Eignung von Stauden in textilen Vegetationsträgern

Begrünte Fassadenkacheln - Pflanzen für die Wandbegrünung

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1 Textiler Vegetationsträger: Sandwich-Konstruktion aus zwei gewirkten Polyester-Matten mit zwischengelegtem Verteil- und Transportvliesstoff (Polyester/Viskose). Foto: Maren Stollberg

Ist das Fassadenkunst - oder kann das noch mehr? "Living walls", sind vor allem durch Patrick Blanc bekannt. Der Botanik-Künstler lässt Pflanzen an Wände wachsen und das insbesondere in wärmeren Klimaten. Mittlerweile ist die Kunst der Bauwerksbegrünung weltweit angekommen und wird durch "Grüne Zukunftsstädte" wie Singapur immer populärer.

Bauwerksbegrünung wirkt beeindruckend und hat einige positive Effekte. Zum Beispiel werden Hitzetage erträglicher, da die Pflanzen die Lufttemperatur abkühlen (Pfoser et al. 2013). Wir können uns an Klimawandelfolgen anpassen, die Artenvielfalt fördern und uns an dieser "künstlichen Natur" erfreuen (Mayrand und Clergeau 2018; Manso und Castro-Gomes 2015, BfN 2015). Auch die Förderung der Gesundheit sowie des sozialen Zusammenlebens der Menschen wird beschrieben (Radi? et al. 2019).

Diese Effekte sind von Stadtgrün wie etwa Parkanlagen bekannt (Kowarik et al. 2017), daher stellt sich die Frage, warum brauchen wir Bauwerksbegrünung? Der Trend zu Mega Cities - also eine größer werdende Stadtbevölkerung (Milbert 2015) und die Verdichtung des urbanen Raums durch Straßen und Gebäude bedeutet auch den Verlust von Grünflächen (Pfoser et al. 2013). Das macht es schwierig für die Menschen in der Stadt ein Naturangebot zu schaffen (Milbert 2015). Die Begrünung von bisher ungenutzten Fassadenflächen, ist eine Möglichkeit, um trotz hoher Versieglungsraten in der Stadt einen höheren Anteil an Grünfläche zu schaffen (Pfoser et al. 2013, Adam und Dosch, 2015; Stuttner, 2015).

Obwohl die Möglichkeiten von vertikaler Bauwerksbegrünung bekannt sind wird das Potenzial in Deutschland nicht vollständig ausgeschöpft (Mann et al. 2020). Gründe dafür sind neben Fehlschlägen von Großprojekten auch finanzielle Vorbehalte. Probleme und hohe Kosten entstanden häufig durch eine unausgereifte Pflanzenverwendung und einem unerwartet hohen Wartungsaufwand als ein Resultat aus Einsparungen von Planungsleistungen (Eppel 2015). Für die Pflanzenverwendung ist insbesondere der Mitteleuropäische Winter eine Herausforderung (Günther 2016). Darüber hinaus gibt es wenig Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnisse zur Pflanzeneignung in wandgebundener Fassadenbegrünung (Radi? et al. 2019).

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2 Versuchsaufbau am Standort Chemnitz (29.09.2017). Die Demonstrationswand ist nach Ost-Süd-Ost ausgerichtet und befindet sich in Chemnitz-Innenstadtlage. Bewässerung: Obenliegendes Bewässerungsgerinne, über kapillaren Fluss, Auffanggerinne am Fuß; Zisterne mit Pumpe und Zeitschaltuhr; Düngung Quartalsmäßig mit Flüssigdünger. Foto: Jens Mählmann
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3 Versuchsaufbau am Standort Geisenheim (13.07.2017). Dargestellte Versuchswand ist nach Westen exponiert. Weitere Versuchswände mit gleichem Aufbau exponiert nach Osten, Süden und Norden. Pflanzungsvarianten je viermal wiederholt. Geschlossenes Bewässerungssystem mit integrierter Pflanzenernährung. Foto: Maren Stollberg
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4 Pflanzschemata im Vergleich: Pflanzschema Standort Chemnitz, 2017 und Geisenheim, 2017. Nur die vergleichbaren Pflanzen, die an beiden Standorten verwendet wurden sind genannt und mit Sternen markiert. Sortenwahl für Chemnitz: 2017 Ajuga reptans \'Braunherz\', Heuchera villosa var. \'Macrorrhiza\', Tradescantia x anders. \'Bärbel\' und 2018 Tradescantia x anders. \'Zanenburg Blue\', Heuchera micran. \'Palace Purple\', Tradescantia Anderson. \'Karminglut\'.Sortenwahl für Geisenheim: alle Jahre Heuchera Hybride \'Purple Petticoats\', Tradescantia x andersoniana \'Purwell Giant\', Ajuga tenorii \'Mauro\'. Artenwahl: 2017 Alchemilla erythropoda und 2018 Alchemilla caucasia. Abb.: Maren Stollberg

