Kritische Thesen zur Ausbildungssituation in der Landschaftsarchitektur

Ein Fest voller Kreativität!

von:
Ausbildung und Beruf
Den Blickwinkel für Kunst schärfen (Exkursion zur Dokumenta XIII (2012). Foto: Jürgen Milchert

Aufstellung, Formulierung und Durchführung insbesondere von Reakkreditierungsanträgen stellen eine Aktion dar, die wie eine Art Bewerbungsschreiben, ein möglichst goldenes Licht auf die eigenen Leistungen und Potenziale wirft. Es ist etwas, was kaum Spaß macht, sondern wird als eine Art TÜV-Prüfung vollzogen. Eigentlich ist es schade, dass der Prozess der zur Erstellung und Diskussion eines Akkreditierungsantrages führt, nicht diskursiver, produktiver, ehrlicher und freudvoller genutzt wird. Statt eines bürokratischen TÜV-Verfahren ein großer offener Diskussionsprozess, ein akademisches "Pow Wow" innerhalb der Kollegenschaft, innerhalb der Landschaftsarchitektur, innerhalb der Fakultät, mit den beratenden Kollegen (die dann ihre merkwürdige " Peerschaft" aufgeben müssten), mit der Studentenschaft, allen Mitarbeitern und warum nicht auch unter öffentlicher Anteilnahme. Dieser bürokratisierte Akt sollte zu einem Fest voller Kreativität, Widerspruch und Provokation werden, wo die wirklich wichtigen Dinge besprochen werden und wo beispielsweise ein Ergebnis sein sollte, mindestens 20 Prozent der Prüfungsleistungen einzudampfen.

Dies würde nicht Schwäche, sondern Stärke bedeuten, einen ehrlicher Diskurs. Selbstverständlich müssten wir manche Schwäche, vor allen Dingen auch ein großes Stück Ratlosigkeit zugeben: Angesichts der Schnelllebigkeit der Zeit und der Sprunghaftigkeit von Politik und Gesellschaft kann eigentlich niemand auch nur annähernd genau wissen, in welche Richtung sich die Arbeitsgebiete innerhalb der Landschaftsarchitektur entwickeln, wie sich die Motivationen der Studierenden verändern und was sich wissenschaftspolitisch tut.

SUG-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Landschaftsarchitekt/-in (w/m/d), Wiesbaden  ansehen
Abteilungsleiter (m/w/d) der Landschaftspflege /..., Worms  ansehen
Landschaftsplaner (m/w/d), Elmshorn  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Vom Schul- und Ausbildungserlebnis zum flexiblen akademischen Bildungserlebnis

Angesichts des raschen und kaum prognostizierbaren Wandels der Berufsfelder kann seriös niemand prognostizieren, wie sich unsere Berufsfelder in Zukunft in quantitativer und qualitativer Hinsicht entwickeln. Allerdings ist es eine Tatsache, dass wir gegenwärtig (und das seit vielen Jahren) an den deutschen Hochschulen zu viele Leute ausbilden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass in unserem Berufstand durchschnittlich seit vielen Jahren kein auskömmliches Einkommen im Vergleich zu ähnlich anspruchsvollen Berufsfeldern erzielt wird. Versucht man dies zu quantifizieren, so ergibt sich etwa eine Quote von rund einem Drittel der Absolventen, die keinen Arbeitsplatz innerhalb der Landschaftsarchitektur finden werden. Deshalb ist es sozial unverantwortlich immer mehr Studierende im Fach Landschaftsarchitektur nach dem Motto auszubilden, jedes Bundesland braucht seine Landschaftsarchitektur. Andererseits haben angesichts der demografischen Entwicklung die heutigen Studienanfänger - zwar nicht im engeren Ausbildungsfach Landschaftsarchitektur - wohl aber in einer flexibleren Berufsumwelt - (mit möglichen Plänen B und C) spannende berufliche und persönliche Zukunftschancen. Die persönlichen beruflichen Chancen sind für flexible Kolleginnen und Kollegen besser als jemals zuvor in den letzten 30 Jahren. Während wir damals noch an festen und berufslebenslangen Arbeitsverhältnissen glaubten, gehen viele Studierende längst von einem anderen flexibleren Berufsleben aus und sind damit realistischer als wir Professoren.

