Landesgartenschau eröffnet Zugang zum Bodensee

Der Mehrwert des Strandrasens - neuer Uferpark in Überlingen

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Bodensee Landesgartenschauen und Grünprojekte
Neuangelegte Stauden- und Gehölzpflanzungen und integrierte Bestandsbäume im Westteil des Uferparks. Foto: Hanns Joosten

Im Jahr 2020 wird in Überlingen die erste Landesgartenschau am Bodensee stattfinden. Als Kernbereich des Ausstellungsgeländes entsteht derzeit westlich der Innenstadt am Seeufer ein neuer Park. Damit greift die Gartenschau die für die Entwicklung und Gestalt der Stadt entscheidende räumliche Situation auf. Überlingen wurde durch seine Lage am Bodensee zum bedeutenden Handelsplatz und später zum Ziel von Touristen und Kurgästen. Dabei übernahm die Uferlinie stets die Rolle einer exponierten Stadtkante, durch die sich Lagegunst und städtische Identität definierten. Im Zuge dessen wurde die Form der Uferkante zu einer wesentlichen Einflussgröße, die Aneignungsformen vorgab und selbst durch die anthropogene Landnutzung modifiziert wurde.

Mit der Planung des neuen Uferparks stellt sich die Frage, welche Bedeutung der See heute für die Stadt hat und welche Potenziale er für künftige Entwicklungen aufweist. So bieten seine Wasserfläche und die Nähe zu ihr attraktive Nutzungsangebote. Zugleich fordert die Uferlage des Gartenschaugeländes unweigerlich eine landschaftsbildliche Position von der Gestaltung. Nicht nur zeitgemäß, sondern drängend ist es, dabei auch ökologische Perspektiven zu berücksichtigen. Gerade in ihrer Komplexität bieten diese Aspekte großes Potential für die Parkgestaltung. So spricht viel dafür, die ökologische Entwicklung und den Anspruch auf Freiraumnutzung nicht als Antagonismen aufzufassen, sondern nach Synergien zu suchen. Beides trägt zugleich zur Belebung des ästhetischen Szenarios bei. In dieser Weise geht das Gestaltungskonzept für den entstehenden Uferpark davon aus, dass durch die Verbindung verschiedenartiger Entwicklungsziele für den späteren Charakter des Parks ein entscheidender Mehrwert entsteht. Worin dieser bestehen kann, soll im Folgenden anhand einiger Teilaspekte untersucht werden. Dem Strandrasen kommt dabei keine zentrale aber eine beispielhafte Rolle zu.

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Bodensee Landesgartenschauen und Grünprojekte
Die Ufermauer vor der Umgestaltung. Foto: LGS Überlingen 2020 GmbH
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Neugestalteter Flachuferbereich mit Totholzstämmen. Foto: Hanns Joosten

Die geborgte Landschaft

Das Areal des Uferparks umfasst etwa sechs Hektar und grenzt auf seiner Südseite auf einer Länge von circa 800 Meter an den Bodensee. Durch seinen gestreckten Grundriss werden die wirkungsstarken Naturräume seiner Umgebung zu "geborgten Landschaften" der Parkszenerie, die deren räumlichen Kontext bilden und die wesentlich mitbestimmend für deren Wahrnehmung sind. Dies gilt einerseits für die weite, atmosphärisch bewegte Fläche des Bodensees. Als eine Art Gegenpol dazu wird der Park auf der Nordseite von der strukturreichen geomorphologischen Formation der Molassekante, einem Aufschluss weichen Sedimentgesteins, begrenzt. Während die Polarität dieser Landschaftselemente in der Vergangenheit durch die heterogene Nutzungsstruktur des Uferbereichs als Campingplatz, Baumarktareal und Parkplatz nicht zur Wirkung kam, wird sie mit der Schaffung eines einheitlichen Uferparks akzentuiert. Dies greift das Gestaltungskonzept auf, indem es den Übergang zwischen den Molassefelsen und dem Bodenseeufer landschaftlich ausformuliert. Da Felsen und Wasserfläche einen ausgeprägten Naturcharakter aufweisen, stellt sich die Frage, auf welches Landschaftskonzept die Planung dabei zielt.

Welche Landschaft?