Das Projekt: "Begrünte Fassadenkacheln"

"Begrünte Fassadenkacheln" war ein ZIM-Forschungsvorhaben (FKZ 4013810HF6), indem ein wandgebundenes und modulares Fassadenbegrünungssystem mit einem textilen Substrat getestet wurde (Abb. 1). Dies wurde vom STFI in Chemnitz und der Hochschule Geisenheim zusammen mit den Praxispartnern Wirth & Co. GmbH und die Wirth und Wiener GmbH durchgeführt.

Die Ziele waren die Entwicklung eines kostengünstigen und pflegeleichten Fassadenbegrünungssystems, welches ein ganzjährig ästhetisch hochwertiges Pflanzenbild zeigt. Dazu wurden die Pflanzenentwicklung, der Pflegeaufwand und die Verdunstungskühle über mehrere Jahre an beiden Versuchsstandorten untersucht. Die Pflanzenbonitur umfasste unter anderem die Vitalität, Höhe, Ausbreitung und Wuchsform. Im Folgenden wird die Vegetationsentwicklung zwischen den parallel durchgeführten Versuchen in Geisenheim und Chemnitz anhand sieben gemeinsamer Arten verglichen.

Die Versuche erfolgten von 2017 bis 2019 an jeweils dafür errichteten Wänden (vgl. Abb. 2 und 3). Diese wurden mit 27 Quadratmetern der Fassadenkacheln in Chemnitz und 64 Quadratmetern in Geisenheim ausgestattet. Da der textile Vegetationsträger sich als schwer benetzbar erwies, wurden die Matten mittels automatischer Bewässerung und Düngung dauerhaft feucht gehalten. Dieser Faktor bestimmte zusammen mit den jeweiligen Lichtverhältnissen an den Versuchswänden und den Klimabedingungen die Pflanzenauswahl.

Die Standorte Chemnitz und Geisenheim zeichnen sich durch unterschiedliche Klimabedingungen aus (Abb. 10). Das Weinbauklima der Winterhärtezone 8a in Geisenheim ist geprägt durch milde Winter und heiße Sommer. Dagegen wird Chemnitz zur Winterhärtezone 7a gezählt und zeichnet sich durch kalte Winter und kühlere Sommer aus.

Für eine möglichst klimaangepasste, abwechslungsreiche und regionaltypische Wandbegrünung wurden sieben vermeintlich an beide Klimate angepasste Arten ausgewählt und in der Süd-Ost Exposition getestet (Abb. 4). Neben den gemeinsamen Arten wurden weitere Pflanzen verwendet, die jeweils an die örtlichen Versuchsbedingungen angepasst waren. In Chemnitz wurden insgesamt elf Pflanzenarten untersucht, deren Auswahl sich auf pflegeleichte und effiziente Bepflanzung richtete. Die Arten, wurden im Herbst 2017 direkt in die hängenden Vegetationsträger gepflanzt (Pflanzdichte von elf Pflanzen/m²).

Für Geisenheim wurden insgesamt 30 Arten ausgewählt und in zwei unterschiedliche Pflanzvariationen "Bodendecker" und "Kaskade" eingeteilt. Zusätzlich untersuchten wir eine Regiosaatgutmischung und die Kontrolle ohne Bepflanzung. Die einen Quadratmetern großen Vegetationsträger wurden zwei Monate im Gewächshaus, horizontal vorkultiviert. Im Juli 2017 wurden diese in vierfacher Wiederholung an vier Versuchswänden, in einem randomisierten Versuchsdesign aufgehangen. Die Pflanzenentwicklung wurde über zwei Winter und drei Sommer an den Standorten untersucht.