Eine derartige Einschätzung sollte notwendigerweise ein modifiziertes und flexibles Curriculum bedeuten, bei dem das Bildungs- gegenüber einem möglichst praxisnahen Ausbildungserlebnis eine größere Bedeutung erlangt. Landschaftsarchitektur würde wie beispielsweise die bildenden Künste, Musik, Theologie, Philosophie, Kunstgeschichte, Biologie, Psychologie zum Fach- und Interessensschwerpunkt, bei dem man sein Interesse an dem gestaltenden, baulichen oder ökologischen Umgang mit der außermenschlichen Natur studieren und entwickeln kann. Demgegenüber werden die engeren Fachinhalte immer unwichtiger. Als heutiger Auftraggeber möchte man sich einen Landschaftsarchitekten leisten, mit dem man sich über Kunst, Kultur, Religion und Philosophie unterhalten kann, um dann auch mit ihm über Pflanzen zu sprechen. Landschaftsarchitekten, die sich von einander unterscheiden, sind spannend und nicht der heutige Einheitsbrei, der zu immer ähnlicheren Gärten und Parks führt. Dann suchen sich die Studierenden mit ihren ganz spezifischen Talenten, Kenntnissen und Träumen ihren Beruf und nicht umgekehrt. Der Gewinn einer an persönlichen Interessen gesteuerten Motivation kann der Studienzeit eine gewisse Leichtigkeit zurückgeben, statt der immer stärker vorherrschenden Klausuren- und Prüfungsängste, die irgendwie auch ein durchaus lächerliches "Nichternstnehmen" der jungen Kolleginnen und Kollegen bedeutet.

Grundsätzlich ist allen Arbeitsschwerpunkten innerhalb der Landschaftsarchitektur eine wachsende gesellschaftliche Bedeutung zu prognostizieren: Ästhetik als gesellschaftlicher Produktionsfaktor gewinnt in den heutigen Gesellschaft eine immer stärke Bedeutung. Ähnliche Potenziale kann man den Arbeitsfeldern Landschaftsentwicklung (Naturschutz) zumessen, denn wir brauchen dringend eine rasche Ökologisierung der Welt. Und "gebaut" wird ohnehin immer mehr. Unsere Aufgaben sind wichtig, es fehlen allerdings die konkreten bezahlten langfristigen Arbeitsstellen.

Vielleicht liegt unser historisches Versagen (das unserer Hochschulausbildungen und das des Berufsstandes) darin, dass wir immer wieder versucht haben, möglichst praxisnah auszubilden und wir damit ständig die vorhandenen Strukturen (in Büros, Behörden usw.) reproduziert haben. Während sich gesellschaftlich vieles verändert, beharren wir auf teilweise überholten Berufsstrukturen und Ritualen. Die möglichst praxisnahe Ausbildung wurde als Berufsgarantie gesehen - was allerdings tunlichst verschwiegen wird - mit der Perspektive einer äußerst mageren Bezahlung. Es wäre doch mal spannend darüber nachzudenken, was eine von konkreten Berufsstrukturen entkoppelte akademische Ausbildung im Umfeld "Planung - Natur - Ästhetik - Gesellschaft - Kunst - Umweltbürgertum" zu leisten imstande wäre. Es gibt ja historische und aktuelle Beispiele, wie neue berufliche Chancen aus neuen curricularen Studienschwerpunkten entstehen können. So wie es vielerorts inzwischen "Kulturwissenschaftler" gibt, sind auch "Landschafts- und Gartenwissenschaftler" denkbar (leider ist der Begriff "Naturwissenschaftler" anderweitig besetzt).