Der Uferbereich im entstehenden Park wurde in den vergangenen Jahrhunderten aus vielfältigsten Gründen baulich verändert. Immer ging es dabei um menschliche Ansprüche auf die Nutzung der Natur und ihrer Ressourcen. Das Spektrum reicht dabei von der Landwirtschaft bis zur Schaffung von Badeanstalten und Verkehrsstraßen. Besonders deutlich war die Veränderung 1944/45, als Häftlinge des KZ Außenlagers Überlingen-Aufkirch Stollen für die Rüstungsindustrie in die Molassefelsen graben mussten, deren Aushub am Bodenseeufer aufgeschüttet und später mit einer Ufermauer befestigt wurde. Vor allem mit dieser Maßnahme wurde die Vielfalt der ökologischen Lebensräume an diesem Abschnitt des Bodenseeufers und damit das Vorkommen von Pflanzen und Tieren deutlich reduziert. 2006 schätzte die Internationale Gewässerschutzkommission den Zustand dieses Uferabschnitts als beeinträchtigt beziehungsweise naturfern bis naturfremd ein. Die umrissene Entwicklung zeigt aber auch, wie relevant die kulturlandschaftliche und geschichtliche Prägung für die Gestaltung des Uferbereichs war.

Ebenso notwendig ist es vor dem Hintergrund des räumlichen Kontexts von See und Felsenkulisse jedoch, die ökologischen Entwicklungsmöglichkeiten des Areals in den Fokus zu stellen. Das Gestaltungskonzept zielt darauf, beide Ansprüche im Konsens zu lösen. Der hybride Charakter natürlicher Gegebenheiten und kultureller Überformungen wird aufgegriffen und weiterentwickelt. So wurde mit der Neuformulierung des Übergangs zwischen Felsen und Bodenseeufer kein Zustand einer natürlichen Topographie imitiert, sondern die strukturreichen Formen der Molassekante werden in eine landschaftsarchitektonische Formensprache übersetzt. Um dabei entscheidende Potenziale für die Biodiversität und die Freiraumnutzung zu gewinnen, wurde die Ufermauer zugunsten einer bewegten Geländemodellierung im Wechsel von zwei Steiluferbereichen mit zwei Flachuferbereichen abgebrochen. So wird ein strukturreiches und vielseitig nutzbares Relief geschaffen, dessen Terrassierungen schwingend auf das Bodenseeufer zuführen.

Bodensee Landesgartenschauen und Grünprojekte
Blick von Südosten über die Baustelle des westlichen Uferparks (1. Bauabschnitt), Luftbild. Foto: LGS Überlingen 2020 GmbH, Achim Mende
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Topographie und Ufergestaltung beziehen sich auf Formen der Molassekante. In die Ufergestaltung wurden Stauden der Bestandsvegetation der Uferzone integriert. Foto: Hanns Joosten

"cut and fill"

Realisiert wird die neue landschaftliche Form des Uferparks mit einer - bezogen auf das Gesamtareal - weitgehend ausgeglichenen Auf- und Abtragsbilanz. In diesem landschaftlichen Konversionsprozess wird der durch die Ufergestaltung gewonnene Erdabtrag genutzt, um Hügel im Park zu modellieren ("cut and fill"). Die Betonufermauer wurde geschreddert und als Tragschicht der neugeschaffenen Wege eingebaut. Werksteine aus der früheren Uferbefestigung wurden als Treppenelemente wiederverwendet.

Der Park als Landschaftsraum

Auf der Ostseite wird der Park durch einen neugeschaffenen Stadtplatz am Bahnhof Therme mit der Stadtstruktur Überlingens verknüpft. Westlich davon wird als Auftakt des Parkreliefs ein Hochpunkt angelegt, dessen Auffaltung auf den Grundton der Gestaltung einstimmt. Im Uferpark wechseln gedehnte Wiesenbereiche mit steileren, vegetativ intensiver gestalteten Abkantungen. Diese werden mit wärmeliebenden Sträuchern wie Weinrose (Rosa rubiginosa) und Geißklee (Cytisus nigricans) und Wolligem Schneeball (Viburnum lantana) bepflanzt. Akzentuiert werden diese Pflanzungen mit einer im nahegelegenen Sipplingen wachsenden Sanddorn-Unterart (Hippophae rhamnoides) und verschiedenen Schmuckgehölzen. Zwei der Wiesenbereiche werden extensiv gepflegt. Für ihre Anlage wurde regionales, zertifiziertes Saatgut verwendet. Blühaspekte bilden unter anderem Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Klatschmohn (Papaver rhoeas), Kornblume (Centaurea cyanus) und Rote Lichtnelke (Silene dioica). So steht das Pflanzkonzept für die Kombination einer "klassischen" Parkästhetik mit Arten der Kulturlandschaft, die außergewöhnliche und ortsspezifische Parkszenerien generiert. An die mit Sträuchern bepflanzten Hangabschnitte im Inneren des Parks sind gesandete Spielflächen angelagert. Großzügige Holzkonstruktionen, deren Gefüge am Bootsbau und Fischfang orientiert ist, schaffen hier vielfältige spielerische Aneignungsmöglichkeiten.