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5 Klimadaten an den beiden Versuchsstandorten; dargestellt sind die Temperatur Tagesmittelwerte [°C]. Abb.: Maren Stollberg
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6 Vegetationsentwicklung am Standort Chemnitz (Ausrichtung: Süd-Ost) am Beispiel der mittleren Matten im Jahresverlauf. Foto: Jens Mählmann
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7 Vegetationsentwicklung am Standort Geisenheim, am Beispiel einer Wiederholung an der Südwand im Jahresverlauf. Foto: Maren Stollberg

Verwendungshinweise für die wandgebundene Fassadenbegrünung

Innerhalb der drei Versuchsjahre konnten immer wieder interessante und neue Erkenntnisse zur Eignung der Arten an den beiden Versuchsstandorten gewonnen werden.

Ein ganzjährig ansprechendes Bild boten die Heuchera Varianten und Waldsteinia ternata über alle Versuchsjahre hinweg. Beide immergrüne Pflanzen waren am Standort Geisenheim ganzjährig vital, während dies in Chemnitz nur für Heuchera bestätigt werden konnte. Heuchera ist robust, daher wird sie bereits häufig in Wandbegrünungsprojekten verwendet und als Empfehlung des BuGG gelistet (Brandhorst et al. 2015). Es wurde unter anderem eine bordeauxrote Heuchera verwendet, die einen interessanten Kontrast zu den Grüntönen der anderen Pflanzen ergab. Heuchera wuchs schnell und kugelförmig um die Pflanzposition. Im 2. Versuchsjahr bedeckte die Blattschmuckstaude ca. 25 Prozent der Fassadenkachel (Abb. 6).

Waldsteinia ternata konnte sich in Geisenheim gut entwickeln, in Chemnitz erwies sie sich als vollkommen ungeeignet. An beiden Standorten wurde eine langsame Ausbreitung beobachtet. Im dritten Vegetationsjahr breitete sie sich in Geisenheim auf ungefähr 20 Prozent der Fläche aus, wurde aber zeitweise (2017) von Lysimachia nummularia überdeckt. Die Art bildete wie Heuchera einen wichtigen Winteraspekt. Nach dem Winter folgte eine schöne gelbe Blüte, die auch für Insekten anziehend war.

Als saisonal wirksame Blattschmuckstaude zeigte sich Lysimachia nummularia. Diese Art brachte durch ihr buntes Laub einen besonderen Aspekt. Die Pflanze zeigte sich direkt nach der Pflanzung wachstumsstark und bedeckte zeitweise etwa 50 Prozent des Vegetationsträgers (z. B. Juli 2017), sodass ein Rückschnitt nötig war. Kleine, rundliche, gelbe Blättchen ergaben zwischen den grünen Blättern ein frühlingshaftes Pflanzenbild. Im Winter färbte sich das Laub kältebedingt rötlich und zierte bis in den Januar. Nach den letzten Frösten war das Laub abgestorben. Spätestens im Juni bedeckte Lysimachia nummularia wieder die Wände. Am Standort Chemnitz konnte eine ähnliche Entwicklung beobachtet werden. In den Wintermonaten fiel diese Art aufgrund der kühleren Temperaturen früher aus.

Zusätzlich zu den gepflanzten Arten ergab sich am Standort Geisenheim ein interessanter Effekt durch Moose (Abb. 10). Die Moose (v. a. Marchantiophyta) siedelten sich selbst an und breiteten sich langsam in den Vegetationslücken aus. Gelegentliche Ausfälle der Moose konnten wir im Winter und bei zu heißen Temperaturen dokumentieren. Wahrscheinlich führte die Bewässerung bei hohen Temperaturen zum Ausfall der Moose. Insgesamt bewirkten die Moose einen höheren Bedeckungsgrad und wurden als ästhetisch positiver Aspekt bewertet. Während andere Wandbegrünungssysteme auf die Beimpfung mit Moosen setzen und gegebenenfalls scheitern, hat sich die Option der Selbstansiedelung von Moosen durch die Schaffung der Wachstumsvoraussetzungen erfolgreich gezeigt.

