Klartext

Baumbewässerung - Grüner Daumen contra Sensortechnik?

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Jungbäume brauchten schon immer in der Anwuchsphase die fachliche Unterstützung der pflegenden Akteure mit Sachverstand und Weitblick, um die Wurzelausbreitung am Standort zum sicheren Anwuchs zu fördern. Dem Wasserhaushalt kommt dabei eine zentrale Bedeutung bei, dass wussten schon unsere Altvorderen.

Das Wasserangebot im Boden muss aber nicht nur den Wasserbedarf der Gehölze erfüllen, sondern beeinflusst unmittelbar die Nährstoffverfügbarkeit, die Bodenluft, den pH-Wert, die Bodenfruchtbarkeit und die Wurzelsymbiosen. Zentraler Punkt ist die Anzahl der Wurzelspitzen in ihrer räumlichen Ausbreitung und ihre Vitalität in allen Lebensphasen zur funktionalen Stoffaufnahme. Daher war es für die Altvorderen selbstverständlich, dass in der Gehölzpflege Düngung, Pflanzenschutz, Wildkrautkontrolle und gezielte Bewässerung im Zusammenspiel unabdingbar waren. Dies war meist Chefsache, um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und zu korrigieren. Deswegen waren die Akteure in der Diagnostik geschult und konnten u.a. an der Blattentwicklung beginnende Trockenheit der Gehölze rechtzeitig erkennen. Ihnen wird daher der so wichtige "Grüne Daumen" für den Gesamtzusammenhang nachgesagt, der durch nichts zu ersetzen sei.

Nun, auch in der grünen Branche gibt es einen Trend zur Digitalisierung. Die Berliner Hochschule für Technik (BHT) hat daher in mehrjährigen Praxisexperimenten ein Verfahren entwickelt, welches alle Aspekte und Bodenrichtwerte zur Sicherung der Jungbaumentwicklung umfasst. Diese Werte ergeben sich aus klassischen Bodenanalysen, Bodenluftmessungen, Wurzeluntersuchungen und phytopathologischen Ergebnissen. Die Bodenfeuchte wird dabei mittels eingebauter Bodensensoren in relevanten Bodentiefen und Wurzelbereichen überwacht. Als "Berliner Sanierungsmethode" ist sie publiziert und auf dem Markt eingeführt. Sie muss aber richtig gehandhabt werden!

Zeitenwende? Messwerte aus Laboranalysen und der Blick auf digitale Geräteanzeigen verleiten dazu, dass der grüne Blick für das Ganze vielfach verloren geht. Immer mehr Akteure folgen scheinbar blind digitalisierten Messwerten am PC und glauben, dass jetzt jeder Laie Jungbäume fachgerecht bewässern kann. Gieß mir den Kiez - aus dem Internet?

Ein Messpunkt für große Baumbestände? Ist das die Entwicklung im Sinne eines wissenschaftlich abgesicherten Fortschrittes? Nein, weit gefehlt! Bodensensoren allein genügen eben nicht! Wichtig ist: das sensitive Gefühl für die wirklichen Wuchsbedürfnisse eines Baumes darf nicht verloren gehen. Digitalisierungen und Materialschlachten allein haben noch keinen Baum vor Trockenheit wirklich geschützt. Sensorische Messtechnik kann zwar helfen, darf aber den Fachmann mit dem "grünen Daumen" niemals ersetzen!

Bitte vergessen wir das nicht!

Ihr Prof. Dr. Hartmut Balder

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Prof. Dr. habil. Hartmut Balder
Autor

Leiter Institut für Stadtgrün, Falkensee

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