Über die fachliche Nähe anderer Professionen

Im Trend, aus verwaltungswirtschaftlicher Sicht immer größere Fakultäten zu schaffen, werden die Ausbildungsstrukturen der Landschaftsarchitektur mit anderen Studienrichtungen zusammengefasst und wenn es gut läuft, auch noch zusammengefügt. Welches sind die besonderen fakultätsbezogenen Nähen und Affinitäten der Landschaftsarchitektur? Liegen sie in der Architektur, im Bauingenieurwesen, in der Kunst oder etwa in den Landbauwissenschaften wie Landwirtschaft oder Gartenbau?

Die ehemalige "Fakultät für Landschaftsarchitektur" wurde an der Hochschule Osnabrück 2003 mit der ehemaligen "Fakultät Agrarwissenschaften" zur neuen "Fakultät für Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur zusammengelegt, die mit etwa 2300 Studierenden inzwischen eine der größten grünen Fakultäten Europas ist. Dieser Schritt war wissenschaftspolitisch eher ein Schritt zurück ins späte 19. Jahrhundert, wo erste "gärtnerische höhere Lehranstalten" in einem sich akademisierenden gartenbaulichen und landwirtschaftlichen Umfeld entstanden. Seit einigen Jahrzehnten liegt der akademische Königsweg darin, Großfakultäten zusammen mit Architektur, Planung und Bauingenieurwesen zu bilden.

Was - wie an der Hochschule Osnabrück - aus rein verwaltungstechnischer Notwendigkeit als einsame Präsidiumsentscheidung entstand, musste ja nicht notwendigerweise falsch sein. Gibt es heutzutage eine neue fachliche Nähe der Landschaftsarchitektur mit den Landbauwissenschaften? Bestehen daraus resultierend wesentliche Synergien zwischen der Landschaftsarchitektur und den Landbauwissenschaften, fachliche Nähen, die einen qualitativen Sprung für die alten und neuen Studienvertiefungen bedeuten können? Während in der Landschaftsarchitektur in allen Studiengängen (insbesondere in der naturschutzorientierten Landschaftsentwicklung) die agrarisch (und forstlich) definierten Räume wesentliche Arbeitsfelder sind, gibt es in den Landbauwissenschaften keine bis wenig Bewegung hin zu einer ästhetik- und ökologiebetonten Betrachtungsweise ihrer Professionen. Das Diktat der Ökonomisierung und Quantifizierung bestimmt die Inhalte dieser Profession. Deshalb gibt es bei den Agrarwissenschaften bisher kaum Interessen an einer grundlegenden Zusammenarbeit, sieht man von einzelnen Dozenten und Studierenden ab.

Anderseits gibt es heute ein großes weltweites Interesse an einer neuen Matrix für die Landwirtschaft. Aufgrund der weltweiten Knappheiten (steigende Erdbevölkerung bei gleichzeitiger Verknappung der Anbauflächen) gerät die Qualität und Quantität unserer Nahrungsmittel in den Fokus kritischer Betrachtung. Hier sind heutzutage eine Fülle von rasanten Entwicklungen feststellbar: Die Landwirtschaft (vor allem auch der Gartenbau) geht unter dem Stichwort "Urban Gardening" zurück in die Städte - aufgrund gesellschaftlicher Laienbewegungen außerhalb der Landwirtschaft - und entdeckt unter dem Motto "das Nützliche ist das Schöne" den (schönen) Garten und die neogrünen Stadtlandschaften als zukünftigen Produktionsfaktor für den Anbau von Lebensmittel. Gleichzeitig ist der agrarindustrielle Trend zur Verhäuslichung von Landwirtschaft und Gartenbau ungebrochen. Nutztiere verbringen ihr Leben ausschließlich in Ställen und Massenquartieren und der Gartenbau kann längst auch vollständig in Gewächshausgeschossen betrieben werden. Die steigende gesellschaftliche Skepsis an der industrialisierten Landwirtschaft hat auch zu tun mit einer kulturellen Enteignung der Agrarlandschaften und einer Entzauberung der Wälder, Felder und Wiesen. Den Zauber des "selbstbestimmten Bauerntums" findet man eigentlich nur noch in Zeitschriften wie "Landlust" oder ökologisch ausgerichtet in "Kraut und Rüben", (siehe auch "Ideal und Wirklichkeit bäuerlicher Gärten", Stadt und Grün 02/2013, S. 40ff.)