Weiterhin haben wir Alchemilla erythropoda, Alchemilla caucasica, Ajuga reptans, Ajuga tenorii, Geum coccineum und Tradescantia x andersoniana als Aspektbildner dokumentiert, die zeitweise das Pflanzenbild in den Sommermonaten ergänzten oder sogar dominierten.

Alchemilla Arten werden ebenfalls bereits häufig in Fassadenbegrünung eingesetzt. In Geisenheim wurde 2017 Alchemilla erythropoda gepflanzt. Diese fiel schon nach wenigen Wochen und trotz wiederholtem Nachpflanzen in allen Wiederholungen aus.

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8 Entwicklung der Vergleichs-Arten am Standort Geisenheim. Dargestellt sind die Boniturwerte (Median aus n=4) im Versuchszeitraum (von 1 sehr schlecht, über 3, 5, 7 bis 9 sehr gut). Abb.: Maren Stollberg
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9 Entwicklung der Vergleichs-Arten am Standort Chemnitz. Dargestellt sind die Boniturwerte (Median aus n=3) im Versuchszeitraum (von 1 sehr schlecht, über 3, 5, 7 bis 9 sehr gut). Abb.: Maren Stollberg

Alchemilla erythropoda hatte in Chemnitz den ersten Winter (2017/2018) gut überstanden, fiel aber im Laufe des Jahres aus. Im Frühjahr 2018 versuchten wir es am Standort Geisenheim mit Alchemilla caucasica, die sich sehr gut etablierte. Sie zeigte einen schönen Blatt- und Blütenschmuck in den Sommermonaten und zierte auch zu Beginn der Winterzeit mit größtenteils grünem Laub und den abgestorbenen Blütenstengeln. Im darauffolgen Jahr (2019) trieb Alchemilla caucasica schon im März aus.

Einen besonders schönen Sommeraspekt zeigte in Geisenheim Ajuga tenorii. Das Laub war eher unauffällig, bildete aber durch die dunkle Färbung einen spannenden Kontrast zu den anderen Arten. Die sich flächig ausbreitenden Pflanzen zeigten im Frühjahr einen schönen Blühaspekt. In den Wintermonaten sah die Pflanze nicht ansprechend aus. Die in Chemnitz eingesetzte Ajuga reptans stellte sich als ungeeignet heraus.

Geum coccineum erwies sich mit seinem kugelförmigen Wuchs und zahlreichen Blättern als stabiler, optisch zurücktretender Flächendecker. Die schnellwüchsige Art trieb im Frühjahr zeitig aus, zeigte jedoch im Sommer vereinzelt braune Blätter. Die leuchtenden gelb-orangen Blüten ergaben einen interessanten Blühaspekt. Während sich Geum coccineum in Geisenheim von Beginn an gut entwickelte wurden in Chemnitz anfängliche Startschwierigkeiten beobachtet. Hier bevorzugte die Pflanze vor allem schattige und feuchtere Bereiche.

Ebenfalls Blütenreich war am Standort Geisenheim Tradescantia x andersoniana. Diese Pflanze zeichnete sich durch viele violette Blüten und ein eher unauffälliges Blattwerk aus. Die Blätter wiesen zeitweise braune Flecken und Mehltau auf. Exemplare in den oberen Vegetationsmatten wuchsen hier weit (ca. 20 cm) über die Matten heraus. Diese Beobachtungen wurden in Chemnitz nicht gemacht. Hier trieb die Art zuverlässig, aber oft erst spät aus und erreichte ihren vollen Deckungsgrad erst ab Ende Juni.

Pflanzenentwicklung unter den unterschiedlichen Klimabedingungen

Erwartungsgemäß wirkten sich die unterschiedlichen klimatischen Extreme im Sommer und Winter an beiden Versuchsstandorten auf die Pflanzenentwicklung aus. In den Sommermonaten wurden in Geisenheim im Vergleich die höheren Temperaturen gemessen (Abb. 5). Hier konnten durch das regelmäßige feucht halten der Vegetationsträger die Stresssymptome auf wenige Verbrennungen an den Blättern reduziert werden. Die Moose fielen im Sommer aufgrund der falschen Bewässerung aus.

