Ökologie, Strukturvielfalt und Hochwasserschutz verbessert

Die Renaturierung der Ruhr in Arnsberg

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Renaturierter Abschnitt im Binnerfeld (Neheim). Foto: NZO Dr. Günter Bockwinkel Bielefeld

Die Stadt Arnsberg hat in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich Maßnahmen im Sinne der EU Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an Gewässern umgesetzt. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Gewässerökologie, sondern im weitesten Sinne auf die gesamte Stadtentwicklung. In dieser Hinsicht ist Arnsberg derzeit führend in der Bundesrepublik. Dies drückt sich auch durch verschiedene bundesweite Auszeichnungen aus.

Die Situation an den Gewässern ist in Nordrhein-Westfalen oft ähnlich: begradigte Flussabschnitte, mit Steinpackungen befestigte Ufer - keine Möglichkeit der eigendynamischen Entwicklung des Gewässers. Dies trifft nicht nur auf die mittleren und größeren Flüsse zu, sondern auch auf kleinere Bäche. Dadurch geht der Kontakt des Flusses/des Bachs zu umliegenden Auebereichen und der ökologisch sehr wichtige und aktive Übergangsbereich zwischen Wasser und Land verloren. Darüber hinaus wirkt das Gewässer unattraktiv für die Bevölkerung.

Ziel der Maßnahmen ist es, die Eigendynamik des Gewässers zu fördern, den ökologischen Zustand und die Strukturvielfalt sowie den Hochwasserschutz zu verbessern. Im Sinne einer ökologischen Verbesserung ist das Gewässer mit den Renaturierungsabschnitten ganzheitlich in seinem Umfeld zu sehen und angepasst an die jeweilige Situation optimal zu verbessern.

Die Karte der Maßnahmen stellt die umgesetzten Renaturierungen (grüne Kreise), Maßnahmen der Durchgängigkeit (blaue Kreise) und die noch geplanten Projekte (gelbe Kreise) dar. Mit der Umsetzung erster Maßnahmen wurde 2003 begonnen.

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Karte der durchgeführten Maßnahmen. Abbildung: Umweltbüro Stadt Arnsberg
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Die Ruhr im „Binnerfeld“ begradigt und ausgebaut...
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...und nach der Renaturierung. Fotos: Soweit nichts anderes angegeben, Umweltbüro Stadt Arnsberg: Umweltbüro Stadt Arnsberg

Die Maßnahmen zur Verbesserung der Strukturgüte beinhalten:

  • die weiträumige Aufweitung des Fließquerschnittes durch Abgraben des Vorlandes zur Schaffung einer abwechslungsreich strukturierten Fließgewässerlandschaft
  • die Schaffung von eng verzahnten wassergebundenen, land-wassergebundenen und Land-Lebensräumen durch Anheben der Sohle, Anlegen von Stillwasserbereichen und Flutmulden mit variabel geneigten Böschungen,
  • das Entfernen von Sohl- und Uferverbauungen in Bereichen ohne einschränkende Infrastruktureinrichtungen und den Ersatz von Betonsicherungen durch naturnah strukturierte Schüttsteinpackungen (schlafende Sicherungen)

Neben den ökologischen Verbesserungen und dem Hochwasserschutz spielt auch die Thematik "Erlebbarmachen des Flusses" für die Bevölkerung (Naherholung) und Freizeitnutzung (Tourismus, RuhrTalRadweg) eine große Rolle.

Maßnahmen an den kleineren Gewässern bieten die Möglichkeit Beschäftigungsinitiativen einzusetzen. Hier ist aufgrund der Lage und Topographie ein Maschineneinsatz in größerem Umfang nicht sinnvoll und notwendig.

Die Renaturierungsmaßnahmen leisten aufgrund der Aufweitung des Abflussquerschnitts und der Abflachung der Ufer einen wesentlichen Beitrag zum Hochwasserschutz, insbesondere in den besiedelten Bereichen und bei häufiger wiederkehrenden Ereignissen.