Hier gilt es, eine umfassende neue Vision zu formulieren. Eine Art neue "Landschaftsverschönerungsbewegung" kann erheblich dazu beitragen, dass der Nahrungsmittelbau ökologisch- und sozialverträglich wird. Hierbei käme der Landschaftsarchitektur (vor allem in der Zusammenarbeit mit den Agrarwissenschaften) eine neue Bedeutung zu. Vermutlich ist dieses Arbeitsgebiet stadt-räumlich viel bedeutsamer als jenes, das sich traditionell an die Architektur und Stadtplanung anlehnt. Vielleicht liegen auch die städtebaulichen Arbeitsfelder demnächst darin, intelligente stadträumliche Lösungen für eine "Verlandwirtschaftung" von Stadtregionen zu entwickeln. Stadt- und Landstrukturen nähern sich an. Die Landschaftsarchitektur könnte so eine Art ästhetische und ökologische Klammer für andere Studiengänge sein, die einen breiten Fächerkanon für Lebenswissenschaften bilden.

Von der Entwicklung einer neuen Studienkultur: Die Faszination des Akademiegedankens

Der Gedanke der altgriechischen Akademie liegt im Kern darin, gemeinsames Lernen und Lehren zu ermöglichen. Angesichts der neuen schnellen Kommunikationsmöglichkeiten und der neuen Erkenntnisse der Lern- und Gehirnforschung könnte eine nicht hierarchisierte Lernlandschaft aus allen Hochschulgruppen angestrebt werden. Es wäre dies die Alternative gegenüber dem heutigen bürokratisierten modularisierten Lernsystem. Es müsste Kontaktpunkte, Anreizsysteme und ritualisierte Ereignisse des gemeinsamen Lernens geben. Dazu ist das recht verschulte starre angelsächsische Graduierungssystem nicht in der Lage, zumal bei uns eine wesentliche Institution fehlt, nämlich die Mentorenschaft und die selbstverständliche Alltagspräsenz der angelsächsischen Hochschullehrer.

Unsere derzeitigen curricularen Angebote sind - jedenfalls was den Bachelor betrifft - unglaublich verschult und zu vollgepackt mit Leistungsanforderungen. Wir haben - wie viele andere - unter einem aus heutiger Sicht irrationalen Zwang heraus, einen sechssemestrigen Bachelor entworfen in dem wir die Fächer des achtsemestrigen Diplomstudiums plus neue Ansprüche (durch Spezialisierungen, Digitalisierungen usw.) untergebracht haben. Die Peers in den Akkreditierungsverfahren steigern noch diese Tendenz zu einer Art "Vollständigkeitswahn": Sie sollten eigentlich besser bezahlt werden, wenn es ihnen gelingt, möglich viel aus dem Curricular herauszuwerfen. Dies ist zu stark auf einen Büroalltag bei privaten Planungsbüros ausgerichtet, der inzwischen zu 90 Prozent aus Computerarbeiten besteht. Nicht ohne Grund nutzen zunehmend Studierende (und das sind oft die interessantesten) die Praktikumsphase, die häufig aus 50 Stundenwochen, Selbstausbeutung und rechteckigen Blicken besteht, um sich studienmäßig und beruflich umzuorientieren. Unsere Tätigkeiten verlieren immer mehr an Faszination. In einer Gesellschaft, die immer mehr ihre "vertikale Spannung" (Sloterdijk) verliert, könnte und müsste die Gartenkunst als ein Stück der Paradiesvorstellung inszenieren. Irgendwie gehen wir ja mit Themen Kunst, Gartenkultur, Naturphilosophie und Landschaftsästhetik um, faktisch sind wir aber größtenteils längst Teil der Bau- und Umweltbürokratie.