Besonders in Geisenheim waren die Wintermonate zwischen 2017 und 2018 ungewöhnlich und problematisch. Während viele Arten trotz niedriger Temperaturen noch im Dezember mit einem ansprechenden Blattwerk überzeugten, sorgte eine späte einwöchige Frostperiode Ende Februar 2018 für einen Ausfall von fast 60 Prozent aller Pflanzen in Geisenheim (Abb. 5 und Tab. 1). Mit wenigen Exemplaren überlebten an beiden Standorten Geum coccineum und Waldsteinia ternata. Teilweise überlebte Lysimachia nummularia, die sich aber in Chemnitz erst im August vollständig erholte. Heuchera und Tradescantia andersoniana zeigten eine hohe Überlebensrate.

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10 Ansiedelung von Moos auf den Fassadenkacheln in Geisenheim. Foto Maren Stollberg
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Tab.1: Überlebensrate der Vergleichs-Pflanzen nach den Wintern 2017/2018 und 2018/2019.

Der folgende Winter 2018/2019 war vergleichsweise milder und die Ausfallquote von 20 Prozent der Pflanzen deutlich geringer. Fast alle Arten am Standort Geisenheim konnten diesen Winter überdauern, während am Standort Chemnitz nur einzelne Exemplare von Heuchera und Tradescantia x andersoniana überlebten. Die ausgefallenen Arten wurden jeweils im folgenden Frühjahr nachgepflanzt oder ersetzt. Eine geschlossene Pflanzdecke wurde in Geisenheim für die Bodendecker Variante im Juli 2018 und im Juni 2019 erreicht.

Die unterschiedlichen Klimabedingungen an den Standorten sind eine Erklärung für die differenzierten Ergebnisse. Zusätzlich muss beachtet werden, dass der Versuchsaufbau, die Wasser- und Nährstoffgabe und auch weitere Umweltbedingungen sich an den Standorten unterschieden und einen Einfluss auf die Pflanzenentwicklung haben könnten.

Pflege

Die Pflegemaßnahmen umfassten an beiden Standorten neben einer regelmäßigen Bewässerung und Düngung, das Entfernen von Wildanflug und dem Rückschnitt stark wachsender Arten. In Chemnitz konnten sich zum Beispiel Oxalis corniculate, Sonanum dulcamara, Salix spec. in der Versorgungsrinne und im Vegetationsträger zahlreich ansiedeln. In Geisenheim wurde etwa Stellaria media, Salix spec., Taraxacum spec., Populus spec. und Poa annoa überwiegend in den vegetationsfreien Bereiche beobachtet.

Ausblick

Die dargelegten Untersuchungen zeigen, dass die Vegetationsentwicklung an der Fassade sich von den jahrelangen Erfahrungen aus bodengebundenen Pflanzungen unterscheidet. In der Pflanzplanung für grüne Fassaden müssen wir uns mit der Wuchsform und dem Ausbreitungsverhalten in der Vertikalen neu auseinandersetzen. Altbewährte Gartenstauden müssen auf ihre Widerstandskraft in Fassadenbegrünungssystem und unter dem Wand-Mikroklima untersucht werden. Die größte Herausforderung für eine dauerhafte Pflanzenverwendung sind insbesondere späte Frostperioden. Der Einsatz von deutschlandweit robusten Arten wie Heuchera sollte zukünftig durch regional angepasste Pflanzen wie Lysimachia nummularia, Alchemilla caucasia und Geum coccineum ergänzt werden.

Zur Schaffung neuer artenreicher vertikaler Gärten gehört in unseren Klimaregionen immer eine Portion Risikobereitschaft! Scheitern gehört zum Lernprozess und sollte auf der Suche nach neuen Pflanzbildern in die Planung einbezogen werden. Wird der jährliche Pflanzenaustausch im Frühjahr und eine langjährige fachliche Begleitung der Bepflanzung mitbedacht, könnten nachhaltige und vielfältige vertikale Begrünungskonzepte entstehen!

Danksagung

Wir danken für die finanzielle Unterstützung des ZIM-Projekts (FKZ 4013810HF6) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Literatur

Adam, Brigitte und Dosch, Fabian 2015. Urbane Freiräume - Qualifizierung, Rückgewinnung und Sicherung urbaner Frei- und Grünräume. BBSR Homepage - Bereich Stadtentwicklung. Online abgerufen unter: www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ReFo/Staedtebau/2015/UrbaneFreiraeume/01_Start.html (abgerufen am 07.12.2015).

BfN - Bundesamt für Naturschutz 2015: Naturbasierte Ansätze für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.

Brandhorst, Stefan/Zorn, Gregor/Steenis, Nils von/Mann, Gunter (2015). Pflanzen wandgebunden Arten 2015. FBB Pflanzliste. Online verfügbar unter www.gebaeudegruen.info/fileadmin/website/gruen/Fassadenbegruenung/basiswissen/Pflanzenliste_wandgeb_arten.pdf (abgerufen am 25.10.2016).

Eppel, Jürgen (2015). Hang over!? - Vetrikales Grün in Nürnberg". Veichtshöchheimer Berichte aus der Landespflege (173), 17-30. (abgerufen am 10.03.2017).

Günther, Henning (2016). Vertikalbegrünungen als Element Grüner Infrastrukturen in Städten. fbr-wasserspiegel 1, 18-21. Online verfügbar unter www.fbr.de/fileadmin/Daten/Artikel_aus_wsp/Artikel_Vertikalbegruenung_drguenther_wsp1-16.pdf (abgerufen am 10.07.2020).

Kowarik, Ingo/Bartz, Robert/Brenck, Miriam/Hansjürgens, Bernd (2017). Ökosystemleistungen in der Stadt. Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen : Kurzbericht für Entscheidungträger. Leipzig, Naturkapital Deutschland - TEEB DE.

Mann, Gunter/Gohlke, Rebecca/Wolff, Fiona (2020). BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2020. Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung Deutschland. (abgerufen am 13.06.2021).

Manso, Maria/Castro-Gomes, João (2015). Green wall systems. A review of their characteristics. Renewable and Sustainable Energy Reviews 41, 863-871.

Mayrand, Flavie/Clergeau, Philippe (2018). Green Roofs and Green Walls for Biodiversity Conservation: A Contribution to Urban Connectivity? Sustainability 10 (4), 985. doi.org/10.3390/su10040985.

Milbert, Antonia 2015. Wachsen oder Schrumpfen? BBSR-Analysen Kompakt 12/2015. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Pfoser, Nicole/Jenner, Nathalie/Henrich, Johanna/Heusinger, Jannik/Weber, Stephan/Schreiner, Johannes/Kanashiro, Carlos (2013). Gebäude, Begrünung und Energie: Potenziale und Wechselwirkungen. Interdisziplinärer Leitfaden als Planungshilfe zur Nutzung energetischer, klimatischer und gestalterischer Potenziale sowie zu den Wechselwirkungen von Gebäude, Bauwerksbegrünung und Gebäudeumfeld. Technische Universität Darmstadt; Technische Universität Braunschweig. Online verfügbar unter www.irbnet.de/daten/rswb/13109006683.pdf (abgerufen am 23.11.2016).

Radic', Mina/Brkovic' Dodig, Marta/Auer, Thomas (2019). Green Facades and Living Walls - A Review Establishing the Classification of Construction Types and Mapping the Benefits. Sustainability 11 (17), 4579. doi.org/10.3390/su11174579.

Stuttner, Dolores2015. Grüne Fassaden - gesundes Stadtklima. Architektur Fachmagazin. www.architektur-online.com/kolumnen/gruene-fassaden-gesundes-stadtklima (abgerufen am 24.11.2015).

Dipl.-Biol. Jens Mählmann
Autor

Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V., Chemnitz

Sächsisches Textilforschungsinstitut e. V., Chemnitz
M. Sc. Maren Stollberg
Autorin

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zierpflanzenforschung und urbanen Gartenbau

Hochschule Geisenheim
Prof. Dr. Alexander von Birgelen
Autor

Hochschule Geisenheim, Institut für urbanen Gartenbau und Pflanzenverwendung

Hochschule Geisenheim

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