Pflanzenkläranlage als Startpunkt für Ressourcenlandschaft
Von Null auf Nachhaltig
von: Dr. Antje Backhaus
Auch im Jahr 2018 gibt es in Deutschland noch Gemeinden ohne adäquate Kanalisation, eine davon ist Rohrbach. Die 200 Seelen-Gemeinde im Weimarer Land wurde deshalb Projektstandort der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen zum Thema "Regionale und regenerative Stoffstromkreisläufe durch Abwassernutzung".
Partner des Projektes sind neben der IBA Thüringen und der Gemeinde Rohrbach, der Abwasserzweckverband Nordkreis Weimar und die Professur Siedlungswasserwirtschaft der Bauhaus Universität Weimar.
Gemeinsam möchte man die Entwicklung einer "klassischen" Einweg-Abwasserinfrastruktur überspringen und stattdessen ein innovatives, kreislaufbasiertes Abwassersystem mit Unterdruckentwässerung und angeschlossener Pflanzenkläranlage erproben. Über eine Stoffstromtrennung wird langfristig die Nutzung des Schwarzwassers zum Beispiel zur Energiegewinnung oder Düngerproduktion angestrebt. Das geklärte Abwasser aus der Pflanzenkläranlage soll zur Bewässerung von Anbauflächen im örtlichen Schlosspark und für einen Fischteich weitere Verwendung finden. Im letzten Schritt steht es über den lokalen Bach (Roßbach) wieder dem Landschaftswasserhaushalt zur Verfügung. Das Regenwasser des Dorfes entwässert zu großen Teilen ebenfalls über den aktuell noch verrohrten Roßbach, dessen Öffnung und ökologische Aufwertung angestrebt wird.
Dies bietet dem kleinen Ort mit leeren Kassen eine neue Chance. Im Auftrag der IBA Thüringen und unter dem Motto "Ressourcenlandschaft Rohrbach" entwickelten engagierte Bürger gemeinsam mit den Landschaftsarchitekten von gruppe F und Lysann Schmidt erste Konzeptbausteine und eine neue Entwicklungsperspektive für das Dorf. Ausgestattet mit den bisher ungenutzten Abwässern, viel schöner Landschaft, einem kleinen verfallenden Schloss mit großzügiger Parkanlage und engagierten Bewohnern, soll die neue Kläranlage Ausgangpunkt und Motor für die nachhaltige Entwicklung der Gemeinde werden.



Die Planung und der Bau der neuen Abwasseranlage wird als innovativer Transformationsprozess so gesteuert, dass jede Teilmaßnahme funktionsfähig ist, ohne künftige Optionen einzuschränken. Diesem Grundgedanken des schrittweisen Vorgehens unterliegt auch die landschaftliche Entwicklung im Dorf Rohrbach. Im Takt mit der Entwicklung der neuen Anlage und nicht zuletzt abhängig vom Engagement der Dorfbewohner kann das neu entstehende innovative Abwassersystem Schritt für Schritt die Entwicklung der Ressourcenlandschaft nach sich ziehen.
Die bauliche Umsetzung hat mit der Verortung der Pflanzenkläranlage und der Entwicklung ganz konkreter Gestaltungsideen ihren Schwerpunkt zunächst im Schlosspark von Rohrbach. Als ein Reallabor ist dies der Impuls für die langfristige Entwicklung des gesamten Dorfes. Von der Pflanzenkläranlage ausgehend soll sich der Schlosspark mittelfristig zu einer Ressourcenlandschaft mit vielfältigen Nutzungen entwickeln. Die Erzeugnisse der Pflanzenkläranlage, wie das gereinigte Abwasser, sollen möglichst direkt vor Ort weitere Verwendung finden. So sind zunächst ein Angelteich und der Anbau von Obst und Gemüse im Park angedacht. Aber auch für Tierhaltung steht Raum zur Verfügung.
Das gemeinschaftliche Wirtschaften der Dorfbewohner soll möglich gemacht werden. Die Gestaltung des Parks, welche sich an der historischen Struktur des Schlossparks orientiert, ermöglicht eine weitgehende Flexibilität in der Nutzung. Über Patenschaften können die Bewohner ihren Park bewirtschaften und gestalten. Bestehende Gemeinschaftsflächen, wie ein Areal mit Grillhäuschen und Sitzbänken werden als "grünes Wohnzimmer" des Dorfes erhalten und um einen Spielbereich für Kinder, das "Spielzimmer" erweitert. Die Verbindung von Spielen und Lernen soll hier, genauso wie im Rest des Parks, im Zentrum stehen. So wird die örtliche Grundwasserressource über den bestehenden Brunnen und die Regenwasserressource über das große Scheunendach genutzt, um mit Wasser zu "matschen" und zu lernen. Ökologische und physikalische Eigenschaften des Wassers werden den Besuchern im "Spielzimmer" nähergebracht, während die technischen Aspekte der Abwasserreinigung direkt an der Pflanzenkläranlage sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden.


Zum Bau des Ressourcenparks werden möglichst weitgehend die vor Ort vorhandenen Ressourcen Verwendung finden. Neben dem direkten Engagement einzelner Bürger sind dies über Jahre im Schlosspark gesammelte Baumaterialien und Materialien, welche über den Abbruch alter Strukturen zur Verfügung stehen. So werden langfristig nicht nur die Ressource Wasser, sondern damit in Verbindung auch viele weitere Ressourcen das Ortsbild Rohrbachs und insbesondere des Schlossparks prägen.
Grüne Elemente wie Bereiche der Gartenlandwirtschaft, der Pflanzenkläranlage oder des oberflächlichen Regenwassermanagements sind untereinander und mit den technischen Elementen, zum Beispiel zur Energiegewinnung, und mit der vorhandenen Verkehrs- und Wohninfrastruktur verbunden. Die verschiedenen Anlagen und Landschaftselemente werden in das Dorf integriert, mit lokalen Ansprüchen verknüpft und so die Kreislaufprozesse sichtbar gemacht.


Das Projekt stellt eine herausragende Chance für die Einwohner dar, die Abwasseranlage in die landschaftliche Gestaltung des Raumes zwischen Wohnbebauung und Landwirtschaft zu integrieren. So können neue Technologien und Naturelementen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zusammenwirken und gleichzeitig kann eine gestaltete Infrastrukturlandschaft für die Dorfbevölkerung geschaffen werden.
Auf diese Art und Weise stellt sich die Ressourcenlandschaft als lebenswertes Netzwerk dar, mit Potenzial zum Wachstum - zunächst innerhalb des Ortes und dann als Vorbild für andere Orte mit ähnlichen Herausforderungen.
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