Im Westen führt der Uferpark bis zur vorromanischen Sylvesterkapelle im Überlinger Stadtteil Goldbach. Östlich dieses Bauwerks wird das Relief zu einem direkt am Wasser gelegenen Aussichtshügel aufgefaltet. Dieser Standort ist für die Besucher schon von weitem sichtbar und liefert eine zusätzliche Motivation für den Gang durch den Park. Von der Anhöhe öffnet sich ein umfassender Blick über den Bodensee sowie das Parkareal und auf die Molassekante. Mit diesem Aussichtshügel wird Bezug auf Felsformationen genommen, die ursprünglich an dieser Stelle existierten und den Standort der Kapelle bildhaft rahmten. Die Sylvesterkapelle als wertvolles kulturelles Zeugnis und als Landmarke wird damit wieder in eine räumliche Situation eingebunden, die sich ihrer Bauidee annähert. Dabei handelte es sich um eine geschützte Lage, die zugleich eine markante Stelle im Uferverlauf besetzt. Zusätzlich wird die Kapelle mit einer auratisch um den Bau geführten geschnittenen Hecke umgeben. Dieses Element vermittelt kulturlandschaftlich zu dem westlich angrenzenden Obstgarten und separiert den kontemplativen Raum des Sakralgebäudes.

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Lageplan des Uferparks, Landesgartenschau Überlingen, Wettbewerbsentwurf relais Landschaftsarchitekten. Foto: relais Landschaftsarchitekten
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Das Pflanzkonzept verbindet die Inwertsetzung der "klassischen" Parkästhetik mit Arten der Kulturlandschaft. Foto: Hanns Joosten
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Standrasen und rampenförmige Seezugänge im neugestalteten Flachuferbereich. Foto: Hanns Joosten

Neue Ufer

Die Oberkanten der neumodellierten Uferböschungen werden gegenüber der früheren Ufermauer zwischen sieben und 40 Meter in das Parkinnere verschoben. Durch diese strukturreiche Ufertopographie werden die wechselnden Wasserstände des Bodensees erlebbar gemacht und die Uferzone für die Nutzer des Parks erschlossen. Die Steiluferbereiche werden mit einer Neigung von 1:1,5 als Setzungen und Schüttungen unterschiedlicher Steinformationen aus beigem Granit erstellt. In seiner Farbigkeit und heterogenen Struktur wird damit ein Bezug zum anstehenden Molassefelsen hergestellt. Zwischen Mittelhochwasserlinie und Hochwasserlinie wird das Steilufer mit Weidensteckhölzern besetzt. Oberhalb dieses Bereichs wird das Ufer mit Substrat ausgeführt und mit Weidenstecklingen bepflanzt. Verwendet wird dabei autochthones und regionales Pflanzmaterial der Purpurweide (Salix purpurea), Korbweide (Salix viminalis) und Mandelweide (Salix triandra). Diese Gehölze werden im zweijährigen Turnus auf Stock gesetzt. Durch diese Pflanzung werden nachträglich Sichtbeziehungen beziehungsweise Blickfenster auf den Bodensee freigestellt.