Auf jeden Fall muss die heutige starke Verschulung an den Hochschulen abgebaut und durch innere und äußere Lernlandschaften ersetzt werden, die diskursiver, herrschaftsfreier und anregender sind. Dies wäre übrigens auch ein Standortvorteil gegenüber den engen noch verschulteren asiatischen Ausbildungssystemen, wie sie beispielsweise in China zu herrschen scheinen und heutzutage weltweit als vermeintliches Erfolgsmodell proklamiert werden. Eine solche Lehre fordert und qualifiziert auch die Hochschullehrer (und Professoren), denn als Dozent wird man dann immer mehr zum Ratgeber und Coach der Studierenden, der die eigenen Erfahrungen zur Diskussion stellt und sich mit ihnen verändert. Die Zukunft der Hochschulen liegt in einem Miteinander von Lernen und Lehren und nicht in immer ausgeprägteren Hierarchisierungen. Hierfür ist die Landschaftsarchitektur ein geradezu ideales Beispiel, denn noch gibt es zwischen den Träumen der Studierenden und Lehrenden starke Übereinstimmung, Landschaftsarchitektur ist weder Brotberufung noch leichte Jobtätigkeit, sondern wird immer noch von vielen Studierenden als eine inhaltlich ausgerichtete Berufung verstanden.

Von der Flexibilisierung der Ausbildung und der Notwendigkeit neuer lebenslanger Studienmöglichkeiten

Die bunte gesellschaftliche Vielfalt an Lebenswirklichkeiten, Lebensentwürfen, Lebensträumen und Lebensnotwendigkeiten, die unsere heutige Gesellschaft ausmacht, findet sich kaum wieder in dem starren Graduierungssystem, der bei uns als "Bolognaprozess" bezeichnet wird. Mit ihren drei Säulen "Bachelor, Master und Doktor" entspricht dieses System kaum den heutigen bunten, individuellen und gesellschaftlichen Lernansprüchen. Immerhin macht die inflatorische Zunahme an neuen Studiengängen (es gibt in Deutschland schon mehr als 2000 Studiengänge) darauf aufmerksam, dass sich hier neues Wissens- und Erkenntnisinteresse aber auch ökonomisches und kulturelles Interesse Lernräume schaffen. Notwendigerweise geschieht dies in dem starren Graduierungssystem der modularisierten Bachelor- und Masterstrukturen. Neue oder veränderte Studiengänge sind hier rasch geschrieben, akkreditiert und entsprechend bürokratisiert. Diese neuen Studiengänge stecken im strengen Korsett der Bachelorsysteme (mit ihrem Workload von Credits, ihren geringen Semesterzahlen, Akkreditierungsritualen, Zensurenorgien usw.) entsprechen aber nicht der naiven Neugier nach Wissen, das sich Raum, Vision und Auseinandersetzung sucht. Der Zertifizierungswahn schafft sich eigene (bürokratische) Strukturen. Die dahinter stehenden, auf den ersten Blick wohlmeinenden Ziele, sind bei genauer Betrachtung kaum durchführbar. So entpuppt sich das Ziel einer Beschleunigung der Internationalisierung durch ein einheitliches Modulsystem mit möglichst gleichen Modulen für die Landschaftsarchitektur als unmöglich, denn die Kollegenschaft vermittelt glücklicherweise aufgrund ihrer individuellen Ausrichtung immer noch stark unterschiedliche Inhalte. Und das ist auch gut so!

Das starre Graduierungssystems des sogenannten Bolognaprozesses ergänzen und erweitern, vielleicht sogar aufheben

Überhaupt sollte man den Bolognaprozess nach nun zehn Jahren noch stärker hinterfragen. Wir haben ohne inhaltliche Notwendigkeit, vor allem aus politischen Gründen die Diplomstudiengänge mit ihrem international angesehenen Dipl.-Ing.-Abschluss zugunsten einer angelsächsischen Bachelortradition aufgegeben. Mich lässt immer noch die bildungs- und wirtschaftspolitische Dummheit erstaunen, die hinter diesem Projekt steckt.