Aus Bild 6 ist zu ersehen, dass die Renaturierungen bewusst in den hochwassergefährdeten Bereichen (gelbe und rote Ellipsen) durchgeführt wurden.

Der grundlegende Gedanke ist zunächst eine ökologische Verbesserung des Gewässers herbeizuführen und die Eigendynamik zu fördern, um im Anschluss die dann noch erforderlichen technischen Hochwasserschutzmaßnahmen (in Form von Dämmen und Mauern, oder auch mobiler Hochwasserschutz für ein 100-jähriges Ereignis) in weit geringerem Umfang durchzuführen.

Finanzierung

Die Finanzierung erfolgt zu:

  • 80 Prozent aus Mitteln des Gewässerausbauprogramms des Landes NRW
  • 20 Prozent Eigenanteil der Stadt (Refinanzierung durch Ökokonto der Stadt)

Mit dem Hochsauerlandkreis wurde eine Regelung gefunden, die es der Stadt erlaubt, den 20-Prozent-Eigenanteil als Ausgleichsmaßnahme festsetzen zu können. Aufgrund der Flächenbezogenheit der Ökopunktebewertung (Verfahren Nohl, Valentin) lässt sich diese Berechnungsweise bei wenig Fläche in Anspruch nehmenden und im Vergleich sehr teueren Maßnahmen, welche die Renaturierungen nun einmal sind, nicht sinnvoll umsetzen. Daher findet eine Umrechnung der städtischen Investitionen für die Renaturierungsmaßnahmen (mittels eines Durchschnittsbetrags pro Ökopunkt) in Ökopunkte statt.

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Renaturierter Abschnitt in Alt-Arnsberg. Foto: NZO Dr. Günter Bockwinkel Bielefeld
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Überschwemmungsbereich der Ruhr mit Problembereichen. Grafik: Gotthard Scheja

Resonanz in der Bevölkerung

Aus den bisher durchgeführten Maßnahmen lassen sich einige grundlegende Vorgehensweisen darstellen, die zum Gelingen und zur Akzeptanz in der Öffentlichkeit beitragen.

Eine Beteiligung aller Betroffen (Anwohner, Träger öffentlicher Belange, Angler und Naturschutz) zu Planungsbeginn, spätestens jedoch deutlich bevor die wasserrechtliche Genehmigung beantragt wird, ist ein wichtiger Punkt. Die sich hieraus ergebenden Anregungen und Hinweise sollten (soweit möglich) in die Planung mit einbezogen werden. Zum Beispiel war bei einer innerstädtischen Maßnahme vorgesehen, eine Wiesenfläche als nur im Hochwasserfall anspringende Umflutmulde auszubilden, in der sich temporäre stehende Tümpel entwickeln konnten. Hier gab es deutlichen Widerstand aus der Bevölkerung, da dort Brutstätten für Mücken gesehen wurden. Der Abschnitt wurde umgeplant und ein durchflossener Seitenarm angelegt.

Die Angelvereine haben in Arnsberg das Problem geringer Wasserführung in Ausleitungsstrecken in den Sommermonaten. Von daher wurden Maßnahmen in diesen Bereichen kritisch gesehen und es bedurfte einiger Überzeugungsarbeit die Vorteile der renaturierten Strecken darzustellen. Angler wurden daher nicht nur bei der Planung beteiligt, sondern hatten auch die Möglichkeit, während der Bauzeit zum Beispiel Einfluss auf die Ausbildung von Kolken oder das Einbringen von Totholz zu nehmen. Diese Zusammenarbeit führte letztlich dazu, dass Vereine eigene Renaturierungsmaßnahmen an ihren Pachtgewässern durchgeführt haben.

Die Arnsberger Kommunalpolitik hat die Maßnahmen von Beginn an unterstützt, da eine Reihe von Synergien (vorrangig Hochwasserschutz) erzielt werden konnten. Von großer Bedeutung für die reibungslose Durchführung der Maßnahmen war das Zusammenspiel zwischen Maßnahmenträger, Aufsichtsbehörde und Fördergeber. Alle Projekte wurden in enger Abstimmung und unter Mitwirkung von Bezirksregierung Arnsberg, Wasserbehörde Hochsauerlandkreis, Planungsbüros und der Stadt Arnsberg durchgeführt. Dabei kam das Interesse eines jeden Mitwirkenden fördernd zur Geltung.

All dies, in Verbindung mit der deutlich veränderten Flusslandschaft, führte in Arnsberg dazu, dass ein neues positives Bewusstsein für die Ruhr anstand. Ein Großteil der Bürgerschaft identifiziert sich nunmehr mit dem Gewässer. Dies drückt sich auch in künstlerischen Projekten im und am Wasser aus (Kunstsommer Arnsberg).

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Kunstsommer an der Ruhr in Arnsberg, Kunstobjekt am Rande einer Renaturierungsstrecke.
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"Ruhrwächter" ein Projekt einer Künstlergruppe.

Bilanz

Die Renaturierungsmaßnahmen an der Ruhr gelten in Arnsberg als die kommunalen Maßnahmen mit den meisten positiven Effekten. Hier sind zunächst die positiven ökologischen Auswirkungen zu nennen.

Das Konzept zur "naturnahen Entwicklung der oberen Ruhr" sieht für das Stadtgebiet von Arnsberg 39 Maßnahmenpakete vor. Bei der Auswahl der Maßnahmen zur Umsetzung der WRRL spielt neben der ökologischen Verbesserung, der Hochwasserschutz und die Flächenverfügbarkeit eine wesentliche Rolle.

Bis 2013 wurden von den 39 Maßnahmenpaketen 20 umgesetzt, zwei weitere Pakete sind in der Planung und die verbleibenden 17 Pakete werden zunächst nicht angegangen. Damit sind bereits jetzt die Forderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Arnsberg erfüllt. Arnsberg ist damit als Kommune führend in Deutschland.

Durch die nunmehr wiedererlangten eigendynamischen Entwicklungsmöglichkeiten des Flusses ergeben sich die für den "schottergeprägten Mittelgebirgsfluss" wichtigen Strukturen. Eine Vielzahl kleinräumiger Lebensraumelemente bieten unterschiedlichen Arten und Entwicklungsstadien wesentlich günstigere Lebensraumbedingungen. Diese werden durch das begleitende Monitoring erfasst und belegt. Die ersten Maßnahmen wurden 2007 im Rahmen des Europäischen Ideenwettbewerbs "Unsere Gewässer" ausgezeichnet (www.ourwaters.net). Arnsberg ist dann im Mai 2013 ebenfalls im Rahmen der UN-Dekade "Biologische Vielfalt" für die Gesamtmaßnahmen ausgezeichnet worden (www.un-dekade-biologische-vielfalt.de).

Seit 2009 ist die Ruhr im Stadtgebiet (33 Kilometer Fließstrecke) komplett durchgängig. Hierzu wurden ein Wehr und mehrere Sohlschwellen entfernt sowie drei Fischaufstiegsanlagen durch die Stadt errichtet. Private Wasserkraftbetreiber haben ebenfalls drei Fischtreppen angelegt.

Von 2008 bis 2010 wurden in Folge zweier Starkregenereignisse (2007) zusätzlich 2,7 Kilometer Gewässerstrecke an kleineren Bächen mit Kosten in Höhe von 5,1 Millionen Euro renaturiert und aufgeweitet. Diese Maßnahmen dienen insbesondere der Verbesserung des Hochwasserschutzes bei Starkregenereignissen im Sinne einer Klimaanpassung. Hierfür wurde die Stadt Arnsberg mit dem "Blauen KomPass" in 2011 ausgezeichnet (http://www.tatenbank.anpassung.netwww.tatenbank.anpassung.net).

Als weiterer Punkt wird die Verbesserung des Hochwasserschutzes gesehen. Arnsberg, als eine stark von Hochwasser betroffene Kommune an der Ruhr (Hochwasseraktionsplan Ruhr), hat hier auf ökologisch sinnvolle und nachhaltige Weise entscheidende Minderungen der Hochwassergefahren erzielt. Für die Renaturierungsmaßnahmen ist die Stadt beim bundesweit ausgeschriebenen "DWA Gewässerentwicklungspreis" 2010 ausgezeichnet worden.

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Innerstädtische Aufweitung zur Verbesserung des Hochwasserschutzes.
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Die Fischtreppe.
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Was gibt’s hier Interessantes?
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Renaturierter Flussabschnitt mit Totholz und Kiesbänken.

Die renaturierten Abschnitte (bis 2013) umfassen eine Gesamtfließstrecke von rund zehn Kilometern und haben Kosten in Höhe von neun Millionen Euro verursacht.

Die Veränderung der Flusslandschaft, insbesondere auch innerstädtisch, hat bei der Bevölkerung sehr hohen Anklang gefunden. Die Bevölkerung hat "ihren" Fluss letztlich wiederentdeckt und wert geschätzt. Damit verbunden ist eine Steigerung des Naherholungswertes und auch der touristischen Attraktivität - der viel befahrene Ruhrtal-Radweg begleitet die Renaturierungsstrecken. Diese Gesamtthematik fand Niederschlag in der Auszeichnung: "ausgezeichnete Orte "Deutschland - Land der Ideen - Ideen finden Stadt" 2013 (www.land-der-ideen.de/ausgezeichnete-orte).

Die gesamte Stadtentwicklung hat in Flussnähe eine positive Entwicklung genommen. Diese mündet letztlich auch in der Neuansiedlung und Attraktivierung von Gastronomiebetrieben. Damit ist eine weitere Form der Wertschöpfung in einer ansonsten finanzschwachen Stadt entstanden. Durch die Maßnahmen hat der weiche Standortfaktor "Natur in der Stadt" einen weit höheren Stellenwert erlangt als vorher. Dies wirkt sich auf die Zufriedenheit der Bevölkerung aus. In 2012 wurde Arnsberg im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs "Lebenswerte Stadt" ausgezeichnet (http://www.duh.de/3787.htmlwww.duh.de/3787.html). Des Weiteren wurde die Stadt Arnsberg zum "Deutschen Nachhaltigkeitspreis" 2013 nominiert.

Weitere Synergieeffekte, die direkt mit den Renaturierungsmaßnahmen zusammenhängen, wie beispielsweise die Erhöhung eines Lärmschutzwalles an der A 46 durch die Stadt und die Abdeckung einer Deponie mit dem anfallenden Aushubmaterial, fördern die Akzeptanz zusätzlich. Die Verlängerung und behindertengerechte Gestaltung einer Fußgängerbrücke über die Ruhr wurde ebenfalls erst durch die Renaturierungsmaßnahmen möglich.

Alle diese Effekte unterscheiden die abschnittsweise "neue" Ruhr von ihrem vormaligen begradigten und unattraktiven Zustand. Wichtig ist dabei, dass der Mensch einbezogen ist, den Fluss in seiner neuen Form wahrnehmen und die wiedererlangte Natur (Naturnähe) schätzen lernen kann.

Die Aktivitäten der Stadt haben dazu geführt, dass Angelvereine ("Gut Wasserwaid" an der Möhne (2006) und "Ruhrwellen" an der Ruhr im "Alten Feld" (2012) und der Walpke (2013)), der Hegering Arnsberg an der Ruhr (2013) sowie die Beschäftigungsinitiative "Neue Arbeit Arnsberg" (2011-2013) mittlerweile eigene Renaturierungsmaßnahmen durchführen.

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