die soziale und verkehrliche Infrastruktur gerechnet. Hinzu kommen gegebenenfalls weitere Flächen für soziale und verkehrliche Infrastrukturmaßnahmen, zu deren Realisierung derzeit noch keine konkreten Aussagen getroffen werden können. Für diese Kleingartenanlagen weist der Kleingartenentwicklungsplan erstmals Ersatzflächen aus und schätzt die entstehenden Kosten ein.
Eine immer wieder diskutierte und gewünschte Sicherung der übrigen privaten Flächen und der Flächen der Bahn-Landwirtschaft wirft Probleme auf, da sie entweder bereits in Bebauungsplänen für eine andere Nutzung vorgesehen sind oder nach den Darstellungen des Flächennutzungsplanes für eine andere Nutzung in Frage kommen.
Innovative Ansätze
Aufgrund der Flächenknappheit wird zur Schaffung neuer Kleingartenparzellen oder auch Ersatzgärten auch die Möglichkeit der Teilung großer Parzellen wie auch von Umstrukturierungen oder Sanierungen in den Fokus genommen. Für Kleingartenanlagen innerhalb oder in der Nähe von öffentlichen Grünanlagen oder großer Anlagenkomplexe wird dabei die Entwicklung sogenannter Kleingartenparks zu prüfen sein. Auf der Grundlage von Entwicklungskonzepten sollen Kleingartenanlagen und angrenzende Grundstücke in zusammenhängende, öffentlich zugängliche Naherholungsflächen mit vielfältigen privat und gemeinschaftlich genutzten Teilflächen umgewandelt werden, um sie so verstärkt für die Bevölkerung nutzbar zu machen.
Bei der Planung von neuen Kleingartenanlagen sind darüber hinaus aktuelle Trends und Gartenformen zu berücksichtigen. Zielsetzung dabei ist es, in einzelnen Anlagen den unterschiedlichen Anforderungen der Nutzenden Rechnung zu tragen und eine gemeinschaftliche Benutzung von Flächen zu ermöglichen. Neue Nutzungsformen wie interkulturelle Gärten, Gemeinschafts- oder Nachbarschaftsgärten, multifunktionale Nutzungen in den Anlagen, Gärtnern ohne Laube oder auch der Wunsch nach mehreren Gartennutzenden auf einer Parzelle sollen etabliert werden.
Beteiligungsprozess
In Berlin ist die Aufstellung von Bebauungsplänen und die Verwaltung der landeseigenen Kleingartenanlagen eine Aufgabe der Bezirke. An der Erarbeitung des Kleingartenentwicklungsplanes waren daher nicht nur die Kleingartenorganisationen, sondern auch die Bezirksämter zu beteiligen. Vor Beginn des Prozesses fanden infolgedessen ein Fachgespräch zum Thema "Wie kann das Berliner Kleingartenwesen zukunftsfähig gestaltet werden?" mit Vertretenden der Bezirksämter, Kleingartenverbänden, engagierten Gartenfreunden und Experten und ein Erfahrungsaustausch mit anderen Städten statt.
Eine Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Senatsverwaltungen für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie Stadtentwicklung und Wohnen, den Bezirksämtern Pankow und Neukölln von Berlin, des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde und der mit der Überarbeitung des KEP beauftragten Arbeitsgemeinschaft, hat den Prozesse der Erarbeitung des Kleingartenentwicklungsplanes über drei Jahre begleitet. Ergänzend fanden Abstimmungs- und Informationsgespräche mit den Bezirksämtern von Berlin und den Kleingärtnerorganisationen statt. Nach Vorstellung eines ersten Entwurfs im Landeskleingartenbeirat wurde eine Beteiligungswerkstatt mit allen Kleingartenverbänden, Bezirksämtern und Garteninitiativen durchgeführt, in deren Nachgang Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Nach Prüfung und Abwägung der Stellungnahmen und erneuter Überarbeitung konnte der Kleingartenentwicklungsplan im August 2020 vom Berliner Senat beschlossen werden.
Fazit und Ausblick
Mit dem Kleingartenentwicklungsplan 2030 ist es angesichts der sehr schwierigen Flächensituation in Berlin gelungen, ein Höchstmaß an Verlässlichkeit, Transparenz und Perspektive zu geben. Berlin verfügt damit über ein sorgfältig erarbeitetes Werk, das eine sehr gute und wichtige Grundlage für all die produktiven Diskussionen in der Stadt zur zukünftigen Entwicklung der Berliner Kleingärten bietet. Gemeinsam mit den Bezirksämtern und den Kleingärtnerorganisationen ist auf dieser Basis an der weiteren Sicherung der Kleingartenanlagen und der Bereitstellung von Ersatzflächen zu arbeiten. Die Anpassung der Berliner Vorschriften zur innovativen Nutzung und Gestaltung der landeseigenen Kleingartenanlagen wird eine weitere Schwerpunktaufgabe sein.
Anmerkung
Der Kleingartenentwicklungsplan Berlin 2030 steht hier als download zur Verfügung: www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/kleingaerten/de/kleingartenentwicklungsplan/index.shtml
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