In der Landschaftsarchitektur kann dies geradezu beispielhaft beobachtet werden: Hier ist einerseits eine Laisierung der Profession spürbar, denn indem die Berufsfelder zu den Hobbies (Gartenkultur und Naturschutz) der Nation werden, gibt es immer mehr Interessenten und vor allem Interessentinnen, die Kenntnisse und Diskurs im Bereich der Landschaftsarchitektur gewinnen möchten, die das Ratgeber- und Volkshochschulniveau überschreiten. So gibt es immer mehr Nachfrage nach Kursen, nach Summerschools, Workshops, Jahreskursen und anderen Lehrformen, die auch zukünftige Potenziale für die akademischen Ausbildungsstätten sind. Ähnliches tut sich im großen Feld der Weiterbildung, denn in einer lebenslangen Wissensgesellschaft, die angesichts der demografischen Entwicklung immer längere Lebensarbeitszeiten braucht, muss das Wissen und das Engagement ständig erneuert, ausgetauscht und reflektiert werden. Hier sind aber auch regelrechte Seniorenuniversitätskonzepte denkbar, die ein Hochschulstudium zum Bildungs- und Reflexionserlebnis machen, Wissensaustausch wird zur Lust, Provokation zur Notwendigkeit. Fast allen diesen neuen Anforderungen und Chancen ist aber gemein, dass sie sich kaum in das starre Graduierungssystem pressen lassen.

Interessanterweise gibt es neben der Laisierung auch den gegenläufigen Trend zur Spezialisierung. Die Wissenschaften fächern sich immer stärker auf in ihre Teilaspekte. Die verschiedenen Sektoren der Wissenschaften werden selbst zu Teilwissenschaften. Und das setzt sich immer weiter fort. Noch vor 150 Jahren kamen die Universitäten mit wenigen Fakultäten mit den klassischen Fächern aus. Die Entwicklung zum Spezialistentum birgt Gefahren, die Studien- und Forschungseinheiten verlieren ihre kritische Masse. Jeder zählt seine eigenen Fliegenbeine und macht sich zum Mittelpunkt der Welt. Tendenziell gefährdet ist das heutige Bachelorstudium, denn wer hat angesichts des Überangebots an akademisch ausgerichteten Studiengängen, Weiterbildungsmöglichkeiten und privaten Ausbildungs-initiativen noch Lust, ein derartig aufwändiges Studium wie das der Landschaftsarchitektur (samt Masterstudium) abzuleisten?

Von der inneren Ökonomisierung der Studieninhalte und Studiengänge

Wurde vor einigen Jahrhunderten alles unter theologischen später unter naturwissenschaftlichen Aspekten gesehen, so wird heutzutage alles durch die betriebswirtschaftliche oder volkswirtschaftliche Brille betrachtet. In den letzten beiden Jahrzehnten schreitet eine starke Ökonomielastigkeit der Curriculare ständig fort, obwohl die Wirtschaftswissenschaften in der aktuellen Wirtschaftskrise ihre mangelnden Kompetenzen nahezu idealtypisch bewiesen haben. Wir haben an unserer Fakultät allein inzwischen mehr als zehn Professoren, deren Stellen eine betriebswirtschaftliche Denomination besitzen. Die Tendenz der akademischen Ökonomiegläubigkeit ist beeindruckend, aber gelangt sie auch zu erfolgreichen Ergebnissen? Inzwischen sollen bereits in allen Berufungskommissionen Ökonomen beteiligt sein.

Von der Notwendigkeit einer kritischen Ökonomie

Eine vermeintliche Wissenschaft, die in den letzten Jahren ihre Unfähigkeit bewiesen hat, die deutlich sichtbare Krisen-szenarien zu erkennen, sollte ihre Wissenschaftsmethoden überprüfen, die ja wenig mehr sind als die Fortschreibung von Statistiken. Unsere heutige Ökonomie ist paradigmatisch auf ständiges wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet, sie feiert immer noch die Religion des Marktes. Dieses Paradigma muss sich hin zu einer Gleichgewichtsökonomie ändern, sonst droht ein weltweiter Kollaps der ökologischen und ökonomischen Systeme. Nicht der Gewinn zählt, sondern die Nachhaltigkeit des eigenen Tuns und der spielerische Spaß daran. Wir brauchen in unseren Studiengängen eine kritische Ökonomie.

Prof. Dr. Jürgen Milchert
Autor

Hochschule Osnabrück

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle grüne Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen