Kunst und Klang am Klosterweiher
von: Dipl.-Ing. Klaus W. KönigDie Franziskanerinnen von Bonlanden erschaffen nach und nach außergewöhnliche Möglichkeiten, naturgemäßes Füreinander, Miteinander und Nebeneinander auf dem Klostergelände wahrzunehmen. Der Löschweiher am Waldrand, eingebunden in die Klosteranlage, ist ein geeigneter Ort, um dem Sonnengesang des heiligen Franziskus nachzuspüren. Dort war vieles schon präsent: Die Sonne, das Wasser, die Fische, die Vögel, die Natur des Waldes, die Ruhe. Dennoch - mit der Neugestaltung wollen die Schwestern das Hinhören und Hinsehen schärfen, das Erleben der Natur und ihrer Elemente in der Umgebung des Wassers zusätzlich vertiefen.
Der Sonnengesang des heiligen Franziskus, im Winter 1224/25 verfasst, spielt eine zentrale Rolle im Selbstverständnis des Ordens. Das Charakteristische an diesem Loblied auf alle Geschöpfe Gottes ist das Einbeziehen von Sonne, Mond, Wind Wasser, Feuer, Erde - und sogar des leiblichen Todes - in familiärem Umgang mit der Anrede Mutter, Bruder und Schwester. Den sinnlich wahrnehmbaren Ausdruck des Liedes findet man im Sonnengesangs-Weg des Klosters Bonlanden. Ein Teil davon ist der 2015 fertig gestellte Garten "Mutter Erde" mit begehbarem Labyrinth, ein anderer Teil ist der 2017 veränderte Löschweiher am Waldrand zu Ehren der "Schwester Wasser". Da in der italienischen Sprache Aqua ein weibliches Substantiv ist, wurde das Wasser bei Franziskus zur Schwester.
Gestaltungsmotive aus dem 13. Jahrhundert
Weitere sechs Stationen zu den im Lied erwähnten Brüdern und Schwestern der uns umgebenden Natur sollen in den kommenden Jahren folgen. "Das Gesamtkonzept ist schon vorhanden", sagt Roland Schmid. Er ist Geschäftsführer des Planungsbüros für Landschaftsarchitektur Garten & Freiraum GmbH. "Wir hatten im Winter 2014/2015 eine Planungsphase auf Grundlage von Ideen der Ordensschwestern und ihres Gärtnermeisters".
Mit seinem eigenen GaLaBau-Betrieb hat Schmid inzwischen die ersten beiden Stationen fertiggestellt. Garten "Mutter Erde": Eine ehemals landwirtschaftliche Anbaufläche wurde in einen Schaugarten verwandelt, der die Vielfalt und Bedeutung unserer Erde in den Mittelpunkt rückt. Zentrales Element ist die Weltkugel, die in Gottes Händen gehalten wird - umgeben von einem großen Labyrinth, das auf speziellen Wunsch der Schwestern nach dem Vorbild von Chartres angelegt wurde. Es ist begrenzt von kreisförmig angeordneten Hochbeeten. Sie zeigen die Vielfalt der Pflanzwelt, gruppiert nach Themen wie Ackerbau, Kräuter, Mediterranes, Neophyten. Vier große Pflanzflächen bilden mit wechselnden Themen die Ecken des Grundstücks, das eine freiwachsenden Feldgehölzhecke gesäumt. Die Wegeführungen und Flächeneinteilungen entsprechen denen von Klostergärten. Ausführungszeit war April bis Juli 2015. Verwendete Materialien: Cortenstahl für Weltkugel, Hochbeete, Torsäulen. Wassergebundene Wegedecke mit Einfassungen aus gebrauchten Granit-Großsteinen. Tore aus Eiche, unbehandelt.
Die Station "Schwester Wasser": Schmid hat einen erhabenen und gut zugänglichen Quelltopf geschaffen, in dem das Wasser greifbar und fassbar ist - auch für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit. Die wenigen Meter zum angrenzenden Teich verbindet ein offener Wasserlauf mit drei flachen Kaskaden. Den Rahmen bilden Sitzmöglichkeiten zum Erleben und Genießen des Natur- beziehungsweise Wasserraumes. Ausführungszeit war April bis Juli 2017. Verwendete Materialien: Cortenstahl für das Quellbecken, gebrauchte Granitplatten und -pflastersteine für den Wasserlauf (die Furt bildet eine große Charlottenburger Gehwegplatte aus Lausitzer oder Schlesischem Granit, wie sie seit den 1860er-Jahren in Berlin für Bürgersteige verlegt wurden).
Wellenbilder und Wasserstrahl
Einen Beitrag zum Erkennen der Naturphänomene von "Schwester Wasser" leisten Wasserspiel-Objekte des Künstlers David Fuchs. Sie stammen aus seinem Metallatelier in Deggenhausen am Bodensee: Zwei Wellengeber schwimmen im Teich und bilden interferierende Wellenbilder, welche sich auf dem stillen Wasserfläche ausbreiten und wieder verschwinden. Dies repräsentiert das Leben im Wasser, denn auch Fische und Insekten machen an der Wasseroberfläche Wellenbilder. Zu bestimmten Zeiten wird Infraschall, der sonst für Menschen nicht wahrnehmbar ist, per Mikrofon vor Ort aufgenommen und in Wellenbilder umgewandelt. Der Springbrunnen steht für einen anderen Aspekt: Ein gläserner weicher Wasserstrahl steigt im Weiher auf und wird von den seismischen Schwingungen der Erde moduliert. Die Bodenunruhe - durch feine Bewegungen der Erde - ist damit sichtbar. Fuchs bemerkt dazu:
"Wir entwickelten einen dicken, gläsernen, weichen und laminaren Strahl, welcher mit ungefiltertem Teichwasser funktioniert. Dieser zeichnet seismische Schwingungen mal ruhig, mal aufgeregt, aber mit hoher Dynamik in den Teich. Die Besucher sind begeistert, wenn ihre Schritte und Sprünge in einem zitternden Wasserstrahl sichtbar werden. Dazwischen immer wieder vom Zufall gesteuerte Pausen, denn die Ruhe ist das Wesentliche."
Choreografie und Klangarchitektur
Weitere Effekte sind Akustik und Interaktion: Zoro Babel - Musiker, Komponist, Klangkünstler und Klangregisseur - lässt durch eine in Wald und Ufer integrierte Elektroakustik den Sonnengesang hörbar werden. Sein Motiv: "Trobator nannte man im 13. Jahrhundert Franziskus den Dichter, Komponist und Sänger. Seine Vielseitigkeit war für uns Inspiration, das Sprechen, den Gesang, die Musik und die Geräusche in einen gemeinsamen Kontext zu bringen. Den Kern bildet die Aufzeichnung des Textes (Caspar Lesjak, elf Jahre alt), um den sich das gesamte Musik- und Geräuschmaterial rankt."
Babel beschloss, Klänge aus der Natur mit Mitteln der synthetischen Klangerzeugung zu generieren. Sie werden über unterschiedliche Lautsprecher wiedergegeben: Vier im Karree mit 360 Grad Abstrahlwinkel um das Wasser herum und drei mit 45 Grad, etwas abseits im angrenzenden Wald verortet. "Diese Klangarchitektur gibt mir die Möglichkeit, auf die Akustik des Ortes einzugehen und verschiedene Raumwirkungen zu erzeugen. Diverse Wettersituationen und bereits existierende Geräusche werden integriert", erklärt er. Die "synthetischen Klangskizzen" setzen sich von der Natur subtil ab. Sie verdichten die flüchtigen Naturgeräusche zu Symbolen, irritieren durch ihren eigentümlichen Charakter und verführen zum Zuhören.
Besucher bestimmen die Inszenierung
Interaktiv nennen die Künstler Babel und Fuchs die Choreografie, denn über Sensoren und Taster am Teichrand können die Wellengeber und der Springbrunnen von den Besuchern bespielt werden. Per Knopfdruck lassen sich Musikpasssagen mit Kindergesängen und Violoncello sowie Synthesizer abspielen. Auch sind Anspielungen auf Sirenenklänge zu hören, die dazu aufrufen, der Natur mit Achtsamkeit zu begegnen. Eine erste Möglichkeit dazu bot sich bei der Einweihung im Rahmen des Gute-Erde-Festes am 30. Juli 2017.
Fuchs skizziert seine Herangehensweise an die ihm von den Ordensschwestern übertragene Aufgabe so: "Was soll hier künstlerisch passieren? Einen Stein werfen - die sich ausbreitenden Wellenringe bestaunen - ein zweiter Stein - die beiden Wellenbilder interferieren miteinander - Die Wellen werden am Ufer reflektiert - Physik als Teil der Natur wird sichtbar und offenbart einen wesentlichen Charakterzug des Wassers. Nachhören den Klängen der Natur - auch Klang ist Welle. Den Sonnengesang akustisch erleben. Lautsprecher im Wald verstecken - damit der Klang, gefiltert durch Laub und Bäume, wieder natürlich wird. Mit Geräuschen die Atmosphäre verdichten. Die Idee war geboren."
Und umgesetzt wurde sie schließlich in mehrere Monate dauernden Versuchs- und Veränderungs-Prozessen, auf die das Team des Metallateliers spezialisiert ist: Fertigen der Objekte für Wellen und Wasserfontäne, Steuerung der Wasserspiel- und Klangchoreografie, Koordination im eigenen Atelier und auf der Baustelle, Klären der Schnittstellen zu den Hausmeistern vor Ort und zum GaLaBau-Betrieb.
Drei Fragen an David Fuchs
Metallatellier GmbH in Deggenhausen/Bodensee
Geschäftsführer und Inhaber ist David Fuchs. Der Schwerpunkt liegt auf dem Werkstoff Metall in Kombination mit Wasser, Licht/Glas, Klang, Kinetik und Steuerung. Im Jahr 1985 entstand das Metallatelier aus der Notwendigkeit, Entwürfe der Objekt- und Kirchenkunst von Freunden - ergänzt mit den Gedanken von David Fuchs - zu realisieren. Heute umfasst das Spektrum der realisierten Kundenwünsche Kunst, Design und Architektur. www.metallatelier.de
Sie realisieren Objekte von Künstlern, aber auch nach eigenen Ideen wie im Kloster Bonlanden. Demnach wechselt Ihre Rolle - mal sind Sie Subunternehmer, mal Generalunternehmer. Können Sie mit Aufträgen von Fall zu Fall flexibel umgehen?
David Fuchs: Gute Lösungen entstehen im Team. Wichtig ist ein Arbeiten "auf Augenhöhe". Aber die Frage, ob Honorar und Zuständigkeit jeweils zusammen passt, steht permanent im Raum. Ein gutes Gefühl entsteht, wenn die Chemie stimmt und der eine den anderen frühzeitig in ein neues Projekt einweiht.
Wie finden die Auftraggeber zu Ihnen - was ist heutzutage typisch?
David Fuchs: Das sogenannte Netzwerk Gleichgesinnter wird zunehmend durch das Internet gestützt und erweitert. Wir setzen auf eine gepflegte, aktuelle Website und auf Publikationen. Daher unterstützen wir unsere Auftraggeber, wenn sie Fotos oder Texte für die Veröffentlichung unserer ausgeführten Objekte wünschen.
Was würden Sie machen, wenn es die elektronische Steuerung nicht gäbe?
David Fuchs: Schon vor der Erfindung des Stroms hat man wunderbare gesteuerte Wasserspiele erfunden. Aber wenn wir die elektronische Technik nun mal haben und diese uns immer weiter von der Natur entfernt, ist das ein Versuch, diese einmal umgekehrt als Brücke zur Natur hin zu verwenden. Es beruhigt mich ein wenig, dass wir wenigstens echtes Wasser bewegen und nicht nur eine Projektion bedienen. Im ersten Angebot hatte ich sogar einen Steg vorgeschlagen, von welchem aus man mit manuell bedienbaren Wellengebern selbst Wellen machen kann. Doch dieser Vorschlag wurde durch die modernere Variante ersetzt.
Projektdaten
Objekt: Sonnengesangs-Weg, Station "Schwester Wasser"
Standort: Franziskanerinnen-Kloster, 88450 Berkheim-Bonlanden
Auftraggeber: Mutterhaus Kloster Bonlanden
Fertigstellung: Juli 2017
Garten- und Landschaftsarchitektur:Roland Schmid, Obergünzburg
GaLaBau-Ausführung:Garten & Freiraum GmbH, Obergünzburg
Wasserspiel und Choreografie:David Fuchs, Deggenhausen
Metallobjekte und technische Koordination:Metallatelier GmbH, Deggenhausen
Hersteller der elektrischen Steuerung:Beckhoff Automation GmbH, Verl
Programmierung:Olaf Matthes, Wolfsburg
Klangkunst: Zoro Babel, München
Klangdetails Cello: Mathis Mayr, Berlin
Choreografiedetails: Martin Fuchs, Freiburg
Specher Sonnengesang: Caspar Lesjak, München