Schadensvermeidung
Sichere Entwässerung begrünter Dächer
Die Häufung von Extremwetterereignissen in Folge des Klimawandels ist durch verschiedene Forschergruppen wissenschaftlich belegt. Die Euro-Cordex-Initiative des Climate Service Center Germany erwartet, dass im Norden Europas Niederschläge generell zunehmen und in Südeuropa abnehmen. Für die meisten Regionen des Kontinents wird eine Zunahme von Starkniederschlägen vorhergesagt.
Ein unsensibler Umgang mit der Entwässerungsplanung ist daher fahrlässig und nicht nachvollziehbar. Trotz enormen Kostendrucks durch Bauherren und Investoren sollte der Planer dem Auftraggeber die entwässerungstechnische Sicherheit und das drohende Schadenspotenzial deutlich vor Augen führen. Die Entwässerungsplanung hat zwingend nach den folgenden Normen zu erfolgen:
Dachentwässerung, Planung und Bemessung
- DIN 1986-100 - Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke,
- Teil 100: Zusätzliche Bestimmungen zu DIN EN 752 und DIN EN 12056,
- DIN EN 12056 - Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden Teil 3.
Bei der Planung von Dächern ist prinzipiell sicherzustellen, dass begrünte und nicht begrünte Teilflächen einwandfrei entwässert werden. Die Dachentwässerung arbeitet immer dann korrekt, wenn das anfallende Niederschlagswasser rückstau- und schadensfrei abgeleitet wird.
Anpassungen und Ergänzungen zu den bestehenden Normen tragen diesem Grundgedanken Rechnung. So gab es beispielsweise im November 2013 einen zusätzlichen Entwurf für die DIN 1986-100 (E DIN 1986-100/A1:2013-11), mit der textlichen Übernahme deutlich differenzierter Abflussbeiwerte für Gründächer, in Anlehnung an die FLL Dachbegrünungsrichtlinie 2008 - Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau: Die FLL-Dachbegrünungsrichtlinien lassen neben den angeführten Pauschal-Abflussbeiwerten ausdrücklich auch systembezogene Abflussbeiwerte zu und haben hierfür ein spezielles Prüfverfahren entwickelt.). Ebenfalls positiv für die gesamte Gründachbranche ist die seit Jahrzehnten geforderte und wissenschaftlich belegte Erhöhung des Abflussbeiwertes für Kiesdächer. Anstatt des bisher zu niedrigen Abflussbeiwertes von C = 0,5 wurde der Spitzenabflussbeiwert Cs = 0,8 in die DIN übernommen.
Entwässerungsnachweis Gründach
Grundsätzlich geht es bei der einwandfreien Entwässerungsberechnung darum, den Regenwasserabfluss des Gründaches gleich beziehungsweise geringer zu halten als die Ablaufleistung der Entwässerungsanlage, das heißt eines Ablauf per Rohrleitungssystem. Dabei sind zwei Aspekte in der Planung zu berücksichtigen: die Dränage in der Fläche und die nachfolgende Übergabe in die Entwässerungseinrichtung. Viele der immer größer werdenden Dachbegrünungen sind nicht mehr in der Lage, die anfallenden Wassermengen den Abläufen rückstaufrei zuzuführen. Grund sind lange Fließlängen und zu gering dimensionierte Dränschichten vor allem im Umfeld der Entwässerungseinrichtung. Es kommt zum Oberflächenabfluss auf dem Dachsubstrat und bei anfänglich fehlender Vegetation zu Erosionsschäden und Materialverfrachtung in Kiesstreifen und Dachabläufe. Zurückgestautes Wasser bedeutet mehr Last (Einsturzgefahr) und sich ändernde Vegetationsformen mit erhöhtem Unterhaltungs- und Pflegeaufwand.
Maßgebend für den Entwässerungsnachweis ist die aktuelle Richtlinie für Dachbegrünung der FLL 2008. Sie gibt das Verfahren zur Berechnung der Abflussleistung von Dränschichten vor. Nur in sehr seltenen Fällen darf es zu einem Oberflächenabfluss kommen, unter der Voraussetzung, dass die Vegetationsfläche geschlossen ist. Im Regelfall muss das fünfjährliche Regenereignis r(5,5) durch die Dränage abgeführt werden. Folgende Faktoren sind neben der DIN EN 12056-3 und DIN 1986-100 im Rahmen einer verantwortungsbewussten Entwässerungsplanung zu berücksichtigen:
- regionale Berechnungsregenspende r(5,5) in l/s x ha,
- mögliche maximale Last des Begrünungsaufbaus (wassergesättigt kN/m²),
- Gründachaufbau in Abhängigkeit des Vegetationsziels,
- Spitzenabflussbeiwert Cs in Abhängigkeit der Aufbauhöhe des Gründachs,
- geplante Dachgeometrie (trichter- beziehungsweise linienförmige Entwässerung),
- maximale Fließlängen,
- geplantes Dachgefälle.
Orientierungswerte Abflussspende Dachbegrünung
Bei der Vielzahl an Parametern, Dränage- und Anschlussmöglichkeiten droht der Planer leicht den Überblick zu verlieren. Tabelle 1 soll Architekten und Entwässerungsplanern ein Gefühl vermitteln, wie viel Wasserzufluss in Abhängigkeit der angeschlossenen Fläche, bei unterschiedlichen Begrünungsarten am Ablauf zusammenströmt. Die Bemessungsregenspende wurde pauschal auf recht hohe 350 l/s x ha festgesetzt, um die verschiedenenden Regionen Deutschlands abzubilden. Vielfach werden in Abflussberechnungen befestigte Flächen nicht oder nur unzureichend in die Betrachtung mit einbezogen. In Tabelle 1 wurde ein pauschaler Befestigungsgrad (Oberlichter, Kiesbereiche, technische Aufbauten) von zehn Prozent mit einem Abflussbeiwert von C = 1 mit einbezogen.
Ein einfaches Beispiel zeigt, wie ermittelt werden kann, ob die Dränageleistung des geplanten Gründaches ausreicht. Für eine Gesamtfläche von 400 Quadratmetern mit zwei Abläufen, einem Abflussbeiwert (Extensive Begrünung) C = 0,5 sowie einem Trichtergefälle von 2 Prozent gilt folgender Rechenweg: Entsprechend der Tabelle 1 ergibt sich ein Abfluss im Bemessungsereignis r(5,5) von rund 7,7 l/s. Auf jeden der beiden Abläufe fließen somit 3,85 l/s zu: 7,7 ÷ 2. Diese Wassermenge kann zum Beispiel von der Optigrün-Festkörperdränage Typ FKD 40 und deren freier Austrittsbreite unter einem Maxi-Kontrollschacht rückstaufrei abgeführt werden. Die Austrittsbreite unter einem Maxi-Kontrollschacht beträgt 0,44 m x 4 Seiten = 1,76 m Multipliziert mit der Ableitkapazität der FKD 40 bei 2 Prozent ergibt das: 1,76 m x 2,31 l/s = 4,07 l/s. Dementsprechend ist eine normgerechte und einwandfreie Entwässerung am Ablauf gesichert, da die ankommende Regenwassermenge die Ablaufkapazität nicht überschreitet: 3,85 l/s < 4,07 l/s.
Tobias Klinger