Die Flachuferbereiche werden als terrassierte Böschungen ebenfalls aus beigem Granit mit einer Neigung von 1:8,5 bis 1:20 ausgeführt. In den steileren Böschungsfuß sind Trittstufen eingebunden. Durch Abschnitte mit Kies und größeren Wackensteinen sowie Sandbereiche wird die Struktur dieser Ufer stark ausdifferenziert. Oberhalb der Hochwasserlinie schließen daran Rasenflächen an. In den Bereichen der terrassierten Flachufer werden akzentuierend Schwarzpappeln der autochthonen Art Populus nigra ,Langenargen' gepflanzt und auf zwei Flächen Schilfpflanzungen angelegt. Als ästhetisierende Landschaftsbestandteile und kleinräumige Lebensräume werden in die Uferzone Totholzstämme, Wurzelstöcke und Molassefelsen eingebunden.

Ökologie und Parknutzung

Das Parkareal wird durch das Konzept nicht "renaturiert". Doch schafft seine Struktur vielfältige Potenziale für die Freiraumnutzung, Ästhetik und Ökologie dieses Uferbereichs - ohne diese Aspekte räumlich zu trennen. Mit den Flachuferabschnitten und einzelnen Treppen im Bereich des Steilufers entstehen Seezugänge zur spielerischen und kontemplativen Aneignung des Ufers sowie für Taucher. Zugleich ermöglicht der Neigungswinkel des Flachufers im Wechselwasserbereich die Initiierung eines Strandrasens mit ehemals verbreiteten Arten der Ufervegetation.

Bodensee Landesgartenschauen und Grünprojekte
Initialpflanzung der ökologisch wertvollen Strandrasenvegetation. Foto: LGS Überlingen 2020 GmbH

Dazu wurde in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Bodenseeufer (AGBU) und dem Botanischen Garten Konstanz von der Stadtgärtnerei Überlingen autochthones Pflanzenmaterial vermehrt und ausgepflanzt. Dabei handelt es sich unter anderem um das durch seinen zartblauen Blühaspekt attraktive Bodensee-Vergissmeinnicht (Myosotis rehsteineri), die Strand-Schmiele (Deschampsia rhenana), den Europäischen Strandling (Littorella uniflora), den Ufer-Hahnenfuß (Ranunculus reptans), die Nadel-Sumpfbinse (Eleocharis acicularis), den Binsenlauch (Allium schoenoprasum) und die Stumpfkantige Hundsrauke (Erucastrum nasturtiifolium). Damit verfügt der Park am Ufer - wie auch in anderen Bereichen - über außergewöhnliche Pflanzungen. Sie zeigen eine besondere, ortsspezifische Ästhetik, die vor allem für das Gartenschauerlebnis innovativ sein kann, indem sie ökologische Werte vermittelt und damit die für diese Veranstaltungen gängigen Sehgewohnheiten durchbricht. Zugleich werden einige der Strandrasenarten durch das Betreten der Uferzone in ihrem Bestand wesentlich gefördert. In dieser Weise schafft das Konzept Räume für die ökologische Entwicklung und Naturentdeckung, deren Dynamik zugleich durch die Entdecker entscheidend beeinflusst wird.

So wie der wechselnde Wasserstand des Bodensees gestalterisch erfahrbar gemacht wird, werden durch die Gestaltung auch landschaftliche Zusammenhänge herausgestellt. Der frühere Rohrauslauf des Stollenwassers aus der Molassekante wird durch ein Auslaufelement aus Stampfbeton ersetzt. Dieses begünstigt die Sinterbildung im kalkreichen Hangwasser und bildet einen attraktiven Spielort.

Dass der Park künftig als dynamischer Raum von seinen Nutzern erfahren wird, ist ein zentrales Anliegen des Konzepts. Demnach ist nicht entscheidend, ob sich eine einzelne Pflanzenart dauerhaft etabliert, sondern dass Biodiversität gefördert wird. Es geht darum - auch während der Gartenschau - deren Mehrwert für das Parkerlebnis und positive nachhaltige Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur zu illustrieren. Damit bietet sich die Chance, auch dem Modell Landesgartenschau neue Impulse zu geben. Anstelle des zunehmend kritisierten Charakters der Leistungsschau, lässt sich an Standorten wie in Überlingen eine Positionierung der Landschaftsarchitektur zu aktuellen gesellschaftlichen Themen vermitteln, wodurch diese Veranstaltung neue Relevanz erhalten kann.

 Marianne Mommsen
Autorin

Landschaftsarchitektin

relais Landschaftsarchitekten Heck Mommsen PartGmbB

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